Ra(c)ketenartig den Kunstmarkt erobert

Unser manisch malender Hausinspektor Markus Rack ist als Maler immer gefragter

Erinnern Sie sich noch an unseren manisch malenden Hausinspektor Markus Rack? Ja genau! Vor zwei Jahren haben wir ihn im Theatermagazin „Szene“ vorgestellt, weil er seine erste Ausstellung im Schloss Neudenau eröffnete. „Seitdem ging es Schlag auf Schlag“, sagt er. Denn unser Leiter der Haus- und Betriebstechnik ist mittlerweile ein in der Kunstszene gefragter Mann, der auf der „ART Innsbruck“ und der „ART Berlin City“ ausgestellt hat, dessen Bilder nicht nur Interessenten, sondern auch Käufer finden und der immer wieder für Auftragswerke angefragt wird.
Wie es zu diesem Interesse an seinen Arbeiten kommt, kann sich Markus Rack nicht erklären. „Habe ich wirklich so einen eigenen Stil?“, fragt er sich. Mit kräftigen Ölfarben, die er mit resolut aufgetragenen Graffitis kombiniert, gibt er  großformatigen Porträts von Menschen oder Tieren eine Farbintensität, die in irre, wilde Traumwelten entführt. Seine Motive setzt er mit abstrakten Zeichen, Schrift oder Elementen aus einem ganz anderen Kontext in surreal anmutende Zusammenhänge.  Der Autodidakt arbeitet ganz aus dem Bauch heraus und mit großer Energie. Er malt, weil er es muss und auch nur Bilder, die in irgendeiner Weise mit ihm und seinen Interessen zu tun haben. Deshalb nimmt er längst nicht alle Aufträge an. Er ist froh, sich mit seinem Beruf am Theater, den er (fast) genauso liebt wie die Malerei die Freiheit bewahren zu können, sich als Künstler nicht verbiegen zu müssen.
Derzeit ist er an einem spannenden Kunstprojekt in Hamburg beteiligt. Die Kunstgalerie Ewa Helena Martin präsentiert Arbeiten ausgewählter Künstler in Media-Art-Shows, also in digitaler Form auf hochwertigen Flatscreens in Großstädten Deutschlands und Europas. Kunstliebhaber, Sammler und Investoren können auf diese Weise eine größere Vielzahl an Bildern betrachten, als es in der räumlichen Begrenztheit der Galerie möglich wäre. Eine Auswahl der Bilder zeigt die Galeristin dann auch in ihrer Galerie, die übrigens weltberühmt ist. Denn in der Hamburger Milchstraße Nummer 28 residierte zuvor Gunter Sachs und präsentierte unter anderen den damals noch unbekannten Andy Warhol. Auch heute ist die Galerie ein Tipp, wenn es darum geht, die Werke potenter Künstler noch in den frühen Jahren ihrer Karriere zu erwerben. Wer weiß, wohin der  ra(c)ketenartige Aufstieg von Markus Rack noch führt.

Aus Neu mach Alt – Oder: Wie man ein neues Schiff in ein rostiges altes Wrack verwandelt und sich auch noch darüber freut

 

Rost! Wo man auch hinschaut, bröckelt die Farbe und darunter kommt eine rotbraune Rostschicht zu Tage. Ein Albtraum? Von wegen! Kirstin Köppel und Karlheinz Kirchler aus dem Malersaal des Theaters Heilbronn freuen sich. Genauso wollten sie es haben. Lange haben sie getüftelt und liebevoll daran gearbeitet, dass aus dem Schiffsrumpf der „Illyrien“, dem Bühnenbild zu Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“,  ein Kahn wird, der seine besten Tage längst hinter sich hat. Lange schon dümpelt das Schiff auf dem Meer herum, ist stellenweise vom Salzwasser zerfressen und nur notdürftig ausgebessert. So haben es sich Regisseur Herbert Olschok und Bühnenbildner Alexander Martynow vorgestellt. Eine schöne Herausforderung für die Kollegen des Malersaals – die Meister des schönen, aber bei Bedarf eben auch des heruntergekommenen Scheins.


