An einem Familientreffen sind nicht nur die schuld, die es ausrichten, sondern auch die, die es nicht verhindern, bemerkte einst der Schriftsteller Karl Kraus. Recht hat er, und dennoch lassen sich manche Familienzusammenkünfte nur schwer vermeiden. Hochzeiten, Taufen, Geburtstage, Weihnachten – die Familie, sie lebe hoch, hoch, hoch! Schließlich muss man die Feste feiern, wie sie fallen, auch wenn am Ende die Familie gedemütigt und aufgelöst am Boden liegt.
Mit einem Fest beginnt auch das gleichnamige Stück, in dem nicht nur das ein oder andere Glas, sondern auch der Mantel des Schweigens gehoben wird. Hotelier und Patriarch Helge Klingenfeld-Hansen feiert seinen sechzigsten Geburtstag und natürlich erscheint die gesamte Familie. Doch Festtagsstimmung sieht anders aus. Die Ehe des jüngsten Sohnes Michael ist angeschlagen, Tochter Helene hat zum Entsetzen der Familie ihren neuen Freund mit dem unaussprechlichen Namen Gbatokai mitgebracht und über allem schwebt der vor wenigen Monaten begangene Selbstmord der Tochter Linda. Doch das Fest muss stattfinden, und so hangelt man sich von einer Tradition zur nächsten: Begrüßung, Smalltalk, Essen. Dann der Tagesordnungspunkt Tischreden. Im Raum sinkt die Temperatur gefühlt unter Null, denn der älteste Sohn Christian hält eine Rede mit dem Titel »Wenn Vater ins Bad wollte«. Was die Tafelrunde nun zu hören bekommt, ist ein Familiengeheimnis, vielleicht das dunkelste, was eine Familie haben kann. Doch Christian wird vom Vater verspottet, die Mutter versucht abzulenken, Schwester Helene bittet den Bruder zu schweigen, Michael wird sogar handgreiflich, der Toastmaster setzt zu einer neuen Rede an, der Festtagsmusiker haut in die Tasten, Großvater möchte auch noch was sagen und niemand kann der Situation entkommen, denn die Dienerschaft hat sämtliche Autoschlüssel entwendet. Das Fest wird zu einer Qual für alle, besonders für Christian, dem keiner zu glauben scheint. Nur durch einen Brief der verstorbenen Linda kann die Lebenslüge der Familie aufgedeckt werden. Am nächsten Morgen finden sich alle Geburtstagsgäste zum Frühstück ein. Mit dem Essen kann jedoch erst begonnen werden, wenn einer den Raum verlässt …
»Der Fokus der Inszenierung liegt nicht auf diesem speziellen Familiengeheimnis der Klingenfeld-Hansens, sondern vielmehr darauf, dass es in fast jeder Familie ein wie auch immer geartetes Geheimnis gibt. Zugegeben, in »Das Fest« ist dieses ein besonders drastisches«, beschreibt Regisseurin Uta Koschel. »Wie gehen Familienmitglieder damit um, dass es plötzlich ausgesprochen wird? Wie beeinflusst das die Beziehungen und Machtverhältnisse? Wer zieht Konsequenzen? Wer nicht?« Ein Fest der Wahrheiten also, ein Fest der Familie auch und nicht zuletzt ein Fest für Schauspieler.