Theaterbesuch mit der ganzen Familie in der Weihnachtszeit

Peterchens Mondfahrt, Foto: Thomas Braun
Peterchens Mondfahrt, Foto: Thomas Braun

Die Geschwister Peter und Anne erleben ein unglaubliches Abenteuer bei ihrer Reise zum Mond.

Was gibt es Schöneres als einen gemütlichen Theaterbesuch mit der ganzen Familie in der Weihnachtszeit? Eine Himmelslandschaft mit großem Mond und vielen leuchtenden kleinen Sterne bringt Groß und Klein zum Staunen und Träumen. Eine tolle Geschenkidee des Theaters Heilbronn für Märchenfreunde…

Vorstellungen

Märchenoper »Hänsel und Gretel« aus dem Staatstheater Karlsruhe zu Gast

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Obwohl eigentlich nur die Lebkuchen, aus denen das Hexenhaus besteht, die Beziehung zu Weihnachten herstellen, ist die Märchenoper »Hänsel und Gretel« in den Theatern eines der beliebtesten Werke zur Weihnachtszeit. Was für ein Glück, dass das Theater Heilbronn die Karlsruher Interpretation des ehemaligen Intendanten Achim Thorwald für eine Gastspielreihe von acht Vorstellungen verpflichten konnte. Am 30. November ist die Heilbronner Premiere dieser erfolgreichsten Märchenoper aller Zeiten.
Eigentlich wurde Engelbert Humperdinck im Jahre 1890 von seiner Schwester lediglich gebeten, einige Kinderlieder für ihr kleines Märchenspiel »Hänsel und Gretel«, das sie im Familienkreis aufführen wollte, zu schreiben. Doch die Lieder stießen auf so große Begeisterung, dass er sich entschloss, aus dem kleinen Singspiel eine abendfüllende Oper zu machen, die 1893 in Weimar unter dem Dirigat von Richard Strauss ihre umjubelte Uraufführung erlebte. Entstanden war ein dramatisches und sinfonisches Meisterwerk über den ungewöhnlichen Reifungsprozess eines Geschwisterpaares, ein »Stück Kinderleben«, wie es der Komponist selbst der Ouvertüre voranstellte.
Das Libretto von Humperdincks Schwester Adelheid Wette orientiert sich am Märchen der Brüder Grimm. Hänsel und Gretel leben unter ärmlichen Verhältnissen mit ihrem Vater, dem Besenbinder, und der Mutter zusammen. Als sie eines Tages übermütig spielen, anstatt ihre Arbeit zu erledigen, werden sie von der Mutter zur Strafe in den Wald geschickt, um Beeren zu sammeln. Der Vater macht seiner Frau Vorwürfe, denn im Wald treibt eine gefährliche Hexe ihr Unwesen. Beim Beerensuchen merken die Kinder nicht, wie schnell es dunkel wird. Mit Einbruch der Nacht wird ihnen mulmig zumute. Der Sandmann schickt sie mit seinem tröstenden Abendsegen in den Schlaf.  Am nächsten Morgen stehen sie vor einem Haus aus Lebkuchen und Zuckerzeug. Als sie davon naschen wollen, erscheint plötzlich die Hexe und nimmt sie gefangen. Hänsel soll im Ofen gebraten werden und Gretel für sie arbeiten, doch durch eine List gelingt es den Kindern, stattdessen die Hexe in den Ofen zu stoßen und die vielen Kinder, die schon von ihr verzaubert wurden, zu befreien.
Der berühmte Kinderpsychologe Bruno Bettelheim schrieb: »Solange Kinder an Hexen glauben – wie sie es immer getan haben und immer tun werden, bis sie so alt geworden sind, dass sie sich nicht mehr gezwungen sehen, ihren gestaltlosen Ängsten eine menschenähnliche Gestalt zu geben, sollte man ihnen Geschichten erzählen, in denen gescheite Kinder es fertigbringen, sich von solchen Verfolger-Figuren ihrer Phantasie zu befreien. Wenn ihnen das gelingt, haben sie davon – genau wie Hänsel und Gretel – einen ungeheuren Gewinn.«

Silke Zschäkel

Schenken Sie zu Weihnachten Theater

_TIG7317Wir bieten Ihnen die verschiedensten Geschenkideen für jeden Geldbeutel.

