Spielender Umgang mit „Dantons Tod“ und „Homo faber“

„Wenn du an Danton denkst, denkst du an die Guillotine. Wenn ich an Danton denke, denke ich ans Abitur.“
„Wenn du an Danton denkst, denkst du ans Abitur. Wenn ich ans Abitur denke…“
„Nein, stopp mal. Wenn du an Danton denkst.“

Der Gedanke hat aber zwei Nasallaute. Auch sonst sind da eine Menge Ecken, an denen die Zunge falsch abbiegen kann.
„Wenn du an Danton denkst, denkst du ans Abitur. Wenn ich an Danton denke, denke ich an Wikipedia.“

Verhaltenes Kichern. Die Nasallaute könnten nämlich Thema im Abi-Aufsatz werden. Eine Schulklasse denkt an Danton, ihr Deutsch-Lehrer macht mit und die Theaterpädagogin Ruth Hengel. Ich denke auch an Danton. Das gehört zu meinem Praktikum. „AbiTour“ heißt die Projektwoche. In der BOXX werden kompakte Fassungen von „Dantons Tod“ und „Homo Faber“ gezeigt, beide sind Abi-Stoff. Davor Workshops und Einführungen der Dramaturgie, hinterher Nachgespräche mit dem Ensemble.

Wir stehen gerade in einem der Workshops. Im Moment im Kreis. Wir sind aber auch noch bei der Einstiegsübung. Was soll das eigentlich werden? Gedacht ist es so: Die Schülerinnen und Schüler begehen das Drama, kauen auf seinen Texten herum. Sie erkunden seine Themen und positionieren sich. Sie spielen damit.

Bei „Dantons Tod“ beschäftigen wir uns mit gesellschaftlichem Status und damit, was er mit einem menschlichen Körper macht. Es geht um revolutionäre Reden und die Stimmen, die sie formen. Wir bewegen uns in der Literatur, aber gleichzeitig geht es um etwas sehr Gegenwärtiges. Gewalt und Moral, Demokratie und Terror und wie sie zueinander stehen, das alles wird Thema. Außerdem: Ist es an der Spitze einer Revolution eigentlich genauso peinlich wie auf der Bühne vor der eigenen Klasse?
Im Workshop zu „Homo Faber“ dagegen legt Theaterpädagogin Katrin Singer den Schwerpunkt auf die Charaktere des Romans und der Stückfassung, auf ihre Beziehungen untereinander und zu Orten. Hanna Piper liebt den Louvre, das ist offensichtlich. Ihre Position zum Dschungel ist da schon weniger eindeutig, das Lebendige, das Wilde scheinen zu passen, andererseits: Die Kunsthistorikerin im Regenwald? Und auch hier ist das Ziel eben nicht, über die Figuren zu sprechen, sondern ihre Rolle anzunehmen, als sie zu sprechen und sich zu begegnen. Schließlich ist es ja die theatrale Herangehensweise an den Text.

Die Klassen, die während der Projektwoche für einen Tag ans Theater kommen, stehen ein Jahr oder auch nur wenige Wochen vor den Abi-Prüfungen. Das theaterpädagogische Begleitprogramm soll sie dabei unterstützen, aus den Inszenierungen etwas mitzunehmen, was der Text allein noch nicht hergibt, das Unmittelbare. Pardon, das soll Theaterpädagogik eigentlich immer. Aus dem Verwertungszusammenhang kommen wir hier ja sowieso nicht raus, Kunst wird plötzlich ganz handfest sinnvoll, wenn sie bei der Prüfungsvorbereitung hilft.

„Wenn du an Danton denkst, denkst du an deinen Deutschlehrer. Wenn ich an Danton denke…“ Ich überlege. Georg Büchners Tragödie habe ich nie gelesen, das habe ich mit einigen Schülern gemeinsam.

Dafür fühle ich mich aber verdächtig textsicher.

Malte Lutz hätte sich als Schüler nie getraut, die Pflichtlektüre zu ignorieren. Inzwischen studiert der 22-Jährige aber Theaterpädagogik an der Hochschule Osnabrück. Am Theater Heilbronn ist er für sechs Wochen im Praktikum.

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