Mit leuchtenden Augen erzählen die beiden, wie sie den Zahn der Zeit in rasender Schnelligkeit am Schiffsrumpf haben arbeiten lassen – mit jeder Menge Tricks und Raffinessen. Zum einen: Das Metallschiff besteht gar nicht aus Eisen, sondern aus einem Stahlgerüst, das mit Holz verkleidet ist. Auch die Eisennieten, mit denen  der Schiffsrumpf zusammengehalten wird – man würde schwören, sie sind aus Eisen – bestehen aus Kunststoff, der mittels einer Tiefziehmaschine geprägt wurde. Die Form dafür und die Vorgehensweise haben sich die Theatermaler selbst ausgedacht. Ebenso das Rezept für die Kaschiermasse, die als erstes auf das Holz des Schiffsrumpfes aufgetragen wurde, um der glatten, feinen Oberfläche die raue Struktur eines schwer korrodierten Metalls zu geben. „Das Rezept wird nicht verraten“, sagt Kirstin Köppel. Dann wurden Fetzen von Packpapier, Sand und Kork eingearbeitet, um den „Rost“ richtig schön abblättern zu lassen, und schließlich haben sie eine wunderbar angemischte rostbraune Farbe aufgetragen. So wurde der ganze Rumpf richtig schön eingerostet. Hinterher bekamen der Schiffsrumpf ein kräftiges Schwarz und die Aufbauten wie Kajüte und Reling ein gelacktes Weiß, so wie das Schiff in seinen ersten Jahren vielleicht ausgesehen haben mag. Und der ganze schöne Rost? Das Geheimnis ist eine Kreidemasse zwischen dem Fake-Rost und den Lackfarben. Dieser Kreideschlamm sorgt dafür, dass die Farbe nicht richtig halten kann. Wo immer man nach dem Trocknungsprozess mit dem Hammer draufklopft, kommt der sorgfältig  aufgetragene Rost zum Vorschein! Es sieht traumhaft aus – total echt. An manchen Stellen wirkt die Lackfarbe so, als würde sie gerade reißen. Auch diesen Effekt erreicht man, indem man Materialien übereinander streicht, die sich nicht miteinander vertragen, erklärt Karlheinz Kirchler. Man arbeitet mit Wachs oder Fett als Grundierung oder bringt Farben aufeinander, die unterschiedlich schnell trocknen und hat die schönsten Risse.
Auch die Holzplanken des Schiffes wurden in wenigen Tagen in morsche, von Wind und Wetter gegerbte Bohlen verwandelt. Im täglichen Leben seien die Tricks der Maler übrigens nicht zur Nachahmung empfohlen. Es sei denn man steht auf den ganz krassen Shabby-Look.

 

Theater Heilbronn mit “Kinder der Sonne” und “König und König” bei den Baden-Württembergischen Theatertagen in Ulm

Vom 30. Juni 2017 bis zum  09. Juli 2017 finden in Ulm die 23. Baden-Württembergischen Theatertage statt. Rund 30 Theater aus dem Ländle werden mit ihren Ensembles zu Gast sein, um das Publikum im “Jetzt!” – so das Motto der Theatertage – zu begeistern. Das Theater Heilbronn reist mit dem Kinderstück „König & König“ von Linda de Haan und Stern Nijland an, das am 1. Juli um 11.00 und 13.30 Uhr im Werkraum gezeigt wird. Darin geht es um einen Prinzen, der von seiner Mutter, der Königin, die Regierungsgeschäfte übernehmen und zuvor unbedingt heiraten soll, wozu er überhaupt keine Lust hat. Viele, viele Prinzessinnen reisen an, doch keine will dem Prinzen gefallen. Schließlich steht die letzte vor der Tür, Prinzessin Liebegunde, in Begleitung ihres Bruders Herrlich. Und endlich schlägt das Herz des jungen Königs höher … Die Liebe zwischen zwei Männern als Selbstverständlichkeit darzustellen, das gelingt ganz einfach in diesem wunderbar humorvollen und sehr opulent ausgestatteten Märchen für Kinder ab fünf Jahren, wie die Vorstellungen in Heilbronn zeigen. Dirk Schirdewahn hat aus dem Bilderbuch die Bühnenfassung erstellt und Regie geführt. Die zauberhafte Bühne und die Kostüme haben Jan Hendrik Neidert und Lorena  Diaz Stephens entwickelt. Es spielen Nicole Buhr, Helene Aderhold, Henry Arturo Jiménez, Sascha Kirschberger und Giulia Weis.

