Aus Neu mach Alt – Oder: Wie man ein neues Schiff in ein rostiges altes Wrack verwandelt und sich auch noch darüber freut

 

Rost! Wo man auch hinschaut, bröckelt die Farbe und darunter kommt eine rotbraune Rostschicht zu Tage. Ein Albtraum? Von wegen! Kirstin Köppel und Karlheinz Kirchler aus dem Malersaal des Theaters Heilbronn freuen sich. Genauso wollten sie es haben. Lange haben sie getüftelt und liebevoll daran gearbeitet, dass aus dem Schiffsrumpf der „Illyrien“, dem Bühnenbild zu Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“,  ein Kahn wird, der seine besten Tage längst hinter sich hat. Lange schon dümpelt das Schiff auf dem Meer herum, ist stellenweise vom Salzwasser zerfressen und nur notdürftig ausgebessert. So haben es sich Regisseur Herbert Olschok und Bühnenbildner Alexander Martynow vorgestellt. Eine schöne Herausforderung für die Kollegen des Malersaals – die Meister des schönen, aber bei Bedarf eben auch des heruntergekommenen Scheins.


Mit leuchtenden Augen erzählen die beiden, wie sie den Zahn der Zeit in rasender Schnelligkeit am Schiffsrumpf haben arbeiten lassen – mit jeder Menge Tricks und Raffinessen. Zum einen: Das Metallschiff besteht gar nicht aus Eisen, sondern aus einem Stahlgerüst, das mit Holz verkleidet ist. Auch die Eisennieten, mit denen  der Schiffsrumpf zusammengehalten wird – man würde schwören, sie sind aus Eisen – bestehen aus Kunststoff, der mittels einer Tiefziehmaschine geprägt wurde. Die Form dafür und die Vorgehensweise haben sich die Theatermaler selbst ausgedacht. Ebenso das Rezept für die Kaschiermasse, die als erstes auf das Holz des Schiffsrumpfes aufgetragen wurde, um der glatten, feinen Oberfläche die raue Struktur eines schwer korrodierten Metalls zu geben. „Das Rezept wird nicht verraten“, sagt Kirstin Köppel. Dann wurden Fetzen von Packpapier, Sand und Kork eingearbeitet, um den „Rost“ richtig schön abblättern zu lassen, und schließlich haben sie eine wunderbar angemischte rostbraune Farbe aufgetragen. So wurde der ganze Rumpf richtig schön eingerostet. Hinterher bekamen der Schiffsrumpf ein kräftiges Schwarz und die Aufbauten wie Kajüte und Reling ein gelacktes Weiß, so wie das Schiff in seinen ersten Jahren vielleicht ausgesehen haben mag. Und der ganze schöne Rost? Das Geheimnis ist eine Kreidemasse zwischen dem Fake-Rost und den Lackfarben. Dieser Kreideschlamm sorgt dafür, dass die Farbe nicht richtig halten kann. Wo immer man nach dem Trocknungsprozess mit dem Hammer draufklopft, kommt der sorgfältig  aufgetragene Rost zum Vorschein! Es sieht traumhaft aus – total echt. An manchen Stellen wirkt die Lackfarbe so, als würde sie gerade reißen. Auch diesen Effekt erreicht man, indem man Materialien übereinander streicht, die sich nicht miteinander vertragen, erklärt Karlheinz Kirchler. Man arbeitet mit Wachs oder Fett als Grundierung oder bringt Farben aufeinander, die unterschiedlich schnell trocknen und hat die schönsten Risse.
Auch die Holzplanken des Schiffes wurden in wenigen Tagen in morsche, von Wind und Wetter gegerbte Bohlen verwandelt. Im täglichen Leben seien die Tricks der Maler übrigens nicht zur Nachahmung empfohlen. Es sei denn man steht auf den ganz krassen Shabby-Look.

 

Theater Heilbronn mit “Kinder der Sonne” und “König und König” bei den Baden-Württembergischen Theatertagen in Ulm

Vom 30. Juni 2017 bis zum  09. Juli 2017 finden in Ulm die 23. Baden-Württembergischen Theatertage statt. Rund 30 Theater aus dem Ländle werden mit ihren Ensembles zu Gast sein, um das Publikum im “Jetzt!” – so das Motto der Theatertage – zu begeistern. Das Theater Heilbronn reist mit dem Kinderstück „König & König“ von Linda de Haan und Stern Nijland an, das am 1. Juli um 11.00 und 13.30 Uhr im Werkraum gezeigt wird. Darin geht es um einen Prinzen, der von seiner Mutter, der Königin, die Regierungsgeschäfte übernehmen und zuvor unbedingt heiraten soll, wozu er überhaupt keine Lust hat. Viele, viele Prinzessinnen reisen an, doch keine will dem Prinzen gefallen. Schließlich steht die letzte vor der Tür, Prinzessin Liebegunde, in Begleitung ihres Bruders Herrlich. Und endlich schlägt das Herz des jungen Königs höher … Die Liebe zwischen zwei Männern als Selbstverständlichkeit darzustellen, das gelingt ganz einfach in diesem wunderbar humorvollen und sehr opulent ausgestatteten Märchen für Kinder ab fünf Jahren, wie die Vorstellungen in Heilbronn zeigen. Dirk Schirdewahn hat aus dem Bilderbuch die Bühnenfassung erstellt und Regie geführt. Die zauberhafte Bühne und die Kostüme haben Jan Hendrik Neidert und Lorena  Diaz Stephens entwickelt. Es spielen Nicole Buhr, Helene Aderhold, Henry Arturo Jiménez, Sascha Kirschberger und Giulia Weis.

