Ein klassischer Beruf und trotzdem immer wieder erklärungsbedürftig – Dramaturg

Die Kommunikationswerkstatt sinnundverstand hat zur Blogparade aufgerufen unter dem Thema „Und was machen Sie so beruflich?“. Dabei soll es um Jobbezeichnungen gehen, die selbst erfunden sind und keiner kennt. In unserem Beitrag zeigen wir, dass es auch bei Berufen, die die Agentur für Arbeit in ihren Registern führt, passieren kann, dass man gefragt wird: „was machst du eigentlich in deinem Beruf?“

Letztens, irgendwo in Heilbronn. Nicht näher miteinander bekannte Menschen sitzen an einer Geburtstagstafel. Zwischen Nussecken und Himbeerkuchen plötzlich die Frage: »Und was schafft ihr alle so?« Stille. Dann: »Ich bin Schauspieler«. Ehrfurchtsvolles Nicken. »Ich arbeite in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Theaters.« Hochachtungsvolle Zustimmung. »Ich bin Dramaturgin.« Nachdenkliches Gesicht. »Drama-was?« Nicht schlimm, Dramaturgen erklären das gern. Erklären gehört quasi zur Stellenbeschreibung dazu. »Dramaturgen sind so etwas wie die Innen- und Außenminister eines Theaters. Sie vermitteln in der Öffentlichkeit durch Einführungen und Gespräche mit Publikum, Schulklassen und Theaterliebhabern die Konzepte und Ideen von Spielplan und Inszenierungen, innerhalb des Theaters sind sie Wissenschaftler, Weichensteller und Visionär in einem«, sage ich. Aha!

Die Dramaturgen des Theater Heilbronn, Foto: Wolfgang Seidl

Für die drei Dramaturgen am Theater Heilbronn Andreas Frane, Johannes Frohnsdorf und Stefanie Symmank ist das ein Traumberuf. »Wir sind von der ersten Idee, ein Stück auf den Spielplan zu setzen, bis zum Applaus der letzten Vorstellung dabei«, so Johannes Frohnsdorf. »Welcher Regisseur welches Stück mit welchen Schauspielern inszeniert, haben wir mit zu verantworten«, beschreibt Chefdramaturg Andreas Frane. Die Dramaturgie eines Theaters wird neudeutsch auch gern als »Think Tank« – Denkfabrik – bezeichnet. Im Theater Heilbronn ist sie ein aufeinander abgestimmtes Triumvirat aus geballtem Wissen und Spaß an der Arbeit. »Die Vorstellung vom ,wandelnden Lexikon auf zwei Beinen’ ist überholt«, meint Johannes Frohnsdorf. »Eine umfassende Allgemeinbildung, gerade im Bereich der Literatur, und ein Interesse am aktuellen Zeitgeschehen sind für den Beruf aber unabdingbar.« »Auch ein gutes Gespür für den Umgang mit Menschen, egal ob Zuschauer, Schauspieler oder Techniker gehört dazu«, ergänzt Andreas Frane.

Neben Vermittler, Bücherwurm und Organisator sind die Dramaturgen vor allem eins: Partner. In enger Zusammenarbeit mit dem Intendanten Axel Vornam gestalten sie den Spielplan und tragen wesentlich zur Profilierung des Hauses bei. »Im Idealfall bilden auch Dramaturgen und Regisseure ein künstlerisches Dreamteam«, sagt Johannes Frohnsdorf. In enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur erstellt der Dramaturg eine Strichfassung des zu inszenierenden Stückes. Im Hinblick auf Besetzung, Konzept und Spieldauer fallen dem Rotstift manchmal halbe Textseiten, manchmal ganze Rollen zum Opfer. Als ‚erster Zuschauer’ geht der Dramaturg im ca. 6-wöchigen Probenprozess dann mehrmals auf die Proben. Er ist das ‚neutrale Auge’ und schützt das Inszenierungsteam vor drohender Betriebsblindheit. Ein Dramaturg ist wie ein Sparringspartner für den Regisseur. Er beobachtet genau, zeigt die Schwachstellen auf und hält die Konzentration des Inszenierenden auf Konzept, Entwicklung und Inhalt wach. »Das ist keine Frage des eigenen Geschmacks«, betont Andreas Frane. »Wenn ich zum ersten Mal auf die Probe gehe, steckt die Inszenierung noch in den Kinderschuhen. Ich muss meine Kritik so formulieren können, dass das Team damit weiterarbeiten kann.« Solche Gespräche können durchaus bis in die späte Nacht dauern.

