Unsere Neuen: Marek Egert

Wir stellen unsere neuen Schauspielerinnen und Schauspieler im Ensemble vor. Heute: Marek Egert, der seinen Einstand in “Richard III.” und im “Dschungelbuch” gab.

Marek Egert. Foto: Fotostudio M 42

Marek Egert ist ein echtes Nordlicht: Aufgewachsen in Oldenburg, Studium in Hamburg, Erstengagement in Hildesheim.  Jetzt verlegt er seinen Lebensmittelpunkt erstmals in den Süden Deutschlands nach Heilbronn. Dabei war ihm die Himmelsrichtung völlig egal. „Ich wollte einfach etwas Neues – neue Kollegen, andere Regisseure kennenlernen, mich weiterentwickeln …“, sagt er. Vom Theater Heilbronn wusste er, dass es ein gut laufendes, beim Publikum beliebtes Haus ist, das auch Berufsanfängern eine gute Gage zahlt. „Die Liebe der Heilbronner zum Theater wurde mir bewusst, als ich eine Annonce aufgab: Schauspieler sucht Wohnung. Da kamen die Angebote, WEIL ich Schauspieler am Theater bin. Das ist nicht selbstverständlich“, meint er.

In Hildesheim hatte Marek Egert vieles erreicht. Wurde in den letzten zwei Jahren in vielen großen Rollen besetzt – ob als Romeo in „Romeo und Julia“, als O’Brien in Orwells „1984“ oder als autistischer Held in „Supergute Tage oder die sonderbare Welt des Christopher Boone“. So hätte es sicher weitergehen können. Aber der großgewachsene junge Mann mit dem dunkelblonden Lockenkopf will sich seinen Platz in einem neuen Haus mit einem starken Ensemble, von dem man viel lernen kann, neu erobern. „Stillstand ist in meinem Alter tödlich.“
Zum Theater kam er eher durch Zufall, oder besser gesagt durch die Liebe. Seine damalige Freundin war an der Schauspielschule Frese in Hamburg, und er bewarb sich aus Spaß auch einfach mal. Eigentlich hatte er nach einem kurzen Intermezzo im Jugendclub, das ihm damals gar nicht gefiel,  nicht daran gedacht Schauspieler werden zu wollen. „Mit einer dementsprechenden Naivität ging ich an die Sache heran“, sagt er heute schmunzelnd. Dass die Ausbildung eine harte Arbeit an Köper und Stimme bedeutete, hat er dafür umso mehr zu schätzen gelernt. Er hätte sich durchaus viele Berufe vorstellen können. Koch wäre er zum Beispiel gern geworden. „Aber das mache ich jetzt als Hobby“, sagt Marek Egert. Die perfekten Spätzle konnte er schon zubereiten, bevor er überhaupt ahnte, dass er mal im Schwäbischen landen würde. Auch der soziale Sektor wäre ein interessanter Berufszweig für ihn gewesen. Er besuchte eine Berufsfachschule für Sozialpflege und anschließend eine Fachoberschule für Sozialpädagogik. In dieser Zeit arbeitete er in einem Wohnheim für geistig behinderte Menschen und im ambulanten Hospizdienst.  „Da war ich mit vielen existentiellen Situationen konfrontiert.“

Um existentielle Dinge, quasi um Leben und Tod, geht es auf der Bühne auch permanent. Seine Vorliebe gilt den menschlichen Schattenseiten, den schwarzen Momenten, den Figuren mit Abgründen. Diese spielt er am liebsten. Seinen Einstand in Heilbronn gab er als  Henry Tudor, Earl of Richmond, der spätere Heinrich VII. von England und Widersacher von  „Richard III.“ Außerdem ist er im „Dschungelbuch“ als gemütlicher Bär Baloo zu sehen – ein krasser Bruch. Aber so ist es eben, das Schauspielerleben.