Am Abschlusstag des Festivals, dem 9. Juli, wird im Großen Haus des Theaters Ulm die Heilbronner Inszenierung von Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“ gezeigt. Das Schauspiel aus dem Jahre 1905 ist sehr heutig, handelt es doch von der Ignoranz der Intellektuellen gegenüber einer Gesellschaft, die, wie wir es derzeit auch erleben, immer mehr von sozialen Konflikten zerrissen wird und stellt die Frage nach der Verantwortung der gesellschaftlichen Eliten: Chemiker Protassow ist so vertieft in seine Arbeit, dass er die Welt um sich herum ausblendet. Gemeinsam mit seinen intellektuellen Freuden hat er sich in seinem Elfenbeinturm eingerichtet. Sie glauben als „Kinder der Sonne“ auf der richtigen Seite des Lebens zu stehen. Sie merken nicht, dass sich draußen die ohnmächtige Wut der abgehängten Bevölkerung immer mehr anstaut und irgendwann explodieren wird. Axel Vornam ist der Regisseur, Bühne und Kostüme stammen von Tom Musch. Es spielen: Felix Defér, Stefan Eichberg, Oliver Firit, Stella Goritzki, Oliver Jaksch, Judith Lilly Raab, Ingrid Richter-Wendel, Sabine Unger und Tobias D. Weber.

Im Anschluss an beide Vorstellungen gibt es Publikumsgespräche.

Parallel zu den Baden-Württembergischen Theatertagen tagt auch der Arbeitskreis Junges Theater Baden- Württemberg. Über 100 Theaterschaffende aus diesem Bereich werden an Diskussionen, Fachgesprächen und Workshops teilnehmen und die Inszenierungen der jeweils anderen anschauen. Allen gemeinsam geht es um die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendtheaters, ein Bereich, in dem sich in den letzten Jahren schon viel getan hat. Nun gilt es, die Theaterkunst für Kinder und Jugendliche in der öffentlichen Wahrnehmung auf Augenhöhe mit jeglicher Kunst für erwachsenes Publikum zu etablieren. Natürlich ist dies auch ein Anliegen des Teams vom Jungen Theater Heilbronn um dessen Leiterin Bianca Sue Henne und die Theaterpädagoginnen Katrin Singer, Natascha Mundt und Lea Kaiser  die sich auch im Arbeitskreis Junges Theater engagieren.

 

 

 