Drama, baby

Manchmal reicht aber auch schon ein »Drama, baby, drama!« oder »Weniger ist mehr!« und der Regisseur weiß, was gemeint ist. Der Dramaturg ist ebenfalls für die Schauspieler ein unverzichtbarer Ansprechpartner. »Der Kontakt zum Ensemble ist mit das Wichtigste«, weiß Andreas Frane, dessen muntere Maxime »Die Welt ist rund, das Leben ist bunt.« jedes noch so kleine Drama vom Tisch fegt. Heute schreibt der Dramaturg zwar kaum noch eigene Stücke, wie einst Gotthold Ephraim Lessing (der erste Dramaturg überhaupt!), der Schreibtisch ist für Frane & Co. neben muffigen Probebühnen und dunklen Theaterräumen trotzdem der erste Arbeitsplatz. Hier entsteht, neben Texten für Leporello, Vorschaubuch und Social Media-Beiträgen, das vielleicht einzig greifbare Ergebnis dramaturgischer Arbeit: das Programmheft. Es gilt als ein kleines Hoheitsgebiet des Dramaturgen. Er allein entscheidet, was von seinem vielen Wissen rund um Stück und Inszenierung hier erscheint »und was auch für den Zuschauer interessant sein könnte«, wie Johannes Frohnsdorf betont.

Der Dramaturg. Ein bisschen Faust. Ein bisschen Mephisto. Ein kühler Kopf mit brennendem Theaterherz. Er trägt bevorzugt Schwarz und immer ein Lächeln auf den Lippen, ist immer auf der Suche nach neuen Stücken und interessanten Regisseuren, ist gedanklich bei der Moderation des nächsten Theaterfrühstücks, während er körperlich zur nächsten Sitzung sprintet. Er gehört zu den »unsichtbaren« Mitarbeitern des Theaters, denen Sie, liebe Zuschauer, nach jeder Vorstellung auch applaudieren.

Stefanie Symmank, Dramaturgin

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Noch bis zum 31. März können unter www.sinnundverstand.net Beiträge zum eigenen Beruf eingereicht werden, und damit dazu beigetragen, dass die Frage „was machst du eigentlich beruflich“ endlich geklärt wird. 

Ich arbeite fürs Team – Regieassistentin Lara Schüßler

Regieassistenten sind „Gedächtnis und guter Geist jeder Inszenierung“. Sie unterstützen den Regisseur bei seiner Arbeit und führen das Regiebuch, in welchem alle Anweisungen zum Stück festgehalten werden. Die 19-jährige Lara Schüßler ist Regieassistentin bei Christian Marten-Molnár für die Oper Minsk. Nach der ersten Bühnenprobe mit Orchester haben wir mit ihr gesprochen.

Laraschuessler_Regie_1

Minsk ist die erste Produktion, bei der du am Theater Heilbronn assistierst. Wann hat dich die Lust am Theater gepackt?

Ich habe mit etwa zwölf Jahren angefangen selbst Theater zu spielen, erst in der Jugendtheatergruppe, später Improtheater, dann kam ich in einen Theaterverein, bei dem ich auch heute noch aktiv bin. Dort  hat sich herauskristallisiert, dass ich mich da wohlfühle. Dann war irgendwann klar, dass es in Richtung Regie geht.

Ich hatte in der Schule ein Fach, das hieß Literatur und Theater. Da hatte ich die Chance eigene Projekte zu realisieren und selbst zu spielen. Außerdem schreibe ich für eine Zeitung in der Kulturredaktion. Das gibt mir die Möglichkeit anders zu reflektieren. Ich habe mich nach dem Abitur zwar für Studienplätze beworben, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass man gleich in einen Regiestudiengang reinkommt. Ich hab dann erst eine kleine Regieassistenz bei einem freien Theater in Stuttgart gemacht, und dann eine Hospitanz am Theater in der Josefstadt in Wien. Und jetzt bin ich hier.

Ich habe vor diesem Jahr allen Leuten, die ich kenne, die am Theater was machen gesagt, dass sie mir Bescheid geben sollen, wenn es irgendwo was Spannendes gibt. Dann hat mich Karin von Kries von hier aus der Technik angerufen und gesagt: „Lara, hier könnte es was geben, schreib’ doch eine Bewerbung“. Dann hab ich die Bewerbung geschrieben, mich mit Christian [Marten-Molnár] getroffen und er hat gesagt :„Ok, das machen wir“.

 

Wusstest du bei der Bewerbung schon, um welches Projekt es sich handelt?

