In „Fundament“ gab sie ihren Einstand im Heilbronner Ensemble. Ab dem 24. November ist sie in der Komödie „Venedig im Schnee“ zu sehen. Hier erfahrt ihr mehr über unsere neue Schauspielkollegin.
„Nirgends lässt sich der Text besser lernen, als beim Spaziergang durch die Weinberge“, sagt Anja Schreiber. Für die junge Frau mit dem blonden Wuschelkopf ist das Engagement in Heilbronn fast ein Heimspiel, denn sie ist jetzt wieder ziemlich nahe an ihrer Heimat, dem Südschwarzwald. „Es riecht wieder wie zu Hause.“ Maultasche und Spätzle, der hiesige Dialekt, die Mentalität der Menschen und die Kehrwoche, all das ist ihr vertraut. Wobei sie mit einem Augenzwinkern gesteht, in den letzten Jahren im Gegensatz zu allem anderen die Kehrwoche nicht unbedingt vermisst zu haben.
Eigentlich ist Anja Schreiber diplomierte Architektin. Nach dem Studium in Konstanz hatte sie ihren Job in einem Architekturbüro in Basel schon sicher. Aber die Aussicht, vorrangig am Rechner zu sitzen, sich zu 80 Prozent mit Statik beschäftigen zu müssen und nur zu 20 Prozent die eigene Kreativität leben zu dürfen, bereitete ihr Unbehagen. Schon seit frühester Kindheit war sie ein Wirbelwind mit dem Drang zur Bühne. Sie war beim Ballett, spielte Theater, lernte Trompete und machte auch sonst viel viel Musik. „Ich wollte gern ans Theater“, gesteht sie. „Aber ich habe es mich nicht getraut.“ Deshalb zunächst die Architektur. Das Studium hat Spaß gemacht, aber unterschwellig war auch während dieser Zeit die Kunst immer präsent. Ob als Entwurf eines Theaters für die Piazza Anfiteatro im toskanischen Lucca oder ob als Planung für ein Museum in ihrer Diplomarbeit.
In ihrer Zeit in Konstanz hatte sie eine Schauspielerin kennengelernt, mit der sie ausführlich über ihren verdrängten Wunsch sprach. „Und obwohl sie mich schonungslos über alle Schattenseiten des Berufes aufgeklärt hat, drängte es mich, wenigstens einmal diese Schauspieleignungsprüfung zu machen. Nur um zu sehen, ob ich es kann“, erzählt Anja Schreiber. Da war sie schon 25 Jahre alt. Die Aufnahmeprüfung in Bern hat auf Anhieb geklappt. Aber sollte aus dieser Mut- und Bestätigungsprobe nun auch die Konsequenz folgen, alle berufliche Sicherheit in den Wind zu schlagen? Einen Weg zu gehen, bei dem das Hobby Beruf werden würde, aber wenig Platz für andere private Träume bliebe. „Das kann man nur machen, wenn man wirklich dafür brennt.“ Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Während der Schauspielausbildung an der Hochschule der Künste in Bern spielte sie bereits am Theater Biel-Solothurn und im Schauspielhaus Basel. Ihr Erstengagement hatte sie am Deutschen Theater Göttingen von 2009-2014. Danach war sie von 2014-2017 am Theater Plauen-Zwickau engagiert, suchte aber vor allem aus familiären Gründen wieder die Nähe zu ihrer alten Heimat. Nun also gehört sie fest zum Ensemble des Theaters Heilbronn. Einziger Wermutstropfen ist die aussichtlose Wohnungssituation. In Heilbronn hat Anja Schreiber keine Wohnung gefunden, deshalb pendelt sie nun täglich zweimal zwischen Neckarsulm und dem Theater hin und her. Vormittags für die Proben, abends für die Vorstellungen. Sie fährt mit dem Auto, weil das Warten auf öffentliche Verkehrsmittel sie noch mehr Zeit kosten würde. „Mal sehen, wie lange ich es mir leisten kann“, sagt sie. Sie genießt die Arbeit mit den neuen Schauspielkollegen, von denen sie viel lernen kann, und findet es unglaublich, wie die Stadt Heilbronn das Theater wertschätzt und ins Haus investiert. Als sie das zum ersten Mal das neue Probenzentrum gesehen hat, konnte sie nur noch staunen.