Papagei mit Übergewicht beim Notarzt

Unsere Requisiteurinnen sind Alleskönner. Ob Feuer aus der bloßen Hand aufflammen lassen, Pistolen aus dem 18. Jahrhundert auftreiben, Spiel-Geld drucken,  Fake-Rouladen machen oder plötzlich Blut aus den Augen einer Dame auf einem Gemälde laufen lassen – immer finden sie ein Lösung für die großen und kleinen Theaterwunder, bei denen die Zuschauer  fragen: Wie geht das bloß? Wie haben die das gemacht?
Jetzt hatte Chefrequisiteurin Carmen Riehl sogar einen Einsatz als Tierärztin. Denn Caramello, der süße, Italienisch sprechende Papagei aus der Inszenierung „Honig im Kopf“ war krank. Saß da in seinem goldenen Käfig und bewegte sich nicht mehr. Keine Angst, liebe Tierfreunde: Caramello ist natürlich kein echter Papagei, obwohl er sich so bewegt und auch so krächzt. Es handelt sich hier um eine Papageienpuppe, die auf Sprache reagiert, mit den Flügeln flattert und eigentlich auch Sprache nachahmen kann. Letztere Fähigkeit hat ihm Carmen Riehl aber genommen und ihn stattdessen mit der Begabung ausgestattet, sich auf Italienisch ungefragt in Gespräche einmischen zu können und dem Großvater Amandus und seiner Enkelin Tilda in dem Stück den Weg zu weisen. Die Stimme lieh ihm übrigens unser Leiter des Besucherservice David Eberhard, der in Italien studiert hat. Die Kollegen aus dem Ton haben sie dann papageienmäßig bearbeitet. Doch nun wollte gar nichts mehr gehen. „Caramello hat Übergewicht“,  lautete die Diagnose von Carmen Riehl. Die Elektronik in seinem Bauch, die auf Knopfdruck aus der Ferne die Sätze abspielt und mit Flatterbewegungen auf menschliche Worte reagiert, war so schwer und deshalb tiefer gerutscht, dass sie die Mechanik  behinderte. Also wurde Caramello in einer schnellen Not-Operation von seinem Übergewicht befreit – die Elektronik wurde höher gesetzt und neu befestigt – Kopf wieder drauf. Und nun wartet der Vogel wieder freudig flatternd auf seinen nächsten Einsatz bei „Honig im Kopf“. Wer Caramello und die anderen vier Darsteller (Frank Lienert- Mondanelli als Opa Amandus, Tamara Theisen als Enkelin Tilda, Katharina Voß als deren Mutter und Raik Singer als Vater) sehen möchte, hat eigentlich nur  in unserer Zusatzvorstellung am 9. Juli die Chance. Alle anderen Vorstellungen sind bis auf wenige Restkarten ausverkauft.

Junges Theater lädt ein zu „BOXX|pur Shakespeare“

Schauspieler, Jugendclubber und Schüler  würdigen den großen Dramatiker auf ganz eigene Weise

Zwischen dem 18. und dem 20. Juni verwandelt sich die BOXX, die Spielstätte des Jungen Theaters Heilbronn, in einen Ort des jugendlichen Shakespeare-Kults. Das Junge Ensemble der BOXX, Mitglieder des Theaterclubs 3 und Theater AGs von verschiedenen Schulen haben sich auf ganz unterschiedliche Weise mit diesem großen Dramatiker auseinandergesetzt und präsentieren ihre Sicht auf einige seiner bedeutendsten, aber auch auf weniger bekannte Szenen in einem kleinen Festival  „BOXX|pur Shakespeare“. Am 18. Juni um 18 Uhr ist Premiere.
Anlass für diese spielerische Auseinandersetzung mit William Shakespeare ist die bevorstehende Premiere von „Was ihr wollt“ im Großen Haus. Hintergrund ist aber auch der Wunsch des BOXX-Ensembles nach einer ganz eigenständigen künstlerischen Auseinandersetzung mit einem Klassiker, erklärt die Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn, Bianca Sue Henne. Seit Anfang Mai proben die jungen Schauspieler in unterschiedlichen Zusammensetzungen Szenen, für die sie in jeder Hinsicht selbst verantwortlich sind. Giulia Weis und Henry Arturo Jimenez setzen sich mit Othello und Jago auseinander, Helene Aderhold spielt mit den Sonetten, denen sie sich unter anderem auch tänzerisch nähert. Sascha Kirschberger beschäftigt sich als personifizierter Tod mit dem Sterben von Romeo und Julia. Alle vier Schauspieler arbeiten zusammen mit Bianca Sue Henne an der Szene „Die Fremden“, das erst 2016 als einzige erhaltene Handschrift von Shakespeare identifiziert wurde und aus dem Stück „Sir Thomas Morus“ stammt. „In / Jedwedem Land, das nicht grad England ist / Dort wärt ihr selbst die Fremden“, sagt Staatskanzler Sir Thomas Morus in diesem um 1604 verfassten Stück und ruft in einer großen Rede zu Mitmenschlichkeit gegenüber den Fremden auf, die in das Land kommen. Der Text liest sich wie ein Kommentar zur Flüchtlingskrise heute.
Auch Mitglieder des Theaterclubs 3 sind im Shakespeare-Fieber und haben sich mit dem Stück „Die lustigen Weiber von Windsor“ beschäftigt. Außerdem stehen Szenen aus dem „Sommernachtstraum“ und aus „Romeo und Julia“ auf ihrem Programm. Mit dem Material gehen sie erfrischend frei um und arbeiten komplett selbständig.
Parallel proben sechs Theater-AGs aus fünf Schulen, die sich während des ganzen Jahres an Shakespeare abgearbeitet haben. Mit dabei sind das Jagsttal Gymnasium Möckmühl, der Jagsttal Schulverbund Möckmühl, die Damm-Realschule Heilbronn, die Gustav- von- Schmoller- Schule Heilbronn und die Andreas-Schneider-Schule Heilbronn. Für sie standen drei Szenen zur Auswahl: die Balkon-Szene aus „Romeo und Julia“, die Hexenszene aus „Macbeth“ und die Szene aus „Was ihr wollt“, in der Malvolio einen fingierten Brief findet. Bianca Sue Henne, die im Vorfeld der Shakespeare-Tage die Proben aller Clubs besucht hat, ist schon jetzt verblüfft, welch unterschiedliche Zugänge die Jugendlichen und Kinder, in der Damm-Realschule waren es die 5.und 6. Klassen, gefunden haben. Da gibt es eigene Übersetzungen, Auseinandersetzungen zwischen „Traditionalisten“ und „Modernisierern“, die demokratisch in der Gruppe entschieden wurden. Es gibt Shakespeare mit Musik und Tanz und Shakespeare im englischen Original –  eben „BOXX pur Shakespeare“.

