Tanz! Heilbronn Nachlese – ein paar Gedanken zur Entwicklung des Themas

Von Festivalkuratorin Karin Kirchhoff
 
Ballet Boyz
Ballet Boyz

„Männer unter sich – Aspekte von Männlichkeit“ war das Thema des diesjährigen Tanzfestivals. Nach einer mit Veranstaltungen und Aktivität vollgepackten Woche kann ich nun die Eindrücke nachklingen lassen.

Entwickelt hatte sich das Motto bereits im Sommer 2014 – so lang ist der Vorlauf für das Festival immer, denn die großen Kompanien planen ihre Gastspiele mindestens ein bis anderthalb Jahre im Voraus. Ich hatte – zunächst eher zufällig – mehrere Stücke von reinen Männerkompanien gesehen. Daraus entstanden die Fragen, was denn eigentlich das Besondere daran sei und welche Art von Männertypen auf der Bühne dargestellt werden. Letztere bezieht sich einerseits auf die sozialen Rollen – Männer als Väter, als Konkurrenten, als Liebhaber, als Kumpel etc. – und andererseits auf die dargestellte Körperlichkeit.

Im Tanz findet sich naturgemäß ein sehr schlankes, muskulöses Körperbild, weil die Tänzer einerseits schon in der Ausbildung daraufhin selektiert werden und sie andererseits durch ihr ständiges Training diese Physis erhalten.

Dennoch kann der Tänzerkörper so oder so inszeniert werden. Die Bewegungen können betont athletisch sein und viel Kraft erfordern, also das klassische Männerbild oder Stereotyp betonen. Das konnte man im Festival insbesondere in dem Stück „The hidden men“ von Pál Frenák sehen. Sie können aber auch weich und fließend sein und weniger durch Kraft als durch gute Technik oder geschickten Energieeinsatz erzeugt werden, woraus bei Männern und Frauen eine ähnliche Bewegungsqualität möglich ist (z.B. im Eröffnungsstück von Emanuel Gat oder im zweiten Teil des BalletBoyz-Programms).

Als mein „Such-Radar“ dann auf das Männerthema eingestellt war, fanden sich erstaunlich viele Arbeiten, die sich direkt mit dem Thema befassten oder indirekt sehr gut dazu passen würden. In der Kunst spiegeln sich ja immer auch gesellschaftliche Veränderungen wider. Nachdem sich die Frauen in der Folge der Emanzipationsbewegung über Jahrzehnte mit der Neudefinition von Selbstbildern und Rollenverständnis beschäftigt haben, ist auch das Mann-Sein schon lange nicht mehr selbstverständlich. Das gewachsene Wissen um Trans- oder Intersexualität und die Gender-Queer-Bewegung haben der Diskussion zusätzlich eine neue Richtung gegeben und frühere vorgebliche Gewissheiten weiter infrage gestellt.

Neben den allgemeinen Aspekten forderte das Thema auch persönliche Antworten: Welche Männer interessieren mich am meisten? (die Untypischen mit vielen sogenannten weiblichen Anteilen) Zu welchen Frauen fühle ich mich hingezogen? (zu den Untypischen mit vielen „männlichen“ Anteilen). Was macht für mich Frau-Sein oder Mann-Sein aus? Welche Einflüsse haben mein Männerbild geprägt? (Kindheit, Schule, die westdeutsche Frauenbewegung der 80er Jahre, Erfahrungen mit mehr oder weniger subtiler Diskriminierung, Begegnungen mit selbstreflektierten Menschen beiderlei Geschlechts, eine glückliche Ehe…). Im Dezember 2014 starb mein Vater und es wurde mir nochmal neu bewusst, wie mein Männerbild auch durch diesen freundlichen, humorvollen, intellektuellen Menschen geprägt wurde, der dennoch (natürlich) nicht frei war von herkömmlichen Vorstellungen und den Prägungen seiner Generation.

All dies kann sicher nicht Gegenstand eines Festivalprogramms sein, aber das Theater ist ja ein wunderbarer Ort, um Gedanken und Diskussionen anzustoßen. Daher fanden sich in diesem Festivalprogramm besonders viele Publikums- und Künstlergespräche und zwei Workshops für Menschen auch ohne tänzerische Vorkenntnisse.

