Silvester mit der Killerpflanze

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Noch keine Pläne für Silvester? Lust auf ein Date mit einer fiesen, grünen Killerpflanze aus dem Weltall? Für einen Besuch im “kleinen Horrladen” haben wir noch Plätze frei. Und keine Sorge: “Audrey Two” will dafür keinen Tropfen Blut, sondern nur Ihren Applaus. Machen Sie sich einen vergnügten Abend mit unserem Kult-Musical, einer – wie die Zeitschrift “musicals” jubelt – “rundum gelungenen Produktion”!

Silvester mit Gesang und Genuss

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Erleben Sie den letzten Abend des Jahres 2014 mit einer fleischfressenden Pflanze oder einem Politiker auf Abwegen! Am 31. Dezember 2014 spielen wir für Sie »Der kleine Horrorladen« und die Komödie »Außer Kontrolle«. Beide Vorstellungen beginnen um 18 Uhr.
Im Anschluss an die Vorstellungen können Sie bei einem festlichen 3-Gänge-Menü in unserer Theatergastronomie »Gaumenspiel« weiterfeiern. Die Inszenierungen können auch ohne Gastronomie gebucht werden. Kartenverkauf unter 07131/563001 oder 563050

Beziehungskomödie mit dem allerersten Paar der Welt

Julia Apfelthaler und Oliver Firit bringen die »Tagebücher von Adam und Eva« zum Singen und klingen im Komödienhaus

Manchmal stößt man beim Vorbereiten einer Inszenierung auf Überraschungen: Continue reading “Beziehungskomödie mit dem allerersten Paar der Welt”

Zwei Blicke ins Apartment

Wie unsere PraktikantInnen die Proben zum Musical erleben

gabrielkemmether_Apartment

Iris Simon, Praktikantin in der Dramaturgie

Der Donner grollt, die Blitze zucken. Ein Abend um sich gleich nach der Arbeit in sein Bett zu verkriechen. Das hatte auch Chuck Baxter so geplant; doch nun steht er bei diesem Wetter auf Manhattans Straßen und singt davon, was er nicht alles für ein bisschen Erfolg im Beruf auf sich nimmt.

Am Ende des Songs plötzlich laut die Stimme des musikalischen Leiters Heiko Lippmann: „Gut gemacht, Gabriel, aber bitte noch einmal von vorne! Und könnte ich bitte den Regen dazu haben!“ Carsten Bänfer, der tontechnische Leiter, gibt via Funk seinen Tontechnikern in der Tonloge Bescheid.

Kurz vorher war man noch im New York der Sechziger und verfolgte das Leben eines einfachen Buchhalters, da holt einen die Realität der Theaterwelt wieder zurück in die Gegenwart.

Es ist 10:30 Uhr an einem Dienstagvormittag. Im Großen Haus findet die sogenannte Bühnen- und Orchesterprobe (BO-Probe) für das Stück„Das Apartment“ statt.

Für die Musicalfassung des Billy-Wilder-Films wird noch ohne Make-up und Kostüme geprobt. Heute stehen vor allem die Lieder der Darsteller im Mittelpunkt. So können noch nach und nach die technischen Feinheiten wie das Licht, die Soundeffekte und der Ton optimal abgestimmt werden.

Gabriel Kemmether beginnt von Neuem. Leise besprechen sich die Regisseurin Katja Wolff, der musikalische Leiter Heiko Lippmann und der Bühnenbildner Jan Freese am Regiepult.

Um die Zeitreise in das Leben von Baxter und seiner heimlichen Flamme Fran (Luise Schubert) perfekt zu machen, muss noch so manches eingestellt, umgestellt und verändert werden.

Doch es bleibt einem gar nicht viel Zeit darüber nachzudenken, wie viel Arbeit in jedem noch so winzigen Detail steckt; denn schon hat einen die Atmosphäre des Bühnenbilds und die Musik wieder voll in den Bann gezogen: „Raindrops keep falling on my head“.

 

Julia Heyer und Johannes Pfeffer, Praktikanten der Abteilung Marketing

Musik setzt ein. Auftritt Oliver Firit im roten Kostüm. Stop. Nochmal.
Musik setzt ein. Auftritt Oliver Firit im roten Kostüm. Etwas schneller. Stop. Nochmal.
Musik setzt ein. Auftritt Oliver Firit im roten Kostüm. Wieder langsamer. Diesmal unterbricht niemand.

