Entstehungsgeschichte der Oper
Die Librettistin Lavinia Greenlaw und den Komponisten Ian Wilson verbindet eine langjährige Zusammenarbeit. Die beiden schrieben vor „Minsk“ bereits die Kammeroper „Hamelin“, deren Uraufführung Christian Marten-Molnár 2003 in Lübeck inszenierte. Die für 2007 geplante Uraufführung von „Minsk“ beim Feldkirchfestival konnte allerdings nicht zustande kommen. Christian Marten-Molnár holte die Uraufführung nach Heilbronn.
Um die Oper hier mit dem Württembergischen Kammerorchester aufzuführen, war es allerdings nötig die Partitur zu bearbeiten. Die ursprüngliche Besetzung ist viel kleiner gedacht und umfasst Instrumente wie Akkordeon, Trompete, Balalaika, Klarinette und Schlagzeug. Der Komponist Ian Wilson war jedoch bereit, die Partitur für Streichorchester anzupassen. In gewisser Weise, sagt Wilson, hat die Bearbeitung sogar Vorteile gegenüber der Originalpartitur, nicht nur weil 20 Streicher einen großen Theaterraum gut füllen, sondern auch weil eine Art Verfremdung, eine Indirektheit entsteht. Die Streicherfassung erzeugt die Klangfarben der Originalbesetzung mit den Mitteln des Streicherklangs, das wiederum sieht Ian Wilson als eine gute Entsprechung zum Traum, der ja eine andere Sphäre von Wirklichkeit ist und in dem sich die Oper hauptsächlich abspielt.
„Es war eine interessante Erfahrung, sich wieder mit einem Stück zu beschäftigen, das ich seit einigen Jahren nicht mehr angeschaut hatte. In gewisser Weise musste ich es wie ein historisches Artefakt behandeln, wie etwas, dessen Charakter ich bewahren musste. Sogar wenn ich versuchte, alles umzuändern, versuchte ich eigentlich, alles so zu belassen, wie es war, wenn Sie verstehen, was ich meine. Als ich damit begann, die Originalpartitur in eine Partitur für Streichorchester zu übersetzen, musste ich vielmehr Aufteilungen in den Streichern vornehmen, als es normalerweise gibt – Aufteilungen der verschiedenen Stimmen aber auch in Bezug auf die Klangfarbe. In dieser neuen Fassung tauchen in den Streichern verschiedene Farben gleichzeitig auf. Streichorchester schaffen normalerweise einen wunderschönen homogenen Klang, in dem nur ein oder zwei Klangfarben gleichzeitig vorkommen. Ich musste bei Minsk etwas anderes tun, damit die Musik so funktioniert, wie ich es wollte.“
Der Komponist Ian Wilson
Ian Wilson wurde im nordirischen Belfast geboren und lebt heute im irischen Cork. Zu komponieren begann er erst während seines Musikstudiums. Wilson lernte als Kind Geige und Klavier und trat später in einer Rock-Gospel-Band auf die den schönen Namen „Night Watch“ trug. Dort schrieb er die Lieder, sang und spielte Gitarre. Im Laufe des Studiums wurde dann die Beschäftigung mit Neuer Musik ernsthafter und die Bandaktivitäten mussten zurückstehen.
Wilson beschreibt sich selbst als einen spätberufenen Komponisten, der sich langsam entwickelte. Allerdings hat er inzwischen, mit nicht einmal 50 Jahren, die sehr beachtliche Zahl von über 130 Werken vorzuweisen. Wilson schreibt für die verschiedensten Besetzungen. Musiktheaterwerke (nicht alles Opern, auch experimentelle), Orchesterstücke, Konzerte für Klavier, Orgel, Saxophon, Cello und Marimba, Kammermusikstücke, Werke für Sologesang und für Chor, aber auch Stücke mit elektroakustischen oder elektronischen Mitteln. Wilson gehört nicht nur im Vereinigten Königreich und Irland, sondern international zu den etablierten Komponisten Neuer Musik.
Wilson sieht Stil nicht als etwas, wodurch man einen Künstler einordnen und wiedererkennen kann. Ebensowenig will er sich auf eine bestimmte Kompositionstechnik festzulegen und sozusagen deren Grammatik immer wieder zu reproduzieren. Ian Wilson sagt, er gehe jede Partitur aufs Neue an und versuche eine eigene musikalische Sprache für ein Stück zu entwickeln. Minsk kann deshalb auch nicht für das Werk Wilsons insgesamt oder für eine Gruppe seiner Werke stehen.
Impulse für seine Arbeit bezieht Wilson unter anderem aus Kunstwerken von Klee, Miro, Jackson Pollock oder Giacometti, aber auch aus Landschaftseindrücken, der Bibel und seinem christlichen Glauben.
Jungen Komponisten gibt er den Hinweis auf den Weg: „Probiert viel aus, schreibt aber am Ende die Musik, die Ihr Euch gern anhört.“ Er selbst erklärt, dass er das Abwaschen genieße, weil es eine Zeit sei, in der er eine andere Musik als Neue Musik hören könne. Er ist ein großer Fan von Radio Head.
Dies ist der erste Teil einer zweiteiligen Reihe über die Entstehung der Oper „Minsk“, ihren Komponisten und die Librettistin. Der zweite Teil erscheint in einigen Tagen im Blog.
Johannes Frohnsdorf
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