Uta Koschel ist die neue Chefregisseurin
Eigentlich verbietet sich das Attribut neu im Zusammenhang mit Uta Koschels Tätigkeit am Theater Heilbronn. Denn seit Beginn von Axel Vornams Intendanz 2008 ist die Regisseurin fast jedes Jahr mit einer oder mehreren Inszenierungen am Berliner Platz vertreten und prägt somit auch schon seit langem das künstlerische Profil des Hauses mit. Mit Inszenierungen wie zuletzt »Ziemlich beste Freunde«, »Das Fest«, »Der nackte Wahnsinn« oder »Die Katze auf dem heißen Blechdach« hat sie bereits wichtige Akzente gesetzt. Neu ist jetzt ihre Position am Theater. Ab dieser Spielzeit übernimmt sie als Chefregisseurin die Nachfolge von Alejandro Quintana. Sie wird nicht nur verschiedene Inszenierungen verantworten, sondern auch den Spielplan mitgestalten und ein wichtiger Ansprechpartner für das Schauspielensemble sein.
Die Theaterleidenschaft hat sie mit in die Wiege gelegt bekommen. Ihre Mutter war Schauspielerin, der Vater Dramaturg. Nach dem Abitur studierte Uta Koschel an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« in Berlin Schauspiel und ging nach dem Studium 1989 mit einer Gruppe von sieben jungen Absolventen ans Theater Rudolstadt, wo der seinerzeit jüngste Oberspielleiter des Landes, Axel Vornam, ein aufregendes und neues Konzept ausprobieren durfte. Zweite Hausregisseurin war damals Konstanze Lauterbach, und die jungen Schauspieler wurden durch diese zwei sehr unterschiedlichen Regisseure sehr gefordert. Nächtelang diskutierten alle gemeinsam über künstlerische Konzepte und Figurenzeichnungen. Eine gute Schule, prägend bis heute. Das Theater Rudolstadt machte sich damals weit über die Grenzen Thüringens hinaus einen Namen. Als Uta Koschel während eines Probenzyklus mal nicht besetzt war, übernahm sie die Regieassistenz für eine Inszenierung. »Daher rührt mein großer Respekt für alle Regieassistenten«, sagt sie. Offenbar kniete sie sich so hinein, dass Axel Vornam sie fragte, ob sie es nicht mal selbst versuchen möchte, Regie zu führen. Der ersten Inszenierung, einer Ufa-Schlagerrevue »Wir machen Musik«, folgten bald weitere Regiearbeiten. Der Perspektivwechsel vom Schauspieler, der sich gedanklich und emotional mit seiner Rolle auseinandersetzt, hin zum analytischen Gestalter, der die Figuren miteinander in Beziehung bringt und mit den unterschiedlichsten Mitteln einen Text mit Leben erfüllt, gefiel ihr zunehmend gut. Ihr nächstes Engagement in Greifswald/Stralsund von 1996 bis 2003 unterschrieb sie dann schon als Schauspielerin mit Regieverpflichtung. Bis sie eines Tages beschloss, ausschließlich als Regisseurin zu arbeiten. Zunächst war sie freischaffend tätig unter anderem in Leipzig, am Maxim-Gorki-Theater Berlin, in Schleswig, Magdeburg und weiterhin in Greifswald/Stralsund. Dann kehrte sie als Oberspielleiterin nach Rudolstadt zurück, wo Axel Vornam inzwischen Intendant war. Dort inszenierte sie unter anderem »Yvonne, die Burgunderprinzessin«, den »Sommernachtstraum« und »Romeo und Julia« von Shakespeare, »Die Ratten« von Gerhart Hauptmann oder die deutsche Erstaufführung von »Hafen der Sehnsucht« von Armin Petras. Sehr viel Spaß macht ihr auch die Arbeit mit Schauspielstudenten. So erarbeitete sie mit Studierenden der Schauspielschulen in Leipzig, Rostock und der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin ihre jeweiligen Abschlussinszenierungen.
Nach nunmehr acht erfolgreichen Jahren der Freiberuflichkeit, in denen Berlin ihr Lebensmittelpunkt war und sie an vielen Theatern in ganz Deutschland gearbeitet hat, hat sie nun wieder Sehnsucht nach einem festen Haus. Heilbronn schätzt sie nicht nur wegen des sehr feinen Ensembles, wie sie sagt. Kürzlich hat sie in einer Woche so unterschiedliche Inszenierungen wie »Der nackte Wahnsinn«, »Der Auftrag« und »The Rocky Horror Show« gesehen und dabei zum Teil die gleichen Schauspieler völlig unterschiedlich erlebt. »Für diese Vielfalt liebe ich Theater.« Aber auch die Werkstätten seien großartig, das ganze Haus außergewöhnlich gut organisiert und von einem hohen Arbeitsethos geprägt. Die Stadt ist, wenn auch nicht hübsch, so doch quirlig und dynamisch, das Publikum überaus wach und dem Theater sehr zugetan. Einen Wermutstropfen hat ihr Engagement im Südwesten: Mit ihrem Lebensgefährten Jon-Kaare Koppe, Schauspieler in Potsdam, wird sie weiter eine Fernbeziehung führen. Schon seit der Schauspielschule sind die beiden ein Paar.
Die Schauspielerin merkt man ihr auch noch deutlich an. Wenn sie Dinge beschreibt, tut sie dies mit intensiver Mimik und sehr gestenreich. »Die vier Jahre Studium und die vielen Jahre auf der Bühne haben mich natürlich geprägt, und sie sind für meine Arbeitsweise sehr wichtig«, sagt sie. Eine bestimmte, sofort erkennbare Ästhetik als Markenzeichen habe sie nicht. Sie entwickelt die Inszenierung immer aus dem jeweiligen Stoff heraus gemeinsam mit ihrem Team. Dass sie beide Seiten sehr gut kennt: Die Einsamkeit des Regisseurs, von dem alle die richtige Entscheidung erwarten, und die Ängste des Schauspielers, eine Rolle eventuell nicht zu bewältigen, macht sie nicht nur zur Autoritäts- sondern auch zur Vertrauensperson.
Welches ist ihr Lieblingsstück? »Im besten Fall immer das, an dem ich gerade arbeite«, sagt sie. Freuen wir uns also auf Uta Koschels aktuelles Traumstück »Der Besuch der alten Dame«, mit dem die Theatersaison 2016/17 eröffnet wird.