»Unter Kontrolle«

»Unter Kontrolle«
Vom Tanzprojekt mit Häftlingen bis zum Tanzverbot im Iran
Zum fünften Mal Tanz! Heilbronn vom 8. Mai – 12. Mai 2013

»Unter Kontrolle« – diesem Motto widmet sich das Festival Tanz! Heilbronn in seinem fünften Jahr. Vom 8.-12. Mai sind wieder Arbeiten von international herausragenden Tanzkompanien und erfolgversprechenden jüngeren Choreografinnen und Choreografen eingeladen, die sich in allen drei Spielstätten des Heilbronner Theaters und an einem externen Ort, der Justizvollzugsanstalt Heilbronn, präsentieren. Tanzkuratorin Karin Kirchhoff hat sich auf die Suche nach Künstlerinnen und Künstlern begeben, die sich mit verschiedenen Formen von politischer und sozialer Kontrolle beschäftigen.

Ganz existentiell spüren Gefängnisinsassen die Folgen des Außer-Kontrolle-Geratens im Leben, das mit Freiheitsentzug und der absoluten Kontrolle hinter Gittern geahndet wird. Bereits vier Wochen im Vorfeld des Festivals beginnt deshalb ein ganz außergewöhnliches Projekt mit Gefangenen der JVA Heilbronn mit dem Arbeitstitel »Gated Community«. Nadja Raszewski, die bereits zwei erfolgreiche Tanzprojekte mit Jugendlichen und Senioren in Heilbronn realisiert hat, untersucht mit den Männern die Bedingungen in ihrer geschlossenen Gesellschaft. Das Ergebnis wird in zwei Aufführungen am 9. und 11. Mai jeweils um 17 Uhr in der JVA Heilbronn präsentiert.

Eröffnet wird das Festival am 8. Mai um 19.30 Uhr im Großen Haus mit dem bildgewaltigen Tanztheaterstück »every single day« von der cie.toula limnaios aus Berlin. Es beschäftigt sich in Anlehnung an den Mythos von Sisyphos mit dem Gefangensein in den Mühen der menschlichen Existenz. Wie Sisyphos sind sieben Tänzerinnen und Tänzer in einer Zeitschleife stetiger Wiederholung gefangen, in der Alltagssituationen an die Grenze zum Surrealen getrieben werden. Die cie. toula limnaios gilt als eines der besten deutschen Ensembles des zeitgenössischen Tanzes und wurde 2012 mit dem »George Tabori Preis« des Fonds Darstellende Künste ausgezeichnet.

cie. toula limnaios
cie. toula limnaios
Foto: Sabine Wenzel

Ebenfalls am 8. Mai um 21.30 Uhr zeigt die internationale Performance-Company post theater in den Kammerspielen eine multi-mediale Choreografie für 30 anonyme Performer: »Express Fight Club« ist ein Abend voller Überraschungen, der die Kontrollmechanismen in unserem Arbeitsleben hinterfragt. Weitere Vorstellungen sind am 9. Mai um 18 Uhr, 19.30 Uhr und 21.30 Uhr.

Der 10. Mai steht ganz im Zeichen des zeitgenössischen Tanzes aus Israel. Um 18 Uhr gibt es in den Kammerspielen den Film »Let´s dance! Israel und der moderne Tanz« von Gabriel Bibliowitz und Efrat Amit, der die Entwicklung des Tanzes in Israel vom ersten Kibbuz bis zur heutigen Zeit zeigt. Eindrucksvolle Bilder verdeutlichen, wie sehr die Entwicklung des Tanzes mit gesellschaftlichen Veränderungen in Israel verbunden ist.

Um 19.30 Uhr sind im Komödienhaus zwei Arbeiten des herausragenden israelischen Choreografenduos Niv Sheinfeld und Oren Laor zu sehen. Die beiden sind in Deutschland bisher weniger bekannt, waren aber bereits auf vielen europäischen Festivals zu Gast. In ihren Stücken »Big Mouth« und »Ship of Fools« behandeln sie einerseits Auseinandersetzungen zwischen Individuum und Kollektiv und andererseits (zwischen)menschliche Machtstrukturen. Im Anschluss an die Vorstellung findet ein Publikumsgespräch statt.

Am 11. Mai um 19.30 Uhr gastiert der »Choreograf des Jahres 2012« Boris Charmatz aus Frankreich mit seiner hochgelobten Inszenierung »enfant« im Großen Haus – einem Stück für zwölf Kinder, neun Tänzer und drei Maschinen. Es geht um das Verhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen, um Macht und Ohnmacht, Manipulation und Befreiung. Boris Charmatz gilt als einer der innovativsten Choreografen der Gegenwart. Nach der Vorstellung stellt er sich den Fragen des Publikums.

Boris Charmatz
Boris Charmatz
Foto: Marc Domage

Am letzten Festivaltag, dem 12. Mai, geht es um ein Land, in dem der Tanz verboten ist: den Iran. »Don´t move« heißt das Stück von Modjgan Hashemian und Susanne Vincenc um 19.30 Uhr im Komödienhaus. Wie gelingt es den Menschen in diesem Land, das Verbot zu umgehen? Iranische Tänzerinnen und Tänzer werden per Videoaufnahme oder Skype auf der Bühne präsent und treten mit Berliner Tänzern in Dialog. Gemeinsam erforschen sie, wie sich gesellschaftliche Normierungen und Einschränkungen in den Körper einschreiben.

Im Anschluss gibt es um 21 Uhr eine Diskussion mit Modjgan Hashemian, Niv Sheinfeld und Oren Laor zum Thema: »Körper-Politik. Tanz bezieht Stellung«.
Während des gesamten Festivals besteht auch wieder die Möglichkeit, die Aufforderung Tanz! Heilbronn wörtlich zu nehmen und selbst zu tanzen. Workshops bieten die beiden israelischen Choreografen Niv Sheinfeld und Oren Laor für Erwachsene ab 16 Jahren ohne Vorkenntnisse. Modjgan Hashemian veranstaltet einen Workshop mit 10-12-jährigen Kindern zum Thema Computerspiele. Und die Tänzerin und Tanzpädagogin Christine Grunert gibt einen viertägigen Workshop für Frauen ab 50 Jahren mit und ohne Tanzerfahrung: »Gefangen sein – Befangen sein – Frei sein.«  Anmeldungen jeweils bis zum 26. April im Besucherservice des Theaters Heilbronn.


Der Vorverkauf hat begonnen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert