AB Ins Theater!

Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA
KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Dieses Zitat aus Peter Stamms Roman Agnes beschreibt ziemlich treffend, was ich fühle, wenn ich an mein Abitur zurückdenke. Ohne Frage, eine nervenaufreibende und stressige Zeit. Und doch empfinde ich sie im Nachhinein als eine intensive Phase voller schöner Momente, geprägt von Zusammenhalt und Tatendrang. Mein Abi ist mittlerweile drei Jahre her, die Sternchenthemen für das Deutsch-Abitur sind aber immer noch dieselben wie damals. Homo Faber und Agnes –  diese zwei Werke gehören unter anderem zu der Pflichtlektüre für die Allgemeinbildenden Gymnasien. Im Rahmen meines Praktikums werde ich nun noch einmal mit dem Stoff konfrontiert, sitze zwischen Deutschkursen in der Vorstellung und dieses beflügelnde Abi-Feeling kommt tatsächlich noch einmal auf.

Los geht’s mit Homo Faber in der Pocketversion. 2013 habe ich dieses Stück im Großen Haus gesehen, mittlerweile gibt es die komprimierte Fassung in der BOXX. Kammerspielartig und auf das Wesentliche reduziert – eine perfekte Vorbereitung für die Schüler und eine perfekte Möglichkeit für mich, die Handlung, die Figuren und die Motive ins Gedächtnis zurückzurufen. Am gleichen Tag besuche ich zudem die Autorenlesung von Peter Stamm. Er sitzt – im behaglichen Bühnenbild des Komödienhauses von Der Vorname integriert – auf einem alten Plüschsessel und wird mit Fragen gelöchert. Dies ist die einmalige Gelegenheit, um das ein oder andere Geheimnis zu Agnes von ihrem Schöpfer höchstpersönlich lüften zu lassen.

Zusätzlich zu den „Frontaldarbietungen“ im Theater gibt es speziell für die Abiturienten kostenlose Theaterworkshops. So zum Beispiel  der Workshop zu Homo Faber in der Theaterwerkstatt im Wollhaus. Theaterpädagogin Katrin Singer verteilt laminierte Kärtchen, lässt die Schüler in die Rollen der Hauptfiguren schlüpfen und gibt Kontexte vor, in denen die Figuren nun miteinander interagieren sollen. Die zentralen Motive werden sowohl situativ als auch in Diskussionen interpretiert und das Hineinversetzen in den Stoff wird zum Gruppenerlebnis. Bei den Standbildern freuen sich sowohl die Darstellenden als auch die Zuschauer über die oft sehr originelle Umsetzung.
Nach diesen ganzen konstruktiven Vorbereitungsmaßnahmen bleibt nur noch, viel Erfolg für die im April anstehenden Prüfungen zu wünschen! Und falls so langsam Panik und Schrecken aufsteigen sollte, denkt daran, was Max Frisch einmal gesagt hat:
Die Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.

Patricia Heiss ist als Praktikantin für sechs Wochen am Theater Heilbronn und sammelt dort Erfahrungen im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie studiert an der Universität Mannheim im fünften Semester Kultur & Wirtschaft.

SWR zeigt Beitrag über Musical ‚Big Fish‘ in der Landesschau aktuell

SWR_BigFish

In einer turbulenten Zeit voller Premieren und Uraufführungen kann es schon einmal vorkommen, dass sich das SWR-Fernsehen gleich zwei Wochen in Folge anmeldet, um über das Theater Heilbronn zu berichten. Nach dem Beitrag über „Ein Lied von Liebe und Tod (Gloomy Sunday)“ in der Sendung Kunscht! vom 19. Januar wurde nun auch hinter und vor den Kulissen von „Big Fish“ gedreht. Das Musical – eine magische Geschichte über eine Vater-Sohn-Beziehung und das Kind im Manne – wird für fünf Abende in Folge ab dem 25. Januar im Großen Haus zu sehen sein. Zum ersten Mal findet eine Zusammenarbeit mit der renommierten Theaterakademie August Everding aus München statt.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 13. November 2016 über die Europäische Erstaufführung im Münchener Prinzregententheater: “So Ideenreich, so liebevoll, so frisch hat selbst das Deutsche Theater lange kein Musical mehr hinbekommen.” Vielleicht liegt das Geheimnis dieser „frischen“, spritzigen Produktion auch an dem jungen Ensemble. So filmt das SWR-Kamerateam nicht nur Ausschnitte aus der Komplettprobe, sondern zeigt auch den Trubel hinter der Bühne: da werden die letzten Kostüme zurechtgelegt, der Soundcheck (noch im Bademantel) durchgeführt, es wird gescherzt und die Choreografie in Erinnerung gerufen. Diese heitere Stimmung wandelt sich sofort mit Beginn der Probe auf der Bühne in konzentriertes, professionelles Arbeiten – ohne, dass der Spaß und die gute Laune verloren gehen.

