Kleidungsstück für Intellektuelle

Der Schwarze Rollkragenpullover lenkt den Blick auf das Wesentliche – den Kopf

Schwarzer Rollkragenpullover, schwarze Hose, so sind Harry Haller, sein Alter Ego Hermine und die Unsterblichen, in »Der Steppenwolf« in der Inszenierung zu sehen.
Harry Haller ist ein familienloser, heimatloser, hochsensibler Intellektueller von annähernd 50 Jahren, dem alles Bürgerliche zuwider ist. In seinem Erscheinungsbild erkennen wir den Intellektuellen, den Künstler sofort, unterstrichen durch die Kleidung, die er trägt.

»Der Steppenwolf« – Stefan Eichberg, Foto: Candy Welz

Was steckt dahinter, woher kommt dieses Bild, das wir der Figur Harry Haller zuschreiben?

Mit dem Leiter unserer Kostümabteilung blicken wir auf die Tradition, die dahinter steht, wenn wir uns entscheiden, Schwarz zu tragen.

Wer sich für Schwarz entscheidet, tut das heute oft aus ganz praktischen Gründen, sagt Manuel-Roy Schweikart. Denn Fragen wie: welche Farben kombiniere ich heute miteinander, ist die Farbe meiner Kleidung dem Anlass angemessen, stellen sich nicht. Schwarz passt immer. Schwarz war in der Bekleidung lange eine Farbe des Wohlstands. Sie wurde nur zu besonderen Anlässen getragen, erläutert Manuel-Roy Schweikart. Die Herstellung schwarzer Kleidung war ein teurer, aufwendiger Prozess. Ein tiefes Schwarz konnte nur durch mehrere Färbeprozesse erzeugt werden, nur Purpurstoffe waren teurer.

Die Verbindung der schwarzen Kleidung mit dem vergeistigten Menschen, hat ihren Ursprung in der spanischen Hofmode des 16. Jahrhunderts. In den schwarzen Roben mit ihren stark stilisierenden Formen verschwindet alles Körperliche und der Kopf des Trägers wird zum Zentrum, erklärt Manuel-Roy Schweikart. Dagegen kommt die anschließende Renaissancemode fast freizügig daher. Die tellerförmige Halskrause rückte nicht nur den Kopf als Sitz des Geistigen in den Fokus. Die sonst ausschließlich Schwarze Kleidung nivellierte das Körperliche bis zur Unsichtbarkeit. Bis heute stehen die Roben von Geistlichen und Juristen in dieser Tradition.

Zum Glück entwickelte sich auch das Tragen schwarzer Kleidung weiter. Der berühmte Sonntagsanzug, das Sonntagskleid blieben lange hochwertig, hochgeschlossen und zeitlos, denn oft waren dies die besten Kleidungsstücke, die zu jedem Anlass tragbar sein sollten. Oft wurden sie in den Familien weitergegeben oder vererbt.  
In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts jedoch wird der schwarze Rollkragenpullover zu einem Statement der Intellektuellen und Künstler, um sich vom Establishment abzugrenzen. Denn Hemd und Krawatte gehörten zum offiziellen Dresscode. Mit dem Rollkragenpullover lenken sie den Blick wieder auf den Kopf.

Dies alles schwingt in dem Bild des Harry Hallers mit, wenn wir ihn auf der Bühne sehen und vor allem seinen Kopf wahrnehmen. Der hochgeschlossene schwarze Pullover und die schwarze Hose lassen die Figur vor dem schwarzen Hintergrund der Bühne zurücktreten. Der Intellektuelle wird für uns in diesem Kostüm deutlich erkennbar. Dass dahinter jedoch ein antiquiertes Modephänomen des 16. Jahrhunderts steht, dem das Streben nach Züchtigkeit und Unschuld zu Grunde liegt, dürfte dem »Steppenwolf« ebenso zuwider sein wie die bürgerliche Gesellschaft. 