Die Regisseurin Katja Wolff und der musikalische Leiter Heiko Lippmann fordern von den Schauspielern unseres Ensembles für das Musical „Das Apartment“ höchste Perfektion. Die Abstimmung zwischen der Musik und der Handlung auf der Bühne ist unerlässlich. Dazu gehört der exakte Start und das Tempo einer Bewegung. Auch wohin die Schauspieler sich bewegen, wird genau besprochen und geprobt, damit in Tanzszenen mit bis zu zwölf Schauspielern keiner dem anderen auf die Füße tritt.

Dem Regieteam entgeht nichts, was auf der Bühne stattfindet, gerade die kleinen Details, die der Besucher kaum wahrnimmt, machen nachher die perfekte Bühnenchoreografie aus. Viele Fragen werden wieder und wieder diskutiert und geklärt, bis alle Beteiligten zufrieden sind.

  • Wer stellt welches Requisit wohin?
  • Wie überrascht sieht Fran aus, wenn sie die Wahrheit erfährt?
  • Und wann geht welches Licht an?

Noch ist die Bühne in kaltes Probenlicht getaucht. Doch der Dramaturg Andreas Frane verspricht: „Durch die Lichtchoreografie wird das Bühnenbild in den Aufführungen zum lebendigen Spielort“. Dazu wird das Licht in diesen Tagen nach und nach in den Spielablauf mit einbezogen.

Noch drei Hauptproben und die Generalprobe stehen dem Ensemble, den Musikern und den Technikern zur Verfügung, bis jede Kleinigkeit sitzt, und am Samstag das Licht über der Skyline von New York erstrahlt zur Premiere von „Das Apartment“

Aufführungstermine:

  • 16.03.2013 Premiere
  • 17.03.2013
  • 20.03.2013
  • 23.03.2013
  • 26.03.2013

 

»Pure Sechziger. Von Anfang bis Ende«

Das Musical »Das Apartment« schwelgt im Sound und Look der Sixties

Apartment
Fotocollage
Foto Gabriel Kemmether von Fotostudio M42

Bap Bap Dara Ba Bap Bap – bappt, Verzeihung: singt Tobias D. Weber. Mit dem ganzen Ensemble steht er um das schwarze Klavier herum. Es ist Dienstagabend auf der Probebühne Alte Kelter. An den Tasten sitzt ganz leger ein Mann mit Bartstoppeln, in Jeans und grauem Pulli. Plötzlich rückt er sich die Brille zurecht und spannt den Oberkörper. Der Arm schnellt mit ausgestrecktem Zeigefinger in Richtung Gabriel Kemmether: »Gabriel, gibst du mir auch mal die Mittelstimme? Okay, dann gehen wir alle in den Anfang, ich gebe fünf Takte vor.« Kemmether singt, Julia Apfelthaler wiegt sich im Takt, Johannes Bahr sieht konzentriert in seine Noten. Ist da nicht eine kleine Pause nach Ziffer 9?
Heiko Lippmann, musikalischer Leiter bei »Das Apartment«, arbeitet zum ersten Mal am Theater Heilbronn. Nach zwei Probenwochen kommt es einem aber schon so vor, als kennen er und das Ensemble sich seit zwei Spielzeiten. Es wird konzentriert gearbeitet, aber ruhig und unaufgeregt. Der gebürtige Chemnitzer und Wahl-Hamburger hat sich schon bei seinem ersten Engagement in Gera dem Musical verschrieben – und ist dem Genre bis heute mit spürbarer Begeisterung treu geblieben. Bei großen Stella/Stage Entertainment-Produktionen wie »Das Phantom der Oper«, »Der Glöckner von Notre Dame«, »Cats« und »AIDA« war er Dirigent und musikalischer Leiter, hat von Open Air bis zu internationalen Tourneen alles mitgemacht und schreibt gerade die Musik zur Uraufführung des Musicals »Maria, ihm schmeckt’s nicht!«, das im Sommer bei den Gandersheimer Domfestspielen herauskommen soll.
Für »Das Apartment« sind die Berliner Regisseurin Katja Wolff und er nun nach Heilbronn gekommen und werfen sich mit Begeisterung in die Arbeit mit den Schauspielern und Musikern. Die Musicalfassung von Billy Wilders Oscar-preisgekröntem Filmhit dreht sich – nah am Drehbuch – um C.C. Baxter (Gabriel Kemmether), einen kleinen Angestellten in einem großen Unternehmen, der seinen Apartment-Schlüssel an seine Chefs verleiht. Für außereheliche Schäferstündchen und gegen Beförderungs-Versprechungen. Bis er feststellt, dass die von ihm angebetete Fran Kubelik (Luise Schubert) eines der Schäferstündchen ist. »Das Apartment« ist das einzige Musical des Hit-Komponisten Burt Bacharach, der mit seinen Songs für Dionne Warwick, Dusty Springfield und Aretha Franklin (u. a. »Don’t Make Me Over«, »That’s What Friends Are For«, »Raindrops Keep Falling On My Head«) Popgeschichte geschrieben hat.
Wie ist denn die Musik im »Apartment«? »Ich höre sofort die Sechziger«, schwärmt Heiko Lippmann. »Schöne Big-Band-Geschichten, bei denen man sofort an der Instrumentierung merkt, man ist genau in der Zeit. Pure Sechziger. Von Anfang bis Ende.« Der Look und vor allem die Mode der Sechziger, wie sie unter anderem durch die amerikanische TV-Serie »Mad Men« wieder populär geworden sind, werden auch das Bühnenbild (Jan Freese) und die Kostüme (Heike Seidler) bestimmen. Letztere lassen sich auf der Probebühne schon erahnen: Die Herren des Ensembles tragen Anzug, manche Schlips.
In der Alten Kelter geht die Probe weiter. »Die Musik macht einfach Spaß«, freut sich Regieassistentin Katrin Minkley. »Pst!« kommt es vom Klavier. »Können wir Ruhe haben? Gut. Eins zwo drei vier, zwo zwo drei vier.« Gabriel Kemmether legt los: »Null Prozent von Rockefeller …« Und diesmal wippt nicht nur Julia Apfelthaler mit. Ja, Musical macht einfach Spaß!