Wer es heute nicht zur Premiere schafft, kann um 19.30 Uhr in der Landesschau aktuell im SWR Fernsehen schon mal einen Eindruck gewinnen. Es lohnt sich, einzuschalten – und es lohnt sich natürlich doppelt, noch eine der letzten Karten für die nachfolgenden Vorstellungen, die bis zum 29. Januar in Heilbronn zu sehen sind, zu ergattern!

Praktikantin Patricia Heiss hat dem Kamerateam und dem Team von Big Fish zugeschaut.

Das Fernsehen im Theater – das Theater im Fernsehen

SWR-Magazin „Kunscht!“ zeigt wenige Tage vor der Premiere von „Ein Lied von Liebe und Tod (Gloomy Sunday)“ erste Einblicke und Hintergründe

SWr Kunschd im Theater HeilbronnInterviews, Szenenausschnitte und der Alltag hinter den Kulissen – das Kamerateam des SWR begleitet an dem Montagnachmittag vor der Premiere die Abläufe um die erste Komplettprobe zu „Ein Lied von Liebe und Tod (Gloomy Sunday)“, das am 21. Januar um 19.30 Uhr im Großen Haus Uraufführung feiern wird.
Dabei legt das fünfköpfige Fernsehteam den Fokus vor allem auf die musikalische Quintessenz des Schauspiels von John von Düffel; das berühmt-berüchtigte Lied vom traurigen Sonntag, welchem eine besondere melancholische Anziehungskraft zugeschrieben wird und um welches sich die Legende der „Hymne der Selbstmörder“ rankt. Was empfinden die Schauspieler, wenn sie die weltbekannte, und doch so simple Melodie hören? Worin besteht für Regisseurin Uta Koschel die Besonderheit des traurig-schönen Liedes? Wie wird in der Inszenierung die Verbindung zwischen Dialogen, Bühnenbild und Musik hergestellt? Das sind nur ein paar der Fragen, die das Team um Redakteurin Ursula Böhm stellen.
Zusätzlich begleitet das Kamerateam das geschäftige Treiben abseits vom Scheinwerferlicht: Impressionen vom Probenalltag der Mitarbeiter, die für Ton, Maske, Licht oder Kostüm zuständig sind, vor der wichtigen Probe final Hand anlegen und letzte Veränderungen vornehmen. So wird gefilmt, wie kurz vor der „Vorstellung“ die Frisuren zurecht gemacht werden, im Gang zur Bühne schnell die Hosenträger befestigt werden und die Schauspieler Bettina Burchard, Nils Brück und Paul-Louis-Schopf allmählich durch die optische Veränderung in ihre Rollen schlüpfen. Eine Theaterinszenierung, die über das Medium Fernsehen zugänglich gemacht wird? Funktioniert wunderbar, vor allem weil so interessante neue Perspektiven geschaffen werden, der zoom-in eine unmittelbare Nähe zu den Darstellern schafft. Und die filmischen Momentaufnahmen zeigen, dass im Theater das reibungslose Zusammenspiel von allen Komponenten vor, neben, unter, über und auf der Bühne Voraussetzung für ein gelungenes Ergebnis ist. Egal, ob Probe oder Premiere.
Ausgestrahlt wird der Beitrag am 19. Januar um 22.45 Uhr im SWR, zudem ist die Sendung „Kunscht!“ natürlich in der SWR-Mediathek rückblickend abrufbar.

