Familienforschung oder wie hundemüde Kinder zu aktiven Schauspielern werden

Ab dem 6. November, 15 Uhr,  steht eines der beliebtesten Kinderstücke der vergangenen Spielzeit wieder auf dem Spielplan der BOXX: „Wir alle für immer zusammen“ von Guus Kuijer. Darin geht es um die 11jährige Polleke, in deren Leben es gerade drunter und drüber geht. Ihre Mutter ist in den Lehrer verliebt, ihr Freund will nicht mehr mit ihr zusammen sein und auf den Vater ist sowieso kein Verlass. Ganz schön viel für eine 11-Jährige! Aber Polleke ist ein großartiges Mädchen, das mit Witz und Geradlinigkeit alle Probleme meistert. Parallel zu den Wiederaufnahmeproben der Schauspieler beschäftigten sich Kinder in den Herbstferien mit dem Stück und entwickelten ein eigenes Theaterspiel zum Thema Familie Praktikantin Alina Joy war beim  Familienforschungsprojekt in den Herbstferien dabei und schildert ihre ersten Eindrücke: Mittwochmorgen, ich werde an der Pforte des Theaters abgeholt und Lea Kaiser, eine der Theaterpädagoginnen des Theaters, führt mich durch ein Gänge-Labyrinth in Richtung BOXX.  Vorbei an vielen Türen, die wieder in spezielle Räume oder weitere Gänge führen. Ich helfe der Theaterpädagogin bei diesem Herbstferienprojekt, das sich mit dem Thema Familie befasst.  Das Ziel unserer Woche ist ein kleines Stück mit den Kindern, aber auch zu lernen wie man miteinander etwas erarbeitet. Die Kinder kommen und wollen gleich mit dem Theaterspielen anfangen. Doch genau wie „richtige“ Schauspieler bereiten sie sich erst einmal auf ihr Thema  und auf das schauspielerische Handwerk vor.  Zunächst werden verschiedene Aufwärm-Spiele gespielt um die Kinder „aufzuwecken“, denn da sie Ferien haben, sind sie alle noch etwas müde. Anschließend erklärt ihnen Lea, dass sie „Familienforscher“ sind und sich Fragen überlegen sollen die sie schon immer an Familien interessiert haben. Einige Fragen haben mich berührt, andere zum Schmunzeln gebracht: „Wieso streiten Eltern so oft?“ oder „ Warum sind Mama und Papa immer strenger als Oma und Opa?“ Am nächsten Tag dürfen wir bei den Proben von „Wir Alle für immer zusammen“ zugucken. Es ist total interessant die Schauspieler bei der Arbeit und auch von ihrer persönlichen Seite zu sehen. Anschließend sind die Kinder wieder dran. Singend und tanzend wärmen sie sich auf und dann heißt es endlich: „ Jetzt dürft ihr euch Szenen überlegen“. Nun können sie Theater spielen und gehen richtig auf in ihren Rollen auf. Natürlich gibt es auch Uneinigkeiten und kleine Auseinandersetzungen. Aber das gehört zur Theaterarbeit dazu. Je tiefer wir alle in das Stück einsteigen, umso mehr Spaß macht es, das kleine Schauspiel auf die Beine zu stellen. Am Ende der Probe sind die Kinder fast schon etwas traurig, dass die Zeit schon vorbei ist und sie nicht weiter das Stück entwickeln können. Die Ergebnisse des Familienforschungsprojektes werden am Freitag, 4. November, um 15 Uhr in der BOXX vorgestellt. Neues Familienformat: story|Boxx startet am 12. November Junge Theaterbesucher werden selbst zu Dichtern Übrigens sollten sich alle jungen Theaterfreunde den 12. November vormerken. Da steht noch einmal Polleke, die Hauptfigur des Stückes, im Mittelpunkt. Sie ist Dichterin. Aus diesem Grund startet am 12. November im Anschluss an die Vorstellung um 15 Uhr ein neues Familienformat für junge Theaterbesucher und ihre Eltern in der BOXX, in dem die Kinder selbst zu Dichtern werden können – die story|Boxx. Wie die Hauptheldin aus dem Stück können die Kinder in spielerischen Aktionen selbst Geschichten erfinden oder kleine dichterische Kunstwerke erschaffen. Außerdem wird mit Ausschnitten aus seinen anderen Büchern die Neugier auf weitere Polleke-Romane von Guus Kuijer geweckt. Anmeldung für die Vorstellungsbesuche und die story|Boxx unter 07131/563001 oder 563050