Andreas Frane, Dramaturg

Lavinia Greenlaw, die Librettistin der Oper “Minsk”

Die Librettistin Lavinia Greenlaw und den Komponisten Ian Wilson verbindet eine lange Freundschaft, seit er sie bat, den Titel eines ihrer Gedichte für ein Musikstück verwenden zu dürfen. Die Oper „Minsk“ ging hervor aus einem Gedicht von Lavinia Greenlaw, das den Titel „Minsk“ trägt und das in dem gleichnamigen Gedichtband Greenlaws zu finden ist. Das überraschende und konfliktträchtige Auftauchen von Orten oder Zeitpunkten in der Erinnerung ebenso wie die Reise, ob als reale Erfahrung oder Metapher, sind Themen, die diesen Gedichtband durchziehen.

Die Librettistin Lavinia Greenlaw ist eine englische Schriftstellerin, vor allem Lyrikerin. Ihr Gedichtband „Minsk“ war nominiert für die drei großen Literaturpreise für englischsprachige Lyrik, den Forward Prize, den T. S. Eliot und den Whitebread Prize. Die Verbindung von gedanklicher Einkehr und Auseinandersetzung mit sich selbst in der anonymen Umgebung der Massenverkehrsmittel hat Greenlaw mehrmals verarbeitet, zuletzt 2011 in einer Klanginstallation namens „Audio Obscura“. „Audio Obscura“ präsentiert Lyrik in der Umgebung eines belebten Bahnhofs. Aus dem Teppich der Betriebs- und Verkehrsgeräusche tauchen Stimmen auf, die Gedichte sprechen, Gedanken, wie sie Menschen auf solch einem Bahnhof haben könnten. Über sich selbst verrät sie, dass sie früher oft  mit den Gedanken woanders war, und dass sie über ihre Arbeit als Schriftstellerin ein anderes Verhältnis zu sich selbst und ihrer Umwelt entwickelt habe.

Lavinia Greenlaw Foto: Julian Abrams
Lavinia Greenlaw
Foto: Julian Abrams

Mit dem Schreiben fing sie in ihrer Jugend an, zum Beruf wurde es aber erst, als ihr Kind zur Welt kam.1993 erschien bei dem Verlag Faber & Faber, bei dem sie eine Ausbildung machte, ihr erster Gedichtband „Night Photograph“. Zuvor studierte Greenlaw Moderne Kunst und Verlagswesen und erwarb einen Master in „Kunstgeschichte des 17. Jahrhunderts“. 1994 wurde Greenlaw freischaffende Schriftstellerin.