Patricia Heiss ist als Praktikantin für sechs Wochen am Theater Heilbronn und sammelt dort Erfahrungen im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie studiert an der Universität Mannheim im fünften Semester Kultur & Wirtschaft

Das Erfolgs-Musical »Big Fish« macht für fünf Vorstellungen in Heilbronn Station

Ein richtig großer Fisch!

big-fish_johannes-osenberg-amos-rechts-ensemble_c-lioba-schoeneck

Eine Meerjungfrau taucht aus dem Orchestergraben auf, ein Riese stolpert auf die Bühne, Hexen wirbeln mit wallenden Gewändern aus den Gassen, ein Walfisch verschlingt ein ganzes Bett. Einen richtig großen Fisch hat die Bayerische Theaterakademie in München da an Land gezogen: 1993 gegründet, ist die Theaterakademie August Everding die größte Ausbildungsstätte für Bühnenberufe in Deutschland und vereint acht verschiedene Studiengänge. Zum 20-jährigen Jubiläum des Studiengangs Musical gelang es, für die Abschlussinszenierung im traditionsreichen Prinzregentenheater die Europäische Erstaufführung des Broadway-Erfolges »Big Fish« zu sichern. Ein vor Fantasie nur so sprühendes Musical für die ganze Familie, das den jungen Künstlerinnen und Künstlern der Akademie ermöglicht, die ganze Breite und Tiefe ihrer Talente auszuloten. Nicht nur das Publikum der Premiere geriet aus dem Häuschen, auch die Presse kam ins Schwärmen: Die Kritiker der Süddeutschen Zeitung fanden den Abend »zauberhaft«, »wunderbar«, »so ideenreich, so liebevoll, so frisch«.

Und wenn es um Kreativität und Fantasie geht, dann passt dazu auch perfekt die Geschichte von »Big Fish«, die wahrscheinlich weniger durch den Roman von Daniel Wallace als durch die Verfilmung von Tim Burton aus dem Jahr 2003 bekannt ist: Wie ein moderner Münchhausen erzählt der Vertreter Edward Bloom allen, die es hören wollen, seine Lügenmärchen. Von der Kleinstadt, die er nicht ein, sondern gleich zwei Mal gerettet hat, von der Hexe, die ihm in ihrer magischen Kugel seinen Tod vorhergesagt hat, von dem geheimnisvollen Zirkus, in dem er drei Jahre lang arbeiten musste, um das Rätsel um die Liebe seines Lebens lösen zu können. Und und und … Selbstverständlich ist Edward in all seinen Anekdoten und Schwänken immer der Held, der »große Fisch«. Nur seinen Sohn Will kann er damit nicht mehr beeindrucken. Denn wenn die Wahrheit immer von der Fantasie übermalt wird, wie soll man sie dann erkennen? Und wie soll man den eigenen Vater kennenlernen?

Als bei Edward eine schwere Krankheit diagnostiziert wird, macht sich Will auf die Suche nach dem »wahren« Edward Bloom. Und erlebt im Rennen gegen die ablaufende (Lebens-)Zeit nicht nur eine Überraschung …

Die Musicalfassung von »Big Fish« stammt von dem bekannten Drehbuchautor John August (»Charlie und die Schokoladenfabrik«) und dem Autor und Komponisten Andrew Lippa, dessen preisgekröntes Werk »The Wild Party« in der Spielzeit 2004/2005 in Heilbronn deutsch erstaufgeführt wurde. Für die mitreißende Inszenierung sorgen international begehrte Musicalprofis wie der Regisseur Andreas Gergen (Jekyll und Hyde, Shrek – das Musical, Hairspray), der Bühnenbildner und Projektionsdesigner Sam Madwar und der Choreograf Danny Costello.

Und Achtung: »Big Fish« wird nur vom 25. bis 29. Januar für fünf Vorstellungen in Heilbronn Station machen. Sichern Sie sich Ihre Karten im Vorverkauf!

Warten auf den großen Auftritt

Eine Palme und ihre Geschichte

palme_koenigundkoenig

Es war einmal eine majestätische Palme, die zwischen Plüschkissen, Nähmaschinen und großen Holzkisten in der Dekowerkstatt des Theaters auf den Auftritt ihres Lebens wartete. Sie war zwar noch sehr jung, führte aber  ein sehr unbekümmertes Leben. Allerdings fehlte ihr manchmal das Gefühl von gleißendem Licht auf ihren großen Palmenblättern. Und natürlich wünschte sie sich die Gesellschaft einer weiteren Palme, denn Palmen sind sehr ungern allein. Doch zum Glück sollte sie bald eine Palmengefährtin bekommen. Wenige Meter entfernt lagen die einzelnen Palmenteile aus flexiblem Tanzboden auf einem langen Tisch und Schöpferin Angelika Wagner hatte schon mit dem Verkleiden des Stamms begonnen. Allerdings hatten die Chefin der Abteilung und ihre Kollegen immer wieder etwas anderes zu tun, beispielsweise die Fertigstellung der Kulissen im Komödienhaus, und so wurde die Freundin der Palme einfach nicht fertig.