Ein wirkliches Experiment war die Aufteilung in Männer- und Frauengruppe bei den Publikumsgesprächen. Ko-Moderator Andreas Frane und ich waren zunächst recht unsicher, ob die Männer daran teilnehmen würden. Es fanden sich aber mehr Männer als erwartet sowie zahlreiche Frauen in den jeweiligen Gruppen ein, und die getrennten Diskussionen waren ergiebiger und offener als die in der anschließenden gemeinsamen Runde.

Die Latte ist jetzt allerdings hoch gehängt: mal sehen, ob uns im nächsten Jahr wieder ein so vielseitiges Thema gelingt.

Karin Kirchhoff

Hinter den Kulissen von Tanz! Heilbronn

CIE Pal Frenak_The Hidden Men_Peter Peti
Eine Woche Tanz, eine Woche Rhythmus, eine Woche voller Begegnung, eine Woche… das könnte ewig so weiter gehen, doch es gibt weit mehr darüber zu erzählen, denn das Festival Tanz! Heilbronn ist nicht nur in der Woche präsent, wenn es stattfindet (dieses Jahr vom 06.05.15 – 10.05.15). Es ist ein langer spannender Prozess, welcher vom Festlegen der Termine bis hin zur Nachbereitung geht. Man mag es kaum glauben, aber das eine Tanz-Festival hat noch nicht mal richtig begonnen, da wird schon für das kommende Festival im nächsten Jahr geplant. Welche Kompanien laden wir ein? Unter welchem Motto wird es laufen? Kommen die ausgewählten Stücke bei den Zuschauern an? Gibt es extra Zusatzprogramm für Tanzbegeisterte, die gerne selbst das Tanzbein schwingen?
All diese Fragen stellt sich unsere Tanz Kuratorin Karin Kirchhoff, welche schon seit 2008 die Verantwortung des Festivals trägt. Im nächsten Tanz-Blogbericht erzählt sie euch, wie sie sich für das Festival wappnet und auf was sie sich am meisten freut.

Mein Name ist Jule Fuchs. Zurzeit mache ich eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau am Theater Heilbronn und im Moment befinde ich mich in der Abteilung Marketing / Öffentlichkeitsarbeit. Eine besondere Aufgabe in meinem Beruf am Theater ist es, bei Projekten wie dem Tanz-Festival, mitzuwirken. Beim diesjährigen Tanz Festival musste ich die verschiedenen internationalen Kompanien vom Flughafen und Bahnhof abzuholen und zu betreuen. Ihr erinnert euch? Die Bahn hat gestreikt: Das war ein Fest!

Doch fangen wir doch erst mal von vorne an:
Bevor die Festival-Woche überhaupt begann, setzten wir, das Tanz! Heilbronn-Orga-Team, welches aus Karin Kirchhoff, Michèle Jarry-Anton, der guten Seele der Verwaltung und mir bestand, uns zusammen, und besprachen die Abläufe für die kommende Woche. Vom Anliefern der Getränke bis zum Standort des Kuchen-Buffets, von arrival bis departure wurde alles bis ins kleinste Detail besprochen. Ein Muss eines solchen Festivals sind die sogenannten „Rider“ oder auch „Technical Rider“ genannt. In diesen Dokumenten sind alle technischen Anforderungen festgehalten, die die Kompanie oder ein Künstler für seine Auftritte braucht. Das erleichtert unserer Licht-,Ton- und Technikabteilung die Vorbereitung und sie haben die Möglichkeit, den straffen Zeitplan einzuhalten, der auf sie wartet. Da die Kompanien erst einen Tag vor Vorstellung anreisen, ist eine technische Probe also auch erst ein paar Stunden vor dem Auftritt möglich. Der „Rider“ verhindert also Überraschungen und lässt keinen Künstler im Dunkeln stehen.