Szenenfoto “Das Dschungelbuch” mit Marek Egert als Baloo, der Bär, Giulia Weis als Mowgli und Anjo Czernich als Panther Bagheera. Foto: Thomas Braun
Szenenfoto aus “Richard III.” mit Marek Egert (links) und Sonja Isemer. Foto: Thomas Braun

Komik aus dem Werkzeugkasten

Bauen Sie für uns eine Komödienfigur!

Beim Theaterfrühstück haben wir schon – zum Amüsement des Publikums – einen Testlauf gemacht, jetzt gehen wir mit unserem Komödienexperiment »online«: In seinem Buch »Handwerk Humor« behauptet der amerikanische Drehbuchautor und Script Consultant John Vorhaus, dass jede/r eine gelungene Komödienfigur bauen kann, wenn sie oder er ein paar einfache Werkzeuge verwendet. Das Wichtigste dabei ist eine starke komische Perspektive, d.h. eine Sicht auf die Welt, die von der »normalen« Wirklichkeit abweicht. Damit das wirklich komisch wird, so Vorhaus, muss man der komischen Figur sowohl Fehler geben, um einen emotionalen Abstand zwischen ihr und dem Publikum zu schaffen, aber genau so ein Stück Menschlichkeit, um Sympathie und Mitgefühl zu erzeugen. Auch wenn das paradox wirkt, zum Lachen brauchen wir Distanz und Nähe zugleich. Dass jemand auf der Bananenschale ausrutscht, ist nur komisch, wenn es nicht die eigene Großmutter ist. Dass jemand in der Öffentlichkeit die Hosen verliert, ist für uns komisch, weil es nicht uns selbst passiert, wir aber genau wissen, wie peinlich uns selbst das wäre. Als viertes und letztes Werkzeug kommt das Mittel der Übertreibung zum Einsatz, das die anderen drei – komische Perspektive, Fehler und Menschlichkeit – zusätzlich zuspitzt.
Nehmen wir Philipp Klapproth aus »Pension Schöller« als Beispiel: Seine komische Perspektive ist, dass die Gäste der Pension Schöller alles Verrückte sind. Klapproths Fehler ist seine schier unglaubliche Naivität, er glaubt einfach alles, was man ihm erzählt. Menschlich wird er dadurch, dass er sich über alles, was ihm neu, ungewöhnlich oder schräg vorkommt, freut, und das lautstark und wie ein Kind.

Haben Sie Lust, für uns eine Komödienfigur mit dem »Werkzeugkasten« zu bauen und sie uns zuzuschicken? Dann erfinden Sie Ihre komische Figur und senden sie uns per E-Mail (an online@theater-hn.de) bis zum 15. Januar 2019.
Die komischsten Figuren stellen wir hier in unserem Blog vor. Unter allen Einsendungen verlosen wir zwei Freikarten für »Pension Schöller« am Samstag, den 23. Februar 2019 um 19.30 Uhr im Großen Haus.

Aus Eisen erwächst ein Baum

Harper Regan ist das Psychogramm einer Frau, die ausbricht um zurückzukehren, so beschreibt Claudia Ihlefeld von der Heilbronner Stimme das Drama von Simon Stephens. Es ist die Geschichte einer durchschnittlichen Frau, Anfang 40, die als Hauptverdienerin ihre Familie ernährt. Harper hat gelernt, zu funktionieren und allen Anforderungen in Job und Familie gerecht zu werden. Dabei hat sie ihre eigenen Bedürfnisse aus dem Blick verloren. Aus dieser Welt entflieht Harper für zwei Tage.

Auch das Bühnenbild der Inszenierung spiegelt die Tristesse von Harper Regans Leben wider. Bis zur Schlussszene wird die Bühne von einem grauen Betonkubus bestimmt, vor den sich die Stationen dieser zwei Tage schieben: die Küche der Regans, der Flur des Krankenhauses, in dem Harpers Vater starb oder das Hotelzimmer, in dem sie einen ihr völlig Fremden datet. Die Bühne erschafft ein Abbild von Harpers Einsamkeit und den Verkrustungen ihrer Seele.

