BOXX@Night Nr.1 mit Tobi Weber and friends und mit DJ Jean-Sol Partre

Im neuen Samstag-Nacht-Format um 21.30 Uhr  in der BOXX präsentieren sich unsere Schauspieler von einer ganz anderen Seite als gewohnt. Anschließend gibt’s Musik zum Tanzen und Gelegenheit zum miteinander Reden und Feiern. Den Anfang macht Tobias D. Weber am 28. Oktober. Achtung: Hier gibt es Lachmuskelkater. After-Show-Party mit DJ Jean-Sol Partre.

Küchenhockey mit alten Tomaten

Tobias Weber & Friends setzen eine anarchische Geschichte aus Schweden in Szene

Es war einmal ein Urgroßvater, der war so alt, dass er nur noch Kuckuck sagen konnte. Manchmal brachte ihm sein Sohn, der Großvater, Kuchen und Bier. Der hieß Dartanjang (wird wirklich so geschrieben) und lebte aus Angst vor Bazillen allein in einem kleinen wackeligen Haus neben einem großen wackeligen Haus, worin der Vater Loranga, seines Zeichens der weltbeste Popmusikhörer, und Lollipop, der Sohn, ein kleiner, dicker, aber sehr schlauer Junge, wohnten. Außerdem lebten auf diesem Anwesen in diesem äußersten Zipfel von Schweden noch eine Giraffe, die mit Vorliebe Garagendächer und Bettdecken verspeiste und seit neuestem jede Menge Tiger mit großem Hunger.
Wenn Sie sich jetzt fragen, was das für ein Quatsch ist und mutmaßen, Sie hätten sich auf die Kinderseite verirrt, dann täuschen Sie sich nur ein bisschen. Denn „Loranga, Lollipop und lauter Tiger“ von  Barbo Lindgren-Enskog ist tatsächlich ein schwedisches Kinderbuch aus dem Jahre 1972. Und wenn man Schauspieler Tobias D. Weber fragt, das Beste, Verrückteste und Phantasievollste, das ihm je begegnet ist. Als kleiner Junge bekam er von Freunden seiner Eltern die Schallplatte nach dem Kinderbuch geschenkt: „Ich habe sie geliebt“, sagt er. „Und unzählige Male gehört. Sie ist schon ganz zerkratzt und macht komische Geräusche, aber ich kann immer wieder herzlich darüber lachen.“ Sogar zum Schauspielstudium hat ihn das gute Stück begleitet, wo er sie eines Abends mit Kommilitonen gehört hat, die gleichermaßen begeistert waren. Schnell war die Idee geboren, diesen liebenswert anarchischen Text als szenische Lesung mit Musik auf die Bühne zu bringen. „Ich kannte den Text vom vielen Hören auswendig und habe ihn eigenhändig aufgeschrieben“, sagt Tobias D. Weber. Die szenische Lesung wurde an seiner früheren Wirkungsstätte, dem Theater Chemnitz, ein großer Erfolg. Grund genug, für den beliebten Schauspieler „Loranga, Lollipop und lauter Tiger“ nun als Auftaktveranstaltung für das nicht minder anarchische Late-Night-Format Boxx@Night mit viel Musik wie ein Live-Hörspiel auf die Bühne zu bringen. Zusammen mit den Kollegen, die alle sofort Feuer und Flamme waren: Stella Goritzki, Gabriel Kemmether, Frank Lienert-Mondanelli, Oliver Firit, Sasch Kirschberger –  und natürlich mit ihm selbst als Loranga.

Die Geschichte atmet den Freigeist der späten 60er und frühen 70er Jahre und erzählt von einem Vater und seinem Sohn, die keinen Reichtum brauchen, um glücklich zu sein. Statt sich vor dem Fernseher zu langweilen, spielen sie lieber Küchenhockey mit einer alten Tomate oder satteln die Giraffe, um in der Stadt Würstchen für die Tiger zu besorgen.  „Loranga sieht immer das Positive im Leben, Probleme werden gelöst und nicht zerredet.“ Tobias D. Weber kann sich mit dieser Figur sehr identifizieren. „Der ist laut, der lacht total viel – so wie ich“, sagt er augenzwinkernd. Ein Leben in dieser absoluten Freiheit und Selbstbestimmung, wie es Loranga lebt, ist für einen Schauspieler am Theater natürlich nicht möglich. Aber zwischen Proben, Vorstellungen und Textlernen nimmt  sich Tobias D. Weber seine Auszeiten – bei Ausflügen in die Umgebung mit seinem VW Kübel, Baujahr 1970.  Oder beim Schwimmen in der Neckarhalde, wo er dreimal in der Woche 2 Kilometer krault. „Wenn ich meine Bahnen ziehe, wird der Kopf frei und dann kommen mir die besten Gedanken, zum Beispiel für die Umsetzung  von „Loranga, Lollippo und lauter Tiger“ für die Bühne.