Am Mittwoch, dem 06.05.2015 holte ich die erste Kompanie am Stuttgarter Flughafen ab. Mit einem „Theater Heilbronn“-Schild stellte ich mich an das Terminal 1 und wurde prompt von einem netten Mann angesprochen, der vor Jahren von Heilbronn nach Stuttgart gezogen und früher begeisterter Statist am Theater Heilbronn war. Aber das ist eine andere Geschichte… Die „Pàl Frènak Compagnie“ aus Budapest landete um 13:40 Uhr und ich nahm sie in Empfang. Dóra Juhász, die Managerin der Tanz-Kompanie stürmte mir sofort entgegen. Die fünf Tänzer, drei Techniker und Pàl Frènak gleich hinterher. Dann begann eine lustige Heimreise zurück ans Theater Heilbronn. Die anfängliche Angst, dass meine englischen Sprachkenntnisse nicht ausreichen könnten, waren wie verflogen. Ein Tänzer unter ihnen, versuchte sogar ein bisschen Deutsch mit mir zu sprechen, doch am Schluss herrschte reges Gelächter im Bus und man unterhielt sich in Englisch, Deutsch, Ungarisch und Französisch. Es war herrlich. Zurück am Theater, zeigte ich ihnen das Theatergebäude, doch von der langen Reise waren alle etwas müde und ich fuhr sie zum Hotel. Am nächsten Tag durfte ich bei der Generalprobe dabei sein und ein bisschen in ihr Stück hineinschnuppern. 3 Seile hingen von der Decke auf die Mitte der Bühne. Licht beleuchtete die Seile und dann ging es auch schon los. Laute Musik tönte aus den Lautsprechern und der erste Tänzer sprang auf die Bühne. Er schnappte sich das eine Seile und war mit nur vier Handgriffen am oberen Teil des Seiles angelangt, um sich dann mit einer fließenden Bewegung runterhängen zu lassen. Er bewegte sich im Rhythmus der Musik – und obwohl er nicht wirklich tanzte, sah es ganz danach aus. Im nächsten Moment kamen schon die restlichen Tänzer auf die Bühne und die Performance nahm ihren Lauf. Es war großartig! Am Abend der Vorstellung konnte sich das Heilbronner Publikum nicht mehr auf den Stühlen halten und für die Kompanie aus Budapest gab es tosenden Beifall und Standing Ovation.
Als ich die Truppe am nächsten Tag wieder Richtung Flughafen fuhr, verabschiedeten wir uns mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Traurig wegen des Abschieds, aber voller Freude, dass man aus so einem Festival nicht nur Erfahrungen sondern auch Freundschaften mit nach Hause nimmt. Freitagabend trafen dann die BalletBoyz aus London ein. Kim Rapolder, meine Mitauszubildende, durfte die zehn jungen Männer aus England in Empfang nehmen, die zum ersten Mal in Deutschland waren und sich gleich Willkommen fühlten. Am Samstag hatten sie dann ihren großen Auftritt im Großen Haus. Eine Erstaufführung der BalletBoyz in Deutschland, die sofort in alle Herzen traf. Man sah, wie präzise die beiden Choreografen Alexander Whitley und Christopher Wheeldon gearbeitet haben. Auch diese Darbietung traf voll ins Schwarze. Nicht nur bei den Zuschauern, auch ich war völlig von den Socken und war mir sicher, nächstes Jahr möchte ich wieder Teil des Ganzen sein. Nach diesem spektakulären Auftritt traf man sich zusammen im Foyer der BOXX, quatschte, lachte und tanzte zusammen.
Am Sonntag, dem letzten Tag des Festivals, standen dann Ahmed Khemis und Eisa Jocson auf der Bühne. A. Khemis sogar gleich 2 Mal, da er eine Doppelvorstellung spielte/tanzte. Auch hier wieder tosender Applaus und Freude.

Zwischen sportlicher Höchstleistung und der Leidenschaft zum Tanzen, kam kein Tanztheater-Junkie zu kurz.

Mitwirken, mitgestalten, mit dabei sein. Tanz! Heilbronn ist nicht nur was Besonderes für das Theater Heilbronn, nein, auch für mich. Im nächsten Jahr bin ich wieder dabei…

Du auch?

FREE HUGS!