Keine Angst vor der Zukunft

Junges Theater stiftet Diskurs zwischen Heranwachsenden und gesellschaftlichen Entscheidungsträgern

Josip Juratovic (Mitglied des Bundestages) und Dr. Wolfgang Hansch (experimenta) im Gespräch
Josip Juratovic (Mitglied des Bundestages) und Dr. Wolfgang Hansch (experimenta) im Gespräch

„Wie lautet diesmal Ihr Urteil?“, fragt Theaterintendant Axel Vornam den Vorsitzenden Richter am Heilbronner Landgericht Roland Kleinschroth. „Sie werden verurteilt, diese Veranstaltung zu wiederholen und von nun an fest in Ihr Repertoire aufzunehmen“, sagt er Richter mit gespielt ernstem Blick. „Im Ernst“, ergänzt er: „Der Polit- Brunch ist ein tolles Format und ich bin auch beim nächsten Mal gern mit dabei.“

Bianca Sue Henne, der Leiterin des Jungen Theaters, und ihren Kolleginnen von der Theaterpädagogik fällt ein Stein vom Herzen. Zum ersten Mal haben sie das neue Format der future|Boxx ausprobiert,  ein unkonventionelles Begegnungsformat, mit dem zum einen das Junge Theater den Dialog mit seinem Publikum eröffnet und das zum anderen Jugendliche und erwachsene Entscheidungsträger aus der Region an einen Tisch bringt. Heranwachsende und gestandene Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft begegnen sich hier gleichberechtigt auf Augenhöhe und diskutieren über Themen, die die Jugendlichen umtreiben. Das Ganze bei einem leckeren Brunch mit einer reichen Auswahl an herzhaften und süßen Speisen – Gastronom Matthias Hornung hatte sich selbst übertroffen.

Viele wichtige Heilbronner Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen fanden die Idee spannend, als sie die Einladung erhielten, und hatten sich spontan bereit erklärt mitzumachen. So kamen, neben Richter Kleinschroth, auch Josip Juratovic, Mitglied des Bundestages für die SPD; Roland Häussermann, Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfgesellschaft Ernst & Young in Heilbronn; Uwe Ralf Heer, Chefredakteur der Heilbronner Stimme; Roswitha Keicher, Leiterin der Stabsstelle für Partizipation und Integration der Stadt Heilbronn; Agnes Christner, erste Bürgermeisterin von Heilbronn; Dr. Wolfgang Hansch, Geschäftsführer des Science Centers Experimenta; Dr. Michael Krötz, Facharzt für Radiologie, Susanne Eicher vom Schulamt Heilbronn, Charlotte Mischler, Kulturamtsleiterin; Nadine Ratz von der Stadtbibliothek Heilbronn; Marlene Neumann vom Welcome Center Heilbronn-Franken; Jakob Dongus, stellvertretender Landesvorsitzender der Jusos; sowie Uta Koschel, Chefregisseurin, und Andreas Frane, Chefdramaturg des Theaters Heilbronn.
Bereits am Nachmittag vorher hatten sich die Jugendlichen getroffen, um gemeinsam ihre brennendsten Zukunftsfragen zu diskutieren und herauszuarbeiten, worüber sie am nächsten Tag reden wollten. Sie einigten sich auf Themenfelder wie Leistungsgesellschaft, Krieg, Konsum, Freiheit, Musik und Heilbronn.

