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Tortuga
Julia Apfelthaler und Ferdinand Seebacher begeben sich in ein aufregendes Piratenabenteuer. Foto: Johannes Frohnsdorf

Tortuga. Piratengeschichten und Seemannsgarn von Paul Steinmann
Premiere am 15.01.2014 in den Kammerspielen

… müssen Männer mit Bärten sein. Doch weit gefehlt! Gerade unter Seeräubern gab es immer wieder Frauen an Bord. Die bis heute berühmtesten von ihnen sind Mary Read und Anne Bonnie. Beide gehörten zur Mannschaft des Piratenkapitäns Jack Rackham und galten als die Tapfersten im Enterkampf. Der Schweizer Autor Paul Steinmann griff die spannende Lebensgeschichte der beiden Frauen auf und machte daraus ein Stück Erzähltheater mit Musik für eine Schauspielerin und einen Schauspieler. Wie ihre beiden historischen Vorbilder muss sich Steinmanns Heldin Mary-Anne O’Malley schon früh als Junge ausgeben, um ihren Unterhalt zu sichern. Überhaupt scheinen die Männer nur Vorteile zu haben. Sie sind unabhängig, ihnen stehen alle Türen offen, wogegen den Frauen nichts anderes bleibt, als sich heiraten zu lassen. Außer man überlistet diese Männerwelt! Mary-Anne arbeitet als Lakai bei einer französischen Vicomtesse und heuert als Matrose auf einem englischen Kriegsschiff an. Später wird sie sich dem Karibikpiraten Calico Jack anschließen. Mit List, Geschick und Tapferkeit bringt sie es bis zur Kapitänin. Mary-Anne und Jack rauben so manche Galeone aus und machen sich den spanischen Gouverneur Pedro de Alvarado, den mächtigsten Mann der Karibik, zum Feind. Verzagte Sittsamkeit, das ist Mary-Annes Sache nicht. Das Leben ist zu kurz, um nicht ungehemmt davon zu kosten. Was selbstverständlich auch die Liebe einschließt. Mary-Anne gibt sich dem Schiffskoch Henry, in den sie sich verliebt hat, als Frau zu erkennen: ein äußerst riskantes Spiel, denn Henry könnte sie verraten. Auch mit Calico Jack knistert es natürlich gewaltig … Was nach solch einem aufregenden Leben kommt? Am liebsten die Hölle, wo die anderen Piraten Mary-Anne und Calico Jack »mit dreihundert Salutschüssen empfangen.« Doch Mary-Anne weiß auch sehr gut: »Wir fordern jeden Tag das Glück aufs Neue heraus und denken, dass gerade wir mit dem Leben davonkommen.« So ist »Tortuga« mehr als ein rasant erzähltes Piratenabenteuer; es ist zugleich eine nachdenkliche Geschichte über das Finden des eigenen Platzes in der Welt. Eine Geschichte über Erlebnishunger angesichts des Sterbenmüssens.
Stephan Beer (Regie) und  Dorothee Neuling (Ausstattung) zeigen mit »Tortuga« ihre erste Arbeit am Theater Heilbronn. An anderen Häuser haben die beiden schon mehrfach zusammengearbeitet. Sie sind ein eingespieltes Team. Bei »Tortuga« standen sie vor der Herausforderung, mit kleinen Versatzstücken in Windeseile buchstäblich die ganze Welt zu erzählen. Denn in dem Stück wimmelt es nicht nur vor Rollen, in die vor allem Ferdinand Seebacher mit Hilfe vieler Kostümteile schlüpfen muss.Mit wenigen Handgriffen werden auch die verschiedensten Schauplätze geschaffen: England und die Insel Tortuga etwa, außerdem gleich zwei Schiffe, eine Kneipe und sogar ein Badehaus mit echter Badewanne kommen vor.
Auf den szenischen Proben entwickeln Stephan Beer und die Schauspieler mit viel Erfindungsreichtum eine Spielform, die die Fantasie kleiner und großer Zuschauer auf Touren bringt. Dazu trägt auch Nicolas Kemmer bei, der mit Julia Apfelthaler und Ferdinand Seebacher Seemannslieder einstudiert. Man darf gespannt sein, wenn es im Januar für die Mannschaft der »Tortuga« heißt: »Leinen los und Segel setzen!«

Johannes Frohnsdrof, Dramaturg

 

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