Wir stellen unsere neuen Schauspielerinnen und Schauspieler im Ensemble vor. Heute: Anja Bothe aus dem Jungen Theater, die ihre ersten Rollen in »Netboy«, »Farm der Tiere«, »Emil und die Detektive«, »Klopf Klopf« und »Der goldne Topf« spielt.
Feine Gesichtszüge, eine zierliche Gestalt, rotbraune Haare und braune Augen, das Lächeln eher zurückhaltend. Anja Bothe wirkt auf den ersten Blick sehr mädchenhaft und weich. Das Zitat auf der Startseite ihrer Homepage spricht dagegen eine ganz andere Sprache. Es strotzt nur so vor Power und Lebensgier: »Auslöffeln, Aussaufen, Auslecken, Auskosten, Ausquetschen will ich dieses herrliche heiße sinnliche tolle unverständliche Leben.« Dieses Motto hat sie vom Dramatiker Wolfgang Borchardt (»Draußen vor der Tür«) übernommen.
»So wünsche ich mir meine Arbeit«, sagt die Schauspielerin, die jetzt ihr erstes Engagement am Jungen Theater Heilbronn angetreten hat. Auf der Bühne will sie Grenzen überschreiten und Konflikte durchleben. Im wirklichen Leben ist sie eher harmonieliebend und ausgeglichen. Wahrscheinlich ist diese Chance, die man als Schauspielerin bekommt, auch der Grund, warum sie diesen Beruf ergriffen hat: Jemand anders sein können, das Leben mit allen Höhen und Tiefen ausreizen, sein Ich vollkommen in den Dienst einer Rolle stellen.
Geboren wurde sie in Gräfelfing, einem Stadtteil von München. Aufgewachsen ist sie in Niederbayern, eine Stunde entfernt vom nächsten Theater. Trotzdem schloss sie sich mit 13 Jahren dem Jugendclub des Theaters Passau an und nahm dafür eine Stunde Fahrzeit in Kauf. »Zuvor hatte ich eine Jugendclubinszenierung von Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« gesehen und dachte: Das will ich auch.« Von da an ließ sie das Theater nicht mehr los. Ihr Abitur machte sie an einer Schule für Gestaltung und überlegte, ob sie eventuell Kommunikationsdesign studieren sollte. »Aber den ganzen Tag am Computer zu arbeiten, das wäre nichts für mich gewesen«, sagt sie. Schauspiel studierte sie dann am Europäischen Theaterinstitut in Berlin. Nach dem Studium sammelte sie ihre ersten Spielerfahrungen beim Drehen von Independentfilmen. In »Different« etwa spielt sie eine Frau, die aus unerwiderter Liebe zu bösartigen, drastischen Maßnahmen greift. »Keine Ahnung, warum ich gern in bösen Rollen besetzt werde«, sagt sie und lacht. Denn auch in »Netboy«, ihrem ersten Stück am Jungen Theater, spielt sie eine sehr zwielichtige Person. Das zweite Standbein unmittelbar nach dem Studium waren Gastengagements an Theatern und bei großen Projekten. Die verrückteste Erfahrung war dabei, Teil der sechsstündigen Performance-Installation »Das Heuvolk« vom renommierten Künstlerkollektiv SIGNA anlässlich der Schillertage 2017 in Mannheim zu sein. Diese Endzeit-Performance in einer früheren US-Militärkaserne war ein inszenierter Alptraum, ein apokalyptisches Sekten-Szenario, bei dem die Grenzen zwischen Darstellern und Zuschauern sich auflösten. »Eine spannende und tolle Erfahrung«, sagt Anja Bothe.
Aber jetzt möchte sie endlich kontinuierlich an einem Theater arbeiten, den Wechsel von Proben und Vorstellungen erleben, heute diese Rolle spielen und morgen die nächste, viele verschiedene Regiehandschriften kennenlernen und dabei trotzdem die Geborgenheit eines festen Ensembles erfahren. Und sie möchte lernen, ihr Handwerk festigen, sich die Standhaftigkeit und Disziplin aneignen, die der Beruf verlangt. Zugegeben, nach sechs Jahren in Berlin fiel ihr die Umgewöhnung auf Heilbronn nicht leicht, sagt sie. Aber den Neckar hat sie schon für sich entdeckt, als Jogging-Strecke und zum Entspannen.