Eva Bormann ist Dramaturgin und Autorin
Wenn man, wie Eva Bormann, in Weimar geboren wird, ist die Nähe zu Literatur und Theater fast in die Wiege gelegt. Die kleine Stadt in Thüringen steht als Synonym für Kultur und der Geist von Goethe und Schiller, aber auch von Liszt und Nietzsche ist allerorten spürbar. Eva Bormann hat als Schülerin im Abenddienst des Nationaltheaters gearbeitet und auch unzählige Inszenierungen im Schauspiel und Musiktheater angeschaut. Am Theater zu arbeiten, kam für sie aber erst einmal nicht in Frage: „Ich hatte einen viel zu großen Respekt vor dem dort versammelten Wissen“, sagt sie. Sie studierte dann zwar Theater- und Literaturwissenschaft und Soziologie in Leipzig, aber ihr Schwerpunkt lag bei der Literatur. Sie sah sich zukünftig als Wissenschaftlerin Bücher wälzen, allein mit sich und den bedeutenden Werken dieser Welt. Doch dann wollte es der Zufall, dass sie während des Studiums die Betreuung eines Stückes als Regieassistentin am Theater der Stadt Aalen angeboten bekam. Und wieder einmal bestätigt sich, dass, wer einmal so richtig Theaterluft geschnuppert hat, nicht wieder davon loskommt. Es folgte gleich die zweite Assistenz in Aalen und eine Lesung mit eigenen Texten – davon gleich mehr-, die sie selbst gestalten durfte. Nach einem dreijährigen Ausflug in die Wissenschaft ans Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig von 2007 bis 2009 ging es dann doch wieder ans Theater, in die Dramaturgie. Zunächst für ein halbes Jahr nach Wiesbaden und dann von 2010 bis 2015 ans Theater Marburg. Seit Sommer 2015 ist sie Dramaturgin am Theater Heilbronn, wo sie vorrangig für das Junge Theater, aber auch für Stücke im Abendspielplan verantwortlich ist. Ihre erste Dramaturgie hier am Haus hatte sie für „Leben des Galilei“.
Bereits in den Anfangsjahren ihres Studiums begann sie eigene Texte zu verfassen. Schreiben ist ihr Medium, um die Welt zu begreifen, um die Beziehungen zwischen den Menschen zu analysieren und auf den ersten Blick Unverständliches zu ordnen. Zunächst waren es Gedichte, die sie zusammen mit einer befreundeten Schauspielerin in musikalischen Lesungen dem Publikum vorstellte. Vor zwei Jahren hat sie mit Prosatexten begonnen und jetzt sind auch dramatische Texte im Entstehen. Ein Thema, das sie als Autorin immer wieder umtreibt, sind die Geschlechterklischees. „Wo lassen sich Rollenbilder auflösen oder wo müssen sie manifest sein?“ Einige ihrer Gedichte sind bereits in Anthologien erschienen. Im Frühjahr 2014 war sie als Autorin Artist-In-Residence der »maumau art residency« in Istanbul und 2015 Stipendiatin beim 19. Literaturkurs der Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Sie arbeitet immer an mehreren Texten gleichzeitig – vor allem nachts, wenn die Theaterarbeit ruht: „Die Texte melden sich bei mir, wenn sie weitergeschrieben werden wollen“, beschreibt sie. Dabei geht sie sehr sorgfältig vor, bemüht sich, mit Worten genau die Bilder entstehen zu lassen, die sie im Kopf hat. Wann sie zum Schlafen kommt, ist ein Rätsel. Aber mit dem Schreiben erholt sie sich von ihrer dramaturgischen Arbeit und umgekehrt, erzählt sie. Dabei sind beide Tätigkeiten eng miteinander verwandt.
Denn das genaue Beobachten und präzise Beschreiben ist auch für sie Dramaturgin essentiell. Intensiv begleitet sie die Proben, saugt wie ein Schwamm alle Eindrücke auf und vermittelt diese ihren künstlerischen Partnern. „Ich mag die Fragen, die Schauspieler stellen, auf die würde ich niemals kommen. Denn es ist ein Unterschied, ob man als Regisseur gemeinsam mit der Dramaturgie eine Konzeption entwirft oder man als Figur darin agiert.“ Auffällig an Eva Bormann ist, dass sie in diesen Gesprächen immer genau und geduldig zuhört und ihre Antworten sehr überlegt formuliert. „Ich glaube, wenn der Dialog innerhalb einer Inszenierung gut ist, überträgt sich dieses Klima auch aufs Publikum“, sagt sie. Sie mag auch die Phasen ihrer Recherchearbeit, um mit Material aus Literatur, Philosophie oder bildender Kunst die Inszenierung zu bereichern. Dabei hört sie übrigens immer Musik. Ihre Top drei aus der jüngsten Zeit: Johann Sebastian Bachs Chaconne in d-Moll BWV 1004, für Klavier bearbeitet von Ferrruccio Busoni und interpretiert von Hélène Grimaud, Mozarts Klavierkonzert d- Moll von Matha Argerich und der Jazzpianist Chilly Gonzales mit „Unrequited love“. „Voll das Dramaturgenklischee“, sagt sie lachend. Aber wenn es nun mal so ist, dann ist es so. Klischee hin oder her.