Einer der rechtschaffensten und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit…

Einer der rechtschaffensten und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit…
»Kohlhaas« – Schauspiel nach der Novelle von Heinrich von Kleist  in den Kammerspielen

»An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des 16. Jahrhunderts, ein Rosshändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.« Mit diesem Satz beginnt Heinrich von Kleists Novelle »Michael Kohlhaas«, in der ein fleißiger und gewissenhafter Pferdehändler zum Mörder und Brandstifter wird, weil ihm Unrecht widerfährt. Kleists Novelle ist bis heute einer der stärksten und aktuellsten Texte, wenn es um den Widerspruch zwischen Recht haben und Recht bekommen und um den Kampf des Einzelnen gegen Willkürherrschaft geht. Nun kommt das Schauspiel »Kohlhaas« auf die Bühne der Kammerspiele. Premiere der Inszenierung von Constanze Kreusch mit Tobias D. Weber als Michael Kohlhaas ist am 23. Februar um 20 Uhr. Regisseurin Constanze Kreusch und Dramaturgin Stefanie Symmank haben aus Kleists Novelle eine Bühnenfassung für einen Schauspieler geschrieben. Das Schauspiel bleibt sehr dicht an Kleists Novelle – sowohl in der Handlung als auch in der Sprache. Die Ausstattung von Petra Wilke zitiert in den Kostümen die Entstehungszeit der Novelle und macht im Bühnenbild Kohlhaas’ Weg von einem geordneten bäuerlichen Leben zu einem verzweifelten Kampf  um sein Recht sinnlich erfahrbar.
Das Stück beginnt am Abend vor der Urteilsverkündung. Kohlhaas, einsam und auf sich geworfen, erzählt seine Geschichte, die ihn bis zu diesem Punkt geführt hat:

Probenfoto

Eines Tages ist Kohlhaas mit prachtvollen Tieren auf dem Weg zum Markt nach Dresden. An der Tronkenburg, die einen neuen Junker hat, wird plötzlich ein Passierschein von ihm verlangt, was bisher nie der Fall war. Da er den nicht vorweisen kann, soll er zwei schöne Rappen als Pfand zurücklassen und einen Knecht, der die Tiere so lange versorgt. In Dresden erfährt er, dass das Verlangen des Passierscheins ein reiner Willkürakt des Junkers Wenzel von Tronka war. Vom Markt zurückgekehrt, findet er seine Pferde halb verhungert vor. Sie wurden, ohne ausreichend Futter zu bekommen, zu schwerer Feldarbeit eingesetzt. Der Knecht wurde aus der Burg geprügelt. Kohlhaas zeigt den Vorfall bei Gericht an und wartet geduldig auf die Aufnahme des Verfahrens. Nach einem Jahr erfährt er, dass die Klage dank einflussreicher Verwandter des Junkers abgewiesen wurde.  Michael Kohlhaas wendet sich an den Kurfürsten von Brandenburg, der die Bittschrift an den Kurfürsten von Sachsen weiterleitet. Dieser weist Kohlhaas als »unnützen Querulanten« ab. Daraufhin versucht Kohlhaas’  Frau Lisbeth dem Kurfürsten von Brandenburg persönlich eine Bittschrift zu überbringen. Bei der Übergabe wird sie tödlich verletzt. Von nun an nimmt der Pferdehändler das Recht in die eigenen Hand. Mit einer kleinen Schar von Knechten brennt er die Tronkenburg nieder. Der Junker flieht, Kohlhaas verfolgt ihn mit seiner ständig wachsenden Anhängerschaft, die ihn als Würgeengel gegen ihre Unterdrücker sehen, und legt Feuer in den Orten, in denen er den Junker vermutet. Ein Einschreiten Martin Luthers lässt ihn innehalten. Luther handelt für ihn freies Geleit und die Annahme seiner Klage vor Gericht aus. Kohlhaas ist sofort bereit, die Waffen ruhen zu lassen, wenn der Junker seine Pferde wieder gesund füttert und ihm zurückgibt. Wie aber soll das Gericht mit der grausamen Selbstjustiz des Kohlhaas umgehen? Und was hat es mit dem geheimnisvollen Zettel auf sich, von dem eine Zigeunerin behauptet, er werde Kohlhaas dereinst das Leben retten?

1810 schrieb Kleist diese Novelle nach einem authentischen Fall. Das Top-Thema, das in der Zeit, in der Napoleon Europa überrollte, heftig diskutiert wurde, war das Recht auf Widerstand gegen Herrscher- Willkür. Das historische Vorbild von Kleists Titelfigur trug den Namen Hans Kohlhase, wurde um 1500 geboren und 1540 hingerichtet.
Noch heute ist dieser Stoff Grundlage für Diskussionen: Welcher Zweck heiligt die Mittel? Wie weit darf man für sein Recht gehen? Welche Chance hat der Einzelne, sich gegen Willkür und Vetternwirtschaft durchzusetzen?

Silke Zschäckel, Pressereferentin