Die Küche der Regans.


Erst als Harper von ihrer »Flucht« heimkehrt, ändert sich dieses Bild. Der Kubus öffnet sich für die Schlussszene. In seinem Inneren kommt ein unwirklich wirkendes Vorort-Paradies zum Vorschein. Es ist ein kitschiges Gartenidyll, das von einem riesigen, hyperrealistisch erscheinenden Apfelbaum dominiert wird, unter ihm der gedeckte Frühstückstisch der Regans, die Vögel zwitschern, das Sonnenlicht bricht durch die Blätter. Die Idylle, in die Harper heimkehrt, ist zu perfekt.

Die Vorstadtidylle trügt.

Für Ausstatter Tom Musch und Regisseurin Uta Koschel war früh klar, dass es kein beliebiger Garten sein konnte, ein großes Bild musste her. Bei den Überlegungen wie dieser Garten aussehen könnte, kamen bald das Bild des Paradiesgartens auf, und von diesem Punkt an war der Apfelbaum für die Schlussszene gesetzt, wie Tom Musch berichtet.

Doch woher bekommt man einen solchen Baum?

Nun standen die Theaterwerkstätten vor der Aufgabe, einen Apfelbaum zu erschaffen. Schlosserei und Malersaal unterstützt von der Dekorationsabteilung und Schreinerei arbeiteten gemeinsam über Wochen an der Entstehung des Baumes. Es entstanden erste Skizzen im Malersaal wie der Baum aufgebaut sein kann. Die Größe von 6 x 6 Metern wurde festgelegt. Fragen zum Umfang und zur Üppigkeit der Baumkrone, sogar wie viele Äpfel darin hängen sollen, wurden geklärt. Die wichtigsten Punkte der Vorüberlegungen waren: wie bekommt der Baum seine Stabilität und wie lässt er sich im Boden verankern? Mit großem Ehrgeiz arbeiteten die Werkstätten sehr eng zusammen an der Umsetzung der Vorgaben, berichtet Tom Musch begeistert. Aus den Skizzen des Malersaals entstanden in der Schlosserei Ideen und Entwürfe für Konstruktion des Baumes. Ein Stahlskelett bildete das Grundgerüst, den Baumstamm. Verstärkt wurde er durch ein Stahlrohr im Podest, das ihm Stabilität gibt. Aus diesem Stamm erwuchsen über ca. vier Wochen die Äste aus Eisen, die für die weitere Bearbeitung abnehmbar blieben. Von Woche zu Woche wurden die Schweißarbeiten immer filigraner, bis hin zu 4 mm dünnen Drähten an denen später die Blätter befestigt werden solletn. Ein echter Ast auf der Werkbank diente dem Schlosser als Vorbild.

Danach ging es für den Stahlbaum in den Malersaal. Hier wurden die Rinde und Blätter angebracht, dass der Baum ein natürliches Aussehen erhielt. Auf das Stahlgerüst des Baumstamms und die starken Äste wurde zuvor in der Schreinerei Holz aufgebracht, um den Drahtrupfen – ein grober Netzstoff, der sich dank des darin verarbeiteten Drahtes in jede Form bringen lässt – befestigen zu können. Darüber legten die Plastiker eine Stoffkaschur aus Nesselstoff, auf die weitere Kaschiermasse aufgetragen wurde, um dem Baum eine realistische Rindenoberfläche zu geben. Nachdem alle Äste kaschiert waren, wurden sie mit Farbe in eine echt erscheinende Borke verwandelt. Dann fehlten nur noch die Blätter und Äpfel. Diese wurden alle einzeln mit einem Drahtringtacker an den kleinen Ästen befestigt. Am Ende stand ein paradiesisch schöner Apfelbaum, der seinen Weg auf die Bühne fand.

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Dort lässt er jetzt im Schlussbild der Inszenierung die Hoffnung aufscheinen, dass sich die Welt der Familie Regan verändern könnte. Er gibt der Entwicklung des großen Traums von Seth Regan wie eine mögliche Zukunft aussehen könnte, ein Bild, das dem Nullpunkt an dem sich die Figuren in dieser Szene befinden, gegenüber steht.