Gutscheine in allen Preislagen (für einzelne Vorstellungen oder für Vorstellungen mit anschließendem Essen im Theaterrestaurant „Gaumenspiel“

Wahlabo: Das Wahlabo erfreut sich in Zeiten immer größer werdender zeitlicher Flexibilität großer Beliebtheit. Es berechtigt zum Besuch von 8 Vorstellungen: vier im Großen Haus, zwei im Komödienhaus und zwei in der BOXX. Dazu gehören noch vier Ermäßigungsgutscheine, mit denen man weitere vier Vorstellungen zu ermäßigten Konditionen besuchen kann. (Preise zwischen 56 und 148 Euro)

-Theatercard: Die Theatercard ist ein sehr beliebtes Geschenk. Sie kostet 60 Euro (für Schüler 35 Euro) und funktioniert ähnlich wie eine Bahncard. Inhaber der Theatercard können jede Vorstellung zum halben Preis besuchen – egal, wie oft sie ins Theater gehen. Menschen, die gern ins Theater gehen, freuen sich sicher über dieses Geschenk, das sie ein ganzes Jahr nutzen können. Wenn man bedenkt, dass Musical, Musiktheater und Ballett 32 Euro kostet; Schauspielvorstellungen im Großen Haus und im Komödienhaus 24 Euro (immer jeweils beste Platzgruppe); dann kann man sich ausrechnen, wie schnell sich so eine Theatercard auszahlt.

Und nur zu Weihnachten: Die Weihnachtspäckchen

Extra zur Weihnachtszeit haben wir für Sie kleine Geschenkpäckchen geschnürt mit jeweils vier Vorstellungen, die man ganz nach Geschmack zusammenstellen kann. Päckchen 1 enthält „Komödienhaus pur“, Päckchen 2 einen „Mix im Großen Haus“ und Päckchen 3 „Von allem etwas“. Mit Preisen zwischen 35 und 67 Euro passen diese Weihnachtsgeschenke auch in Ihr Budget.

Silke Zschäkel

Erste Bühnenprobe für Antigone

Foto 2-1Eine erste Bühnenprobe ist bei jeder Inszenierung ein magischer Moment: Wochenlang haben Regieteam und Schauspieler auf der Probebühne in Attrappen Text, Situationen und Figuren erarbeitet, die Vorstellung vom Endergebnis nur im Kopf.

Jetzt stehen sie plötzlich auf der Bühne – und zu aller Überraschung ist diesmal ein Großteil des Bühnenbilds schon da. Sieben Säulen bilden gewaltig einen rechten Winkel. Ein abgebrochenes Säulenteil liegt links auf dem Boden. Anastasija Bräuniger, seit Ende letzter Spielzeit neu im Ensemble, wird hier ihre erste Klassiker-Hauptrolle spielen, Antigone. Beeindruckt blickt sie an der äußersten rechten Säule hoch zum Portal. Sie streicht über die glatte Oberfläche.

Von einem korinthischen Tempel inspiriert, hat Bühnen- und Kostümbildnerin Heike Neugebauer mit Regisseurin Johanna Schall dieses Raumkonzept entwickelt. Wie eine Mahnung an die Vergänglichkeit der Macht steht das massiv wirkende Monument im Arbeitslicht. Und schon jetzt glänzen sie, die sieben Säulen, die das siebentorige Theben repräsentieren, denn sie sind nicht aus Stein, sondern aus Metall gefertigt.

