Aus der Lehrersichtveranstaltung zu „Homo faber“
Seit das Theater Heilbronn die Theaterpädagogik intensiv ausbaut, genießen Lehrerinnen und Lehrer der Region ein Privileg. Sie dürfen bei Stücken, die für ihre Schüler von Interesse sein könnten, eine Hauptprobe besuchen und sich einen ersten Eindruck verschaffen. „Lehrersichtveranstaltung“ lautet die Bezeichnung. Für die Theaterleute ist es erst die zweite Probe, bei der schon fast alles im Original ist: Darsteller, Bühne, Kostüme, Maske, Licht, Ton. Da sitzt noch längst nicht jedes Wort und klappt nicht jeder Umzug. Kein Problem, denn bis zur Premiere sind es noch 3-4 Tage.
In diesem Stadium sind Proben normalerweise geschützte Räume, in die nur ein Teil der Theaterangehörigen hineinkommt. Hier dürfen Dinge nicht gelingen, kochen auch mal die Emotionen hoch, werden Szenen wiederholt, Text vergessen oder es wird unterbrochen. Insofern ist die Öffnung der Inszenierung für Fremde ein großes Wagnis seitens des Theaters.
Bei der letzten „Lehrersichtveranstaltung“ zu „Homo faber“ wurden 30 Pädagoginnen und Pädagogen von Theaterpädagogin Katrin Singer und Dramaturgin Stefanie Symmank begrüßt. Im Gegensatz zum „normalen“ Publikum sind Lehrer mit dem Autor und dem Stoff von „Homo faber“ bestens vertraut, denn sie werden diesen Roman mit ihren Schülern im Unterricht behandeln. Also ging es im Vorgespräch um die Besonderheiten dieser Inszenierung. Wie wurde aus dem Roman ein dramatischer Text? Auf welche Details im Roman wurde für die Bühne verzichtet? Wie sieht das Bühnenbild aus, das für viele verschiedene Stationen im Roman steht? Welche Schwerpunkte setzt Regisseur Axel Vornam mit seiner Inszenierung?
Dann beginnt die Probe. Zuvor noch die knappe Ansage: „Platz nehmen bitte hinterm Regiepult. Keine Fotos, keine Mitschnitte und auf keinen Fall Beifall spenden, denn das bringt Pech.“
Publikum in der Probe zu haben, ist auch für die Schauspieler eine ungewohnte Situation. Hauptdarsteller Stefan Eichberg, der erst zum zweiten Mal die Rolle in Originalsituation durchspielt, braucht ein bisschen, um die Zuschauer auszublenden. Von Szene zu Szene gelingt es ihm besser. Die Lehrerinnen und Lehrer schauen zu und scheinen ziemlich gebannt zu sein. Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Zwischendurch das Raunen einer männlichen Stimme: Der Regisseur flüstert der Regieassistentin zu, was er unbedingt nach der Probe ansprechen und noch korrigieren muss. Sie schreibt mit. Dann eine lautstarke Unterbrechung: „Stopp, das machen wir gleich noch mal.“ Licht- und Toneinsatz und Auftritt der Schauspieler waren nicht synchron. Völlig normal in einer Probe, obwohl für Außenstehende kaum sichtbar. .
Bis zum Ende läuft die Probe reibungslos. Das Inszenierungsteam ist glücklich, dass alles so gut funktioniert hat. Sie treffen sich mit den Darstellern zur „Kritik“. Wo muss das Tempo erhöht, wo noch deutlicher akzentuiert werden – man nennt diesen Probenabschnitt „die Goldfeile ansetzen“. Die Entwicklung, die die Inszenierung durch minimale Eingriff noch nehmen kann, ist meist signifikant.
Die Pädagoginnen und Pädagogen finden sich wieder mit Theaterpädagogin Katrin Singer und Dramaturgin Stefanie Symmank zusammen, um über das Gesehene zu sprechen.Der Tenor lautet: starke Schauspieler, tolles Bühnenbild, das Stück bleibt dicht am Roman und entwickelt, wenn es auf das Ende zugeht, einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Die eine oder andere kritische Frage taucht auf: Müssen eingeblendete Textfelder durch Schreibmaschinengeräusche untermalt werden? Oder: Ist es richtig, dass die Inszenierung rhythmisch so aufgebaut ist, dass sie relativ langsam beginnt und immer mehr Fahrt aufnimmt?
Die Antworten kommen von den Theaterfachfrauen, aber auch die Pädagogen fangen untereinander an zu diskutieren. Sie entwickeln durchaus unterschiedliche Meinungen zu der einen oder anderen Szene. Aus Sicht der Theaterleute eine schöne Situation: Denn es gibt nicht nur eine Lesart dieses Stoffes und dieser Figuren. Es bleibt zu hoffen, dass diese Diskussionen innerhalb der Lehrerschaft in Erinnerung bleiben, wenn es ans Ringen um die „richtige“ Interpretation mit den Schülern geht. Auch die Inszenierung von „Homo faber“ ist nur ein Angebot, das, so sind sich die allermeisten Besucher der Lehrersichtveranstaltung einig, sehr hilfreich ist für die angehenden Abiturienten, mit diesem Stoff zurecht zu kommen. In einer von der Theaterpädagogik vorbereiteten Materialmappe mit 55 Seiten sind unter anderem methodische Kniffe beschrieben, wie „Homo faber“ auch spielerisch im Unterricht erschlossen werden kann und es ist minutiös aufgeführt, worin die Unterschiede zwischen Roman und Dramatisierung bestehen. „Wir werden mit unseren Schülern in die Vorstellung gehen“, so verabschieden sich die Lehrerinnen und Lehrer und sie dürfen gespannt sein, welche Entwicklung die Inszenierung zwischen ihrem Probenbesuch und den Vorstellungen noch genommen hat.
Silke Zschäckel, Pressereferentin
Der Videotrailer zu „Homo faber“
Es ist immer gut, um Forschung im Voraus zu tun. Guter Artikel, würde Ich mag, um zu lesen.