Dieser enorme, vor Grün und Äpfeln strotzende Baum überspitzt die Vorstadtidylle. Er offenbart die Irrealität des erträumten Happy Ends. Harpers Reise endet wo sie begann, in ihrem Leben vor diesen zwei Tagen, in dem alles gleich scheint und doch nichts mehr ist wie es war. Ob Harpers Ausbruch Veränderung bringt, bleibt offen.

Der Weg zu Macht ist ein dreckiger.

Das spiegelt sich auch in dem Bühnenbild der Inszenierung »Richard III.« wider. Über zweieinhalb Stunden kämpfen sich die Schauspieler durch einen Sumpf aus Dreck im wahrsten Sinne des Wortes.

Auf der Bühne ist ein Schlachtfeld entstanden, statt des klassischen Bühnenbodens haben unsere Bühnentechniker dort einen morastigen Erdboden erschaffen, der keinen sicheren Halt gewährt.

Ob er die Schlachtfelder der Rosenkriege zwischen den Herrscherhäusern Lancaster und York, den Sumpf und Morast der Familie York, inder jeder Dreck am Stecken hat, symbolisiert – dieser schlammige Bühnenboden bietet jede Menge Raum als Spiel- und Projektionsfläche. Über vier Monate wird er für jede Vorstellung im großen Haus neu auf die Bühne gebracht.  Unsere Bühnentechniker haben ein ausgeklügeltes System entwickelt, dass der Torf frisch bleibt, zu jederAufführung die gleiche Konsistenz besitzt.

Es ist nicht das erste Mal, dass mit Schlamm auf der Bühne gearbeitet wird, erklärt Bühnenmeister Lutz Schmieder. Aus der Inszenierung »Dantons Tod« lagen bereits jede Menge Erfahrungswerte vor, so dass die Produktionsleitung sofort wusste, was zu bestellen war, um einen morastigen Sumpfboden entstehen zu lassen. Acht Kubikmeter Schwarztorf wurden bestellt und auf Paletten angeliefert. In einer eigens für die Bühne des großen Hauses gefertigten Schlammwanne wurde der noch trockene Torf aufgeschüttet und so lange gewässert bis er die gewünschte Konsistenz hatte. In kleinen Schritten haben sich Bühnentechniker und Regisseur Axel Vornam an das Endergebnis herangetastet, vorsichtig wurde immer wieder Wasser hinzugegeben, bis der Schlamm die richtige Feuchtigkeit erreicht hatte.
Die Schlammwanne ist ein 6 x 12 Meter großes Untergestell aus Holz, die in Zusammenarbeit mit den Werkstätten gebaut wurde. Mehrere Schichten Teichfolie dichten die Wanne ab, so dass der eigentliche Bühnenboden stets geschützt bleibt.

Doch was passiert mit dem Schlamm, wenn die Tiere des Dschungels über die Bühne tanzen oder sich die illustre Gesellschaft durch die Pension Schöller durch die Nächte feiert?

Nach jeder Vorstellung wird die Schlammwanne von den Bühnentechnikern mit Schaufeln, Schneeschiebern und Besen geleert. Der Torf wird in Handarbeit in große Behälter gefüllt, die bis zur nächsten Vorstellung aufder Hinterbühne lagern. Auch die Schlammwanne wird bis zur nächsten Vorstellung abgebaut. Bevor es wieder auf die Bühne geht, wird der Torf erneut aufbereitet. Ist er durch das Lagern zu trocken geworden, wird er erneut gewässert. Wenn erdurch zu viel Wasser übersättigt ist, wird er von den Bühnentechnikern ausgetauscht, bevor er zu schimmeln anfängt. Dann wird neuer trockener Torf – zur Sicherheit lagert genug »frischer« Torf hinter der Bühne, denn er wird nur zu bestimmten Jahreszeiten ausgeliefert – mit Schaufeln untergehoben und immer wieder umgeschichtet und erneut gewässert, bis der Schlamm wieder den Anforderungen der Inszenierung entspricht. Dann wird er erneut in die Schlammwanne geschaufelt verteilt, und das Spektakel auf dem Shakespearischen Schlachtfeld kann erneut seinen Lauf nehmen.