Ihrer Einzigartigkeit war sich die einsame Palme bewusst, war sie doch in mühevoller Kleinstarbeit und nach mehreren Skizzen, Schablonen und Modellen hergestellt worden um ab März eine ganz besondere Rolle in dem Kinderstück König und König zu spielen.  Passend für diesen königlichen Anlass war sie nicht in erdigem Grün gekleidet, sondern ihr Stamm erstrahlte in leuchtendem Rot. Dadurch würde sie sich später auf der Bühne von den anderen Farnen und Gesträuchen abheben. Ihre noch graue Blätterkrone hatte die Besonderheit, durch geschicktes Anstrahlen alle Farben des Regenbogens anzunehmen. Hinter den überlappenden Schichten des Stammes verbarg sich zudem eine bemerkenswerte Raffinesse – ein Stahlrohr, welches problemlos eine Hängematte mit zwei jungen Königen tragen konnte und tropischen Stürmen und tosendem Beifall trotzen würde, ohne sich zu verbiegen. Leider konnte sich die Palme deswegen auch nicht wie die anderen Schauspieler vor dem Publikum verbeugen, sondern blieb starr in ihrer Position. Doch so weit dachte sie noch gar nicht und da sie keinen Text auswendig zu lernen hatte würden die ersten Proben mit Palme wohl erst kurz vor der Premiere am 12. März stattfinden.

Und wenn die Palme bis dahin nicht vom Bühnenbildner gegen einen Apfelbaum eingetauscht wird, dann lebt sie Vorstellung für Vorstellung im Dschungel der Bühne. Und wer weiß, vielleicht wird sie sich in der Fantasie der Zuschauer doch im Wind wiegen können…

Autorin: Patricia Heiss

»Ein Lied von Liebe und Tod (Gloomy Sunday)« kommt als Uraufführung ins Große Haus

»Ein Lied von Liebe und Tod (Gloomy Sunday)« kommt als Uraufführung ins Große Haus

Foto: Christian Richter
Foto: Christian Richter

Es ist die Geschichte einer Frau zwischen drei Männern, eines Liedes mit einem gefährlichen Zauber und einer Liebe in einer mörderischen Zeit: Die hinreißend schöne Ilona führt gemeinsam mit ihrem Geliebten László Szabó ein erfolgreiches Restaurant in Budapest, Ende der 30er Jahre. Auch der deutsche Unternehmer Hans Wieck und der Hauspianist András können sich ihrem Zauber nicht entziehen. Während sich András mit dem eigens für Ilona komponierten »Lied vom traurigen Sonntag« Zugang zu ihrem Herzen verschafft, versucht sich Wieck nach seinem aussichtslosen Werben, das Leben zu nehmen. László kann Wieck noch in letzter Sekunde retten. Und während András und Ilona sich ihrer Leidenschaft hingeben, freunden sich László und Wieck an. Als Wieck nach Deutschland zurückgeht, richten sich die übrigen drei in einer gut funktionierenden Dreierbeziehung ein. Mit der Besetzung Ungarns durch die Nazis kehrt aber auch Wieck nach Budapest zurück: Langsam, aber unabwendbar bricht eine Tragödie über die beschauliche Romanze herein.
Entscheidender Bestandteil der Bühnenfassung ist das Lied. John von Düffel schafft einen interessanten Zugang, eine Geschichte über zwei Zeitebenen, verbunden durch eine Melodie, die die Zeit überdauert. Seine Geschichte spielt in der Erinnerung, in Ilonas Erinnerung. »Sie ist die gegenwärtige Besitzerin von Szabós Restaurant. Die erinnerte, ferne Zeit sind die Jahre der Nazi-Besatzung in Budapest und kurz davor. Schauplatz ist das Restaurant, das einmal Szabós Restaurant war. Es ist der Raum der Erinnerung. Medium der Erinnerung ist die Musik. Mit ihr gehen wir durch die Zeiten, Stimmungen, Momente. Durch sie begegnen wir Figuren, Szenen und Konflikten. Im Mittelpunkt des Restaurants steht daher ein Flügel. Wenn er erklingt, dreht die Zeit, dreht sich das Karussell der Erinnerungen.«, beschreibt John von Düffel seine Konzeption. Zu Stückbeginn ist das Restaurant geschlossen. Man sieht einen Raum, der nicht mehr oder noch nicht lebt. Erst das Spiel der Musik und der Erinnerung wird ihn zum Leben erwecken. Es beschwört die Toten herauf und lässt das Vergangene gegenwärtig werden.
Im Zentrum der Geschichte der drei Hauptpersonen steht die Kraft der Liebe, die den Tod überdauert und über Verrat und Vergessen triumphiert. Der historische Bogen von der Vorkriegszeit bis zur Gegenwart wird spannend geschlagen, es geht nicht nur um menschliche Regungen wie Liebe, Treue und Eifersucht, sondern auch um die Utopie von Glück und um das Aufrechterhalten von Würde in einer würdelosen Epoche.

