Die BUGA-Entdecker bei ihrem 4. Streich

Von Katrin Singer

Frühlingskinder – Was hört Ihr?

Mit großen Ohren und sensiblen Fühlern sind die „BUGA-Entdecker“ auf dem BUGA-Gelände dem Frühling auf der Spur. Nachdem sie im letzten Monat die ersten Frühblüher und andere Dinge mit ihren Augen entdeckten, werden heute das Gehör und der Tastsinn der Frühlingskinder geschult.

Nach einem kurzen Warm-Up beginnt die erste Fühl-Entdecker-Tour. Mit geschlossenen Augen und vor Freude quiekend führen sich die Kinder gegenseitig durch das frische Gras. Bäume, Disteln, Gras, kleine Steine und Sand werden ertastet, erschnüffelt und belauscht. Nach dem Spiel flüchtet sich die Gruppe kichernd in den kühlen Schatten. „Es roch nach Staub!“, sagt ein Mädchen. „An meinen Füßen war es manchmal kühl!“  „Und stachelig!“, antworten zwei Jungs. Nachdem sich rege ausgetauscht wird, wie sich die Wiese nun tatsächlich angefühlt hat, gibt es schon die nächste Aufgabe. „Legt euch in den Schatten und schließt für zwei Minuten eure Augen, hört genau hin und sammelt Geräusche.“ Sagt Lisa Spintig, die Theaterpädagogin. Ein Plumpsen und schon liegen alle Kinder mit geschlossenen Augen lächelnd im Gras. Sie lauschen dem Geräusche-Konzert –  ein Brummen der Motoren, ein Klopfen aus der Ferne, ein dröhnendes Hämmern, ein lauter und leise werdendes Brummen eines vorbeifahrenden Fahrzeugs und plötzlich zwischen all den lauten Geräuschen, ein Zwitschern und ein sanftes Rascheln der Blättern. Nach einer Minute schaut der erste Junge durch seine zusammengekniffenen Augen, ob alle noch alle da sind. Ein zweiter guckt auch. Beide müssen lachen. Kaum auszuhalten sind die vollen zwei Minuten für die Kinder. Als die Zeit vorbei ist, sprudeln die Worte nur so aus ihnen heraus und jedes Kind darf sagen, was es alles gehört hat.

Aus jeder dieser Sinneserfahrung entsteht eine  kleine Geschichte, die am Ende in einem Forscherbuch notiert wird. Mit einer Pusteblume in der Hand sagen alle „Tschüss bis zum nächsten Mal!“, wenn sich voller Fantasie die Green Box öffnet!

Die Choreonautinnen – Der erste Kontakt

Tanzkuratorin Karin Kirchhoff berichtet über das erste Zusammentreffen zweier außergewöhnlicher Choreografinnen, deren gemeinsame Arbeit zum 10. TANZ! Heilbronn Festival uraufgeführt wird.

Die erste Begegnung von Nadia Beugré und Renate Graziadei, den Choreografinnen des deutsch-afrikanischen Austauschprojektes „Die Choreonauten“ findet auf dem Fußboden in einem Seitenfoyer der Berliner Volksbühne statt. Was war passiert?

Die Bremer Kompanie steptext hatte bereits 2017 dieses Austauschprojekt initiiert und Tanz! Heilbronn war als Koproduktionspartner eingestiegen. Gemeinsam mit dem Leitungsteam von Steptext, Helge Letonja und Anke Euler, waren insgesamt sechs Choreograf*innen dazu eingeladen worden, drei aus Deutschland und drei aus verschiedenen afrikanischen Ländern, die jeweils in einem bi-nationalen Tandem zusammen arbeiten sollten. Eines dieser Tandems soll im Rahmen von Tanz! Heilbronn präsentiert werden. Doch kurz vor Weihnachten sagte die vorgesehene deutsche Tandem –Partnerin von Nadia Beugré ihre Teilnahme ab. Anke, Helge und ich entwickelten eine fieberhafte Aktivität: wer konnte einspringen, welche/r Choreograf*in konnte relativ kurzfristig für mehrere Wochen nach Abidjan reisen und hatte das künstlerische Standing, auch unter diesen nicht gerade einfachen Umständen ein gutes Stück mit ihm vorher unbekannten Tänzer*innen zu entwickeln? Renate Graziadei aus Berlin sagte zu! Und das, obwohl sie kaum Französisch und Nadia Beugré nur wenig Englisch spricht, die Verständigung also mit Übersetzern und Händen und Füßen würde erfolgen müssen.

Kurz darauf bietet sich die Gelegenheit für ein erstes Treffen: Anfang Februar 2018 tritt Nadia Beugré als Tänzerin in einem Stück von Boris Charmatz in der Volksbühne in Berlin auf. Anke Euler kommt aus Bremen angereist und nach der Vorstellung wollen wir uns treffen.
Im Hauptfoyer läuft das Publikumsgespräch, da wollen wir nicht stören, und so landen wir schließlich in einem Seitenfoyer ohne jede Sitzgelegenheit im Kreis auf dem Fußboden. Nadias Stimme ist noch ganz heiser, weil die Tänzer*innen in Boris’ Stück aus Leibeskräften schreien, aber davon lässt sie sich nicht aufhalten, und beginnt, vom Thema ihres Choreonauten-Stücks zu sprechen: die Bildungsmisere in ihrem Heimatland Elfenbeinküste, der unzureichende Zustand der staatlichen Schulen, die teuren aber besseren Privatschulen, die sich nur die Wohlhabenden leisten können. Proteste der Jugendlichen für ein besseres Bildungssystem werden regelmäßig unterdrückt, Aggression und Perspektivlosigkeit sind die Folgen.
Man merkt, das Thema brennt ihr auf den Nägeln. Sie hat selber einen Teenager-Sohn, aber es geht ihr hier um mehr, um das Versagen des Bildungsministeriums, um eine bessere Zukunft für ihr Land. Anke übersetzt, Renate fragt nach, sie kommen ins Gespräch.
Etwas später sitzen wir in einem Lokal, Nadia schmiert ihre immer noch lädierten Stimmbänder mit einem heißen Kakao und erzählt von ihrem Plan, ein Studio, einen Produktionsort in Abidjan zu errichten. Es soll ein Freiraum sein für Kreativität, für Tanz, der sich mit Inhalten befasst, der Einfluss nimmt auf das, was in der Welt passiert. Renate nickt. Ich erinnere mich, wie Renate Graziadei vor vielen Jahren zusammen mit ihrem Partner Arthur Stäldi ihr Tanzstudio begonnen hat, quasi aus dem Nichts, in einer Berliner Hinterhofremise, wo die beiden eigenhändig den Tanzboden gezimmert haben. Und wie jetzt die ständig steigenden Mieten in der Stadt diesen von vielen Tanzschaffenden genutzten Ort bedrohen. Und plötzlich scheint mir die Distanz zwischen Abidjan und Berlin gar nicht mehr so groß.

Die beiden verständigen sich noch über den Umgang mit der Musik und die Besorgung der Kostüme. Am Ende des Abends  schauen sie sich in die Augen und sagen: „Das wird eine gute Zusammenarbeit.“ Hurra!