Am Abschlusstag des Festivals, dem 9. Juli, wird im Großen Haus des Theaters Ulm die Heilbronner Inszenierung von Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“ gezeigt. Das Schauspiel aus dem Jahre 1905 ist sehr heutig, handelt es doch von der Ignoranz der Intellektuellen gegenüber einer Gesellschaft, die, wie wir es derzeit auch erleben, immer mehr von sozialen Konflikten zerrissen wird und stellt die Frage nach der Verantwortung der gesellschaftlichen Eliten: Chemiker Protassow ist so vertieft in seine Arbeit, dass er die Welt um sich herum ausblendet. Gemeinsam mit seinen intellektuellen Freuden hat er sich in seinem Elfenbeinturm eingerichtet. Sie glauben als „Kinder der Sonne“ auf der richtigen Seite des Lebens zu stehen. Sie merken nicht, dass sich draußen die ohnmächtige Wut der abgehängten Bevölkerung immer mehr anstaut und irgendwann explodieren wird. Axel Vornam ist der Regisseur, Bühne und Kostüme stammen von Tom Musch. Es spielen: Felix Defér, Stefan Eichberg, Oliver Firit, Stella Goritzki, Oliver Jaksch, Judith Lilly Raab, Ingrid Richter-Wendel, Sabine Unger und Tobias D. Weber.

Im Anschluss an beide Vorstellungen gibt es Publikumsgespräche.

Parallel zu den Baden-Württembergischen Theatertagen tagt auch der Arbeitskreis Junges Theater Baden- Württemberg. Über 100 Theaterschaffende aus diesem Bereich werden an Diskussionen, Fachgesprächen und Workshops teilnehmen und die Inszenierungen der jeweils anderen anschauen. Allen gemeinsam geht es um die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendtheaters, ein Bereich, in dem sich in den letzten Jahren schon viel getan hat. Nun gilt es, die Theaterkunst für Kinder und Jugendliche in der öffentlichen Wahrnehmung auf Augenhöhe mit jeglicher Kunst für erwachsenes Publikum zu etablieren. Natürlich ist dies auch ein Anliegen des Teams vom Jungen Theater Heilbronn um dessen Leiterin Bianca Sue Henne und die Theaterpädagoginnen Katrin Singer, Natascha Mundt und Lea Kaiser  die sich auch im Arbeitskreis Junges Theater engagieren.

 

 

 

Papagei mit Übergewicht beim Notarzt

Unsere Requisiteurinnen sind Alleskönner. Ob Feuer aus der bloßen Hand aufflammen lassen, Pistolen aus dem 18. Jahrhundert auftreiben, Spiel-Geld drucken,  Fake-Rouladen machen oder plötzlich Blut aus den Augen einer Dame auf einem Gemälde laufen lassen – immer finden sie ein Lösung für die großen und kleinen Theaterwunder, bei denen die Zuschauer  fragen: Wie geht das bloß? Wie haben die das gemacht?
Jetzt hatte Chefrequisiteurin Carmen Riehl sogar einen Einsatz als Tierärztin. Denn Caramello, der süße, Italienisch sprechende Papagei aus der Inszenierung „Honig im Kopf“ war krank. Saß da in seinem goldenen Käfig und bewegte sich nicht mehr. Keine Angst, liebe Tierfreunde: Caramello ist natürlich kein echter Papagei, obwohl er sich so bewegt und auch so krächzt. Es handelt sich hier um eine Papageienpuppe, die auf Sprache reagiert, mit den Flügeln flattert und eigentlich auch Sprache nachahmen kann. Letztere Fähigkeit hat ihm Carmen Riehl aber genommen und ihn stattdessen mit der Begabung ausgestattet, sich auf Italienisch ungefragt in Gespräche einmischen zu können und dem Großvater Amandus und seiner Enkelin Tilda in dem Stück den Weg zu weisen. Die Stimme lieh ihm übrigens unser Leiter des Besucherservice David Eberhard, der in Italien studiert hat. Die Kollegen aus dem Ton haben sie dann papageienmäßig bearbeitet. Doch nun wollte gar nichts mehr gehen. „Caramello hat Übergewicht“,  lautete die Diagnose von Carmen Riehl. Die Elektronik in seinem Bauch, die auf Knopfdruck aus der Ferne die Sätze abspielt und mit Flatterbewegungen auf menschliche Worte reagiert, war so schwer und deshalb tiefer gerutscht, dass sie die Mechanik  behinderte. Also wurde Caramello in einer schnellen Not-Operation von seinem Übergewicht befreit – die Elektronik wurde höher gesetzt und neu befestigt – Kopf wieder drauf. Und nun wartet der Vogel wieder freudig flatternd auf seinen nächsten Einsatz bei „Honig im Kopf“. Wer Caramello und die anderen vier Darsteller (Frank Lienert- Mondanelli als Opa Amandus, Tamara Theisen als Enkelin Tilda, Katharina Voß als deren Mutter und Raik Singer als Vater) sehen möchte, hat eigentlich nur  in unserer Zusatzvorstellung am 9. Juli die Chance. Alle anderen Vorstellungen sind bis auf wenige Restkarten ausverkauft.

