Einmal jemand anders sein
In gemeinsamer Aktion von Heilbronner Stimme und Theater erhalten Laien Einblicke in das Schauspielhandwerk
Mut braucht es und Fantasie, wenn man dabei sein möchte. Das wurde den 12 Frauen und Männern, die sich aus über 70 Bewerbern für den Schauspielworkshop von Heilbronner Stimme und Theater qualifiziert hatten, bei ihrem ersten Trainings-Treffen mit den Theaterpädagoginnen Katrin Singer und Antjé Femfert ganz schnell klar. Denn es ist nicht so ganz ohne, wenn die Anweisung von Theaterpädagogin Antjé Femfert lautet: Spielt mal, ihr hättet einen Tick, der euch mitten im Alltag immer wieder heimsucht. Das kostet Überwindung, denn es ist den Akteuren schon klar, dass diese Aktion auf einen Beobachter wirken muss, als wäre er in ein Tollhaus geraten. Doch derartige Übungen gehören zum Grundkurs eines jeden Schauspielers. Ebenso Aufgaben wie sich durch den Raum zu bewegen, als wäre man 500 Kilogramm schwer, seiner eigenen Nase hinterherzulaufen, steif wie ein Stock zu staksen oder so elastisch mit den Gliedmaßen zu schleudern, als wäre man aus Gummi, seine Mitstreiter mit einem Zupfen am Ohrläppchen zu begrüßen oder sich von einem anderen mit geschlossenen Augen durch den Raum führen zu lassen. Das macht locker, das entspannt. Man lernt seinen Körper kennen und auch die anderen Männer und Frauen, die in den nächsten drei Wochen zu einer (Schauspiel)-Gemeinschaft zusammenwachsen wollen. Zwischen 16 und fast 70 Jahre sind sie alt und alle verbindet die Leidenschaft für das Theater. Doch die Chance, selbst in einem Kurs die Grundregeln erlernen zu dürfen, die zum Schauspielhandwerk gehören, die hatten sie bisher noch nicht. Da kam ihnen der Aufruf in der Heilbronner Stimme „Die Bühne ruft“ gerade recht. Über ein Bewerbungsverfahren und ein Casting haben sie sich qualifiziert und nun gehen sie selbst ihre ersten Schritte auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“. Am 2. Oktober haben sie um 17 Uhr in der TheaterWerkStatt im Wollhaus ihre Premiere mit einem selbst kreierten Stück, das aus Pressefotos in der Heilbronner Stimme entwickelt werden soll. Dabei kommt es nicht darauf an, die tatsächliche Geschichte hinter dem Foto zu interpretieren, sondern das Bild als Inspiration für einen Ausflug in fantastische Welten zu nehmen. Die ersten Versuche, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen, gab es gleich beim ersten Treffen. Es galt, immer in Zweiergruppen drei bereits ausgeschnittene Fotos auszuwählen und daraus eine Story zu konstruieren. Entstanden sind in nur 10 Minuten herzzerreißende oder aberwitzige Geschichten. So gab es ein Liebeshappyend nach 70 Jahren, oder einen Film über einen Orgelbauer aus der Region, bei dem Woody Allen Regie führen soll. Es gab Manager mit Burnout, das mit einfachsten Mitteln wieder geheilt werden konnte oder eine Fast-Familientragödie beim Wandern, weil eine junge Mutter durch die plötzlich abfahrende Bergbahn von ihrem Säugling fortgerissen wurde. Auch die glückliche Fügung im Leben einer Hochspringerin, die ihrem triezenden Trainer-Vater entkommen konnte, wurde zum besten gegeben. Und als die beiden Küken unter den Workshopteilnehmern, Laura und Luise, überzeugend vermittelten, wie ein Mann und eine Frau dank eines schlechten Elvis-Presley-Doubles zum Paar fürs Leben wurden, blieb kein Auge trocken. Am Freitag geht es weiter – diesmal mit Tanz und Rhythmus, denn auch das gehört zum Handwerkszeug eines jeden Schauspielers.
Silke Zschäckel, Pressereferentin
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