Da staunten einige Heilbronner nicht schlecht, als ihnen am vergangenen Samstag in der Innenstadt eine Horde wild gewordener Hippies entgegen kam und freimütig kostenfreie Umarmungen verteilte. Viele Einkaufsbummler nutzen diesen kurzen Moment des Innehaltens und umarmten trotz der Last der Einkaufstüten leichtfüßig und lang. Worte waren unnötig für diese kurzen Glücksmomente, die die Heilbronner Theaterclubber gern teilten, und die bestimmt noch beim Einkaufsbummel nachhallten. „Flower Power“ war das Motto der letzten Clubszene, zu der sich die vier Theaterclubs des Theaters Heilbronn trafen. Sie stimmten sich gemeinsam auf den nahenden Frühling und die damit verbundenen Gefühlsstürme ein. Zu den Smash Hits der 60er Jahre wurde getanzt, Liebeserklärungen gemacht, Luftgitarren zerstört und Theater gespielt. Jetzt beginnt der Premierenreigen der Theaterclubs. Fast ein Jahr lang haben alle Kinder und Jugendlichen an ihren Theaterstücken gearbeitet. Für jeden, der kommt, haben wir ein Päckchen „Schöne Zeit“ gepackt. Und vielleicht wiederholen wir unsere „Free Hugs Aktion“ nochmal. »Ich bin mein Himmel und meine Hölle« (Theaterclub 4) Vorstellungen: 15.05.15 20 Uhr / 17.05.15 15 Uhr und 18 Uhr »Immernacht« (Theaterclub 3) Vorstellungen: 27.06.15 20 Uhr / 28.06.15 15 Uhr und 20 Uhr »Waldgeflüster« (Theaterclub 1) + »2069« (Theaterclub 2) Vorstellungen: 18.07.15 18 Uhr / 19.07.15 15 Uhr und 18 Uhr

»Tie Break« – eine himmlische Beziehungskomödie mit irdischen Konflikten im Komödienhaus

Collage: Ulrike Melnik

Nach oben oder nach unten? Das ist hier die Frage! Zumindest für Salondame Lou und Automechaniker Ferdi. Beide haben bereits das Zeitliche gesegnet und warten nun auf das für sie bestimmte Urteil: Himmel oder Hölle. Das himmlische Gericht ist allerdings auch nur ein Ort der Bürokratie und Verwaltung, in dem es drunter und drüber geht und Entscheidungen nicht überstürzt getroffen werden. Schließlich ist auch gar nicht eindeutig festzustellen, ob Lou und Ferdi zu Lebzeiten mehr Gutes oder Schlechtes getan haben. Was also mit den beiden tun?, überlegt Gott.

Derweil streiten sich Adam und Eva. Aber nicht etwa im Paradies, sondern im irdischen Alltag namens Ehe. Und in der kriselt es gerade gewaltig. Adam hat Eva mit einer gefärbten Blondine aus der Finanzbuchhaltung betrogen und überhaupt ihr ganzes Leben ruiniert. Von einer Paartherapeutin werden die beiden samt einer Liste mit psychologischen Übungen zur friedlicheren Annäherung für ein gemeinsames Wochenende in eine einsame Hütte geschickt. Adam hat gebucht. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der kleine Bungalow, beworben als »rustikal mit ländlichem Charme« sich in Evas Augen als totale Bruchbude erweist. Statt des Himmels voller Geigen hängt hier schon bald der Haussegen schief. Was beide jedoch nicht wissen: Sie sind nicht allein.

Gott hat nämlich derweil entschieden, dass er Lou und Ferdi quasi als Schutzengel für Adam und Eva ins Tie Break, die allerletzte Entscheidungsrunde, schickt. Allerdings war er bei der Formulierung des Auftrags sehr in Eile und deshalb wissen die beiden Engel nicht so genau, was von ihnen eigentlich erwartet wird. Aber egal, Katastrophen müssen in jedem Fall vermieden werden, und sich gegenseitig umbringen sollten Adam und Eva möglichst nicht. Danach sieht aber alles aus, doch Lou ist sich sicher: Zwischen Adam und Eva geht noch was. Sie wettet mit Ferdi, dass die beiden Streithähne schon bald wieder das Bett in trauter Zweisamkeit teilen werden. Wetteinsatz: Dem anderen ewig unter die Nase reiben dürfen, dass man Recht hatte. Die Wette gilt!

Regisseur und Schauspielensemblemitglied Nils Brück inszeniert die göttliche Komödie um zwei Engel für Adam und Eva im Komödienhaus.

Märchen und andere Schandtaten

Foto: Ruth Hengel

Was bedeutet es eigentlich, cool zu sein? Sollte ich in eine Bank einbrechen, um eine Frau zu beeindrucken? Oder doch lieber mit ihr Burger essen gehen? Ist es wirklich erstrebenswert, unsterblich zu sein? Und was passierte eigentlich auf dieser Party am 20.01.2015?

Mit diesen und anderen Fragen beschäftigen sich die Theaterklassen der Wilhelm-Maier-Schule in Obereisesheim schon seit Beginn des Schuljahres. Gedanken und Antworten kommen jetzt auf die Bühne. Fünf Klassen zeigen fünf Premieren selbst erarbeiteter Stücke.