Ihre Gedichte, die von großer Musikalität sind, bringt sie mit einfachen Mitteln zum Klingen. Klar definierbare Bedeutung kriegt man in diesen Texten kaum irgendwo zu fassen. Bedeutung oszilliert als Vieldeutigkeit oder verschiebt sich unter der Hand. Doch diese Gedichte provozieren wiederholtes Lesen, einen langsamen Prozess des Zusammensetzens, des Nachdenkens, und sie erzeugen ungeheuer kraftvoll Stimmungen und Atmosphäre. Dabei verbindet Greenlaw den subjektiven Blickwinkel der Wahrnehmung und Reflexion mit Elementen aus kollektiven Wissenssystemen wie Naturwissenschaften (Medizin, Geographie, Astronomie) oder Geschichte. Häufig verarbeitet Greenlaw in ihren Texten auch Bruchstücke aus ihrer eigenen Biographie. Unter anderem flossen Erfahrungen aus ihrer Jugend als einziger Punk in einer Kleinstadt in ihr Schreiben ein. Greenlaw gilt als Meisterin der atmosphärischen Beschreibung von Landschaft und Licht und ist geprägt von Eindrücken aus ihrer Jugend in Essex. Wahrnehmung und Interpretation des Wahrgenommenen ist auch ein zentraler Ansatz für das Schreiben Greenlaws, und dafür wiederum spielt das simple Faktum eine Rolle, dass Greenlaw eine starken Sehfehler hat. Die Dichterin verrät:

„Ich war ein kurzsichtiges, geistig abwesendes Kind, das immer gegen das Problem anrannte, wo es sich befand, was es anschaute, was es vor sich hatte: ‘Ich kann nicht sehen, ich kann mir keinen Begriff machen.’ Mich hat immer der Moment interessiert, in dem wir versuchen, die Dinge zu bestimmen. Als ich begriff, dass das Sehen zur Hälfte mit dem zu tun hat, was physisch da ist, und dass die andere Hälfte davon abhängt, was man zu sehen erwartet, war ich fasziniert. Astronomen sehen in den Weltraum und sehen einen Haufen Sterne und sagen „Sieht aus wie ein Krebs“. Also nennen sie ihn „Krebs-Nebel“.

Neben ihren vier Gedichtbänden veröffentlichte Greenlaw auch Essays über Literatur, Naturwissenschaften, die Bedeutung von Popmusik in der Jugend, über  zwei Romane und Bearbeitungen bekannter Prosawerke für das Radio (Hesses Glasperlenspiel und V. Woolfs Night and Day). Als Librettistin arbeitete sie nicht nur mit Ian Wilson zusammen, sondern auch mit Richard Ayres an dessen Peter-Pan-Oper, die für die Staatsoper Stuttgart, die Komische Oper Berlin und die Welsh National Opera entstand. Sie war sie Writer in Residence am Londoner Science Museum und Poet in Residence beim schottischen StAnza Literatur-Festival. Lavinia Greenlaw lehrt seit einigen Jahren an der University of East Anglia Kreatives Schreiben.

Lavinia Greenlaws Sprache als Lyrikerin fließt auch in die Oper „Minsk“ ein. Hier gibt es einige rätselhafte Formulierungen, die wiederkehren und die man erst allmählich im Laufe des Abends entschlüsseln kann. So stellen Anna und Anoushka fest:

„Answers do not lie around like books unread, like bodies under beds, my life is yet unread.“

also etwa: “Antworten liegen nicht herum wie nicht gelesene Bücher, wie Leichen unter Betten, noch ist mein Leben nicht gelesen bzw. ist mein Leben unverstanden.“

Dies ist der zweite Teil der Reihe über die Oper “Minsk” ihre Entstehung, die Librettistin und den Komponisten. Der erste Teil erschien hier im Blog.

Johannes Frohnsdorf

Die Entstehung der Oper “Minsk” und ihr Komponist Ian Wilson

Entstehungsgeschichte der Oper

Die Librettistin Lavinia Greenlaw und den Komponisten Ian Wilson verbindet eine langjährige Zusammenarbeit. Die beiden schrieben vor „Minsk“ bereits die Kammeroper „Hamelin“, deren Uraufführung Christian Marten-Molnár 2003 in Lübeck inszenierte. Die für 2007 geplante Uraufführung von „Minsk“ beim Feldkirchfestival konnte allerdings nicht zustande kommen. Christian Marten-Molnár holte die Uraufführung nach Heilbronn.