Jeton Nezijrajs »Die Windmühlen« für Kinder ab 10 Jahren rotieren ab 8. Januar 2017 in der BOXX

Kaleidoskop der (Un)Möglichkeiten

WAS TUN, wenn man ein Angebot erhält, das man nicht ablehnen kann?
WAS TUN, wenn ein Mensch, den man liebt, einen Traum hegt, dessen Erfüllung für einen selbst ein großes Opfer bedeutet?
WAS TUN, wenn man an der wohlmeinenden Fürsorge seiner Eltern zu ersticken droht?
WAS TUN, wenn plötzlich Schmetterlinge durch den Magen flattern?
WAS TUN, wenn man feststellt, dass auch Erwachsene nicht immer richtig liegen?
WAS TUN, wenn man sich plötzlich in einer Welt wiederfindet, die alles bisher Gekannte auf den Kopf zu stellen scheint?

plakat_windmuehlen

Aus Perspektive der zehnjährigen Gisela schickt das, extra für die Heilbronner BOXX entstandene, Gedankenspiel des kosovarischen Autors Jeton Neziraj Ensemble und Publikum durch eine Welt, die sich ohne den Filter des erwachsenen Vorurteils als weitaus weniger merkwürdig erweist als erwartet.
Ein Jahr und ein paar Monate sollen es sein, die man abseits der deutschen Heimat verbringen wird. Ziel der merkwürdigen Reise, im Zuge derer Vater Müller den Bau einer Windkraftanlage beaufsichtigen soll, ist UNMIKISTAN*.
10 Buchstaben, die innerhalb der Familie Müller völlig unterschiedliche Assoziationen wachrufen.
Während Vater Müller sich durch die hoffentlich erfolgreiche Umsetzung seines Auftrages bereits auf halbem Wege zum Nobelpreis sieht, stehen seiner Frau, der Juristin, beim Gedanken an eine völlig fremde Kultur mit sicherlich barbarischem Rechtsverständnis augenblicklich die Haare zu Berge – Karriere des Gatten hin, notwendige Entwicklungshilfe her.
Tochter Giselas Kopfkino hingegen, ist bei Aussicht auf ein solches Abenteuer kaum mehr zu bremsen. Was wäre, wenn sie das elterliche Verbot heimlich umgehen, die Welt jenseits des Gartenzauns entdecken und auf einen Jungen mit verschiedenfarbigen Augen treffen würde …?

*Hinter dem Ziel der merkwürdigen Reise der Familie Müller verbirgt sich nichts anderes als der Kosovo. Die sarkastische Bezeichnung UNMIKISTAN spielt auf den Umstand an, dass die Region seit 1999 unter Aufsicht einer Interims-Zivilregierung, der UNMIK (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) steht, deren Mitarbeitenden von kosovarischer Seite häufig Unregelmäßigkeiten, politische Willkür und sonstige Fehlverhalten vorgeworfen werden.