So entwickelte eine der sechsten Klassen das Märchen »Achmed will nicht sterben«. Hier geht es, wie der Titel schon erahnen lässt, um einen alten Mann, Achmed, der Angst vor dem Alt werden und Sterben hat. In seiner Not kommen ihm seine Möbel zur Hilfe, die ebenfalls besorgt sind, im Falle seines Todes herrenlos zu werden. Sie legen Achmed in einer stürmischen Gewitternacht ein Rezept in die Hände – das Rezept für das »Elixier der Verjüngung und Unsterblichkeit«. Doch ganz so einfach wird die Sache nicht, denn für das Elixier benötigt Achmed geheimnisvolle Zutaten. Irgendwie muss er es schaffen sieben Märchenfiguren aufzutreiben. Zusammen mit zwei Computernerds schafft er es in ein Märchenbuch einzubrechen und eine Gruppe Verbrecher zu programmieren, die die Märchenfiguren für ihn kidnappen sollen. Doch was dann passiert, konnte Achmed nicht voraussehen.
Auch die Geschichten der weiteren vier Stücke sind vielversprechend. Ihre Titel: »Eine Eskalation«, »Das Date oder These Burgers are crazy«, »Katzen und Wölfe« und »Cool«.

Die Wilhelm-Maier-Schule ist »Schule mit Theaterprofil« und arbeitet seit vier Jahren eng mit dem Theater Heilbronn zusammen. Für die Klassenstufen 5-7 steht einmal wöchentlich Theaterunterricht auf dem Stundenplan, der von einer Theaterpädagogin des Theaters Heilbronn und einer Lehrerin der Schule gemeinsam unterrichtet wird. Hier werden unter anderem eigene Theaterstücke entwickelt. Inhalte sind aber nicht nur die vielfältigen Formen des Theaterspiels. Hier geht es um viel mehr, nämlich um die Schüler selbst und deren persönliche Entwicklung. Gemeinsam mit den Lehrkräften legen sie ihre Lernziele fest, z. B. »laut und frei sprechen«, »sich fokussieren« oder »im Team zusammen arbeiten«, entwickeln eigene Szenen und Stücke, deren Themen sie selbst wählen.

Vorstellung “Theater beginnt im Kopf” am 10. Juli 2015, 18.00 Uhrin der Festhalle Neckarsulm-Obereisesheim.

Wie ein Spielplan entsteht …

v.l. Alejandro Quintana, Andreas Frane, Axel Vornam, Stefanie Symmank, Stefan Schletter