Ich wusste es ungefähr. Dass es eine Oper ist, dass es modern wird – aber sonst wusste ich eigentlich ziemlich wenig darüber. Und das finde ich total spannend, weil ich davor mit Oper wenig am Hut hatte. Ich hatte Musik als Hauptfach in der Schule und kenn mich darum relativ gut aus mit Musik. Aber jetzt bei einer Operninszenierung dabei zu sein, das ist was ganz anderes und total spannend. Es ist eine tolle Möglichkeit für mich da reinzukommen, egal ob Schauspiel oder Oper. Das ist eine riesen Chance und für mich auf jeden Fall eine tolle Erfahrung.

 

Ist es dann ein Unterschied als Regieassistentin eine Uraufführung zu betreuen…?
Natürlich. Also gerade bei einer Oper mit moderner Musik. Normalerweise hat man zum Beispiel Aufnahmen, auf die man zurückgreifen kann. Man hat irgendwas, von dem man zehren kann. Man hat Referenzen, auf die man sich beziehen kann. Das ist natürlich eine Chance fürs Regieteam, die müssen sich mit niemandem vergleichen, aber sie sind völlig auf sich gestellt und müssen völlig neu alles erdenken.

 

Wie viel Einfluss hat man da als Regieassistentin auf die Inszenierung?

Keinen. Man hat in der Regel als Regieassistenz mit dem kreativen Prozess nichts zu tun.

 

Welche Fähigkeiten sollte man als Regieassistentin mitbringen?
Man muss auf jeden Fall wach sein, man muss einigermaßen gut organisieren können, man muss selbst organisiert und sortiert sein. Oder wenigstens vermitteln, dass man das ist. Und man muss mit Menschen umgehen können. Also man muss sich einfach trauen zu reden, auf Menschen zuzugehen. Gerade wenn man eine freie Assistenz macht und sich mit dem Haus gar nicht auskennt sind muss man sich eben durchfragen. Das muss man halt wollen und einfach machen. Einfach drauf los. Und man muss einfach Freude haben an diesem Prozess. Wenn ich jetzt keine Lust hätte an dem Probenprozess, in dem man Tag für Tag das gleiche Stück anschaut, dann wäre ich falsch am Platz.

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Was würdest du sagen, ist das Wichtigste, das man während der Assistenzzeit an Fähigkeiten lernt?

An Fähigkeiten? Also zum einen bekomme ich da ganz viel mit, was die unterschiedlichen Bereiche am Theater angeht. Und natürlich einen sehr tiefen Einblick in die Inszenierungsarbeit, in den Entstehungsprozess. Das kommt auch aufs Team an. Jeder Regisseur arbeitet anders, das ist spannend zu beobachten. Die Arbeit fordert einen Spagat zwischen Unterordnung und sich trotzdem einbringen und eigenständig sein. Ich wäre falsch am Platz, würde ich jetzt in den Proben sitzen und nur sagen „ Nein, ich finde das nicht gut so“.

 

Du hattest überlegt Schauspieler zu werden, dann war es Regie. Jetzt bist du hier. “Minsk” ist eine Oper, in der Anna darüber nachdenkt, ob es richtig war als 20 Jährige ihre Heimat zu verlassen. Also diesen Schritt in die neue Welt hinterfragt. Du hast ein ähnliches Alter. Hat die Beschäftigung mit der Oper den Blickwinkel auf solche Lebensentscheidungen verändert?

Ich habe kürzlich mit Christian, also dem Regisseur, über das gleiche Thema gesprochen, weil ich wirklich vor einer Zukunftsentscheidung stehe: Will ich wirklich den Schritt machen in dieses unsichere Leben der Theaterwelt oder will ich auf Nummer sicher gehen und beispielsweise Lehramt studieren?

Ich habe genau das gesagt: „Ich wünschte mir, jetzt würde die ältere Lara kommen, 20 Jahre älter und sagen, so habe ich es gemacht und so war’s scheiße“. Und selbst wenn ich dann noch ins Theater gehen würde, dann hätte ich eine andere Argumentationsbasis. Das wäre was anderes als jetzt ins Blaue hinein. Aber ich glaube, dass es trotzdem nicht vergleichbar ist mit dem Stück. Anna, also Anoushka, gibt ja ihr ganzes Leben auf, ihre Familie, das was sie ist. Und ich gebe ja mich nicht auf. Ich sage ja nur, dieser Teil meines Charakters soll hervorgehoben werden in meinem Leben. Aber ich bleibe ja mir selbst treu.

 

Wünschst du dir manchmal nach einer Aufführung auch auf der Bühne zu stehen den Applaus genießen zu können und nicht nur im Dunkeln zu sitzen?