Warum verdienen Leute, die unser Geld verwalten, mehr als Menschen, denen wir unsere Kinder und unsere Großeltern anvertrauen? Diese Frage wurde am „Konsum“- Tisch diskutiert. Was kann man tun, um diese Ungerechtigkeit abzuschaffen? Schnell landete die Runde an diesem Tisch bei TTIP und bei der Rolle der USA in der Weltpolitik.
Sehr viel konkreter ging es am Heilbronn-Tisch zu: Wie schaffen wir es, Alkoholikern und Drogensüchtigen zu helfen und sie nicht als Aussätzige der Gesellschaft zu betrachten? Oder warum ist die Radwegesituation in Heilbronn so schwierig?

Am Musiktisch ging es unter anderem um illegale Downloads und darum, dass man Musik noch besser ins gesellschaftliche Leben integrieren könnte, um für gute Laune zu sorgen.
Gibt es Freiheit ohne Regeln? Sollte man Menschengruppen mit Regeln oder lieber über Wertevermittlung führen?
Wie kann die Schule besser aufs Leben  und auf die Berufsfindung vorbereiten?

Wie können Medien erreichen, dass sich die Menschen wieder mehr für Fakten als für emotionalisierte und personalisierte Skandale interessieren? Wie kann man den Leuten nahebringen, dass es auch in der Flüchtlingsfrage keine einfachen und schnellen Lösungen gibt? Was ist Wohlstand? Was macht die digitale Revolution mit den Arbeitsplätzen? Wird es irgendwann den stationären Handel noch geben oder geht alles nur noch online? Wie kann man das Tempo im Alltag drosseln?

Nicht die Erwachsenen, die Jugendlichen gaben die Themen vor. An insgesamt sechs Tischen hatten sie gemeinsam in gemischten Gruppen Platz genommen. „Für mich war es überraschend, dass wir wirklich auf Augenhöhe diskutiert haben“, schrieb eine der  Jugendlichen als ihr Fazit an die Pinnwand. Ein anderer resümierte, dass er verblüfft war, wie interessant politische Gespräche sein können.

Agnes Christner (Sozialbürgermeisterin der Stadt Heilbronn) und Chefregisseurin Uta Koschel beim politBrunch
Agnes Christner (Erste Bürgermeisterin der Stadt Heilbronn) und Chefregisseurin Uta Koschel beim politBrunch

Dass die Unterhaltungen sehr angeregt verliefen wurde deutlich, als keiner der future|Boxx-Teilnehmer die Veranstaltung nach dem offiziellen Ende verlassen wollte, sondern dass alle weiter redeten. „Der Ruf der Jugend, sie sei desinteressiert und denke nur an sich, ist nicht gerecht“, findet Josip Juratovic bestätigt. Einige Jugendliche wollen von ihm künftig im wöchentlichen Newsletter über seine Bundestagsarbeit informiert werden – ein Schritt zu einem Punkt, der den Heranwachsenden sehr wichtig ist: Transparenz in der Politik.
Dr. Wolfgang Hansch nimmt für sich als Fazit mit: „Man sollte Jugendlichen mehr zuhören und weniger selbst reden. Denn es ist ihre Zukunft, die wir heute gestalten.“
Auch Themenwünsche für die nächste future|Boxx wurden festgehalten: Globalisierung, gesellschaftliche Partizipation, Heimat, Gleichberechtigung, Sicherheit, soziale Ausgrenzung … Alle Teilnehmer wollen auch beim nächsten Mal wieder dabei sein.

Das Junge Theater sammelt die Gedanken, die an diesem Tag ausgetauscht wurden, und hat schon erste Ideen, wie sich zumindest einige der Themen im Spielplan für die Saison 2017/2018 wiederfinden können.