Vorstellungen:

18.06. 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)
19.06. 2017 – 11 Uhr  (Junges Ensemble; Jagsttal Gymnasium Möckmühl und Jagsttal Schulverbund Möckmühl)
19.06 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)
20.06. 2017  – 11 Uhr (Junges Ensemble; Damm-Realschule Heilbronn, Gustav-von-Schmoller-Schule Heilbronn, Andreas- Schneider-Schule Heilbronn)
20.06. 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)

„Be water, my friend“

Breakdanceweltmeister Amigo erarbeitet eindrucksvolles Tanzprojekt mit jungen Flüchtlingen

Die Fernsehjournalistin, die eine Probe des Projektes „Be water, my friend“ besucht hat, wollte es kaum glauben. Diese Jungs haben tatsächlich noch nie getanzt? So akrobatisch, so kraftvoll, wie sie sich auf der Bühne bewegen? Zwischen 15 und 17 Jahre sind sie alt, leben erst seit kurzem in Heilbronn und stammen aus Syrien, Afghanistan, Guinea und Somalia. Sie sind der harte Kern, der durchgehalten hat, um nun vor großem Publikum auf der Bühne zu tanzen, sich als ein Bestandteil des großen Tanzfestivals Tanz! Heilbronn zu präsentieren. Ihr Choreograf, von dem sie so viel gelernt haben, ist der aus der Türkei stammende und in Berlin lebende mehrfache Breakdanceweltmeister  „Amigo“ Kadir Memis. Seine Jungs nennen ihn einfach nur Amigo.

Als das Theater im Februar 2017 junge Männer für das Tanzprojekt von Amigo gesucht hat, kamen 40 zum ersten Treffen. Als klar wurde, dass sie am Ende auf der Bühne stehen würden, wurde die Gruppe kleiner. Als einige merkten, dass Tanz mit harter Arbeit und viel Disziplin zu tun hat, schmolz die Gruppe weiter. 12 Jungs sind dabeigeblieben, haben seit März an vielen Wochenenden geprobt und jetzt seit zwei Wochen jeden Tag – nach der Schule von 14-20 Uhr. Sie wollen tanzen, sich bewegen, sich beweisen – je kraftvoller desto besser. Der groovende Sound von Live-Musiker Milan Vogel treibt sie voran. Er mixt Hip Hop mit traditionellen Klängen aus den Heimatländern der Jungs. Lautete der Arbeitstitel zunächst „Artikel 1“ und sollte sich um die Würde des Menschen drehen, änderte sich der Titel des Projektes im Laufe der Arbeit und heißt jetzt „Be water, my friend“. Um Würde geht es immer noch, aber nicht mehr so abstrakt. Das Wasser ist ein gutes Symbol für das, was sie unter Würde verstehen – es kann sich jedem Gefäß anpassen, in das es hineingefüllt wird, es ist weich und geschmeidig. Es ist kann tragen, man kann darin versinken, es ist in jedem Fall überlebenswichtig. Aber es hat auch eine große gestalterische Kraft. So wünschen sie sich ihren Platz in ihrem neuen Leben – sie wollen sich anpassen und dabei trotzdem sie selbst bleiben und mitgestalten. Inspiriert ist der Titel von der Maxime des Kampfkünstlers Bruce Lee: Be water, my friend.