Geadelt wurde diese Geschichte übrigens von der großen Astrid Lindgren, die über das Buch ihrer Namensvetterin sagte: „Ich muss einfach hemmungslos lachen, wenn ich es lese! Es ist voll von purem Unsinn, der mich jedes Mal wieder überrumpelt. Loranga, Lollipop und Großvater Dartanjang werden meine Freunde für’s ganze Leben sein.“

Rasante Gewichtszunahme

Mit Fatsuits aus Latex haben schlanke Schauspieler Figuren wie Sumo-Ringer 

Wenn Hollywood-Schauspieler für ihre Rollen stark an Gewicht zulegen, ist ihnen eine Oscar-Nominierung fast sicher. Für ihre Rollen im Schauspiel „Der gute Mensch von Sezuan“ hätten einige Kolleginnen und Kollegen unseres Ensembles aber erheblich zunehmen müssen. Das kann man ihnen unmöglich zumuten. Also mussten unsere Meister-Illusionisten aus dem Malersaal wieder ran, um die Damen und Herren des Schauspielensembles von schlanken sportlichen Menschen in schwer adipöse Personen im Sumo-Ringer-Format zu verwandeln. Selbst hergestellte Fatsuits aus Latex waren die Lösung. Aber bis diese zur Zufriedenheit von Regisseur Adewale Teodros Adebisi und Ausstatter Daniel Angermayr vorlagen, war wieder die ganze Kreativität des Malersaalteams gefragt. Herbert Kübler, Kirstin Köppel und Karlheinz Kirchler entschieden sich, als ersten Arbeitsschritt den Prototypen des Fettleibigen in Originalgröße aus Ton zu formen. Um nicht so viel Ton zu verbrauchen und die Figur nicht tonnenschwer zu machen, wurde zunächst ein Stahlgerüst quasi als Skelett gebaut und mit Styropor in Menschengestalt umschlossen. Danach wurde die dicke „Fettschicht“ aus Ton aufgetragen, bis Oberschenkel und Bauch dick genug waren. Dann wurde die Tonfigur in Höhe der Gürtellinie geteilt – einfach mitten durch geschnitten. Anschließend wurde jeweils die Vorderseite eingegipst, um ein paar Tage später eine Gips-Form (wie ein Sandkuchenförmchen im Buddelkasten, nur viel größer) zu haben. Mit den jeweiligen Rückseiten von Oberkörper und Beinen wurde genauso verfahren. Zu dem Zeitpunkt lag der „Mensch“ also in vier Negativ-Gipsformen vor. Können Sie noch folgen?
Diese Gipsformen wurden mit Latex und Netzstoff ausgekleidet und zusammengefügt. Als diese Masse ausgehärtet war und aus den Formen genommen wurde, lag die äußere Hülle des dicken Menschen vor, quasi wie eine dicke Haut (klingt ein bisschen eklig – ist es aber nicht). Diese kann  man nun anziehen wie eine Hose und einen Pullover. Als Finish kam noch eine feuerfeste Farbschicht im Hautton drauf und eine Öffnung auf der Rückseite des Oberteils wie ein OP-Hemd, damit die Schauspieler es besser an- und ausziehen können. 15 solcher Fettanzüge haben die Kollegen im Malersaal hergestellt. Bei den Anproben waren die Schauspieler teils belustigt. Sie haben aber auch viel Respekt davor, in diesen Dickmachern auf der Bühne zu spielen. Aber lieber eine Fettschicht aus Latex auf den Knochen, als eine, die man sich mit der Einnahme unendlicher Kalorienmengen zulegt und die man eben nicht einfach wieder ausziehen kann.

Heilbronn-Aquarelle von Karlheinz Kirchler jetzt als Kalender für 2018

Heilbronn ist wunderschön. Zumindest, wenn man die Stadt mit den Augen von Karlheinz Kirchler sieht. Von Berufs wegen ist er Theatermaler und -plastiker am Theater Heilbronn. In seiner Freizeit zieht er mit einer papierbespannten Holztafel, mit Pinseln und Aquarellfarben durch die Stadt  und malt unter freiem Himmel. Dabei entdeckt er die Schönheit in Orten, die andere kaum bemerken und die alles andere als Postkartenmotive sind. Sein Thema ist die Stadtlandschaft mit all ihren Facetten. Schöne, idyllische Winkel  wie die Weinberge oder das Wasserschlösschen am Trappensee hat er festgehalten. Aber auch den Wandel zu dokumentieren, den Heilbronn gerade erlebt, reizt ihn. So hat er Aquarelle von der BUGA-Baustelle und von der Experimenta-Baustelle gemalt. Auch Straßenzüge, durch die wir im Alltag achtlos laufen, bekommen in Karlheinz Kirchlers Arbeiten Glanz und eine außergewöhnliche Attraktivität. Sein Geheimnis sind die eingefangenen Lichtstimmungen, die besonderen Perspektiven, die er wählt, die Leichtigkeit der Linienführung und die Transparenz der Farben.

Ab dem 7. Oktober stellt Karlheinz Kirchler seine Heilbronn-Aquarelle in der Galerie Seiler in der Hafenmarktpassage aus. 13 Motive sind jetzt als Kalender für 2018 erschienen, die in den Buchhandlungen Stritter und Osiander, bei Heilbronn Marketing und bei der Heilbronner Stimme zu erwerben sind.