Nein, gar nicht so sehr. Ich brauch die Anerkennung des Publikums nicht, wenn ich die Anerkennung während des Probenprozesses habe. Wenn mir gesagt wird „Lara, das hast du gut gemacht“ das macht mich schon zufrieden. Ich bin ja quasi nicht die, die fürs Publikum arbeitet – ich arbeite fürs Team. Regie, Bühnenbild, Darsteller, die arbeiten fürs Publikum. Man muss sich den Dank immer da von denen holen, für die man arbeitet. Das Publikum bekommt ja nichts mit von meiner Arbeit. Und das ist ok so.

 

Die Oper „Minsk“ von Ian Wilson und Lavinia Greenlaw wird in Kooperation mit dem Württembergischen Kammerorchester am Theater Heilbronn am 03. März 2013 im großen Haus uraufgeführt. Weitere Informationen und Aufführungstermine auf der Theaterhomepage.

Das Interview führte Johannes Pfeffer

Alle Bilder: Lara Schüßler

Parken am Theater

Je stärker Theater, Kino oder Veranstaltungen in der Innenstadt besucht werden, desto voller ist das Parkhaus im K3. Besonders an den Wochenenden werden die Parkplätze in der Tiefgarage am Theater knapp. Wenn das Parkhaus voll ist, werden die Zufahrten gesperrt.
Deshalb empfehlen wir unseren Besuchern, frühzeitig zu kommen oder gleich die Parkhäuser in der Nähe aufzusuchen: »Am Bollwerksturm« über die Zufahrt: Mannheimer Straße oder »Harmonie« über die Zufahrt Gymnasiumsstraße
Wir möchten noch einmal darauf hinweisen, dass das Theater nicht Betreiber der Tiefgarage »Am Theater« ist und diese nicht ausschließlich von Theaterbesuchern genutzt wird. Betreiber ist die APCOA-Parkhausgesellschaft in Stuttgart. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: Tel.: 01805/904443 oder Mail: service@apcoa.de

Parkhaus

Wie kriegt man das wieder sauber?

Kostüm

„Du liebe Zeit, wie kriegen die das wieder sauber?“ entfährt es der Dame im blau-grauen Kostüm mitten im Schlussapplaus von „Dantons Tod“. Gerade wurde Luise Schubert samt ihres weißen Kleides in den nassen Schlick getunkt. Und sie ist nicht die einzige, die beim Verbeugen von oben bis unten beschmiert ist.

Gefragt, geantwortet. Ankleiderin Ilse Beer kümmert sich nach der Vorstellung um Luise Schuberts Kostüm: „Das wird sofort 24 Stunden mit Gallseife eingeweicht, dann kommt es hoch in unsere Schneiderei und wird gewaschen. Und weil sich der Stoff zusammen zieht, muss das Kleid beim Bügeln wieder in die richtige Form gezogen werden.“ Die Kostüme der Herren landen bei Regina Karmen und Gisela Bothner zwei Stockwerke tiefer: „Wir streifen und schaben erst mal das Gröbste mit dem Rücken eines Kleiderbügels von den Mänteln,“ demonstriert Regina. „Die anderen Sachen werden zwei bis drei Mal ausgespült und dann eingeweicht.“ Und bis zur nächsten Vorstellung steht alles wieder bereit – für die nächste Schlickschlacht im Ringen um „Dantons Tod”.

Andreas Frane, Dramaturg

DantonsTod

Sind wir nicht alle ein bisschen Schatzsucher?