Um die Oper hier mit dem Württembergischen Kammerorchester aufzuführen, war es allerdings nötig die Partitur zu bearbeiten. Die ursprüngliche Besetzung ist viel kleiner gedacht und umfasst Instrumente wie Akkordeon, Trompete, Balalaika, Klarinette und Schlagzeug. Der Komponist Ian Wilson war jedoch bereit, die Partitur für Streichorchester anzupassen. In gewisser Weise, sagt Wilson, hat die Bearbeitung sogar Vorteile gegenüber der Originalpartitur, nicht nur weil 20 Streicher einen großen Theaterraum gut füllen, sondern auch weil eine Art Verfremdung, eine Indirektheit entsteht. Die Streicherfassung erzeugt die Klangfarben der Originalbesetzung mit den Mitteln des Streicherklangs,  das wiederum sieht Ian Wilson als eine gute Entsprechung zum Traum, der ja eine andere Sphäre von Wirklichkeit ist und in dem sich die Oper hauptsächlich abspielt.

„Es war eine interessante Erfahrung, sich wieder mit einem Stück zu beschäftigen, das ich seit einigen Jahren nicht mehr angeschaut hatte. In gewisser Weise musste ich es wie ein historisches Artefakt behandeln, wie etwas, dessen Charakter ich bewahren musste. Sogar wenn ich versuchte, alles umzuändern, versuchte ich eigentlich, alles so zu belassen, wie es war, wenn Sie verstehen, was ich meine. Als ich damit begann, die Originalpartitur in eine Partitur für Streichorchester zu übersetzen, musste ich vielmehr Aufteilungen in den Streichern vornehmen, als es normalerweise gibt – Aufteilungen der verschiedenen Stimmen aber auch in Bezug auf die Klangfarbe. In dieser neuen Fassung tauchen in den Streichern verschiedene Farben gleichzeitig auf. Streichorchester schaffen normalerweise einen wunderschönen homogenen Klang, in dem nur ein oder zwei Klangfarben gleichzeitig vorkommen. Ich musste bei Minsk etwas anderes tun, damit die Musik so funktioniert, wie ich es wollte.“

Der Komponist Ian Wilson

Ian Wilson wurde im nordirischen Belfast geboren und lebt heute im irischen Cork. Zu komponieren begann er erst während seines Musikstudiums. Wilson lernte als Kind Geige und Klavier und trat später in einer Rock-Gospel-Band auf die den schönen Namen „Night Watch“ trug. Dort schrieb er die Lieder, sang und spielte Gitarre. Im Laufe des Studiums wurde dann die Beschäftigung mit Neuer Musik ernsthafter und die Bandaktivitäten mussten zurückstehen.

IAN WILSON  photo credit: Steve Rogers
IAN WILSON
photo credit: Steve Rogers

Wilson beschreibt sich selbst als einen spätberufenen Komponisten, der sich langsam entwickelte. Allerdings hat er inzwischen, mit nicht einmal 50 Jahren, die sehr beachtliche Zahl von über 130 Werken vorzuweisen. Wilson schreibt für die verschiedensten Besetzungen. Musiktheaterwerke (nicht alles Opern, auch experimentelle), Orchesterstücke, Konzerte für Klavier, Orgel, Saxophon, Cello und Marimba, Kammermusikstücke, Werke für Sologesang und für Chor, aber auch Stücke mit elektroakustischen oder elektronischen Mitteln. Wilson gehört nicht nur im Vereinigten Königreich und Irland, sondern international zu den etablierten Komponisten Neuer Musik.

Wilson sieht Stil nicht als etwas, wodurch man einen Künstler einordnen und wiedererkennen kann. Ebensowenig will er sich auf eine bestimmte Kompositionstechnik festzulegen und sozusagen deren Grammatik immer wieder zu reproduzieren. Ian Wilson sagt, er gehe jede Partitur aufs Neue an und versuche eine eigene musikalische Sprache für ein Stück zu entwickeln. Minsk kann deshalb auch nicht für das Werk Wilsons insgesamt oder für eine Gruppe seiner Werke stehen.

Impulse für seine Arbeit bezieht Wilson unter anderem aus Kunstwerken von Klee, Miro, Jackson Pollock oder Giacometti, aber auch aus Landschaftseindrücken, der Bibel und seinem christlichen Glauben.

Jungen Komponisten gibt er den Hinweis auf den Weg: „Probiert viel aus, schreibt aber am Ende die Musik, die Ihr Euch gern anhört.“ Er selbst erklärt, dass er das Abwaschen genieße, weil es eine Zeit sei, in der er eine andere Musik als Neue Musik hören könne. Er ist ein großer Fan von Radio Head.

Dies ist der erste Teil einer zweiteiligen Reihe über die Entstehung der Oper “Minsk”, ihren Komponisten und die Librettistin. Der zweite Teil erscheint in einigen Tagen im Blog.

Johannes Frohnsdorf