Spannende und schweißtreibende Proben für „Running“

Bereits jetzt, vor der Sommerpause des Theaters, laufen die Proben für die ersten Stücke der neuen Spielzeit auf Hochtouren. Besonders hochtourig sind die Proben für unser ersten BOXX-Stück „Running“ von Anna Konjetztky und Christina Kettering. Dieses Stück an der Schnittstelle von Tanztheater und Schauspiel vergleicht den Weg von Jugendlichen in ihre eigene Zukunft mit den Anstrengungen eines Marathonlaufes. Bianca Sue Henne, unsere Leiterin des Jungen Theaters und Dramaturgin dieses Stücks, beschreibt den Beginn der Proben. Premiere ist übrigens am 23. September.

 

Erster Probentag »RUNNING«. Die Choreographin Anna Konjetzky ist die erste vom neuen Team, die ins Theater kommt. Während auf der Probebühne schon das Laufband für die Videoaufnahmen aufgestellt wird, begleite ich sie in die Kostümabteilung zu unserer Kostümchefin Roswitha Egger. Die beiden kennen sich noch nicht, und so stelle ich beide einander vor. Natürlich sind wir nicht nur zum Plaudern hier. Anna ist nicht nur Choreographin und Regisseurin der Inszenierung, sie ist auch für die Ausstattung verantwortlich. Ausgestattet mit den Kleidergrößen des BOXX-Ensembles macht sie sich nun auf den Weg in die Heilbronner Innenstadt, um die Kostüme zu kaufen. Da heute schon Videoaufnahmen gemacht werden, brauchen wir die Originalkostüme nämlich sofort. Besonders wichtig sind die Laufschuhe. Jedes Kostüm kommt zweimal in den Einkaufbeutel. Das liegt an ihrem szenischen Konzept: die Tänzer doublen die Schauspieler. Jana Frankes Alterego wird von Quindell Orton getanzt. Die Australierin ist außergewöhnlich groß und schlank und trägt – wie BOXX-Neuzugang Jana Franke – ihre langen blonden Locken zum Pferdeschwanz gebunden. Für Giulia Weis hat die Choreographin die belgische Tänzerin Sahra Huby als Double mitgebracht. Die beiden verbindet ihre Power-Ausstrahlung. Für Sascha Kirschberger ist Jascha Viehstädt als Doppelgänger zu Gast. Anna kündigt an, dass sie die Namen sicher verwürfeln wird. Ähnlicher können Sie ja auch kaum sein. Während Anna also Kostüme kauft, gehe ich auf die Probebühne, wo inzwischen René Liebert seine Ausrüstung aufbaut. Parallel richtet Beleuchtungsmeister Michael Herold ein paar Scheinwerfer auf das Setting: Das vom Staatstheater Darmstadt geliehene Laufband (ohne Bedienerkonsole, wir wollen ja nur den Läufer filmen) steht inzwischen in der richtigen Richtung vor dem Greenscreen, jenem grünen Stoffaushang, der später digital weggerechnet wird. Anna darf also keine knallgrünen Kostüme kaufen, die könnten sonst bei der Bearbeitung mit verschwinden. Und während die erste Tänzerin, Quindell Orton, sich bereits warm macht und Annas Kostüm anprobiert, flitze ich in den Supermarkt, um eine Stärkung für Team und Ensemble zu besorgen. Auf dem Weg treffe ich Sergej Maingardt, unseren Komponisten. Ich schicke ihn auf die Probebühne und bin sehr gespannt auf seinen Sound!
Als ich zurückkehre, finde ich Quindell auf dem Laufband, schwitzend und mit vor Anstrengung rotem Kopf. Sie ist eine versierte Läuferin, aber die Halogenscheinwerfer arbeiten an diesem heißen Tag gegen die Belüftungsanlage auf der Probebühne im untersten Geschoss des Theaters Heilbronn. Glück gehabt – alle anderen Probebühnen sind unklimatisiert und bei diesem Wetter wahnsinnig heiß, denn unser Probenzentrum ist noch nicht fertig. Ich werfe einen Blick auf den kleinen Monitor an Renés Kameras. Eine der beiden filmt die ganze Person, die andere einen Ausschnitt, der vor allem das Gesicht zeigt.