»Die Schatzsucher« von Anna Katharina Hahn als Uraufführung in den Kammerspielen

Die Schatzsucher Foto: Fotostudio M42
Die Schatzsucher
Foto: Fotostudio M42

Anna Katharina Hahn ist eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen unser Zeit. Jeder Erzählband, ob »Sommerloch« oder »Kavaliersdelikt«, ist des Lesens wert, jeder Roman, ob »Kürzere Tage« oder »Am schwarzen Berg« ist ein literarischer Glücksfall. Vielfach wurde Anna Katharina Hahn mit Preisen ausgezeichnet, hoch gelobt von Presse und Kritik. Sie vermag es, wie kaum eine zweite Autorin, in ihren Werken Lebensgefühl und Zeitgeschehen extrem zu vergegenwärtigen. In vielen Rezensionen wird ihr ein »literarischer Röntgenblick« nachgesagt, der bis in die Abgründe der Figuren vordringt und diese schonungslos wie liebevoll an die Oberfläche bringt.
Anna Katharina Hahn ist am Theater Heilbronn längst keine Unbekannte mehr. Bereits im Frühjahr 2010 schrieb sie für unser Haus ihr erstes eigenständiges Theaterstück »Die letzte Stufe« mit Ingrid Richter-Wendel in der Rolle der Lina Eisele. Am 28. Februar 2013 wird nun eine weitere Auftragsarbeit am Theater Heilbronn als Uraufführung in der Inszenierung von Intendant und Regisseur Axel Vornam Premiere feiern: »Die Schatzsucher«. In ihrer »Komischen Tragödie« führt uns die in Stuttgart lebende Anna Katharina Hahn in eine Reihenhaussiedlung am Rande einer Großstadt. Ein älteres Ehepaar, Tom und Elli, plagen finanzielle Nöte – er ist einfacher Angestellter, sie hat ihren Job »zwischen Regalen voller Waschpulver, Seife, Badeschaum« verloren. Die Angst, die monatlichen Raten für das Haus nicht mehr bezahlen zu können, bringt sie um den Schlaf. Deshalb versuchen die zwei das Kinderzimmer ihrer Tochter Tilli zu vermieten. Diese studiert weit weg von Daheim, hat lediglich Erinnerungen und einen von ihr liebevoll gehegten und gepflegten Pfirsichbaum zurückgelassen. Endlich kommt ein junger Mann, der, im Gegensatz zu anderen Interessenten, an Lage und Ausstattung des Zimmers nichts auszusetzen hat. Er beginnt, dem Paar eine »Wahrheit« nach der anderen aufzutischen und systematisch deren Leben durcheinander zu bringen. Die anfängliche Befangenheit dem neuen Mitbewohner gegenüber schlägt bald in Begeisterung um. Nicht nur, dass Elli und Tom glauben, unter ihrem Garten sei ein Schatz versteckt und sie auf der Suche nach diesem sogar den töchterlichen Pfirsichbaum fällen, der junge Mann bringt die beiden dazu, ihren vielleicht ureigensten Sehnsüchten nachzugehen und unabhängig voneinander die Koffer zu packen, mit dem Willen, den anderen zu verlassen.
In »Die Schatzsucher«beschreibt Anna Katharina Hahn die idyllische Wohnwelt des Bildungsbürgertums als verstörendes, gar bedrohtes Gefilde, als Bühne subtiler Psychodramen, immer mit wenigen Worten, aber einer großen Portion Humor. Ina Hartwig bringt es 2010 in ihrer Laudatio anlässlich der Verleihung des Roswitha-Preises an Anna Katharina Hahn auf den Punkt: »Ihr Blick auf Milieus ist liebevoll und böse, klug und hart, vor allem ist er genau. So genau, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt.«

Stefanie Symmank

Nächste Spieltermine:
Do. 28.02.2013 20.00 Uhr, PREMIERE, (AUSVERKAUFT)
Do. 07.03.2013 20.00 Uhr
Do. 28.03.2013 20.00 Uhr

Anonym in einer Stadt mit 8 Millionen Fremden

Anna verlässt ihre Heimatstadt Minsk mit großen Erwartungen um nach London zu gehen, wie viele andere ihrer Generation aus Osteuropa. In den 1970er Jahren lebten in London rund 100 Menschen russischer Herkunft. Im Dezember 2006 waren es bereits 300.000. London ist eine der multikulturellsten Städte Europas. Nur rund 44% der Bevölkerung sind weiße Briten. Viele Einwanderer leben mittlerweile in der zweiten oder dritten Generation in Großbritannien, dennoch sind 33% der Einwohner Londons nicht in GB geboren.

Chris McKenna (Thryduulf) [CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Chris McKenna, via Wikimedia Commons
Auch die junge Anna, genannt Anoushka, verlässt ihre Heimat mit 20 Jahren. Die Oper setzt ein, als Anna 40 Jahre ist. Sie fährt mit der Circle Line durch den Stadtbezirk Tower Hamlets. Ein Bezirk, in dem sehr viele Einwanderer aus Indien, Pakistan und Bangladesh leben. Wie einige andere Ethnien haben sie ganze Stadtviertel bevölkert und leben dort unter ihresgleichen. Die russischen Zuwanderer sind über die gesamte Stadt verteilt, sie leben eher anonym und weit voneinander entfernt. Erst in jüngster Zeit beginnen sie sich zu kulturellen Veranstaltungen und in Clubs zu treffen, entstehen russische Geschäfte und Restaurants.

Die Aussicht auf Freiheit, die beruflichen Chancen und die Gerechtigkeit des Systems locken viele aus der ehemaligen Sowjetunion nach London. Entweder sie sind bereits in Russland zu Reichtum gekommen und ziehen dann mit ihren Familien nach London um dort das Geld auszugeben. 60% der Wohnungen in London, die über 20 Millionen Dollar kosten werden von russischen Auswanderern erworben. Dadurch hab sie, gemeinsam mit Neureichen aus Asien und arabischen Ländern, die Immobilienpreise, in den letzten Jahren massiv in die Höhe getrieben.

