Komische Oper mit tiefem Gefühl

Mit »La finta giardiniera« wächst Mozart über die »typischen« Opern seiner Zeit hinaus

Drei Jahre hatte Wolfgang Amadeus Mozart keine Oper mehr geschrieben. Da erhält er 1774 den Auftrag des Münchner Hofintendanten, ein Werk für den Münchner Fasching zu komponieren. Lustig soll es sein – und ein Textbuch gibt es auch schon. Der kurbayerische Gesandte hat es von einer erfolgreichen Aufführung in Rom mitgebracht. Wer zahlt, so die Regel damals, bestimmt auch das Libretto, der Komponist macht nur die Musik dazu. Urheberschutz oder Plagiatsvorwürfe spielen keine Rolle.

Und der 18jährige Mozart macht sich an die Arbeit für »La finta giardiniera (Die Gärtnerin aus Liebe)«. Typisch für die komische Oper dieser Zeit ist die Spielhandlung, typisch sind die sieben Rollen-Typen, die sie antreiben und am Laufen halten. Don Anchise, der Bürgermeister, der auf seinem Landgut die Verlobung seiner Nichte ausrichtet, erinnert nicht zufällig an den lüsternen alten »Pantaleone« aus der italienischen Stegreifkomödie, der Commedia dell’Arte. Dazu kommen jeweils ein ernstes, ein komisches und ein gemischtes Liebespaar, die sich verlieben und verwechseln, zerstreiten und versöhnen, nicht immer in dieser Reihenfolge.

Ein Blick in den Probenraum auf die Figurinen der Kostüme. Foto Andreas Frane

Man sieht es schon an dieser Besetzung: Die komischen Opern der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren »Mischformen«, in denen auch tiefe Gefühle und heftige Leidenschaften, die man aus der »Opera seria« kennt, ihren Platz finden. Und gerade hier zeigt der 18jährige Komponist einen großen musikalischen Einfallsreichtum, der schon auf die späteren Meisterwerke verweist. Wer würde in einer Faschingsoper eine intensive, mitreißende Wahnsinnsarie vermuten?

»La finta giardiniera« ist so abwechslungsreich wie musikalisch berückend – und ab 9. Juni 2019 auf der BUGA Heilbronn zu erleben. Musikalische Kostproben mit Mitgliedern des Ensembles gibt es bereits beim Theaterfrühstück am 2. Juni um 11 Uhr im Oberen Foyer des Theater Heilbronn.

Die Requisiten lassen mörderische Absichten vermuten. Foto: Andreas Frane

Kleidungsstück für Intellektuelle

Der Schwarze Rollkragenpullover lenkt den Blick auf das Wesentliche – den Kopf

Schwarzer Rollkragenpullover, schwarze Hose, so sind Harry Haller, sein Alter Ego Hermine und die Unsterblichen, in »Der Steppenwolf« in der Inszenierung zu sehen.
Harry Haller ist ein familienloser, heimatloser, hochsensibler Intellektueller von annähernd 50 Jahren, dem alles Bürgerliche zuwider ist. In seinem Erscheinungsbild erkennen wir den Intellektuellen, den Künstler sofort, unterstrichen durch die Kleidung, die er trägt.

»Der Steppenwolf« – Stefan Eichberg, Foto: Candy Welz

Was steckt dahinter, woher kommt dieses Bild, das wir der Figur Harry Haller zuschreiben?

Mit dem Leiter unserer Kostümabteilung blicken wir auf die Tradition, die dahinter steht, wenn wir uns entscheiden, Schwarz zu tragen.

Wer sich für Schwarz entscheidet, tut das heute oft aus ganz praktischen Gründen, sagt Manuel-Roy Schweikart. Denn Fragen wie: welche Farben kombiniere ich heute miteinander, ist die Farbe meiner Kleidung dem Anlass angemessen, stellen sich nicht. Schwarz passt immer. Schwarz war in der Bekleidung lange eine Farbe des Wohlstands. Sie wurde nur zu besonderen Anlässen getragen, erläutert Manuel-Roy Schweikart. Die Herstellung schwarzer Kleidung war ein teurer, aufwendiger Prozess. Ein tiefes Schwarz konnte nur durch mehrere Färbeprozesse erzeugt werden, nur Purpurstoffe waren teurer.

Die Verbindung der schwarzen Kleidung mit dem vergeistigten Menschen, hat ihren Ursprung in der spanischen Hofmode des 16. Jahrhunderts. In den schwarzen Roben mit ihren stark stilisierenden Formen verschwindet alles Körperliche und der Kopf des Trägers wird zum Zentrum, erklärt Manuel-Roy Schweikart. Dagegen kommt die anschließende Renaissancemode fast freizügig daher. Die tellerförmige Halskrause rückte nicht nur den Kopf als Sitz des Geistigen in den Fokus. Die sonst ausschließlich Schwarze Kleidung nivellierte das Körperliche bis zur Unsichtbarkeit. Bis heute stehen die Roben von Geistlichen und Juristen in dieser Tradition.

Zum Glück entwickelte sich auch das Tragen schwarzer Kleidung weiter. Der berühmte Sonntagsanzug, das Sonntagskleid blieben lange hochwertig, hochgeschlossen und zeitlos, denn oft waren dies die besten Kleidungsstücke, die zu jedem Anlass tragbar sein sollten. Oft wurden sie in den Familien weitergegeben oder vererbt.  
In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts jedoch wird der schwarze Rollkragenpullover zu einem Statement der Intellektuellen und Künstler, um sich vom Establishment abzugrenzen. Denn Hemd und Krawatte gehörten zum offiziellen Dresscode. Mit dem Rollkragenpullover lenken sie den Blick wieder auf den Kopf.

Dies alles schwingt in dem Bild des Harry Hallers mit, wenn wir ihn auf der Bühne sehen und vor allem seinen Kopf wahrnehmen. Der hochgeschlossene schwarze Pullover und die schwarze Hose lassen die Figur vor dem schwarzen Hintergrund der Bühne zurücktreten. Der Intellektuelle wird für uns in diesem Kostüm deutlich erkennbar. Dass dahinter jedoch ein antiquiertes Modephänomen des 16. Jahrhunderts steht, dem das Streben nach Züchtigkeit und Unschuld zu Grunde liegt, dürfte dem »Steppenwolf« ebenso zuwider sein wie die bürgerliche Gesellschaft. 

Frank Lienert-Mondanelli, Sven-Marcel Voss, Gabriel Kemmether, Stefan Eichberg, Sabine Unger, Malin Kemper, Foto: Candy Welz