Neu in der Dramaturgie: Kristin Päckert
„Ich bin die Querdenkerin in unserer Familie“, sagt Kristin Päckert, die seit September als Dramaturgin am Theater Heilbronn arbeitet. Aufgewachsen in einem Dorf in Sachsen-Anhalt, in dem die Eltern in soliden Berufen arbeiteten, hatten diese sich eigentlich auch einen „sicheren“ Beruf für die Tochter gewünscht, etwa als Bankangestellte. Ihre Mutter war Floristin in einem Laden in der Nähe ihrer Grundschule. „Oft bin ich nach der Schule zu ihr gegangen und durfte Sträuße binden. Einer wurde sogar gekauft.“, erinnert sich die 29-jährige lächelnd. Ihr Vater ist seit seiner Jugend Musiker. Aufgrund der jungen Familie, die es zu versorgen galt, blieb es aber bei der Musik als Hobby. „Mit Kunst kann man kein Geld verdienen“, so die Ansicht der Eltern. Er kann nahezu alle Instrumente spielen, was sie als Kind schon beeindruckt hat. Außerdem hatte er eine eigene Band, der Kristin als kleines Mädchen immer beim Proben zuhörte. Die bescherten der damals 4-Jährigen die ersten Bühnenerfahrungen. „Bis ich neun Jahre alt wurde, war ich oft mit dabei, dann hat mein Gesangstalent wohl nicht mehr ausgereicht“, sagt sie augenzwinkernd. Trotzdem hatte sie Wochenende für Wochenende Auftritte – als Kunstradfahrerin und als Tänzerin, 12 Jahre lang war das ihr Leben. Das erste Aha-Erlebnis in Sachen Theater hatte sie bei einer Schulvorstellung von Goethes „Faust“ an ihrem Heimattheater, der Landesbühne Sachsen-Anhalt in Eisleben. In der Rolle des Mephisto war eine umwerfende Frau zu erleben – Susanne Bard. „Von da an wollte ich Schauspielerin werden und probierte mich gleich in zwei Jugendclubs aus.“ Nach dem Abitur wusste sie nur eins, sie wollte ans Theater. „An Schauspielschulen habe ich mich dann doch nicht beworben, sah eher hinter den Kulissen und nicht auf der Bühne meinen Platz“, sagt sie. Sie begann dann mit dem Studium der Theater- und Medienwissenschaften in Bayreuth. Dort suchte sie gleich Kontakte in die Praxis an der Studiobühne Bayreuth und begann dort als Regieassistentin. Nach dem Wechsel der Hochschule und dem Umzug nach Nürnberg, ging es dort an unterschiedlichen Theatern und in verschiedenen Positionen weiter. 20 Produktionen begleitete sie innerhalb von drei Jahren.
Einmal kam sie noch zurück zur Studiobühne Bayreuth, wohnte dort während der Probenzeit mangels Wohnung 6 Wochen auf der Probebühne. Nebenan arbeitete Regisseur Georgios Kapoglou an dem „Leben des Galilei“. Abends redeten sie oft und lange. Er bekam das Angebot zur Inszenierung der wohl letzten Uraufführung Wagners „Eine Kapitulation – Lustspiel in antiker Manier“ beim Festival junger Künstler Bayreuth. „Wir haben ganze Nächte über die Konzeption gesprochen, irgendwann sagte er, er nimmt mich als Dramaturgin mit.“ Es wurde ein großer Erfolg, auch von internationaler Fachpresse gewürdigt. „Es hat mir derart viel Spaß gemacht, das Konzept mit zu entwickeln, durch die eigene Bearbeitung ganz eng an der Kunst dran zu sein, dass ich von da an wusste: Das ist es.“ Dennoch war der Weg ans Theater nicht einfach und sie probierte noch einiges aus: So arbeitete sie bei verschiedenen TV-Produktionsfirmen, in der Set-Aufnahmeleitung des ARD Vorabend-Krimis „Heiter bis Tödlich“ und in der Kulturredaktion des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin. Doch die Liebe zur Dramaturgie blieb. „Die redaktionelle Arbeit ist der dramaturgischen ähnlich. Doch das Theater ist direkter, lebendiger, unverfälschter.“ Sie bewarb sie sich auf eine Elternzeitvertretungsstelle in Kiel und, als diese nach zwei Spielzeiten zu Ende ging, in Heilbronn.
„Es ist großartig, dass man für das, was man so gerne macht, bezahlt wird“, sagt sie. Lesen zum Beispiel. Als Dramaturgin ist man ständig auf der Suche nach neuen Stücken. Sie liebt es auch, sich in philosophische, soziologische oder politische Schriften zu vertiefen, die relevant für die jeweiligen Inszenierungen sind. Sie mag es, bei den Proben dabei zu sein, zu sehen wie die geschriebenen Szenen mit Leben erfüllt werden. Sie sieht ihre Aufgabe darin, zwischen den künstlerischen Ansprüchen des Regisseurs und den des Hauses zu vermitteln, den Regisseur bei der Konzeption und Umsetzung seiner Ideen zu unterstützen, diese aber auch zu hinterfragen. Auch sich selbst in Frage zu stellen, gehört dazu, denn in den Diskussionen entwickelt man sich zwangsläufig weiter. Jeden Tag mehr zu lernen, der Austausch mit dem Publikum, in Einführungen oder Theaterfrühstücken, und immer wieder neue Denkanstöße zu bekommen – das bedeutet für sie Erfüllung. „Und was will man mehr von seinem Beruf?“, fragt sie.