Ich kann mir schon gut vorstellen, wie die fertigen Videobilder auf den Projektionswänden in der BOXX wirken werden. Nacheinander dürfen Sahra und Jascha ebenfalls für jeweils 30 Minuten aufs Laufband. Musik gibt es hier noch nicht, nur das gleichmäßige Surren des Laufbandes und die kraftvollen Schritte der Tänzer darauf. Schon beim Zuhören erinnere ich mich, dass Laufen etwas sehr Meditatives hat. René zeigt mir parallel auf seinem Computer die bereits entstandenen Aufnahmen. Es ist schon ein großer Unterschied im Gesichtsausdruck zwischen dem Anfang und dem Ende der Aufzeichnung. Genau dieser Unterschied interessiert das Team.
Jetzt müssen wir uns beeilen. Schnell die Kamera einpacken, wir müssen zum Sportplatz am Justinus-Kerner-Gymnasium, einer Kooperationsschule des Theaters Heilbronn. Die Stadt Heilbronn hat uns die Ausnahmegenehmigung erteilt, hier auf der einzigen roten Kreisrennbahn in Heilbronn zu filmen. Dort angekommen kontaktieren wir kurz den Hausmeister, und dann geht’s auch schon los. Die drei Tänzer laufen in ihren Kostümen auf der roten 400m-Ring hinter dem Caddy des Theaters her, bei offenen Türen sitzen hinten René und Anna und filmen. Ein tolles Bild! Ich mache wieder ein paar Fotos und poste sie direkt auf Twitter. Sieht toll aus. Besseres Wetter hätten wir nicht haben können. Die Sonne lässt die Farben wunderbar leuchten. Aber auf dem Laufband im Keller des Theaters war es deutlich angenehmer, denn nicht nur brennt uns die Sonne auf der Nase. Die vorsichtige Australierin fragt besorgt in die Runde, ob jemand Sonnencreme dabei hat, aber glücklicherweise finden wir ein schattiges Plätzchen für die, die gerade nicht laufen. Noch unangenehmer für die Tänzer ist der Staub, den der vor ihnen herfahrende Caddy aufwirbelt. Aber für die Kunst… Noch ein paar Aufnahmen, die nur die Füße zeigen, und dann müssen wir uns schon wieder beeilen, denn um 18 Uhr warten die Kollegen auf der Probebühne für die Konzeptionsprobe, in der das Team dem Ensemble, also Schauspielerin und Tänzern, aber auch der Maske, der Requisite, der Dramaturgie, der Theaterpädagogik, der Tontechnik, der Pressereferentin, dem Künstlerischen Betriebsbüro (das für die Probenorganisation zuständig ist) und natürlich auch dem Intendanten, der alle herzlich begrüßt, die Pläne für die Inszenierung vorstellt.
Hier ist nun auch Christina Kettering dabei, die die Texte geschrieben hat. Gemeinsam mit Anna Konjetzky hat sie über einige Monate hinweg das Konzept entwickelt, eine Stückdramaturgie angelegt, die sich an den psychologischen Vorgängen bei einem Amateurmarathonlauf orientiert. Sie stellt die Figuren vor, die in ihrem Stück auftauchen: Jugendliche im Perfektionierungswahn. Jugendliche, die von ihren Eltern, Lehrern, Freunden unter Druck gesetzt werden. Jugendliche, die verbissen auf ein Ziel zulaufen. Jugendliche, die vor etwas weglaufen. Jugendliche, die ihre Kräfte bündeln und den Erwachsenen ihre Sicht auf die Welt entgegenschreien. Das sind starke Texte, die mich schon beim ersten Lesen nicht ungerührt gelassen haben. Außen und innen – das ist die Idee, die hinter der Figurendoppelung steckt. Sergej Maingardt, der elektronische Musik studiert hat, stellt sich Hiphop Beats für »RUNNING« vor. Darauf ist er gemeinsam mit Anna gekommen, weil für Anna gerade in Verbindung mit Tanz die Schwelle vom Sprechen zum Sprechgesang spannend ist. Die dazugehörigen Sounds werden von ihm vorbereitet und in den Vorstellungen vom Ensemble von einem DJ-Pult aus abgefahren. Die dafür benötigte kleine Midi-Konsole lässt Saschas Augen strahlen.
René und Anna stellen die beweglichen Projektionswände vor. Und dann geht es auch gleich weiter mit den Filmaufnahmen: René dreht Portraitaufnahmen der Schauspielerinnen und Schauspieler.
Und ich freue mich auf die Arbeit mit diesem hoch energetischen Team.

In der Themenwoche »RUNNING« gibt es Tanzworkshops, Hintergründe über Leistungsdruck und Stressbewältigung und zur Eröffnung haben wir Marc- Oliver Bischoff ins BOXX-Foyer eingeladen. Der Krimiautor lebt in Ludwigsburg und hat seinen Laufblog in seinem Buch »Lauf, du Sau« veröffentlicht. Bei uns liest er am 25. September um 18 Uhr unterhaltsame Anekdoten aus dem Leben eines Amateurläufers. Im Anschluss zeigen wir um 20 Uhr »RUNNING« in der BOXX.

