»Es ist mein verdammtes Leben!«

»Die Leiden des jungen Osman« (UA) zeigt Generationenkonflikte in einer Familie türkischer Herkunft
(Uraufführung am 21. März)

Das Abitur hat Osman frisch in der Tasche, jetzt träumt er davon, Literatur zu studieren. Er liebt die Sprache und die Geschichten, doch seine Eltern erwarten von ihm, dass er das Geschäft seines Vaters übernimmt: Karadere Export/Import. Einzig seine ältere Schwester Hülya bestärkt Osman, der sie abgöttisch liebt, in seinen Wünschen. Sie, die schon länger studiert, will, genau wie ihre deutschen Freundinnen von der Uni, selbst entscheiden, wie sie lebt. Doch Hülyas Lebenswandel erregt Anstoß. Abends geht sie aus und kommt erst spät nachts nach Hause zurück; sie wurde mit fremden Männern gesehen. »Namuslu kiz«, ein ehrenhaftes Mädchen, tue so etwas nicht, meinen die Eltern. In der Moschee redet man schon über die Karaderes, und im Geschäft des Vaters bleiben die Kunden aus; die Eltern sind nicht bereit, weiter tatenlos zuzuschauen. Doch als Hülya ankündigt, eher werde sie zu Hause ausziehen, als sich zu fügen, geht ein Riss durch die Familie. Dass die Tochter sich dem Einfluss der Familie entzieht, kommt für die Eltern nicht infrage. Osman, als das zukünftige Familienoberhaupt, soll Hülya auf den »rechten Weg« zurückbringen. Die Kluft zwischen Eltern und Tochter ist jedoch nicht mehr zu überbrücken. Zur Eskalation der Lage trägt auch Oliver bei, ein alter Freund von Osman, der sich einer extremen islamistischen Gruppe anschloss. Für eine Welt nach seinen religiösen Vorstellungen ist er bereit, jedes Mittel einzusetzen – egal ob als Kämpfer in Waziristan oder wenn es darum geht, wie sich eine junge muslimische Frau in Deutschland zu verhalten hat.

»Spring, es macht so einen Spaß!«, rief Hülya ihrem Bruder früher beim Spielen zu. Nun will sie ihn ermutigen, einen größeren Schritt zu wagen. Foto: Antjé Femfert;  Bearbeitung: Katrin Schröder
»Spring, es macht so einen Spaß!«, rief Hülya ihrem Bruder früher beim Spielen zu. Nun will sie ihn ermutigen, einen größeren Schritt zu wagen.
Foto: Antjé Femfert;
Bearbeitung: Katrin Schröder

»Die Leiden des jungen Osman« entstand im Auftrag des Theaters Heilbronn, das damit seine Auseinandersetzung mit dem großen Themenkreis von Zuwanderung, Wandel unserer Gesellschaft und den damit verbundenen Identitätsfragen fortsetzt. Ganz bewusst wurde die Entscheidung getroffen, eine Autorin türkischer Herkunft zu beauftragen, ein zweisprachiges Stück zu schreiben, nicht nur um den Erfahrungen der Zuwanderer gerecht zu werden, sondern auch um eine sehr belastbare Basis für die Diskussion über Stück und Inszenierung zu schaffen. Autorin und Regisseurin Sema Meray, bekannt als Schauspielerin in Fernsehserien wie »In aller Freundschaft« und »Tatort«, merkt man an, dass es ihr wichtig ist, sich zur Situation türkischer Zuwanderer zu äußern. Offen spricht sie die Konflikte zwischen den Kulturen und Generationen an, sie bezieht klare Positionen.
Das war schon so bei ihrem ersten Theaterstück, »Wegen der Ehre« (2005), in dem sie auf die damalige Ehrenmorddebatte reagierte. Bei der Realisierung von »Die Leiden des jungen Osman« arbeitet das Theater außerdem mit Schauspielern, die ihre Wurzeln in der Türkei haben, zusammen. Gezielt geht das Theater auf türkische Vereine und Gruppen in Heilbronn zu und bietet ihnen eine vielfältige theaterpädagogische Begleitung an. Möglich wurde das Projekt durch die Unterstützung des Innovationsfonds des Landes Baden-Württemberg.

Johannes Frohnsdorf, Dramaturg

 

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