Die erste Vorstellung war ein gigantischer Erfolg

In der ersten Vorstellung am 18. Mai saßen lauter junge Zuschauer – viele so alt wie die Jungs auf der Bühne.  Mit frenetischem Applaus feierten sie die Leistung der jungen Männer. Und dann hielt es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Ein großer Teil stürmte die Bühne, um gemeinsam weiter zu tanzen. Ein einziges fröhliches Fest! Im anschließenden Publikumsgespräch wurde gefragt: Warum tanzen hier nur Jungs? Festivalkuratorin Karin Kirchhoff, die gemeinsam mit AMIGO das Projekt entwickelt hat, sagt, dass sie damit den jungen männlichen Flüchtlingen, über die so oft einseitig und negativ in den Medien berichtet wird, ein anderes Gesicht geben wollte. Wieder großer Beifall!

Hoffentlich geht es weiter

Das Tanzprojekt hat ihnen geholfen, sie sind selbstbewusster, verständigen sich jetzt untereinander auf Deutsch. Sie mussten lernen, diszipliniert und pünktlich zu sein, sich aufeinander zu verlassen. Wenn das Projekt vorbei ist, wollen sie weitermachen mit Bboy Tunaj Abedinov, der aus Heilbronn stammt und als gestandener Breakdancer das Projekt unterstützt.

Wir fliegen mit Alexander Gerst ins All

Aktion “Slices of Life” des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt

Im Mai 2018 beginnt für das Theater Heilbronn eine Reise durch Raum und Zeit. Alexander Gerst wird wieder ins All fliegen und wir fliegen mit. Möglich wird dies durch eine kleine silberne Kugel im Gepäck des deutschen ESA-Astronauten. Diese wird einen speziellen Datenträger mit gesammelten „Slices of Life“ unterhalten. Unter anderem auch ausgewählte Fotos von uns. Doch es wird noch abgehobener: Die Zeitkapsel wird im All verschlossen und erst im Jahre 2068 wieder geöffnet. Bis dahin bewahrt sie das Haus der Geschichte in Bonn auf.

Melanie Jung studiert Public Management (B.A.) in Ludwigsburg und absolviert derzeit ein studienbegleitendes Praktikum in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit.

Bianca Sue Hennes zweite Oper hat am Theater Nordhausen Premiere

„Bonnie und Clyde“ kommt als Roadoper auf die Bühne

Musik von Christian Diemer
Libretto von Bianca Sue Henne

Bianca Sue Henne, Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn und Libretistin
Bianca Sue Henne, Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn

Dass unserer Leiterin des Jungen Theaters Bianca Sue Henne aufregende Tage bevorstehen, haben wir Heilbronner Kollegen eher nebenbei erfahren. Denn dass am 5. Mai ihre Oper „Bonnie & Clyde“ für die sie das Libretto geschrieben hat, an ihrer früheren Wirkungsstätte, dem Theater Nordhausen, uraufgeführt wird, darum hat sie keinen Wirbel gemacht. Wahrscheinlich, weil sie selbst viel zu aufgeregt und gespannt ist, auf das, was sie erwartet. Wie wird die Musik, die der junge Komponist Christian Diemer komponiert hat? Wie hat der Regisseur Prof. Elmar Fulda, der Leiter der Opernschule an der Weimarer Hochschule für Musik Franz Liszt, mit seinen Studierenden die Oper auf die Bühne gebracht? Von all dem wird sie sich überraschen lassen, wenn sie am Premierenabend im Publikum sitzt.