Johanna Schall ruft ihre Spieler, acht an der Zahl, auf die Bühne. Im Halbkreis sitzen sie vor ihr. „Wenn wir jetzt durch den ersten Teil gehen, dann denkt an eines: Bitte nicht die hinteren Säulen bespielen, die sind noch nicht festgeschraubt.“ Nils Brück, der den Kreon spielt, zeigt auf das liegende Säulenteil: „Können wir uns draufsetzen?“ Johanna Schall fasst an das rechte Ende, aus dem noch metallene Streben ragen. „Ja“, meint sie, „aber passt hier bitte auf.“ Kaum gesagt, schon steht Bühnenmeister Pit Müller bereit – mit weißem Klebeband, das er um die Streben wickelt, damit niemand sich aus Versehen verletzen kann.

Die Regisseurin wechselt von der Bühne in den Zuschauerraum, die Schauspieler in ihre Haltungen als Eröffnungschor. Die Probe beginnt: „Hart greift in unser Land das fremde Heer, / Bedrängt mit Macht die Tore, Mauern, / Der Feind wie eine Flut rauscht auf uns zu, / Es stöhnt die Stadt, ihr Grund stöhnt von dem Ansturm!“ Ein magischer Moment.

Andreas Frane

Der Schriftsteller und sein allergrößter Fans

„Misery“ nach Stephen King im Komödienhaus

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Unter den größten Schurken der Filmgeschichte nimmt Anni Wilkes Platz 17 ein. Viele kennen die verrückte Krankenschwester, die über Monate ihren Lieblingsautor in ihrer Gewalt hat und die der Fantasie von Grusel-König Stephen King entstammt. Jetzt kommt dieses tragikomische Kammerspiel über die Psychopathin und den Schriftsteller auf die Bühne des Komödienhauses. „Misery“ hat in der Bühnenfassung von Simon Moore und in der Inszenierung von Jens Schmidl am 15. November um 20 Uhr Premiere. Das Stück bietet erstklassiges Futter für die beiden Schauspieler Angelika Hart und Raik Singer und garantiert Spannung von der ersten bis zur letzten Minute.

Paul Sheldon, der kommerziell überaus erfolgreiche Autor der Misery-Liebes-Romane, ist eben auf der Rückfahrt von einer Preisverleihung, als sein Auto im Schneesturm verunglückt. Als er wieder erwacht, findet er sich in der einsamen Berghütte von Anni Wilkes  wieder. Sie, so erklärt Anni ihm, hat ihn aus dem Autowrack gezogen, ihm Schmerzmittel gegeben und intravenös ernährt. Sie ist ehemalige Krankenschwester, aber vor allem ist sie Pauls allergrößter Fan, und er könne sich glücklich schätzen bei ihr zu sein und nicht in einem Krankenhaus. Sie hat alle seine Misery-Romane verschlungen und wollte gerade im Dorf schauen, ob das neueste Buch schon als Taschenbuch zu kaufen sei, als sie auf der Heimfahrt Paul fand. Wenn das nicht ein Wunder ist!
Doch Annis Freude verfliegt ganz schnell, als sie das Manuskript des eben fertiggestellten Romans liest, mit dem Paul Sheldon sich endlich vom Schnulzen-Image der Misery-Romane befreien wollte. „Brooklyn brennt“ ist überhaupt nicht nach Annis Geschmack, und sie zwingt Paul durch Entzug der Schmerzmittel, die er wegen der schweren Beinverletzungen dringend braucht, das Manuskript zu verbrennen. Richtig wütend wird sie, als sie dann den jüngsten Roman seiner Erfolgsreihe, „Miserys Kind“, liest, in dem Paul seine Heldin sterben lässt. Das darf nicht sein! Von nun an macht sie ihm das Leben zur Hölle, und Paul muss trotz seiner unerträglichen Schmerzen einen neuen Roman schreiben und Misery wieder ins Leben zurückholen. Soll er ruhig schreien, so viel er will, sagt seine selbsternannte Pflegerin: „Kein Mensch wird hier anhalten, weil alle wissen, dass Anni Wilkes verrückt ist …“
Stephen Kings Roman “Sie” (im amerikanischen Original “Misery”) erschien erstmals 1987 und wurde ein Bestseller. King erhielt den „Bram Stoker Award“ in der Kategorie „Best Novel“.  Die Verfilmung von Rob Reiner 1990 mit Kathy Bates und James Caan ist mindestens genauso spannend wie der Roman. 1993 brachte der Schriftsteller und Regisseur Simon Moore in London seine Bühnenbearbeitung des Romans heraus, die weltweit die Bühnen erobert hat.
King, der seine Werke bescheiden als „literarisches Äquivalent zu einem Big-Mac mit einer großen Portion Pommes“ bezeichnet, versteht es meisterhaft das Grauen aus der Normalität des Alltags erwachsen zu lassen. In „Misery“ verarbeitete er mehrere Dinge, die ihn selbst sehr umtrieben: Da war seine Angst vor merkwürdigen Fans, die auch ihn und seine Familie manchmal auf beängstigende Weise bedrängten. Außerdem befürchtete er, ähnlich wie sein Held Paul Sheldon, Gefangener seines eigenen Erfolges zu werden. Und drittens war er zum Zeitpunkt des Schreibens an seinem Roman schon einige Jahre alkohol- und drogenabhängig. Die verrückte Krankenschwester „war mein Delirium, meine Metapher für meine Sucht“, erklärte King 2012 in einem Interview mit dem Spiegel.