Anna gehört zur anderen Gruppe der Studenten und Intellektuellen, die die Freiheit schätzen und in Großbritannien den Wohlstand suchen. Die guten Chancen haben viele von ihnen genutzt. Wer es sich leisten kann, fliegt zum Arbeiten nach Russland und am Wochenende zur Familie nach London. Zurückkehren in die alte Heimat werden die wenigsten. Nicht zuletzt deshalb ist London auch als „Londongrad“ oder „Moscow-on-the-Thames” bekannt.

Quellen:

Aufführungstermine der Oper “Minsk”

  • So. 03.03.2013 19.30 Uhr, Uraufführung
  • Mi. 06.03.2013 19.30 Uhr
  • Do. 21.03.2013 19.30 Uhr
  • Fr. 22.03.2013 19.30 Uhr

 Johannes Pfeffer, Praktikant in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit

Frech, unverschämt und mit viel Lust

Bauprobe
Bauprobe

Alle sind zur Bauprobe von »Cyrano de Bergerac« von Edmond de Rostand im Zuschauersaal des Heilbronner Theaters zusammengekommen, um den ersten Ideen von Regisseurin Johanna Schall und Bühnenbildner Horst Vogelgesang zu lauschen. Alle sind im dem Fall Kolleginnen und Kollegen der Technischen Abteilungen, Beleuchtung, Ton, Requisite, Maske, Schneiderei, Dekoration, Malersaal, Schlosserei, Schreinerei, Dramaturgie, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Theaterpädagogik.

„Und sie werden viel zu tun haben!“, kündigt Johanna Schall gleich zu Beginn, nach der freundlichen Begrüßung, an. »Cyrano de Bergerac« soll mit viel Lust, frech und unverschämt aufgeführt werden, unterstützt durch ein aufwändiges Bühnenbild, viele Kostüme, Kampf, Tanz, Tod und vielleicht sogar einer Tortenschlacht.

Da kommt auf alle viel Arbeit zu! Aber noch sind das alles nur Ideen und Vorstellungen von Regisseurin, Bühnenbildner und Kostümbildnerin. Bei der Bauprobe, dem ersten Zusammentreffen von allen, die mit der Aufführung des Stücks etwas zu tun haben, werden die Ideen zur Inszenierung ausprobiert und besprochen. Es ist sozusagen die erste Konfrontation der Ideen mit der Wirklichkeit, denn auch das grobe Gerüst zum Modell des Bühnenbildes steht heute zum ersten Mal auf der Bühne.

Ob das wohl alles so funktioniert? Nicht von heute auf Morgen und vielleicht mit einigen Änderungen, aber bis zur Premiere am 28. Juni ist ja noch Zeit.

Sicher für die Regisseurin ist:„Was fürs Auge muss dabei sein.“ Da darf man gespannt sein!

 Von Janine Osterberg, Praktikantin in der Theaterpädagogik

 

Die starken Männer im Hintergrund

Der Blick auf den langen Arbeitstag der Bühnentechniker ist unser Beitrag zur Kultur-Blogparade 2013 der Residenz München.

In einer Kultur-Blogparade ruft ein Blogbetreiber andere Kulturinstitutionen auf, zu einem bestimmten Thema Artikel zu verfassen. Diese werden gesammelt und vom Aufrufenden zusammengefasst. So entsteht ein Online-Sammelband von Texten, diesmal zum Thema „Der Blick hinter die Kulisse – unser Arbeitsalltag“. Wir freuen uns als Theater die zahlreichen Museumsbeiträge beispielsweise aus dem Städel Frankfurt oder dem Deutschen Historischen Museum zu ergänzen.