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Nun auch noch ein Flugzeug

Für die Komödie »Spiel`s nochmal, Sam« wird die Lockheed Electra aus dem Film »Casablanca« nachgebaut

Welches Bild fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an den Film-Klassiker »Casablanca« mit Ingrid Bergman und Humphrey Bogart denken? Bei vielen wird es sicherlich die letzten Szene sein: Ingrid Bergman als Ilsa Lund und Humphrey Bogart als Rick Blaine stehen sich gegenüber, die Blicke tief ineinander versunken. Er überzeugt sie, ins Flugzeug zu ihrem Mann Victor Laszlo zu steigen, das im Hintergrund schon mit laufendem Motor wartet, und mit ihm Casablanca zu verlassen. Gerade weil er sie liebt, lässt er sie gehen.  Obwohl sie sich nicht kriegen, ist die in den dunklen, nebligen Himmel aufsteigende Lockheed Electra das Symbol einer ganz großen uneigennützigen Liebe. Seufz.

Noch liegen die Wrackteile in Bearbeitung in unserem Malersaal.

Diese berühmte Filmsequenz hat Ausstatterin Gesine Kuhn und Regisseur Jens Kerbel für das Bühnenbild von »Spiel`s nochmal Sam« inspiriert. Im Wohnzimmer der Hauptfigur, des Filmkritikers Allan Felix, hat eine Lockheed Electra 12a in Originalgröße eine Bruchlandung erlebt. Liegt mitten im Raum mit kaputten Tragflächen – hier als Symbol einer gerade zerbrochenen Liebe. Denn Allan Felix, der mehr in seinen Filmen als in der Realität lebt, besonders in seinem Lieblingsfilm »Casablanca« , wurde gerade von seiner Frau verlassen. »Wir lieben solche Irritationen im Bühnenbild«, sagt Gesine Kuhn, die gemeinsam mit Jens Kerbel schon viele Inszenierungen in Heilbronn auf die Bühne gebracht hat – zuletzt war es »Die Kaktusblüte« im Komödienhaus. Mit dem  Flugzeug im Wohnzimmer wird völlig selbstverständlich umgegangen, und das soll für viele zusätzliche komische Momente in der Inszenierung sorgen.

Gar keine Selbstverständlichkeit hingegen ist der Bau des Flugzeugs für die Werkstätten des Theaters – eine echte Gemeinschaftsarbeit der Schlosser, Schreiner, Theatermaler und -plastiker. Sie bauen die Maschine aus Stahl, Sperrholz und Styropor. Dank einer entsprechenden Oberflächen- und Farbbehandlung wird sie am Ende erstaunlich realistisch wirken – wie die alte Lockheed Electra 12 a, von denen zwischen 1935 und 1940 vom amerikanischen Hersteller Lockheed 130 Maschinen hergestellt wurden. Rund 11 Meter lang und fast 3 Meter hoch ist dieser Flugzeugoldtimer, der 6 Passagieren und 2 Piloten Platz bietet. Als Bauanleitung dienen dem Werkstattteam ein Miniaturmodell des zweimotorigen Tiefdeckers und die technische Zeichnung eines Modellbausatzes der Lockheed Electra, die auf e-bay ersteigert wurde. Der Bauplan wurde Stück für Stück vom Malersaal in die Originalgröße übertragen, ausgeplottet und in den Werkstätten verteilt. Die Schlosser schweißen nach dieser überdimensionalen technischen Zeichnung das Grundgerüst aus Stahl. Die Schreiner haben den Bauplan in einzelne Schablonen zerschnitten und bauen nach diesen Vorlagen die Beplankung des Flugzeugs aus mehrfach geleimten und gebogenen Sperrholzplatten. Zeitgleich fertigen die Theaterplastiker den Flugzeug-Rumpf aus Styropor, der dann auf das Stahl-Holzgerüst aufgebracht wird. Um aus dem weißen Styropor-Flieger die alte Lockheed Electra zu machen, sind die Meister der Illusion aus dem Malersaal am Werk. Sie können den schlichten Werkstoff optisch in jede gewünschte Oberfläche –  in diesem Fall grau beschichtetes Metall verwandeln. Sechs Wochen dauert die Arbeit an dem Meisterwerk, das alle Abteilungen sehr fordert aber auch stolz macht. Man baut schließlich nicht jeden Tag ein Flugzeug.

