Flüchtlinge verarbeiten ihre Erfahrung in Bildern

Bewegende Eröffnung der Ausstellung ArtistSafety in der BOXX 

  
Die Sprache des Bildes ist deutlich und sagt mehr als tausend Worte: Ein junger Mann kniet vor einem vergitterten Fenster, sein Rücken ist voller Striemen. Ein anderes Bild zeigt bei genauem Hinschauen Körper, die in ihre überall verstreut liegenden Einzelteile zerlegt sind. Wieder ein anderes erklärt die politische Weltlage anhand von Fahnen: der Irak zerrieben zwischen den Interessen der großen Weltmächte. Manche Bilder sind voller Sehnsucht. Eines zeigt das Antlitz einer wunderschönen Frau, ein anderes einen bunten Garten. 

Diese Bilder haben Bewohner des Flüchtlingslagers Neuenstadt gemalt, die seit ein paar Wochen oder Monaten in Deutschland sind, geflüchtet vor Terror, Krieg und bitterer Armut in ihren Heimatländern. Es sind ausschließlich junge Männer, die sich auf den Weg voller Ungewissheit gemacht haben. Auch die Sorge um die in der Heimat Zurückgelassenen spricht aus so manchem Bild. Markus Rack, der leitende Hausinspektor des Theaters Heilbronn, ist selbst Künstler und hat vor ein paar Jahren in einer persönlich schwierigen Zeit mit dem Malen angefangen. Im Sommer hatte er seine erste, viel beachtete Einzelausstellung im Schloss Neudenau. Markus Rack weiß, dass man mit Farbe und Pinsel viel leichter sagen kann, was einem vielleicht nicht über die Lippen kommt. Deshalb geht er jeden Donnerstagabend mit Elisabeth Eis, einer Kollegin aus dem Malersaal des Theaters, in das Flüchtlingslager und bietet Malkurse an. Farben und Papier hat er zum größten Teil auf eigene Kosten gekauft. Ein Teil des Erlöses aus dem Verkauf seiner eigenen Bilder fließt in dieses Herzensprojekt. An manchen Abenden versammeln sich bis zu 60 junge Männer und malen, was sie bewegt. Da die Flüchtlinge nur für bestimmte Zeit in dem Lager verweilen, bevor sie weiterziehen, ändert sich die Zusammensetzung des Refugee-Art-Projektes ständig.

Nun ist daraus ein Ausstellungsprojekt in der BOXX entstanden, das am 11. Januar mit einer bewegenden Vernissage eröffnet wurde. Das BOXX-Foyer platzte fast aus allen Nähten. Neben den Künstlern waren Mitglieder vom Arbeitskreis Pro Asyl aus Neuenstadt, Mitarbeiter des Flüchtlingscamps, wie die Initiatorin des Kunstprojektes Karin Herold, und viele Bürger der Stadt Heilbronn anwesend. Schauspielerin Katharina Leonore Goebel las einen Text aus Wolfram Lotz‘ Stück „Die lächerliche Finsternis“, der ziemlich genau die Situation beschreibt, in der sich die Menschen in ihrer Heimat befinden, bevor sie sich genötigt sehen, ihr Land zu verlassen. Frau Mücksch vom Arbeitskreis Pro Asyl und Karin Herold aus dem Camp sprachen über ihre Arbeit. Schauspielerin Anastasija Bräuniger las einen selbstverfassten Text in Englisch über die Selbstverständlichkeiten unseres Alltags wie langes Duschen, üppiges Frühstück, Arbeit die Spaß macht, Treffen mit Freunden, lesen, was man mag, im Fernsehen schauen, wonach einem der Sinn steht. Dinge, die man wegen ihrer Alltäglichkeit kaum mehr zu schätzen weiß und die für die allermeisten Flüchtlinge in ihren Heimatländern unerreichbar waren und es auch jetzt, am vorläufigen Ziel ihrer Flucht, größtenteils noch sind. Ein junger Pakistani griff spontan zur Gitarre. Und als Aboud aus Syrien, der schon seit drei Jahren in Deutschland lebt, und im Theaterjugendclub mitspielt, auf Arabisch von seiner unerträglichen Sehnsucht nach seiner Heimat sprach, hatten viele der Flüchtlinge und auch etliche der einheimischen Zuhörer, die die Übersetzung des Textes in den Händen hielten, Tränen in den Augen. Denn diese Sehnsucht nach den Düften und Farben der Heimat, die wird nie vergehen.

Stefan Schletter, der Leiter des jungen Theaters, sagte in SWR4 zu der Ausstellung: „Es sind diese Geschichten, die oft in einer großen Einfachheit und Ehrlichkeit ihren Ausdruck finden. Es entspinnt sich da eine ganze Lebensgeschichte, die man da in einem kurzen Moment auf Papier gebannt sieht. Das ist schon sehr beeindruckend. Es ist einfach die Begegnung, die Integration erst möglich macht. Darum geht es auch hier, dass man erst einmal die Begegnung mit der Kunst sucht in der Ausstellung und eben auch die Begegnung mit dem Menschen findet.“

  

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