Grau, grau, grau sind alle unsre Plätze

Wohl jeder Mitarbeiter des Theaters wurde in seinem Berufsleben schon einmal gefragt: »Und was machen Sie vormittags?« Viele Menschen haben im Kopf, dass an den Abenden die Vorstellungen im Theater laufen, und können sich nicht vorstellen, dass Mitarbeiter dort fast rund um die Uhr arbeiten. Zum Beispiel im Besucherservice

 

Annemarie Lutz-Friederich, Antje Meyer, Stephan Welzel, Sandra Capra, Sibylle Hoffer, Karin Unkauf. (Claudia Horn-Gläßel war zum Zeitpunkt des Fotos noch nicht dabei.) Foto: Fotostudio m42
Annemarie Lutz-Friederich, Antje Meyer, Stephan Welzel, Sandra Capra, Sibylle Hoffer, Karin Unkauf. (Claudia Horn-Gläßel war zum Zeitpunkt des Fotos noch nicht dabei.) Foto: Fotostudio M42


Grau ist ihnen entschieden lieber als Pink oder Gelb. Da sind sich alle Damen im Besucherservice einig. Paradoxer Weise hat ausgerechnet die tristeste aller Farben eine regelrecht belebende Wirkung auf sie. Denn je mehr Felder auf ihrem Computer sich vom Bunt der verschiedenen Preiskategorien in ein einheitliches Mausgrau verwandeln, desto mehr Plätze sind verkauft. Am besten ist ein (nur optisch) langweiliger Saalplan mit ausschließlich grauen Feldern. Denn das steht für ein volles Theater – für die Mitarbeiterinnen des Besucherservice gibt es nichts Schöneres.  Sandra Capra, Sibylle Hoffer, Annemarie Lutz-Friederich, Karin Unkauf und Antje Meyer sind seit vielen, vielen Jahren dabei. Seit kurzem unterstützt auch Claudia Horn-Gläßel das Team. Sie sind mit ihrem Theater durch dick und dünn gegangen. Sie kennen Zeiten, da war das Theater Heilbronn das Haus mit den meisten Abonnenten in ganz Deutschland, aber auch Zeiten, da wurden die Besuchermieten in Scharen gekündigt, weil die Zuschauer unzufrieden waren. Erste Ansprechpartnerinnen für Lob und auch für Ärger sind die Frauen im Besucherservice.  Obwohl sie nicht selbst für die Kunst auf der Bühne verantwortlich sind, freuen sie sich über jede gelungene Premiere und gute Kritiken. Denn das bedeutet viel Betrieb im Besucherservice und Freude, denn »grau, grau, grau sind alle unsre Plätze«.
Dass die Zuschauerzahlen in den letzten 5 Jahren um fast 20 Prozent gestiegen sind, lässt erahnen, dass auch die Damen im Besucherservice immer mehr zu tun haben: Karten reservieren, verschicken und umtauschen, Mails beantworten, Gutscheine verkaufen. Und vor allem: Leute beraten. »Manche kommen mit sehr klaren Wünschen, haben sich vorher in unseren gedruckten Werbemitteln oder auf der Homepage informiert. Andere wollen mal wieder ins Theater gehen und wissen nicht, in welches Stück«, erzählt Sandra Capra. Bei ihrer Beratung profitieren die Frauen davon, dass sie alle selbst so gern ins Theater gehen. Sie haben die Generalprobe, die Premiere oder eine der ersten Vorstellungen gesehen und können genau berichten, was den Zuschauer erwartet. Der direkte Kontakt zum Publikum, das Gespräch, macht am meisten Spaß und geht nicht selten über die Arbeitszeit hinaus.
Als Sandra Capra kürzlich mit Freunden im Biergarten saß, kam ein wildfremdes Paar auf sie zu und fragte, ob es für den nächsten Abend noch Karten  gibt. Nach kurzer Irritation – Wer sind die beiden und woher kennen sie mich? – hatte sie die Antwort parat: Ja, es gäbe noch ein paar Karten. Am besten, gleich am nächsten Morgen anrufen oder eine Mail schicken oder vielleicht auch online die Plätze reservieren. Das Paar dankte und verabschiedete sich freundlich und Sandra Capra wurde es wieder einmal bewusst, dass sie und ihre Kolleginnen, auch wenn sie privat in der Stadt unterwegs sind, als Repräsentantinnen des Theaters gesehen werden. Manchmal stecken sogar Briefe aus der Nachbarschaft in ihren privaten Postkästen mit der Bitte, Karten zu reservieren. Wann immer die Damen den Besuchern einen Gefallen tun können, machen sie es auch. So registrieren sie zum Beispiel Kartenwünsche für eigentlich schon ausverkaufte Vorstellungen. Denn manchmal muss jemand kurzfristig absagen und dann rufen sie die Interessenten an und machen ihnen eine unverhoffte Freude.
Antje Meyer und Claudia Horn-Gläßel sind vor allem mit dem Abo-Service beschäftigt. Mit rund 6700 Abonnenten steht das Theater Heilbronn im bundesdeutschen Vergleich sehr gut da. Es gibt derzeit nur wenige Kündigungen und wenn, dann vornehmlich aus gesundheitlichen Gründen. Ansonsten beobachten sie einen Trend weg vom Abo mit festen Terminen hin zum Wahlabo und zur Theatercard. »Die Leute wollen nach wie vor ins Theater, sich aber terminlich nicht mehr ganz so fest binden.« Seit zwei Jahren übersteigt die Anzahl der Freiverkaufskarten die der im festen Abo gebuchten.  

Viel Veränderung ist mit dem jungen Chef des Besucherservice eingezogen: Stephan Welzel aus Bremen, 33 Jahre alt, studierter Betriebswirt mit Schwerpunkt Marketing und Personalwirtschaft. Seine ersten Theatererfahrungen sammelte er in Bremen. Seit er da ist, gibt es den Online-Ticketshop. Er hatte auch die Idee für »Theater mit Biss« – Firmen buchen hier ganze Vorstellungen mit kulinarischem Programm – was sich eines immer größeren Zuspruchs erfreut. Sein Credo: Der Theaterbesuch fängt mit dem Betreten des Hauses an und wenn im Vorfeld einer Vorstellung der Service nicht stimmt, dann kann das einen Besucher so verärgern, dass er die Vorstellung nicht genießen kann. Deshalb ist zuvorkommende Freundlichkeit für ihn und seine Mitarbeiterinnen das oberste Gebot. Umso unangenehmer war es für ihn, dass gleich an seinem zweiten Arbeitstag ein Zuschauer mit seinem Hund in die Kammerspiele wollte und er ihm dies verweigern musste. »Man kann eben nicht jeden Wunsch erfüllen.«  
Aber es passieren auch immer wieder sehr schöne Dinge. Vor einiger Zeit hatte er eine Dame am Telefon, die online Karten buchen wollte und der das nicht gelang. Mit typisch norddeutscher Gelassenheit und endloser Geduld hat Stephan Welzel ihr alles erklärt und sie offenbar nicht nur als treue Theaterbesucherin gewonnen, sondern auch noch ihre Sympathie erobert. Denn seither versorgt sie ihn dafür mit wertvollen Informationen, was man als »Reingschmeckter« in dieser Gegend alles unbedingt unternehmen muss.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

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