Silke Zschäkel

Gänsehaut und Gruselschauer im Komödienhaus

Misery_66Liebt Ihr Thriller? Gänsehaut und Gruselschauer? Dann lasst Euch unseren ersten Thriller im Komödienhaus nicht entgehen: Am Samstag, 15. November, um 20 Uhr hat “Misery” von Gruselkönig Stephen King Premiere. Darin seht Ihr Angelika Hart als psychopathische Krankenschwester Anni Wilkes und Raik Singer als Paul Sheldon, Bestseller-Autor von Liebes-Schnulzen – zwei Paraderollen für diese beiden beliebten Schauspieler. SIE ist sein allergrößter Fan und ER liegt mit gebrochenen Beinen nach einem Autounfall in ihrer einsamen Hütte – wenn das nicht bedrohlich klingt.

Für die Premiere gibt es noch Karten unter 07131/563001 oder 563050 oder im Online Ticket- Shop unter www.theater-heilbronn.de.

»Was ist in unserem Herzen die Welt ohne Liebe?«

Werther_szene

»Wie froh bin ich, dass ich weg bin!« So beginnen »Die Leiden des jungen Werther« und sofort merkt man die Wut und die Unruhe, die in diesem jungen Mann stecken. Weggehen, ausbrechen, frei sein. Getrieben von einer unbändigen Sehnsucht nach Freiheit und nach dem Leben im Hier und Jetzt, macht er sich auf den Weg, Grenzen zu überschreiten und Neuland zu betreten. Jeder Baum und jeder Strauch erscheinen im Lichte seiner Freiheit wie ein kleines Wunder. Und als er dann auch noch Lotte begegnet, ist es um ihn geschehen. Die Welt scheint sich einzig um ihn zu drehen. Und obwohl er bald erfährt, dass Lotte schon vergeben ist, begehrt er sie weiter mit kindlichem Trotz, einem fast hilflosen: ICH WILL, ICH WILL, ICH WILL! Werther ist vollkommen erfüllt von einem Gefühl jugendlichen Totaloptimismus’, das ihm ständig suggeriert: Alles ist möglich!
Dieses Grundgefühl hat er gemeinsam mit Generationen junger Menschen, die aus der Geborgenheit ihrer Jugend aufbrechen und hin- und hergerissen sind zwischen dem Wunsch, Kind zu bleiben und der Notwendigkeit, erwachsen zu werden.
An diesem Punkt setzt auch die BOXX-Inszenierung des Werthers an und nicht etwa am allseits bekannten tragischen Ende. Regisseur Michael Götz stellt die Lebensentwürfe der drei Protagonisten gleichberechtigt nebeneinander. Da ist zum einen der ungestüme Stürmer und Dränger Werther, der für den Moment lebt und zum anderen der besonnene Albert, der sein Leben in einem ordentlichen Rahmen plant – zwischen diesen beiden Polen pendelt verunsichert die liebenswerte Lotte.