Vom Papier auf die Bühne

Wer sich hinter den Kulissen des Theaters nicht auskennt, kann es sich kaum vorstellen: Am Bühnenbild für das Weihnachtsmärchen wird immer schon  mitten im heißen Sommer gearbeitet.  Noch vor der Sommerpause des Theaters entstanden im Malersaal riesige gemalte Dschungellandschaften, die seit November die Bühne des großen Hauses in den indischen Dschungel verwandeln.

Auch die berühmte Affenstadt aus dem Dschungelbuch wurde hier gefertigt. Eine alte Tempelanlage, erbaut von Menschen, die King Louie und seiner Affenbande als Heim dient. Die hölzernen und steinernen Statuten sind von Wind, Wetter und den wilden Affen gezeichnet. Und langsam erobert sich der Urwald die Relikte kultischer Rituale der Menschen zurück. Diese Zeugen längst vergangener Zeiten sehen verdammt echt aus – sogar aus der Nähe. Aber statt Holz und Stein ist ihr Hauptbestandteil Styropor, das in vielen Arbeitsschritten in kultische Stein und Holzfiguren verwandelt wird.

Michelle Zimmermann, die zum Sommer ihre 3-jährige Ausbildung als Plastikerin im Malersaal abgeschlossen hat, hat für uns die Entstehung der Statuen dokumentiert.

Am Beginn stehen die Skizzen des Bühnenbildners und ein riesiger Block Styropor. Nachdem Michelle Zimmermann die Skizzen angepasst und eine Lochpause erstellt hat, überträgt sie die Skizze auf den Styroporblock. Dann kommen Ketten- und Konturexsäge zum Einsatz, um der Figur ihre groben Konturen zu verleihen. Noch lässt sich nur erahnen, was das Endprodukt wird. Nach den ersten Schnitzarbeiten lässt sich schon erkennen, was später auf der Bühne stehen wird. Doch um der Figur auch den nötigen Halt zu verleihen, bekommt unsere Plastikerin Hilfe aus der Schlosserei und Schreinerei, die eine Stahlarmierung in jede Figur einfügen und ihr einen stabilen Sockel verleihen. Mit Montageschaum wird die Schnittstelle für die Stahlarmierung im Innern wieder unsichtbar gemacht.
Im nächsten Schritt geht es in die Feinarbeit. Mit klassischen Küchenmessern schnitzt Michelle Zimmermann immer mehr Details in das Styropor. Arme, Augen, Nase, Kleidung werden herausgearbeitet bis ihnen mit Schleifpapier der letzte Schliff verpasst werden kann.

Doch wie wird aus dem weißen Styropor eine antike Holz- oder Steinfigur?

Mit Nesselstoff, Leim und Farbe! Mit Stoff und Leim wird die Figur kaschiert, das gibt dem Styropor nicht nur Schutz und Festigkeit sondern auch die gewünschte Oberfläche, um die Figur anschließend mit Farbe in eine antike Holz- oder Steinfigur zu verwandeln.

In unserem kleinen Video, könnt Ihr verfolgen. Wie sich aus den Skizzen die verschiedenen Stauten entwickeln.

Kleidung sagt aus, wie Du gesehen werden willst.