»Nach dem Spielplan ist vor dem Spielplan«: Wenn Mitte April auf der alljährlichen Pressekonferenz Intendant Axel Vornam, Hausregisseur Alejandro Quintana und die Dramaturgen die 25 Premieren der kommenden Spielzeit der Öffentlichkeit vorstellen, dann haben die Vorüberlegungen für die übernächste Saison bereits begonnen. Schon sind Kontakte zu anderen Theatern geknüpft, um Musiktheater- und Tanzgastspiele für die Zukunft anzudenken. Und das permanente Lesen aktueller Stücke, über die die Theaterverlage in regelmäßigen Abständen per E-Mail oder über ihre Broschüren informieren, hört sowieso nie auf.
Das Spielplan-Machen ist ein ständiger, durchaus langwieriger Prozess, für die Dramaturginnen und Dramaturgen der deutschen Theaterlandschaft ist es die Kür zur Pflicht des Tagesgeschäfts. Denn das ist ihr großes Spielfeld: Das Lesen und Auswählen, das Suchen und Finden, das Diskutieren und Abwägen. Andreas Frane und Stefanie Symmank schlagen die Stücke für Großes Haus und Komödienhaus, Stefan Schletter für die BOXX vor, die Entscheidungshoheit hat dabei Intendant Axel Vornam, der die thematische Diskussion anstößt und sich mit eigenen Vorschlägen, manchmal durchaus streitbar, in die Stück- und Stoffsuche einbringt.
Wie zu jedem Spiel, gehören allerdings auch zu diesem Regeln: Die Anzahl und Verteilung der Stücke auf die Spielstätten ist gesetzt, dazu kommen Gastspiele aus Oper, Operette, Ballett, Tanztheater und Boulevard, gerne auch mal auf Schwäbisch. Und dabei macht’s die intelligente Balance: Ein gutes Verhältnis aus Klassischem und Neuem, Unterhaltung und Anspruch, für alle Altersgruppen. Sternchenthemen und Schullektüren wollen dabei ebenso beachtet sein wie entscheidende Fragen wie »Was wird dieses Jahr das Weihnachtsmärchen?« oder »Was spielen wir an den Feiertagen und an Silvester?«. Dazu kommt noch: »Haben bzw. finden wir dafür die richtigen Regisseure?« und »Können wir alles mit unserem Ensemble besetzen?« Und natürlich sollten die Stücke möglichst in den letzten zehn Jahren nicht bereits gelaufen sein, denn nicht nur wir, sondern auch unsere Abonnenten lieben die Abwechslung.
Das klingt kompliziert, fast unlösbar und irgendwie »strategisch«? Keine Sorge, das sind nur die Rahmenbedingungen, denn innerhalb dieses Rahmens wird es spannend: Auf den sogenannten Spielplankonferenzen, zu denen sich Dramaturgie und Intendant im stillen Kämmerlein regelmäßig treffen, sind der Fantasie, dem Findungsreichtum und der Diskussionslust erst einmal keine Grenzen gesetzt. Welches Profil wollen wir dem Haus und den einzelnen Spielstätten geben? Welche Themen bewegen uns und unser Publikum gerade? Wie positioniert sich das Theater zu den gesellschaftspolitischen Fragen und Problemen unserer Zeit? Manchmal gerinnt aus diesen Diskussionen in Verbindung mit Stoffen und Texten bereits ein übergreifendes Thema, manchmal verständigt man sich erst über ein mögliches »Motto« der Spielzeit und macht sich dann auf die Suche nach Stücken dazu.
Doch wie hält sich die Aktualität und Relevanz eines Spielplans? Theater ist im Vergleich zu den modernen Massenmedien ein eher langsames Medium, das heißt, der Weg von der Spielplanplanung bis zur Premiere dauert mindestens ein halbes Jahr. Und was beim Planen auf den Nägeln brennt, könnte sich später als Strohfeuer erwiesen haben. Unsere Stärke allerdings liegt in der Kontinuität, der Vertiefung, der Zuspitzung und der »Nachhaltigkeit«, mit der wir uns mit Fragen und Themen beschäftigen. Und in der Konzentration, die das dem Publikum abverlangt. Wo sonst kommen noch so viele Menschen an einem Ort zusammen, um sich für zwei Stunden oder länger mit einer Inszenierung auseinander zu setzen? Ist der Spielplan komplett, wird es für uns ernst: Werden wir mit unseren Themen, Titeln und Inszenierungen das Publikum treffen – ins Hirn, ins Herz, manchmal auch ins Zwerchfell? Das entscheiden am Ende Sie!

Warum verzweifelt sein?

Theaterprojekt zu „Anne Frank“ in der BOXX

„Ich bin jung und habe noch viele verborgene Eigenschaften. Ich bin jung und stark und erlebe das große Abenteuer, sitze mittendrin und kann nicht den ganzen Tag klagen, weil ich mich amüsieren muss! Ich habe viel mitbekommen, eine glückliche Natur, viel Fröhlichkeit und Kraft. Warum sollte ich dann verzweifelt sein?“ (Auszug Anne Frank Tagebuch) Sieben Jugendliche aus dem Mönchseegymnasium, der Andreas-Schneider-Schule und dem Kolping- Bildungswerk begaben sich drei Tage lang auf die Suche nach Anne Frank. Im Rahmen der Themenwoche zu „Anne und Zef“  wurde unter dem Arbeitstitel „Sehnsucht Luft und Lachen“ im Tagebuch der Anne Frank geblättert, der Liebe zu Annes Peter nachgespürt und das Zusammenleben auf engstem Raum erforscht. Heraus kam eine Darbietung, die im Foyer der BOXX stattfand. Dicht neben, unter und zwischen den Zuschauern agierten die Jugendlichen mit Leidenschaft und Präzision. Und genauso wie sie am Vormittag nach dem Vorstellungsbesuch von „Anne und Zef“ berührt waren, saß nun Schauspielerin Anastasija Bräuniger, die Anne Frank spielt,  mit großen Augen im Publikum und war begeistert: „Ich bin ganz inspiriert von euch. Das gibt mir nochmal einen ganz anderen Blick auf die Rolle.“