Ra(c)ketenartig den Kunstmarkt erobert

Unser manisch malender Hausinspektor Markus Rack ist als Maler immer gefragter

Erinnern Sie sich noch an unseren manisch malenden Hausinspektor Markus Rack? Ja genau! Vor zwei Jahren haben wir ihn im Theatermagazin „Szene“ vorgestellt, weil er seine erste Ausstellung im Schloss Neudenau eröffnete. „Seitdem ging es Schlag auf Schlag“, sagt er. Denn unser Leiter der Haus- und Betriebstechnik ist mittlerweile ein in der Kunstszene gefragter Mann, der auf der „ART Innsbruck“ und der „ART Berlin City“ ausgestellt hat, dessen Bilder nicht nur Interessenten, sondern auch Käufer finden und der immer wieder für Auftragswerke angefragt wird.
Wie es zu diesem Interesse an seinen Arbeiten kommt, kann sich Markus Rack nicht erklären. „Habe ich wirklich so einen eigenen Stil?“, fragt er sich. Mit kräftigen Ölfarben, die er mit resolut aufgetragenen Graffitis kombiniert, gibt er  großformatigen Porträts von Menschen oder Tieren eine Farbintensität, die in irre, wilde Traumwelten entführt. Seine Motive setzt er mit abstrakten Zeichen, Schrift oder Elementen aus einem ganz anderen Kontext in surreal anmutende Zusammenhänge.  Der Autodidakt arbeitet ganz aus dem Bauch heraus und mit großer Energie. Er malt, weil er es muss und auch nur Bilder, die in irgendeiner Weise mit ihm und seinen Interessen zu tun haben. Deshalb nimmt er längst nicht alle Aufträge an. Er ist froh, sich mit seinem Beruf am Theater, den er (fast) genauso liebt wie die Malerei die Freiheit bewahren zu können, sich als Künstler nicht verbiegen zu müssen.
Derzeit ist er an einem spannenden Kunstprojekt in Hamburg beteiligt. Die Kunstgalerie Ewa Helena Martin präsentiert Arbeiten ausgewählter Künstler in Media-Art-Shows, also in digitaler Form auf hochwertigen Flatscreens in Großstädten Deutschlands und Europas. Kunstliebhaber, Sammler und Investoren können auf diese Weise eine größere Vielzahl an Bildern betrachten, als es in der räumlichen Begrenztheit der Galerie möglich wäre. Eine Auswahl der Bilder zeigt die Galeristin dann auch in ihrer Galerie, die übrigens weltberühmt ist. Denn in der Hamburger Milchstraße Nummer 28 residierte zuvor Gunter Sachs und präsentierte unter anderen den damals noch unbekannten Andy Warhol. Auch heute ist die Galerie ein Tipp, wenn es darum geht, die Werke potenter Künstler noch in den frühen Jahren ihrer Karriere zu erwerben. Wer weiß, wohin der  ra(c)ketenartige Aufstieg von Markus Rack noch führt.

Aus Neu mach Alt – Oder: Wie man ein neues Schiff in ein rostiges altes Wrack verwandelt und sich auch noch darüber freut

 

Rost! Wo man auch hinschaut, bröckelt die Farbe und darunter kommt eine rotbraune Rostschicht zu Tage. Ein Albtraum? Von wegen! Kirstin Köppel und Karlheinz Kirchler aus dem Malersaal des Theaters Heilbronn freuen sich. Genauso wollten sie es haben. Lange haben sie getüftelt und liebevoll daran gearbeitet, dass aus dem Schiffsrumpf der „Illyrien“, dem Bühnenbild zu Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“,  ein Kahn wird, der seine besten Tage längst hinter sich hat. Lange schon dümpelt das Schiff auf dem Meer herum, ist stellenweise vom Salzwasser zerfressen und nur notdürftig ausgebessert. So haben es sich Regisseur Herbert Olschok und Bühnenbildner Alexander Martynow vorgestellt. Eine schöne Herausforderung für die Kollegen des Malersaals – die Meister des schönen, aber bei Bedarf eben auch des heruntergekommenen Scheins.


Mit leuchtenden Augen erzählen die beiden, wie sie den Zahn der Zeit in rasender Schnelligkeit am Schiffsrumpf haben arbeiten lassen – mit jeder Menge Tricks und Raffinessen. Zum einen: Das Metallschiff besteht gar nicht aus Eisen, sondern aus einem Stahlgerüst, das mit Holz verkleidet ist. Auch die Eisennieten, mit denen  der Schiffsrumpf zusammengehalten wird – man würde schwören, sie sind aus Eisen – bestehen aus Kunststoff, der mittels einer Tiefziehmaschine geprägt wurde. Die Form dafür und die Vorgehensweise haben sich die Theatermaler selbst ausgedacht. Ebenso das Rezept für die Kaschiermasse, die als erstes auf das Holz des Schiffsrumpfes aufgetragen wurde, um der glatten, feinen Oberfläche die raue Struktur eines schwer korrodierten Metalls zu geben. „Das Rezept wird nicht verraten“, sagt Kirstin Köppel. Dann wurden Fetzen von Packpapier, Sand und Kork eingearbeitet, um den „Rost“ richtig schön abblättern zu lassen, und schließlich haben sie eine wunderbar angemischte rostbraune Farbe aufgetragen. So wurde der ganze Rumpf richtig schön eingerostet. Hinterher bekamen der Schiffsrumpf ein kräftiges Schwarz und die Aufbauten wie Kajüte und Reling ein gelacktes Weiß, so wie das Schiff in seinen ersten Jahren vielleicht ausgesehen haben mag. Und der ganze schöne Rost? Das Geheimnis ist eine Kreidemasse zwischen dem Fake-Rost und den Lackfarben. Dieser Kreideschlamm sorgt dafür, dass die Farbe nicht richtig halten kann. Wo immer man nach dem Trocknungsprozess mit dem Hammer draufklopft, kommt der sorgfältig  aufgetragene Rost zum Vorschein! Es sieht traumhaft aus – total echt. An manchen Stellen wirkt die Lackfarbe so, als würde sie gerade reißen. Auch diesen Effekt erreicht man, indem man Materialien übereinander streicht, die sich nicht miteinander vertragen, erklärt Karlheinz Kirchler. Man arbeitet mit Wachs oder Fett als Grundierung oder bringt Farben aufeinander, die unterschiedlich schnell trocknen und hat die schönsten Risse.
Auch die Holzplanken des Schiffes wurden in wenigen Tagen in morsche, von Wind und Wetter gegerbte Bohlen verwandelt. Im täglichen Leben seien die Tricks der Maler übrigens nicht zur Nachahmung empfohlen. Es sei denn man steht auf den ganz krassen Shabby-Look.

