Schuldig oder nicht schuldig – wie werden Sie entscheiden?

Schuldig oder nicht schuldig – wie werden Sie entscheiden?

Gerechtigkeitsgttin

»Das Stück der Saison ist eigentlich kein Stück, Sondern ein Ereignis«, jubelte ein Kritiker. Und in »Der Spiegel« gestand der Filmemacher und promovierte Jurist Alexander Kluge: »Ich gehe nicht oft ins Theater. Aber ich wünschte mir mehr solcher Stücke.« Geschrieben wird hier über »Terror«, den derzeit meist gespielten deutschsprachigen Theatertext, der an 47 Bühnen, von Berlin bis Wien, von Kopenhagen bis Venezuela zu sehen ist.
»Terror« ist der Bühnenerstling von Ferdinand von Schirach, einem der auch international erfolgreichsten deutschen Schriftsteller und einem der prominentesten deutschen Strafverteidiger. 2009 debütierte er mit 45 Jahren mit dem Erzählband »Verbrechen« als Autor, inzwischen sind ein weiterer Band mit Erzählungen (»Schuld«), zwei Romane (»Der Fall Collini« und »Tabu«) und eine Reihe von Essays erschienen – und nun ein Theaterstück, das seit der Doppeluraufführung am 3. Oktober 2015 in Berlin und Frankfurt Publikum und Presse begeistert.
Von Schirach nutzt in »Terror« die inhärente Theatralität unseres Rechtssystems: Auf der Bühne läuft eine Gerichtsverhandlung ab, mit einem Vorsitzenden, einem Angeklagten, einem Verteidiger, einer Staatsanwältin und Zeugen. Ein – leider gar nicht mehr so unwahrscheinlicher – Fall wird verhandelt: Am 26. Mai 2013 entführte ein Terrorist einen Airbus der Lufthansa. Er drohte, das Flugzeug mitten in ein voll besetztes Fußballstadion, die Allianz-Arena in München, stürzen zu lassen und so 70 000 Menschen zu töten. Der Bundeswehr-Major Lars Koch hat das Flugzeug kurz vor der Katastrophe aber abgeschossen und dadurch 164 Menschen an Bord getötet. Nun soll vor der Großen Strafkammer des Schwurgerichts entschieden werden, ob er dafür schuldig oder unschuldig gesprochen wird. Und die Entscheidung trifft – das Publikum, das als Schöffinnen und Schöffen am Prozess beteiligt ist.
Mit diesem klugen »Kniff« kommt das Geschehen auf der Bühne tatsächlich »über die Rampe« und bezieht die Zuschauerinnen und Zuschauer unmittelbar mit ein. Nicht nur in den Prozessverlauf, sondern auch in den spannenden Diskurs über Recht und Gerechtigkeit, Schuld und Verantwortung, Moral und Ethik, den von Schirach hier anstößt.
Über die konkrete (Spiel-)Handlung hinaus veranstaltet er ein Gedankenexperiment, das zu einer eigenen Haltung herausfordert und drängende Fragen unserer Zeit zuspitzt: Darf Leben gegen Leben aufgewogen werden? Rechtfertigt der Zweck die Mittel? Sind die Werte unseres Grundgesetzes und der Kampf gegen den Terror, das Bedürfnis nach Sicherheit und der Drang nach Freiheit miteinander vereinbar? Nach welchen ethischen Koordinaten richten wir unser Leben und Handeln aus? Wie werden wir entscheiden? Was tun?
Am Theater Heilbronn inszeniert Intendant Axel Vornam dieses »Stück der Stunde« in einem stilisierten Gerichtssaal. Für die Rolle des Angeklagten, Major Lars Koch, kommt Ferdinand Seebacher als Gast noch einmal zurück ins Ensemble.

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