Frank Lienert-Mondanelli, Sven-Marcel Voss, Gabriel Kemmether, Stefan Eichberg, Sabine Unger, Malin Kemper, Foto: Candy Welz


Mit dem Theater fit fürs Abitur

Die AbiTour-Tage 2019

Das Abitur steht für viele Schülerinnen und Schüler in der Region vor der Tür. In bewährter Tradition hat das Theater Heilbronn auch in dieser Spielzeit wieder die AbiTour-Tage angeboten, an denen den Schülerinnen und Schülern nochmal ein ganz anderer Blick auf die Sternchenthemen geboten wurde.

Vernissage zur Eröffnung der AbiTour-Tage 2019

Vom 28.01. bis zum 01.02.2019 drehte sich im Großen Haus und in der BOXX alles um den »Steppenwolf« und um den »Goldnen Topf«.
Die Woche wurde mit der Vernissage »ZWISCHEN.WELTEN« eröffnet, für die Schülerinnen und Schüler des Robert-Mayer-Gymnasiums Kostüme passend zum »Goldnen Topf« entworfen und angefertigt hatten. Inspiriert wurden die ausgestellten Kostüme von Anselmus’ Zerrissenheit und dem Changieren zwischen zwei Welten, die in E. T. A. Hoffmanns »Der goldne Topf« thematisiert werden. In einer Performance, angeleitet von den Theaterpädagoginnen Lisa Spintig und Anja Bräutigam, wurden die Arbeiten live dem Publikum präsentiert. Außerdem konnte man sich die Kostüme auf ästhetisch gestalteten Fotografien bei einem Rundgang durch das BOXX-Foyer aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten. Einen exklusiven Einblick in die Arbeit und Vorgehensweise der Theatermacher erhielten die Besucher am Dienstag, den 29.01.2019 in einem Werkstattgespräch. Theaterpädagogin Natascha Mundt sprach mit den stückbegleitenden Dramaturginnen Sophie Püschel und Mirjam Meuser, die dem interessierten (Schüler-) Publikum rege Auskunft darüber erteilten, wie lange man an so einem Stück arbeitet, wie man eine Bühnentextfassung erarbeitet und was ein Dramaturg denn sonst noch so macht. Zudem erläuterten die beiden die künstlerischen Zugriffe der Regisseure auf die Abitur-Stoffe. Für Fragen aus dem Publikum war auch Zeit.
Die ganze Woche konnten interessierte Klassen in Workshops die Inhalte beider Inszenierungen praktisch erleben und auf sinnliche Weise begreifen. So setzten die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler das gegenseitige Sich-Spiegeln in Szene. Sich gegenüberstehend nehmen Sie die Bewegungen des anderen auf, werden zu dessen Spiegelbild, lassen sich ein auf das gegenüber oder geben dem Spiegelbild Bewegungen, Haltungen vor und nähern sich so der »Steppenwolf«- Inszenierung. In dem Workshop zu »Der goldnen Topf« dagegen laufen und stürmen die Schülerinnen und Schüler durch den Raum, bis sie durch einen äußeren Impuls plötzlich das Tempo wechseln und Bewegungen suchen, die sie in mystische Wesen aus Atlantis verwandeln. Das Stolpern des Anselmus durch die zwei Welten, wie ihn E.T.A. Hoffmann beschreibt, wird für sie körperlich erfahrbar. Was macht es mit mir, wenn ich vom hektischen Spießbürger zu einem Fabelwesen einer verborgenen Welt werde? Für die Schülerinnen und Schüler boten sich in der Abitourwoche  verschiedene neue Ansätze sich mit den Sternchenthemen auseinanderzusetzen.

Jetzt wünschen wir den Abiturientinnen und Abiturienten Toi Toi Toi für die Prüfungen. Für uns gilt nach dem Abi ist vor dem Abi: wir freuen uns schon auf die AbiTour-Tage 2020 mit vielen wissensdurstigen Schülerinnen und Schülern bei uns im Theater Heilbronn!