 

Theater Heilbronn mit „Kinder der Sonne“ und „König und König“ bei den Baden-Württembergischen Theatertagen in Ulm

Vom 30. Juni 2017 bis zum  09. Juli 2017 finden in Ulm die 23. Baden-Württembergischen Theatertage statt. Rund 30 Theater aus dem Ländle werden mit ihren Ensembles zu Gast sein, um das Publikum im „Jetzt!“ – so das Motto der Theatertage – zu begeistern. Das Theater Heilbronn reist mit dem Kinderstück „König & König“ von Linda de Haan und Stern Nijland an, das am 1. Juli um 11.00 und 13.30 Uhr im Werkraum gezeigt wird. Darin geht es um einen Prinzen, der von seiner Mutter, der Königin, die Regierungsgeschäfte übernehmen und zuvor unbedingt heiraten soll, wozu er überhaupt keine Lust hat. Viele, viele Prinzessinnen reisen an, doch keine will dem Prinzen gefallen. Schließlich steht die letzte vor der Tür, Prinzessin Liebegunde, in Begleitung ihres Bruders Herrlich. Und endlich schlägt das Herz des jungen Königs höher … Die Liebe zwischen zwei Männern als Selbstverständlichkeit darzustellen, das gelingt ganz einfach in diesem wunderbar humorvollen und sehr opulent ausgestatteten Märchen für Kinder ab fünf Jahren, wie die Vorstellungen in Heilbronn zeigen. Dirk Schirdewahn hat aus dem Bilderbuch die Bühnenfassung erstellt und Regie geführt. Die zauberhafte Bühne und die Kostüme haben Jan Hendrik Neidert und Lorena  Diaz Stephens entwickelt. Es spielen Nicole Buhr, Helene Aderhold, Henry Arturo Jiménez, Sascha Kirschberger und Giulia Weis.

Am Abschlusstag des Festivals, dem 9. Juli, wird im Großen Haus des Theaters Ulm die Heilbronner Inszenierung von Maxim Gorkis „Kinder der Sonne“ gezeigt. Das Schauspiel aus dem Jahre 1905 ist sehr heutig, handelt es doch von der Ignoranz der Intellektuellen gegenüber einer Gesellschaft, die, wie wir es derzeit auch erleben, immer mehr von sozialen Konflikten zerrissen wird und stellt die Frage nach der Verantwortung der gesellschaftlichen Eliten: Chemiker Protassow ist so vertieft in seine Arbeit, dass er die Welt um sich herum ausblendet. Gemeinsam mit seinen intellektuellen Freuden hat er sich in seinem Elfenbeinturm eingerichtet. Sie glauben als „Kinder der Sonne“ auf der richtigen Seite des Lebens zu stehen. Sie merken nicht, dass sich draußen die ohnmächtige Wut der abgehängten Bevölkerung immer mehr anstaut und irgendwann explodieren wird. Axel Vornam ist der Regisseur, Bühne und Kostüme stammen von Tom Musch. Es spielen: Felix Defér, Stefan Eichberg, Oliver Firit, Stella Goritzki, Oliver Jaksch, Judith Lilly Raab, Ingrid Richter-Wendel, Sabine Unger und Tobias D. Weber.

Im Anschluss an beide Vorstellungen gibt es Publikumsgespräche.

Parallel zu den Baden-Württembergischen Theatertagen tagt auch der Arbeitskreis Junges Theater Baden- Württemberg. Über 100 Theaterschaffende aus diesem Bereich werden an Diskussionen, Fachgesprächen und Workshops teilnehmen und die Inszenierungen der jeweils anderen anschauen. Allen gemeinsam geht es um die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendtheaters, ein Bereich, in dem sich in den letzten Jahren schon viel getan hat. Nun gilt es, die Theaterkunst für Kinder und Jugendliche in der öffentlichen Wahrnehmung auf Augenhöhe mit jeglicher Kunst für erwachsenes Publikum zu etablieren. Natürlich ist dies auch ein Anliegen des Teams vom Jungen Theater Heilbronn um dessen Leiterin Bianca Sue Henne und die Theaterpädagoginnen Katrin Singer, Natascha Mundt und Lea Kaiser  die sich auch im Arbeitskreis Junges Theater engagieren.

 

 

 