Junges Theater lädt ein zu „BOXX|pur Shakespeare“

Schauspieler, Jugendclubber und Schüler  würdigen den großen Dramatiker auf ganz eigene Weise

Zwischen dem 18. und dem 20. Juni verwandelt sich die BOXX, die Spielstätte des Jungen Theaters Heilbronn, in einen Ort des jugendlichen Shakespeare-Kults. Das Junge Ensemble der BOXX, Mitglieder des Theaterclubs 3 und Theater AGs von verschiedenen Schulen haben sich auf ganz unterschiedliche Weise mit diesem großen Dramatiker auseinandergesetzt und präsentieren ihre Sicht auf einige seiner bedeutendsten, aber auch auf weniger bekannte Szenen in einem kleinen Festival  „BOXX|pur Shakespeare“. Am 18. Juni um 18 Uhr ist Premiere.
Anlass für diese spielerische Auseinandersetzung mit William Shakespeare ist die bevorstehende Premiere von „Was ihr wollt“ im Großen Haus. Hintergrund ist aber auch der Wunsch des BOXX-Ensembles nach einer ganz eigenständigen künstlerischen Auseinandersetzung mit einem Klassiker, erklärt die Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn, Bianca Sue Henne. Seit Anfang Mai proben die jungen Schauspieler in unterschiedlichen Zusammensetzungen Szenen, für die sie in jeder Hinsicht selbst verantwortlich sind. Giulia Weis und Henry Arturo Jimenez setzen sich mit Othello und Jago auseinander, Helene Aderhold spielt mit den Sonetten, denen sie sich unter anderem auch tänzerisch nähert. Sascha Kirschberger beschäftigt sich als personifizierter Tod mit dem Sterben von Romeo und Julia. Alle vier Schauspieler arbeiten zusammen mit Bianca Sue Henne an der Szene „Die Fremden“, das erst 2016 als einzige erhaltene Handschrift von Shakespeare identifiziert wurde und aus dem Stück „Sir Thomas Morus“ stammt. „In / Jedwedem Land, das nicht grad England ist / Dort wärt ihr selbst die Fremden“, sagt Staatskanzler Sir Thomas Morus in diesem um 1604 verfassten Stück und ruft in einer großen Rede zu Mitmenschlichkeit gegenüber den Fremden auf, die in das Land kommen. Der Text liest sich wie ein Kommentar zur Flüchtlingskrise heute.
Auch Mitglieder des Theaterclubs 3 sind im Shakespeare-Fieber und haben sich mit dem Stück „Die lustigen Weiber von Windsor“ beschäftigt. Außerdem stehen Szenen aus dem „Sommernachtstraum“ und aus „Romeo und Julia“ auf ihrem Programm. Mit dem Material gehen sie erfrischend frei um und arbeiten komplett selbständig.
Parallel proben sechs Theater-AGs aus fünf Schulen, die sich während des ganzen Jahres an Shakespeare abgearbeitet haben. Mit dabei sind das Jagsttal Gymnasium Möckmühl, der Jagsttal Schulverbund Möckmühl, die Damm-Realschule Heilbronn, die Gustav- von- Schmoller- Schule Heilbronn und die Andreas-Schneider-Schule Heilbronn. Für sie standen drei Szenen zur Auswahl: die Balkon-Szene aus „Romeo und Julia“, die Hexenszene aus „Macbeth“ und die Szene aus „Was ihr wollt“, in der Malvolio einen fingierten Brief findet. Bianca Sue Henne, die im Vorfeld der Shakespeare-Tage die Proben aller Clubs besucht hat, ist schon jetzt verblüfft, welch unterschiedliche Zugänge die Jugendlichen und Kinder, in der Damm-Realschule waren es die 5.und 6. Klassen, gefunden haben. Da gibt es eigene Übersetzungen, Auseinandersetzungen zwischen „Traditionalisten“ und „Modernisierern“, die demokratisch in der Gruppe entschieden wurden. Es gibt Shakespeare mit Musik und Tanz und Shakespeare im englischen Original –  eben „BOXX pur Shakespeare“.

Vorstellungen:

18.06. 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)
19.06. 2017 – 11 Uhr  (Junges Ensemble; Jagsttal Gymnasium Möckmühl und Jagsttal Schulverbund Möckmühl)
19.06 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)
20.06. 2017  – 11 Uhr (Junges Ensemble; Damm-Realschule Heilbronn, Gustav-von-Schmoller-Schule Heilbronn, Andreas- Schneider-Schule Heilbronn)
20.06. 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)