Goethes »Die Leiden des jungen Werther« erschien 1774 und war einer der ersten Bestseller der Literaturgeschichte. Der Briefroman entfachte ein regelrechtes Wertherfieber. Teile der bürgerlichen Jugend begannen Werthertracht (blauer Frack, gelbe Weste, Kniehose aus gelbem Leder und grauer Filzhut) zu tragen. Einige identifizierten sich so sehr mit dem liebeskranken Werther, dass sie sogar sein Ende teilten und sich umbrachten. Noch heute spricht man von einem »Werther-Effekt«, wenn Selbstmorde, über die in den Medien berichtet wird, Nachahmungstaten auslösen.
Doch der Grund für die weltweite Wirkung des Briefromans liegt sicher nicht nur am Suizid des unglücklichen Helden, sondern vielmehr am sprachlichen Geschick des Autors und an der Beschränkung auf die inneren Zustände Werthers, die den Leser von Goethes Text so emotional packen. Diese Energie der Liebe ist es auch, die den 240 Jahre alten Text heute noch so lebendig erscheinen lassen, und die Theaterbühne ist der ideale Ort, um am »himmelhoch jauchzen und zu Tode betrübt sein« der jungen Menschen Lotte, Albert und Werther unmittelbar teilzuhaben.

Von Stefan Schletter

Zusatzvorstellung der Komödie „Außer Kontrolle“

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Da die bisher angesetzten Vorstellungen von „Außer Kontrolle“ von Ray Cooney im Komödienhaus des Heilbronner Theaters ausverkauft sind, wurde eine Zusatzvorstellung für den 26. Dezember 2014 angesetzt. Auch für die Silvestervorstellung am 31. Dezember gibt es noch Karten. Die nächste Premiere im Komödienhaus wird am 15. November „Misery“ nach Stephen King sein. Dieses Stück steht von Mitte November bis Anfang Januar auf dem Spielplan.

Ein Bein mit Hand und Fuß

Beinabdruck Raik 2

Dass man als Maskenbildnerin mal ein täuschend echtes Männerbein herstellen muss, kommt wahrlich nicht alle Tage vor. Chefmaskenbildnerin Caroline Steinhage stand dieser Tage vor dieser Aufgabe, denn im Thriller „Misery“ nach Stephen King (Premiere am 15. November im Komödienhaus) verliert der Schriftsteller Paul Sheldon sein Bein, weil die psychopathische Krankenschwester Anni Wilkes es ihm amputiert, damit er nicht weglaufen kann. Für diese legendäre Szene aus „Misery“, die natürlich auch im Theaterstück nicht fehlen darf, musste das rechte Bein von Schauspieler Raik Singer ab Knie abwärts täuschend echt nachgebaut werden – mit Adern auf den Füßen und (Männer)Haaren an den Beinen, wie es sich gehört. Die ganze Prozedur dauerte eine Woche und begann mit einem Silikonabdruck, der vom Bein abgenommen und durch eine Gipsform stabilisiert wurde. Akribisch hat Caroline Steinhage den Silikonkautschuk aufgetragen – Millimeter für Millimeter und um jede einzelne Zehe herum. Nachdem diese “Schablone“ ausgehärtet war, wurde sie abgenommen und dann mit einem hautähnlichen Silikon ausgegossen – wieder Millimeter für Millimeter und Zehe für Zehe. Dies entspricht der tatsächlichen Hautschicht eines menschlichen Beines. Die „Muskelmasse“ wird mit einem Polyurethanschaum imitiert, der in den Hohlkörper eingefüllt wird. Nach mehrtägigem Aushärten hat Caroline Steinhage das Bein dann aus seinem Gips- und Silikonmantel befreit und mit Spannung das Ergebnis erwartet. Toll! Dieses Bein hat Hand und Fuß. Jetzt bauen nur noch die „Doktoren“ aus der Schlosserei einen stabilisierenden Metallknochen ein, und dann bekommt es den richtigen Hautfarbton, Haare und ein paar Verletzungen in der Maskenwerkstatt. Fakt ist: Das Silikonbein sieht dem echten zum Verwechseln ähnlich. Schaut es euch an – ab dem 15. November im Komödienhaus in „Misery“.