Papagei mit Übergewicht beim Notarzt

Unsere Requisiteurinnen sind Alleskönner. Ob Feuer aus der bloßen Hand aufflammen lassen, Pistolen aus dem 18. Jahrhundert auftreiben, Spiel-Geld drucken,  Fake-Rouladen machen oder plötzlich Blut aus den Augen einer Dame auf einem Gemälde laufen lassen – immer finden sie ein Lösung für die großen und kleinen Theaterwunder, bei denen die Zuschauer  fragen: Wie geht das bloß? Wie haben die das gemacht?
Jetzt hatte Chefrequisiteurin Carmen Riehl sogar einen Einsatz als Tierärztin. Denn Caramello, der süße, Italienisch sprechende Papagei aus der Inszenierung „Honig im Kopf“ war krank. Saß da in seinem goldenen Käfig und bewegte sich nicht mehr. Keine Angst, liebe Tierfreunde: Caramello ist natürlich kein echter Papagei, obwohl er sich so bewegt und auch so krächzt. Es handelt sich hier um eine Papageienpuppe, die auf Sprache reagiert, mit den Flügeln flattert und eigentlich auch Sprache nachahmen kann. Letztere Fähigkeit hat ihm Carmen Riehl aber genommen und ihn stattdessen mit der Begabung ausgestattet, sich auf Italienisch ungefragt in Gespräche einmischen zu können und dem Großvater Amandus und seiner Enkelin Tilda in dem Stück den Weg zu weisen. Die Stimme lieh ihm übrigens unser Leiter des Besucherservice David Eberhard, der in Italien studiert hat. Die Kollegen aus dem Ton haben sie dann papageienmäßig bearbeitet. Doch nun wollte gar nichts mehr gehen. „Caramello hat Übergewicht“,  lautete die Diagnose von Carmen Riehl. Die Elektronik in seinem Bauch, die auf Knopfdruck aus der Ferne die Sätze abspielt und mit Flatterbewegungen auf menschliche Worte reagiert, war so schwer und deshalb tiefer gerutscht, dass sie die Mechanik  behinderte. Also wurde Caramello in einer schnellen Not-Operation von seinem Übergewicht befreit – die Elektronik wurde höher gesetzt und neu befestigt – Kopf wieder drauf. Und nun wartet der Vogel wieder freudig flatternd auf seinen nächsten Einsatz bei „Honig im Kopf“. Wer Caramello und die anderen vier Darsteller (Frank Lienert- Mondanelli als Opa Amandus, Tamara Theisen als Enkelin Tilda, Katharina Voß als deren Mutter und Raik Singer als Vater) sehen möchte, hat eigentlich nur  in unserer Zusatzvorstellung am 9. Juli die Chance. Alle anderen Vorstellungen sind bis auf wenige Restkarten ausverkauft.

Junges Theater lädt ein zu „BOXX|pur Shakespeare“

Schauspieler, Jugendclubber und Schüler  würdigen den großen Dramatiker auf ganz eigene Weise

Zwischen dem 18. und dem 20. Juni verwandelt sich die BOXX, die Spielstätte des Jungen Theaters Heilbronn, in einen Ort des jugendlichen Shakespeare-Kults. Das Junge Ensemble der BOXX, Mitglieder des Theaterclubs 3 und Theater AGs von verschiedenen Schulen haben sich auf ganz unterschiedliche Weise mit diesem großen Dramatiker auseinandergesetzt und präsentieren ihre Sicht auf einige seiner bedeutendsten, aber auch auf weniger bekannte Szenen in einem kleinen Festival  „BOXX|pur Shakespeare“. Am 18. Juni um 18 Uhr ist Premiere.
Anlass für diese spielerische Auseinandersetzung mit William Shakespeare ist die bevorstehende Premiere von „Was ihr wollt“ im Großen Haus. Hintergrund ist aber auch der Wunsch des BOXX-Ensembles nach einer ganz eigenständigen künstlerischen Auseinandersetzung mit einem Klassiker, erklärt die Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn, Bianca Sue Henne. Seit Anfang Mai proben die jungen Schauspieler in unterschiedlichen Zusammensetzungen Szenen, für die sie in jeder Hinsicht selbst verantwortlich sind. Giulia Weis und Henry Arturo Jimenez setzen sich mit Othello und Jago auseinander, Helene Aderhold spielt mit den Sonetten, denen sie sich unter anderem auch tänzerisch nähert. Sascha Kirschberger beschäftigt sich als personifizierter Tod mit dem Sterben von Romeo und Julia. Alle vier Schauspieler arbeiten zusammen mit Bianca Sue Henne an der Szene „Die Fremden“, das erst 2016 als einzige erhaltene Handschrift von Shakespeare identifiziert wurde und aus dem Stück „Sir Thomas Morus“ stammt. „In / Jedwedem Land, das nicht grad England ist / Dort wärt ihr selbst die Fremden“, sagt Staatskanzler Sir Thomas Morus in diesem um 1604 verfassten Stück und ruft in einer großen Rede zu Mitmenschlichkeit gegenüber den Fremden auf, die in das Land kommen. Der Text liest sich wie ein Kommentar zur Flüchtlingskrise heute.
Auch Mitglieder des Theaterclubs 3 sind im Shakespeare-Fieber und haben sich mit dem Stück „Die lustigen Weiber von Windsor“ beschäftigt. Außerdem stehen Szenen aus dem „Sommernachtstraum“ und aus „Romeo und Julia“ auf ihrem Programm. Mit dem Material gehen sie erfrischend frei um und arbeiten komplett selbständig.
Parallel proben sechs Theater-AGs aus fünf Schulen, die sich während des ganzen Jahres an Shakespeare abgearbeitet haben. Mit dabei sind das Jagsttal Gymnasium Möckmühl, der Jagsttal Schulverbund Möckmühl, die Damm-Realschule Heilbronn, die Gustav- von- Schmoller- Schule Heilbronn und die Andreas-Schneider-Schule Heilbronn. Für sie standen drei Szenen zur Auswahl: die Balkon-Szene aus „Romeo und Julia“, die Hexenszene aus „Macbeth“ und die Szene aus „Was ihr wollt“, in der Malvolio einen fingierten Brief findet. Bianca Sue Henne, die im Vorfeld der Shakespeare-Tage die Proben aller Clubs besucht hat, ist schon jetzt verblüfft, welch unterschiedliche Zugänge die Jugendlichen und Kinder, in der Damm-Realschule waren es die 5.und 6. Klassen, gefunden haben. Da gibt es eigene Übersetzungen, Auseinandersetzungen zwischen „Traditionalisten“ und „Modernisierern“, die demokratisch in der Gruppe entschieden wurden. Es gibt Shakespeare mit Musik und Tanz und Shakespeare im englischen Original –  eben „BOXX pur Shakespeare“.