Aus meinem ersten Gespräch mit dem Leiter unserer Kostümabteilung, Manuel-Roy Schweikart, ist bei mir dieser Satz hängen geblieben: »Kleidung sagt, aus wie Du gesehen werden willst.« Jetzt haben wir diesen Faden wieder aufgegriffen. Dabei rausgekommen ist ein spannender Einblick, was Kleidung alles über uns erzählt.

Mit dem Griff in den Kleiderschrank entscheiden wir unterbewusst, wie wir dem Tag begegnen wollen, sagt Manuel-Roy Schweikart, dabei treffen wir jeden Tag eine Aussage über uns selbst. Das kann damit zu tun haben, wie wir uns fühlen oder was von uns erwartet wird. Dahinter stehen jedoch verschiedene Codes, wie Kleidung gelesen wird. Diese Codes sind von der Historie unseres Bekleidungsverständnisses abhängig und kulturell verschieden. So hat Kleidung und Mode in Italien und Frankreich einen deutlich höheren Stellenwert, die Entscheidung, was ich mit meiner Kleidung ausdrücken möchte, wird dort viel bewusster gefällt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass diese Länder auch heute noch Bedeutung als Produktionsstandort haben. Während in Deutschland die hochwertige Bekleidungsfertigung ins Ausland verlegt wurde und in weiten Teilen das Modebild eher als praktisch und preiswert bezeichnet werden kann. Die Wertigkeit der Mode wird bei uns oft hintangestellt.
In der Art wie wir uns kleiden und Schuhe, Tasche, Gürtel und weitere Accessoires auswählen, greifen wir gelernte Codes auf und drücken Zugehörigkeiten aus. Trägt Mann zum Beispiel Sneakers zu seinem Anzug, was noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre, bricht er die strenge Seriosität des Anzugs auf, dabei strahlt er mit diesem modischen Statement Agilität, Flexibilität und Modernität auf sein Gegenüber aus. Das weibliche Pendent dazu ist der Plisseerock. Während in den 50er/60er Jahren die Highheels zum Faltenrock Pflicht waren, ist er heute sportlich und unkonventionelle mit Sneakern oder Cowboystiefeln kombinierbar. Der ehemals spießig-konservativen Look wird neu interpretiert zum trendigen Fashion-Statement.

Bei der Entwicklung eines Theaterkostüms stehen diese Codes sehr bewusst im Fokus der Planungen von Kostümbildner und Schneiderei. Gerade über die Kleidung der Figuren lässt sich der Charakter der dargestellten Personen unterstreichen, erklärt Manuel-Roy Schweikart. Welche Stoffe gewählt werden, welche Accessoires, ist entscheidend dafür, wie die Figur gesehen wird. So ist beispielsweise Harper Regan, die Hauptfigur des gleichnamigen Stückes, eine arbeitende Frau der englischen Mittelklasse, die als Hauptverdienerin ihre Familie ernährt und zusammen hält. Ihre eigenen Bedürfnisse hat sie aus dem Blick verloren. Harper als stylische Fashonista darzustellen, wäre in diesem Kontext deplatziert. Die Figur versucht allen Anforderungen in Job und Familie gerecht zu werden, das spiegelt sich auch in ihrem Kostüm wider. Harpers Kleidung lässt sich am besten als ordentlich und zweckmäßig beschreiben. Die weiße Bluse, die blaue Stoffhose, der schlichte Gürtel, die praktische Handtasche setzen keine Statements, entsprechen aber Codes die Beruf und Alltag an sie stellen.

Judith Lillly Raab als »Harper Regan« Theater Heilbronn

Während wir unsere morgendlichen Entscheidung, was ich heute anziehe, oft unbewusst treffen, stehen vor den Entscheidungen für das Kostüm einer Figur oft viele Gespräche zwischen Regie, Ausstattung und der Kostümabteilung, was mit der Kleidung einer Figur über sie erzählt werden soll.

Judith Lillly Raab als »Harper Regan« Theater Heilbronn