Silke Zschäckel

Geschichte, Macht, Politik und Antigone

John von Düffel schreibt für das Theater Heilbronn eine neue Bearbeitung von »Antigone«

John von Düffel, Foto: Katja von Düffel
John von Düffel, Foto: Katja von Düffel

»Wie verhält man sich in Geschichte, ohne sich in sie zu verstricken und sich die Hände blutig zu machen?« fragt Johanna Schall. »Kann man politisch handeln, ohne schuldig zu werden?« Das sind Fragen, die in der letzten Spielzeit auch ihre Shakespeare-Inszenierungen in Bremen, in Heilbronn und in Schwäbisch Hall aufgeworfen haben. Und die sie nun an und mit »Antigone« stellt, die 2.500 Jahre alte Tragödie, die nichts von ihrer Kraft und Relevanz verloren hat. In ihren beiden lebendigen Klassikerinszenierungen in Heilbronn, »Cyrano de Bergerac« und »König Lear«, hat Schall die sehr unterschiedlichen Stoffe mit all ihren virulenten politischen Fragestellungen für heute erzählt, ohne sie krampfhaft ins Heute zu zerren.
So wird es auch bei »Antigone« sein. Und doch ein bisschen anders. Denn die Berliner Regisseurin hat sich in diesem Fall nicht für eine der bekannten Bearbeitungen entschieden, die von Friedrich Hölderlin über Jean Anouilh und Bertolt Brecht bis zu Walter Jens reichen. Sie hat stattdessen den Autor und Dramaturgen John von Düffel gebeten, eine eigene Fassung zu erarbeiten. Von Düffel gilt als ein genauer Beobachter und Beschreiber von Familienbeziehungen. Seine Bearbeitungen von »Buddenbrooks« und »Der dressierte Mann« waren bereits in Heilbronn zu sehen. 2012 schrieb er für das Deutsche Theater in Berlin eine hoch gelobte, sehr klare Dramatisierung der gesamten Sage um das fluchbeladene thebanische Geschlecht der Labdakiden, die mit der Geschichte des König Ödipus beginnt und mit dem Tod von Antigone endet. Für die Heilbronner Inseznierung hat er nun den »Antigone«-Teil abendfüllend ausgeweitet und um die Geschiochte von Eteokles und Polyneikes ergänzt. Drei Werke der drei großen griechischen Tragödienautoren hat von Düffel für seine Fassung herangezogen und kombiniert: Aischylos’ »Sieben gegen Theben«, Sophokles’ »Antigone« und Euripides’ »Die Phönizierinnen«. Er erzählt vom tödlichen Zwist der Ödipus-Söhne Eteokles und Polyneikes, vom Versuch des alten und neuen Herrschers Kreon,  nach Krieg und Untergang der Brüder die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Theben durch klare Regeln zu ordnen, und von der Ödipus-Tochter Antigone, die sich genau in diesem prekären Moment seinem Verbot, den zum Staatsfeind deklarierten Polyneikes zu bestatten, widersetzt und damit seine Macht herausfordert. Hegel hat in seiner berühmten Interpretation in diesem Konflikt von Staats- und Familieninteresse das Aufeinanderprallen von zwei gleichberechtigten Positionen gesehen. Doch mehr noch steht im Mittelpunkt – auch in von Düffels Fassung – eine Krise von Macht und Politik, ein Politiker, der als Ratgeber den Staat gerettet hat und nun als Machthaber scheitert, weil er beratungsresistent das Recht in die eigenen Hände nimmt. »Und das«, meint Johanna Schall, »ist eminent aktuell und politisch«.

Von Andreas Frane