Der Schriftsteller und sein allergrößter Fans

„Misery“ nach Stephen King im Komödienhaus

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Unter den größten Schurken der Filmgeschichte nimmt Anni Wilkes Platz 17 ein. Viele kennen die verrückte Krankenschwester, die über Monate ihren Lieblingsautor in ihrer Gewalt hat und die der Fantasie von Grusel-König Stephen King entstammt. Jetzt kommt dieses tragikomische Kammerspiel über die Psychopathin und den Schriftsteller auf die Bühne des Komödienhauses. „Misery“ hat in der Bühnenfassung von Simon Moore und in der Inszenierung von Jens Schmidl am 15. November um 20 Uhr Premiere. Das Stück bietet erstklassiges Futter für die beiden Schauspieler Angelika Hart und Raik Singer und garantiert Spannung von der ersten bis zur letzten Minute.

Paul Sheldon, der kommerziell überaus erfolgreiche Autor der Misery-Liebes-Romane, ist eben auf der Rückfahrt von einer Preisverleihung, als sein Auto im Schneesturm verunglückt. Als er wieder erwacht, findet er sich in der einsamen Berghütte von Anni Wilkes  wieder. Sie, so erklärt Anni ihm, hat ihn aus dem Autowrack gezogen, ihm Schmerzmittel gegeben und intravenös ernährt. Sie ist ehemalige Krankenschwester, aber vor allem ist sie Pauls allergrößter Fan, und er könne sich glücklich schätzen bei ihr zu sein und nicht in einem Krankenhaus. Sie hat alle seine Misery-Romane verschlungen und wollte gerade im Dorf schauen, ob das neueste Buch schon als Taschenbuch zu kaufen sei, als sie auf der Heimfahrt Paul fand. Wenn das nicht ein Wunder ist!
Doch Annis Freude verfliegt ganz schnell, als sie das Manuskript des eben fertiggestellten Romans liest, mit dem Paul Sheldon sich endlich vom Schnulzen-Image der Misery-Romane befreien wollte. „Brooklyn brennt“ ist überhaupt nicht nach Annis Geschmack, und sie zwingt Paul durch Entzug der Schmerzmittel, die er wegen der schweren Beinverletzungen dringend braucht, das Manuskript zu verbrennen. Richtig wütend wird sie, als sie dann den jüngsten Roman seiner Erfolgsreihe, „Miserys Kind“, liest, in dem Paul seine Heldin sterben lässt. Das darf nicht sein! Von nun an macht sie ihm das Leben zur Hölle, und Paul muss trotz seiner unerträglichen Schmerzen einen neuen Roman schreiben und Misery wieder ins Leben zurückholen. Soll er ruhig schreien, so viel er will, sagt seine selbsternannte Pflegerin: „Kein Mensch wird hier anhalten, weil alle wissen, dass Anni Wilkes verrückt ist …“
Stephen Kings Roman „Sie“ (im amerikanischen Original „Misery“) erschien erstmals 1987 und wurde ein Bestseller. King erhielt den „Bram Stoker Award“ in der Kategorie „Best Novel“.  Die Verfilmung von Rob Reiner 1990 mit Kathy Bates und James Caan ist mindestens genauso spannend wie der Roman. 1993 brachte der Schriftsteller und Regisseur Simon Moore in London seine Bühnenbearbeitung des Romans heraus, die weltweit die Bühnen erobert hat.
King, der seine Werke bescheiden als „literarisches Äquivalent zu einem Big-Mac mit einer großen Portion Pommes“ bezeichnet, versteht es meisterhaft das Grauen aus der Normalität des Alltags erwachsen zu lassen. In „Misery“ verarbeitete er mehrere Dinge, die ihn selbst sehr umtrieben: Da war seine Angst vor merkwürdigen Fans, die auch ihn und seine Familie manchmal auf beängstigende Weise bedrängten. Außerdem befürchtete er, ähnlich wie sein Held Paul Sheldon, Gefangener seines eigenen Erfolges zu werden. Und drittens war er zum Zeitpunkt des Schreibens an seinem Roman schon einige Jahre alkohol- und drogenabhängig. Die verrückte Krankenschwester „war mein Delirium, meine Metapher für meine Sucht“, erklärte King 2012 in einem Interview mit dem Spiegel.

Silke Zschäkel

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