Vorstellungen:

18.06. 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)
19.06. 2017 – 11 Uhr  (Junges Ensemble; Jagsttal Gymnasium Möckmühl und Jagsttal Schulverbund Möckmühl)
19.06 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)
20.06. 2017  – 11 Uhr (Junges Ensemble; Damm-Realschule Heilbronn, Gustav-von-Schmoller-Schule Heilbronn, Andreas- Schneider-Schule Heilbronn)
20.06. 2017 – 18 Uhr (Junges Ensemble und Theaterjugendclub)

„Be water, my friend“

Breakdanceweltmeister Amigo erarbeitet eindrucksvolles Tanzprojekt mit jungen Flüchtlingen

Die Fernsehjournalistin, die eine Probe des Projektes „Be water, my friend“ besucht hat, wollte es kaum glauben. Diese Jungs haben tatsächlich noch nie getanzt? So akrobatisch, so kraftvoll, wie sie sich auf der Bühne bewegen? Zwischen 15 und 17 Jahre sind sie alt, leben erst seit kurzem in Heilbronn und stammen aus Syrien, Afghanistan, Guinea und Somalia. Sie sind der harte Kern, der durchgehalten hat, um nun vor großem Publikum auf der Bühne zu tanzen, sich als ein Bestandteil des großen Tanzfestivals Tanz! Heilbronn zu präsentieren. Ihr Choreograf, von dem sie so viel gelernt haben, ist der aus der Türkei stammende und in Berlin lebende mehrfache Breakdanceweltmeister  „Amigo“ Kadir Memis. Seine Jungs nennen ihn einfach nur Amigo.

Als das Theater im Februar 2017 junge Männer für das Tanzprojekt von Amigo gesucht hat, kamen 40 zum ersten Treffen. Als klar wurde, dass sie am Ende auf der Bühne stehen würden, wurde die Gruppe kleiner. Als einige merkten, dass Tanz mit harter Arbeit und viel Disziplin zu tun hat, schmolz die Gruppe weiter. 12 Jungs sind dabeigeblieben, haben seit März an vielen Wochenenden geprobt und jetzt seit zwei Wochen jeden Tag – nach der Schule von 14-20 Uhr. Sie wollen tanzen, sich bewegen, sich beweisen – je kraftvoller desto besser. Der groovende Sound von Live-Musiker Milan Vogel treibt sie voran. Er mixt Hip Hop mit traditionellen Klängen aus den Heimatländern der Jungs. Lautete der Arbeitstitel zunächst „Artikel 1“ und sollte sich um die Würde des Menschen drehen, änderte sich der Titel des Projektes im Laufe der Arbeit und heißt jetzt „Be water, my friend“. Um Würde geht es immer noch, aber nicht mehr so abstrakt. Das Wasser ist ein gutes Symbol für das, was sie unter Würde verstehen – es kann sich jedem Gefäß anpassen, in das es hineingefüllt wird, es ist weich und geschmeidig. Es ist kann tragen, man kann darin versinken, es ist in jedem Fall überlebenswichtig. Aber es hat auch eine große gestalterische Kraft. So wünschen sie sich ihren Platz in ihrem neuen Leben – sie wollen sich anpassen und dabei trotzdem sie selbst bleiben und mitgestalten. Inspiriert ist der Titel von der Maxime des Kampfkünstlers Bruce Lee: Be water, my friend.

Die erste Vorstellung war ein gigantischer Erfolg

In der ersten Vorstellung am 18. Mai saßen lauter junge Zuschauer – viele so alt wie die Jungs auf der Bühne.  Mit frenetischem Applaus feierten sie die Leistung der jungen Männer. Und dann hielt es das Publikum nicht mehr auf den Sitzen. Ein großer Teil stürmte die Bühne, um gemeinsam weiter zu tanzen. Ein einziges fröhliches Fest! Im anschließenden Publikumsgespräch wurde gefragt: Warum tanzen hier nur Jungs? Festivalkuratorin Karin Kirchhoff, die gemeinsam mit AMIGO das Projekt entwickelt hat, sagt, dass sie damit den jungen männlichen Flüchtlingen, über die so oft einseitig und negativ in den Medien berichtet wird, ein anderes Gesicht geben wollte. Wieder großer Beifall!

Hoffentlich geht es weiter

Das Tanzprojekt hat ihnen geholfen, sie sind selbstbewusster, verständigen sich jetzt untereinander auf Deutsch. Sie mussten lernen, diszipliniert und pünktlich zu sein, sich aufeinander zu verlassen. Wenn das Projekt vorbei ist, wollen sie weitermachen mit Bboy Tunaj Abedinov, der aus Heilbronn stammt und als gestandener Breakdancer das Projekt unterstützt.