„Bonnie & Clyde“ ist schon ihre zweite Oper für junges Publikum. Die erste „Kannst du pfeifen, Johanna?“, lief zwei Jahre lang sehr erfolgreich in Nordhausen und wurde auch im Theater Augsburg inszeniert. Bianca Sue Henne brennt für die Theaterarbeit für junge Leute. Und während es im Schauspiel in den letzten Jahren einen großen Zuwachs an guten neuen Stücken für Heranwachsende gibt, vollzieht sich diese Entwicklung im Musiktheater sehr langsam. Sie habe damals für das Theater Nordhausen, ein reines Musiktheater, immer nach Opern für junge Leute gesucht, erzählt Bianca Sue Henne. Und weil die Auswahlmöglichkeiten so begrenzt waren, hat sie sich entschlossen selbst mit Komponisten an Musiktheaterstoffen für junges Publikum zu arbeiten. Sie beschreibt: „Wie ich auf Bonnie & Clyde gestoßen bin, weiß ich nicht mehr, aber der Stoff schien mir einfach perfekt für junges Publikum. Junge Protagonisten – die beiden sind Anfang 20 – eine rasante Roadstory, Liebe und Tod. Gutes Material.“ 

Bonnie Elizabeth Parker und Clyde Chestnut Barrow waren militärisch bewaffnete Schwerverbrecher und skrupellose Mörder. Und dennoch brachten sie es, seit sie im Mai 1934 in einem Hinterhalt erschossen wurden, zu weltweiter Achtung als Gangsterpärchen Bonnie & Clyde. Noch heute fasziniert, dass sie einfach nur zwei junge Leute waren, die nach endlich überstandener ärmlicher Kindheit einen Teil vom Kuchen des Lebens abhaben wollten. Sie suchten die Freiheit und nahmen ihre Zukunft selbst in die Hand, um ihren Traum vom Leben Wirklichkeit werden zu lassen. Bonnie schrieb Gedichte und sang, wollte ein Star werden, Clyde konnte Gitarre und Saxophon spielen. Doch erste kleine Konflikte mit Recht und Ordnung setzten eine Spirale von Gewalt, Strafe und Rache in Gang, die nur in der Katastrophe enden konnte. Den Tod haben Bonnie und Clyde immer in Kauf genommen. Sie wussten nur nicht, wann ihr Treiben sie das Leben kosten würde. Übrigens: Bonnie und Clyde schafften es ganz ohne das Fernsehen, die ersten Reality-Stars zu werden. In den sozialen Netzwerken wird ihre Liebe heute zum Teil höher bewertet als die von Romeo und Julia.

„Ich habe viel gelesen und recherchiert über die beiden. Ich brauchte ein solides inhaltliches Fundament. Dann gab es viele Treffen mit dem Komponisten Christian Diemer und dem Regisseur Elmar Fulda. Die beiden haben dann assoziativ beigetragen, was sie persönlich am meisten am Stoff interessiert. Wir haben darüber viel diskutiert und waren nicht immer einig. Aber der Weg ist auch sehr spannend und führt dazu, dass jeder seine Position immer wieder überdenken muss. Und deshalb kann am Ende etwas entstehen, das größer ist als die eigene Phantasie“, sagt Bianca Sue Henne.

Wir drücken ihr die Daumen für diesen spannenden Moment, wenn „ihre“ Figuren auf der Bühne lebendig werden und ihre Gedanken und Gefühle über die Musik, die Bianca Sue Henne bisher „nur“ vom Notenblatt kennt, transportieren. Und wir schicken ein kräftiges TOI TOI TOI nach Nordhausen.

Orlando stellt sich vor! Teil 4

Sara-Maria Saalmann gastiert als Angelica

Foto: Daniela Raskito
Foto: Daniela Raskito

 

Nur acht Mal ist Georg Friedrich Händels „Orlando“ ab 5. März am Theater Heilbronn zu sehen. In der Kooperation mit dem Württembergischen Kammerorchester und der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst übernimmt die Sopranistin Sara-Maria Saalmann die Partie der Angelica.