Sie sind morgens die ersten, die das Theater betreten und nachts die letzten, die es verlassen. Täglich um 7.30 Uhr rückt die erste Schicht der Bühnentechniker an, um bis 10 Uhr alle Aufbauten für die Proben und Vormittagsvorstellungen erledigt zu haben. Der Tag beginnt mit einer kurzen Aufgabenverteilung – dann schwärmen die starken Männer in der schwarzen Kleidung aus, um das Große Haus, die Kammerspiele, das Komödienhaus und die drei Probebühnen einzurichten. Da die Zeiteinteilung sehr streng ist, sind Schnelligkeit und Pünktlichkeit wichtig. Vor allem aber auch Genauigkeit, denn davon hängt die Sicherheit der Schauspieler ab. 24 Mitarbeiter inklusive Auszubildende hat die Bühnentechnik. Pro Schicht sind 6-8 Kollegen eingeteilt. Einige sind schon seit Bestehen des Theaters am Berliner Platz dabei. Bernd Reber und Dieter Schmid beispielsweise – sie haben sich damals auf eine Anzeige beworben, als für den Theaterneubau Bühnentechniker gesucht wurden. Von Beruf waren sie Schlosser bzw. Schreiner und vom Theater hatten sie nicht viel Ahnung. Aber sie mussten mit dem Theater Heilbronn eines der modernsten Häuser Europas bedienen. »Wir haben alles bei der Arbeit gelernt. Nur ein Techniker kannte sich damals aus«, erinnern sich die beiden. Heute kennen sie alle Bühnen mit ihrer technischen Ausstattung wie ihre Westentasche – trotzdem wird es nie langweilig, versichern sie. Denn sie dienen mit ihrer Arbeit der Kunst. Das heißt, spontan und flexibel zu sein, wenn dem Inszenierungsteam während der Proben geniale Einfälle kommen. Manchmal müssen auch bereits realisierte technische Lösungen wieder verworfen werden. Aber solche Korrekturen bleiben hier im Rahmen – aus Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und den Finanzen. Für jedes Bühnenbild wird lange im Vorfeld einer Inszenierung besprochen, warum welches Element nötig ist. Die Meister der Bühnentechnik lassen es regnen und stürmen. Sie sorgen dafür, dass Kulissenteile hochfliegen und im Boden versinken. Sie sind verantwortlich, wenn die Welt – in diesem Fall die Bretter, die sie bedeuten – sich dreht. Und sie lassen Schauspieler durch die Luft schweben. Besonders in letzterer Situation brauchen die Darsteller absolutes Vertrauen zu den Technikern an den Seilzügen. Das verbindet. All diese Abläufe werden in den Proben geübt, in die auch die Herren von der Technik ab 10 Uhr eingebunden sind. Um 15 Uhr rückt das zweite Team an, um die Probebühnen für die Abendproben umzubauen und vor allem, um die Bühnen für die abendlichen Vorstellungen vorzubereiten. Bis 17.30 Uhr müssen sie fertig sein, denn hinterher richtet die Beleuchtungsabteilung alle Scheinwerfer für das jeweilige Stück ein. Während der Vorstellung agieren sie unsichtbar, und doch würde ohne sie nichts funktionieren. Sie sind eine verschworene Gemeinschaft. Viele wie Zissis Tsiapkinakis, Henry Bickel oder Frank Kammerer sind seit den 80er Jahren dabei. Zissis Tsiapkinakis hatte damals in der Theaterkneipe »Rampenlicht« gehört, dass Bühnentechniker gesucht werden. Henry Bickel und Frank Kammerer haben Mitte der 80er Jahre die DDR verlassen und sind hier am Theater gelandet.
Ganz neu ist Bühnenmeister Lutz Schmieder, der über Zeitz und Rudolstadt hierher kam und mit der Einrichtung und Betreuung des sehr aufwendigen Operetten-Gastspiels »Orpheus in der Unterwelt« seine Feuertaufe erlebte und mit Bravour bestand.
Die »starken Männer« sind stolz, dass in den 30 Jahren des Bestehens des Theaters nicht eine Vorstellung aus technischen Gründen ausfallen musste. Ein anderer Job kommt für sie nicht in Frage, auch wenn es kaum freie Sonn- und Feiertage gibt und die Arbeitstage sehr lang sind. Wenn der Vorhang gefallen ist, ist die Arbeit noch lange nicht zu Ende. Dann werden die Kulissen wieder abgebaut, bis die Bühne vollkommen leer ist. Oft verlassen die Männer erst nach Mitternacht das Haus. Am nächsten Morgen rückt wieder die Frühschicht an und der Tag, an dem auf der Bühne vier Mal auf- bzw. abgebaut wird, beginnt.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Unsere Bühnentechniker

 

Multitaskingtalente sind die ersten, die Teile aus Minsk sehen

„Es ist gut, dass die Szene in der Probe zweimal gespielt wurde“, stellt ein Teilnehmer des Kultup am 16. Februar im Theater Heilbronn fest. In der Tat bedarf es flinker Smartphonebedienung und etwas Multitaskingtalentes um im Twitterstrom mitzuhalten und gleichzeitig der Probe zu „Minsk“ zu folgen. Da war es gut, dass Regisseur Christian Marten-Molnár und Dramaturg Johannes Frohnsdorf die twitternden Kulturfans mit ihren Erläuterungen zur Inszenierung unterstützten.

