»Liebe Kitty! Meine Hand zittert noch, obwohl der Schreck, den wir hatten, schon zwei Stunden her ist. (…) Weil sie unten so gescheit sind, haben sie uns nicht gewarnt, dass der Zimmermann, oder wie der Bursche sonst heißt, die Geräte auffüllte. Deshalb waren wir überhaupt nicht leise, bis ich plötzlich draußen auf dem Treppenabsatz (gegenüber unserer Schranktür) Hammerschläge hörte. (…) Vater und ich bezogen Posten hinter der Tür, um zu hören, wann der Mann weggehen würde. Nachdem er eine Viertelstunde gearbeitet hatte, legte er seinen Hammer und andere Werkzeuge auf unseren Schrank (so meinten wir!) und klopfte an unsere Tür. Wir wurden ganz weiß! (…) Der Mann, von dem ich meinte, dass er zu uns herein wollte, hatte in meiner Einbildung immer größere Formen angenommen. Zuletzt sah er aus wie ein Riese und war so ein Faschist, wie es keinen schlimmeren gibt. (…) zum Glück ist es diesmal gut abgelaufen.« (Aus dem Tagebuch Anne Frank, 3. Auflage, Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a.M. 2004, S.68)
Dieser Ausschnitt stammt nicht aus einer erdachten Geschichte, sondern aus einem Zeitzeugenbericht, aus dem Tagebuch der Anne Frank. Mit ihrer Familie emigierte sie in die Niederlande, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Auch dort mussten sie sich verstecken. Über mehr als zwei Jahre lebten die Franks zusammen mit einer weiteren Familie eingepfercht in einem kleinen Versteck im Hinterhaus der Firma Opekta. Sie konnten nicht nach draußen, durften keine Aufmerksamkeit erregen. Das Leben gemeinsam, auf so engem Raum, war alles andere als einfach, führte zu ständigen Konflikten. Die Versteckten waren in ständiger Angst und Sorge entdeckt zu werden. Anne führte Tagebuch. Sie wollte, dass die Nachwelt von ihr erfuhr, welches Leid sie aufgrund des politischen Systems ertragen musste – vielleicht als Wunsch, dass so etwas nie wieder geschehen möge.
Auch Zef Bunga, ein Junge aus Albanien, hat Annes Tagebuch gelesen. Zef – zu einer ganz anderen Zeit, an einem ganz anderen Ort – lebt selbst gefangen in den eigenen vier Wänden des elterlichen Hauses mit dem Wunsch nach Freiheit und einem unbeschwerten Leben ohne das Gesetz der Blutrache des Kanun.
Hätten die Taten der Nationalsozialisten vermieden werden können, wenn Menschen aufgestanden wären und die Rechte ihrer Nächsten verteidigt hätten? Wäre das Leben von Anne, Zef und vielen anderen Menschen ganz anders verlaufen, wenn nur einige eine andere Entscheidung getroffen hätten?
Derzeit befinden sich weltweit fast 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht vor Verfolgung, Unterdrückung, Gewalt, Armut, Hunger, Durst, Kälte. Ihre Menschenrechte sind in vieler Hinsicht verloren. Doch welche Rechte hat ein Mensch überhaupt? Welche Rechte haben Kinder? Welche Rechte habe ich?
Mit diesen und anderen Fragen wollen wir uns im Rahmen der Themenwoche zu »Anne und Zef« beschäftigen. Zusätzlich zu den Aufführungen des Stücks »Anne und Zef« wird es verschiedene Aktionen, Führungen, Ausstellungen, Gesprächsrunden und Räume für Gedanken und Dialoge geben. Zu den Themen des Stückes — Kinderrechte, Anne Frank und Albanien — haben wir ein besonderes Programm zusammengestellt, das zum Nachfragen einlädt, zum Denken verführt und zum Handeln anregt.