Die Tücke der Objekte: Komplettproben sind immer die Momente der Wahrheit am Theater. Zum ersten Mal kommt bei einer Inszenierung alles zusammen, Bühnenbild, Licht, Kostüme, Maske, Requisiten. Manchmal entsteht dann Magie – und manchmal eine Panne. Wie kürzlich bei „Cyrano de Bergerac“.
Gabriel Kemmether hat in den ersten 30 Minuten von Johanna Schalls Inszenierung massiv zu tun: Er verwandelt sich vom Pagen, der im Theater auf dem Theater Perücken klaut, in einen eleganten Marquis, zurück in den Pagen, wieder zurück in den Marquis, um schließlich als Bäcker mit einer Torte aufzutauchen. Das alles im unerbittlichen Rhythmus des Versmaßes, denn es wird in Versen und Reimen gesprochen. Und bitte möglichst laut und deutlich!
Die Komplettprobe beginnt, die Schauspieler „springen“ in ihre Figuren, die Pagen (Angelika Hart und Gabriel Kemmether) wetzen nach links in die Gassen, das Blumenmädchen (Judith Raab) steckt die Kerzen an, der Dieb (Rolf-Rudolf Lütgens) schnappt die Uhr, die Marquise (Angelika Hart) rauscht in Gold herein … Aber wo bleibt der Marquis?
Der schnelle Umzug war noch nicht schnell genug. Also noch mal: Die Pagen wetzen, das Blumenmädchen steckt, der Dieb schnappt, die Marquise rauscht … Der Marquis schafft seinen Auftritt, in Perücke und Oberteil – aber ohne Hosen … Und noch mal: Die Pagen, das Blumenmädchen, der Dieb, die Marquise – und endlich der Marquis in voller Montur, völlig außer Atem.
Was Gabriel Kemmether und die Ankleiderinnen da auf der Seitenbühne leisten, wird am Ende kein Zuschauer je bemerken. Aber es gehört zu den vielen kleinen Wundern, die bei jeder Vorstellung den Erfolg des Großen Ganzen sichern.
Andreas Frane, Dramaturg