Von der Schönheit eines halbgefüllten Glases

Steffen Nödl fängt mit seiner Kamera besondere Momente hinter den Kulissen ein

andreblick_horro

Einmal war es nur der Schatten des Kronleuchters an der Wand, der seinen Blick fesselte. Dann wieder ein paar halbgefüllte Gläser mit (unechtem) Sekt, die am Bühnenrand auf ihren Einsatz warteten. Ein anderes Mal die glücklichen Gesichter der Schauspieler im Applaus nach der Vorstellung.
Steffen Nödl sucht nach den besonderen Momenten, nach den Kleinigkeiten im Theateralltag, die manch anderer überhaupt nicht wahrnimmt. Und er hält sie mit seiner Kamera fest. Die Nikon D 300s ist sein ständiger Begleiter bei der Arbeit, damit sie im rechten Moment einsatzbereit ist. Als Bühnentechniker kommt der 44-Jährige ganz nah ans Geschehen auf den weltbedeutenden Brettern heran, ist quasi selbst ein Teil davon. »Ich habe nur sehr selten mal ein Stück von vorn gesehen«, sagt er. Immer von der Seite oder von hinten. Vielleicht interessiert ihn die Zuschauerperspektive deshalb nicht so sehr. Er entdeckt das Besondere in der Normalität des Theateralltags, das kaum ein Zuschauer je zu Gesicht bekommt. Das Gespräch zwischen Schauspielern und Regisseur in der Probe, die Verwandlung der Kollegen in der Maske, die Pausenzigarette zwischen den Auftritten, die akkurat zurechtgelegten Requisiten vor der Vorstellung, die Kontrolle der Bühne durch die Inspizientin vor Beginn des Theaterabends, die für die schnellen Umzüge ausgebreiteten Kostüme, die konzentrierten Mienen der Schauspieler kurz bevor sie auf die Bühne müssen. Während des Fotografierens versucht er sich im Hintergrund zu halten und sich unsichtbar zu machen. Die Nähe stellt Steffen Nödl über die Brennweiten seiner Objektive her. Da Blitzlicht im Theater ein absolutes Tabu ist, hat er den Blitz nicht nur ausgeschaltet, sondern auch abgeklebt. Eine doppelte Absicherung, denn jedes unabgesprochene Lichtzeichen kann auf der Bühne zu Irritationen führen. Besonders gern fotografiert er das Spiel der Darsteller von der Seitenbühne oder von hinten. Fängt Situationen ein, wenn sie einsam auf der großen Bühne ganz vorn an der Rampe stehen – das Bild flößt Ehrfurcht und Respekt vor diesem Beruf ein.
Obwohl Steffen Nödl als Kind nur einmal in einer Theatervorstellung war – »das war in Ali Baba und die 40 Räuber, daran kann ich mich noch ganz genau erinnern« – ist das Theater schon immer ein Teil seines Lebens. Er ist ganz in der Nähe, in der Lammgasse, aufgewachsen und hat den Bau des Hauses am Berliner Platz beobachtet. Als in der Heilbronner Stimme ein Ausbildungsplatz für einen Schlosser im Theater ausgeschrieben war, bewarb er sich. »Die Bewerbung habe ich persönlich vorbei gebracht, damit nichts schief geht.« Nach den dreieinhalb Jahren Ausbildung wurde er in der Theaterschlosserei fest eingestellt und wechselte nach einiger Zeit in die Bühnentechnik – also in den Bereich, der die Kulissen auf- und abbaut und die Umbauten und Verwandlungen während der Vorstellungen realisiert. Mit einem Mal war er ganz dicht dran an der Kunst, ließ sich fesseln und inspirieren. Er entdeckte so manches Motiv, denn schon immer hat er seine Umgebung mit den Augen eines Fotografen beobachtet. Seit Kindertagen war die Fotografie sein Hobby. Und endlich traute er sich zu fragen, ob er hinter den Kulissen Aufnahmen machen dürfe, zunächst analog jetzt meistens digital. Aber bei manchen Inszenierungen lässt er sich auf das Abenteuer der analogen Schwarz-Weiß-Fotografie ein. Er mag daran das Ungewisse, den viel bewussteren Umgang mit dem Material. Wenn er zu Hause im heimischen Fotolabor die Filme entwickelt und die Fotos vergrößert, ist das immer ein großer Moment. In erster Linie fotografiert er für sich selbst. Aber auch die Schauspieler und viele andere Kollegen im Haus mögen seinen besonderen Blick und behalten Steffen Nödls Bilder als unvergessliche Erinnerungen an die Inszenierungen, die ja immer nur eine endliche Zeit im Spielplan sind.