Twitterstatisten bei Minsk
Twitterstatisten bei Minsk

Ein Kultup wie dieser zeigt, dass auch eifrige Twitterer die Gelegenheiten gerne nutzen sich offline zu treffen um gemeinsam eine Opernprobe zu sehen. Rund 30 theaterbegeisterte Twitterer nicht nur aus Heilbronn sind gekommen, um Einblicke in das Entstehen einer Uraufführung zu bekommen, von der weder Musik noch Bühnenbild bisher öffentlich zu hören und zu sehen waren. Dazu eine Oper, deren Thema der Heimatsuche in eine Stadt wie Heilbronn passt. Im begleitenden Videoprojekt „Dasein: Heilbronn“ filmen Schüler der Wartbergschule Orte der Heimat und des Fremdseins in Heilbronn. Mitglieder des Württembergischen Kammerorchesters, das bei den Aufführungen im Orchestergraben sitzt, spielen live dazu die gemeinsam ausgesuchte Filmmusik.

@bb_wortgewandt
@bb_wortgewandt

In der Kultup-Probe bekamen die Twitterer die erste Szene der Oper Minsk zu sehen, in der Anna in der sterilen Kulisse der Londoner U-Bahn einschläft und meint ihren ehemaligen Geliebten Fyodor dort wiederzusehen. Noch war das Licht nicht eingerichtet und die Kostüme nicht fertig, aber die Anonymität dieses Ortes bereits zu spüren. Diese Wirkung unterstreicht die Musik von Ian Wilson, die auch vom Klavier gespielt bereits eindrucksvoll Annas Gefühle nachfühlen lässt.

Aus der Probe twittern ist, als würde man gleichzeitig während der Probe in einer großen Runde diskutieren. Und so entwickelten sich über die Smartphones und Tablets sowohl Gespräche über die Wirkung des Stückes und des Bühnenbildes, als auch über Probenoutfits und die in der Probe anwesenden Kamerateams. Überhaupt spielte das Zusammentreffen klassischer Medien und der „Neuen Medien“ auch in den anschließenden Gesprächen eine große Rolle. Denn obwohl alle Twitterer öffentlich twittern, scheinen sie dennoch eher kamera- und radioscheu zu sein. In den rund 350 Tweets während der Probe war von der Zurückhaltung nichts zu lesen. Nach einiger Zeit schalteten sich auch die Twitterer außerhalb des Theaters ein, die den Kultup verfolgten; sie kommentieren die Eindrücke der Teilnehmer und wünschen sich einen Live-Stream um auch die Musik zu hören.

Marcus Kohlbach, Twitter @Insel42
Marcus Kohlbach, Twitter @Insel42

Trotz aller digitalen Information ist der analoge Austausch auch für Twitterer noch wichtig, und so endete der Kultup in der Theaterkantine, bei der Diskussion, welche Chancen ein solches Format bietet, und ob es denkbar ist, auch aus regulären Vorstellungen zu twittern. Trotz der spannenden und positiven Erfahrungen beim Kultup im Theater Heilbronn, wird in regulären Vorstellungen zugunsten der Aufmerksamkeit und den Schauspieler zuliebe vorerst das Smartphone ausgeschaltet bleiben.

Pressestimmen

Und hier die ersten Blogbeiträge zum Kultur Tweetup:

Wir danken Ulrike Schmid und Birgit Schmidt-Hurtienne von Kultup für die gute Zusammenarbeit

 Zum ersten Mal bei einem Kultup war auch der Autor Johannes Pfeffer, Praktikant in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit

G wie Grau, Gruselig, Gesichtslos…

Die Anonymität zeigt sich schon bei der Kostümierung der Darsteller von Minsk:
Graue Kostüme stehen als Sinnbild für die anonyme Masse an Menschen, der man begegnet und zu der man keinen Kontakt herstellen kann.
Doch nicht nur in den Kostümen, sondern auch in den Masken der Statisten, die im Laufe der Woche bei uns eingetroffen sind, findet sich die Anonymität und Uniformität wieder.
Es sind insgesamt zehn  Masken, vier für die Frauen, sechs für die Männer. Diese sind jeweils identisch. Dadurch lassen sie sich, außer in männlich und weiblich, nicht voneinander unterscheiden. Die Gesichter haben keine eigene Persönlichkeit und bleiben somit anonym.
Es ist spannend und gruselig, wie sehr eine Maske einen Menschen verändert. Ohne die Mimik zu sehen, erkennt man keine Regung, keinen Gedanken.
Man kann zu den „Maskenmenschen“ keinen Kontakt aufnehmen. Anna fühlt sich alleine inmitten dieser abweisenden, uniformen Wesen.

Masken der Statisten
Masken der Statisten

Den Blick hinter die Kulissen von “Minsk” zeigt euch Selina Rothenhöfer, Azubi