Wenn er über sein Ideal vom Schauspielberuf spricht, hat Pablo Guaneme Pinilla ein bestimmtes Bild vor Augen: Von spielenden Kindern im Sandkasten. Mit großer Ernsthaftigkeit und Unbekümmertheit sind sie ganz versunken in das, was sie gerade tun und schaffen mit Phantasie und Gestaltungswillen ganz neue Welten. So wünscht sich der Schauspieler den Probenprozess am Theater – sich ausprobieren, den Text ausloten, tief in die Arbeit eintauchen, das Drumherum ausblenden ohne das, was draußen geschieht, als Impuls für die Arbeit aus den Augen zu verlieren.
Pablo Guaneme Pinilla, der seit September fest zum Heilbronner Schauspielensemble gehört, sieht das Theater als Ort des öffentlichen Nachdenkens und Entdeckens, der nichts Geringeres leisten soll, als die Dinge in ihrer Differenziertheit und Zerrissenheit zu zeigen. »Ich bin ein Freund des Widerspruchs«, sagt er. Einfache, plakative Antworten und Parolen von der Bühne herunter interessieren ihn nicht.
Vielleicht war, weil er die Welt immer in ihren Gegensätzen sieht, der Weg ans Theater zwar nicht stringent aber doch irgendwie zwangsläufig. Aufgewachsen ist der Sohn einer deutschen Mutter und eines kolumbianischen Vaters in Bonn. Während der Kindergarten- und Grundschulzeit war er in der Musikschule und spielte hier Theater. Dann kam erst mal eine ganze Weile nichts dergleichen. Erst in der 12. Klasse absolvierte er einen Theaterkurs und wurde Statist an der Oper in Bonn. »Das hat mir großen Spaß gemacht und war für mich wichtiger als das Abitur«, blickt Pablo Guaneme Pinilla augenzwinkernd zurück. Nach dem Abi ging er für ein freiwilliges soziales Jahr nach Lima in Peru. Hinterher wollte er unbedingt nach Berlin, und er schrieb sich an der Humboldt-Universität für die Fächer Geschichte, Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft ein, hatte aber das Gefühl, da nicht wirklich hinzugehören. In seiner Freizeit schloss er sich freien Theatergruppen an und fasste schließlich den Mut, an Schauspielschulen vorzusprechen. Er bestand das strenge Auswahlverfahren an der Schauspielschule »Hans Otto« in Leipzig und stellte sich den Herausforderungen seines neuen Lebens. Nach zwei Jahren geschützter Arbeitsatmosphäre an der Schauspielschule ging es die letzten beiden Jahre ins Schauspielstudio des Theaters Halle. Hier spielte er unter anderem die Titelfigur in Wolfgang Herrndorfs »Tschick« – eine Rolle, die er in ihrer Mischung aus Humor, Ernsthaftigkeit und Abgründigkeit bis heute liebt. Sein erstes Engagement führt ihn für 6 Jahre nach Neuss, wo er in vielen großen und wichtigen Rollen zu sehen war u. a. als Sigfried in Friedrich Hebbels »Die Nibelungen«, als Orlando in Shakespeares »Wie es euch gefällt« sowie als Wurm in Schillers »Kabale und Liebe«. In diesem Jahr war er im Juni mit dem Monolog-Stück „Tāwle – am Kopf des Tisches“ beim Westwind-Festival in Oberhausen eingeladen. Das von Julia-Huda Nahas geschriebene und inszenierte Stück greift die Perspektive eines Deutschen mit syrischen Wurzeln auf, der versucht, seinen im Kriegsgebiet lebenden Verwandten zu helfen. Das war eine sehr schöne, fordernde und intensive Arbeit, die ihm immer als eine seiner liebsten im Gedächtnis bleiben wird.
Jetzt, mit Mitte 30, hatte er Lust auf eine Veränderung ̶ ein neues Haus, neue Kollegen, andere Regisseure, die Chance weiter zu reifen und eben nicht mehr der junge Schauspielabsolvent zu sein. »Ich freue mich darauf, neu gefordert und neu gesehen zu werden«, sagt er. Er ist gespannt auf die Rollen, die er spielen darf. Bestimmte Wünsche oder Träume hat er nicht: »Ich bin auf alles neugierig, was kommt.«
Um zu seiner Wohnung zu gelangen, musste Pablo Guaneme Pinilla bis vor kurzem noch einen Ausweis vorzeigen. Denn der Schauspieler ist stolzer Bewohner von Deutschlands größtem Holzhochhaus auf dem BUGA-Gelände. Heilbronn habe ihn positiv überrascht, sagt er: »Die Stadt ist sehr lebendig, mitten in einem positiven Umbruch, das kann man überall spüren.«
Pablo Guaneme Pinilla könnt Ihr aktuell in »Drei Männer und ein Baby« und »Drei Haselnüsse für Aschenbrödel« sehen.