Wer und was ist Angelica in unserer Inszenierung?
Angelica ist eine junge Frau, die sich in ihrer Beziehung mit Orlando seit einiger Zeit allein fühlt, weil Orlando als erfolgreicher Kriegsheld stets unterwegs ist. Sie verfällt dem Charme eines Mannes, der sie auf eine Weise betrachtet, in der sie sich in ihrer Weiblichkeit gesehen fühlt, so entwickelt sich aus körperlicher Anziehung eine große Liebe zu Medoro, für die sie eine Zukunft sucht.

Wer ist Sara-Maria Saalmann?
Ich wurde in Valencia, Spanien, geboren, wuchs in Hamburg auf und war Mitglied der Jugend-Opern-Akademie an der Hamburgischen Staatsoper. Ich hatte diverse Hauptrollen in einer zehnjährigen Laufbahn an der dortigen Kinderopernreihe “opera piccola” und 2014 an der Staatsoper auch mein Debüt als Tabarco in Händels „Almira“. Seit 2010 studiere ich Gesang bei Prof. Turid Karlsen, zuerst in Hamburg, dann in Stuttgart und werde im kommenden Semester meinen Master Gesang abschließen.

Unter Kontrolle – außer Kontrolle

Im_Netz_21

Was ist, wenn man ständig beobachtet wird? Wenn nicht nur Daten, sondern auch intime Gedanken plötzlich transparent werden? Wenn ein unvorstellbar komplexes Netz aus Daten zwar die ganze Welt zusammenhält, uns aber gleichzeitig die persönliche Freiheit nimmt und wir so zu „digitalen Gefangenen“ werden?

Der renommierte Autor Tim Staffel erschafft mit seinem Stück „Im Netz“ etwas, das in der Literaturwissenschaft gerne auch als ‚Dystopie‘ bezeichnet wird: ein zukunftspessimistischer Entwurf einer fiktiven Gesellschaft, die auf bedenkliche Entwicklungen unserer realen Gegenwart aufmerksam machen soll. Matrix, Cloud Atlas, Die Tribute von Panem, Die Bestimmung …  vor allem filmische Darstellungen von Dystopien beschreiben stets den Kontrollverlust des Individuums durch das Agieren einer repressiven Machtinstanz – ob in Form eines Diktators oder als künstliche Superintelligenz. Dabei ist das angepeilte Publikum meist das gleiche, denn vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene hat dieses Genre eine enorme Faszination. Auch „Im Netz“ richtet sich an diese „Digital-Natives“-Zielgruppe von Jugendlichen ab 14 Jahren. Die Hauptfiguren Joris und Emil, beide 15 Jahre alt und beste Freunde, erfahren durch die innovative Kontaktlinse ‚Iris‘ (ein Seitenhieb auf die Sprachsteuerung ‚Siri‘), dass diese neue virtuelle Welt zwar unendliche Möglichkeiten bereithält, aber für deren Nutzung  ein hoher Preis zu zahlen ist: das Recht auf Privatsphäre.

Um innovative Technik auf die Bühne zu bringen und die Zuschauer aktiv mit einzubinden, wird bei dem Stück sowohl mit Live-Projektionen, Videosequenzen, Stimmen und Geräuschen aus dem Off und der interaktiven App Toto (Turn on that object) gearbeitet. Das Team aus drei Regisseuren des kollektiven Denkwerks PRINZIP GONZO erarbeitete ein aufwendiges multimediales Erlebnis, welches schon in der letzten Spielzeit am 3. Juni 2016 in der BOXX Uraufführung feierte. Mit veränderter Besetzung startete die Inszenierung am 16. Februar in eine neue Runde. Am morgigen Samstag, dem 18. Februar, 20.00 Uhr ist die nächste Möglichkeit, der packenden Geschichte von Joris und Emil buchstäblich „ins Netz zu gehen“.