Wohin würdest du gehen?

Eröffnung der Themenwoche „Krieg“

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„Mit der Themenwoche Krieg wollen wir dazu beitragen, den Hintergrund der Stücke noch besser zu verstehen“, so der Leiter des Jungen Theaters Heilbronn, Stefan Schletter. Niemand hatte bei der Auswahl des Theaterstücks „Krieg – stell Dir vor, er wäre hier“ im Frühjahr dieses Jahres damit gerechnet, dass die Thematik so greifbar aktuell sein wird. Und so befasst sich die aktuelle Themenwoche in der BOXX intensiv mit der Flucht aus Kriegsgebieten.

_DSC0077Ein Bestandteil der Themenwoche ist die Ausstellung zum Thema Flucht. Melanie Skiba vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg zeigte in ihrem Vortrag zur Ausstellungseröffnung auf, warum Menschen ihr Heimatland verlassen. Zugleich wurde deutlich, wie kompliziert es ist in Deutschland als Asylbewerber oder als Flüchtling in Europa anerkannt zu werden und einen Aufenthaltsstatus zu erhalten. Hierbei wurde besonders deutlich, wie wichtig die Arbeit des Flüchtlingsrates ist, der Schutzsuchende beim Asylantrag unterstützt.

Nach dem Besuch der Ausstellung ist in der Inszenierung umso drastischer zu erleben, welche Lebensgeschichten hinter Statistiken und Gesetzen stecken. Das Stück „Krieg – stell dir vor, er wäre hier“ unternimmt den Perspektivwechsel. Die Zuschauer werden hier vor die Frage gestellt „wohin würdest du gehen?“. Die häufigste Antwort der Zuschauer ist wohl „ich weiß es nicht“.

Am Mittwoch und Donnerstag (30.09.-01.10.) ist vor der BOXX die interaktive Theaterinstallation „Fluchtpunkt Berliner Platz“ aufgebaut. Die Besucher sind eingeladen zwischen 15-18 Uhr am eigenen Leib das deutsche Asylverfahren zu erleben.

Die Themenwoche endet am Samstag mit der Premiere von Philipp Löhles „Wir sind keine Barbaren!“.

Das Junge Theater Heilbronn startet eine Kooperation mit Qendra Multimedia Prishtina/Kosovo

Kosovo»Willkommen in Monaco« steht in der Begrüßungs – SMS auf dem Display des Mobiltelefons bei Ankunft in Prishtina. Monaco? Schon bei der Fahrt vom modernen Flughafen auf staubigen Straßen in die quirlige Hauptstadt des Kosovos merkt man schnell, dass diese Land wenig zu tun hat mit dem mondänen Fürstentum am Mittelmeer. »Wir nutzen das Mobilfunknetz Monacos und Sloweniens, weil wir offiziell noch nicht von allen EU-Staaten anerkannt sind,« erklärt uns unser Fahrer auf Nachfrage. Schon ist man mittendrin in einem Land, das zwar geographisch in Europa liegt, sich aber auf Grund seiner Entstehungsgeschichte von vielen europäischen Staaten stark unterscheidet. Kaum 15 Jahre ist es her, dass hier Krieg herrschte. 15 Jahre in denen die Menschen des Kosovos um ihre Anerkennung kämpften und versuchten ein funktionierendes Staatswesen aufzubauen. Mittlerweile erkennen 109 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen das kleine Land auf dem Balkan an, aber in Ländern wie Spanien, Griechenland oder Indien gilt man mit einem kosovarischen Pass heute noch als staatenlos, und die Menschen haben keine Reisefreiheit in die Länder des Schengener Abkommens. Kosovo ist nicht nur wegen des Zeitpunkts der Gründung, sondern auch gemessen am Durchschnittsalter seiner Bevölkerung das jüngste Land Europas.

In Prishtina lebt und arbeitet der Autor Jeton Neziraj, der eigens für das Junge Theater Heilbronn ein Stück über kulturelle und religiöse Vielfalt schreiben wird, eine Vielfalt die auf dem Balkan seit Jahrhunderten Alltag ist. Gemeinsam mit Theaterpädagogin Katrin Singer reiste Stefan Schletter, Leiter des Jungen Theaters, im Juni zu einem ersten Besuch in den Kosovo. Finanziert wurde dieses Treffen vom Goethe Institut Belgrad, für den Herbst ist der Besuch einer kosovarischen Delegation am Theater Heilbronn geplant. Durch die Unterstützung des Innovationsfonds Baden-Württemberg ist es nun möglich geworden, den Stückauftrag an Jeton Neziraj zu vergeben. Die Planung dieses Projektes und der Austausch über die Situation von Theater in beiden Ländern waren die Kernpunkte bei den vielen Gesprächen vor Ort. Besonderes Interesse zeigten die kosovarischen Kollegen an der theaterpädagogischen Arbeit des Theaters Heilbronn. »So etwas gibt es hier nicht,« sagt Jeton Neziraj. Theaterpädagogik könne aber ein wichtiger Baustein sein, um jungen Menschen hier eine Perspektive aufzuzeigen und ihnen Mut zu machen, hofft er. Das Junge Theater Heilbronn wird die spannende Zusammenarbeit mit den Kollegen im Kosovo weiter vertiefen und vielleicht steht ja beim nächsten Besuch schon »Willkommen im Kosovo« auf den Displays der Mobiltelefone.

YOLO oder ich will keinen oktopus über die bühne robben sehen

Anastasija Bräuniger und Katharina Leonore Goebel entwickeln ein kurzes Schauspiel über die Lage ihrer Generation

Katharina_GoebelStammt der Text von Heiner Müller oder Elfriede Jelinek? Beim ersten Hinhören könnte man dies fast vermuten. Aber nein! Dieser Text stammt von den zwei jüngsten Schauspielerinnen des Heilbronner Ensembles, Anastasija Bräuniger und Katharina Leonore Goebel, den sie zusammen mit dem Berliner Philosopiestudenten David Heering  geschrieben haben: „YOLO oder ich will keinen oktopus über die bühne robben sehen“, lautet der Titel ihrer 20- minütigen, sehr intensiven und kritischen Auseinandersetzung mit der Lage ihrer Generation. Am Tag der offenen Tür des Theaters Heilbronn, dem 11. Juli, werden sie ihr kleines Schauspiel in drei Vorstellungen dem Publikum präsentieren – um 14.15 Uhr, um 15 Uhr und um 16.15 Uhr in der Montagehalle.
Ihr Denken, ihr Schreiben ist geschult an diesen beiden Großen der deutschsprachigen Dramatik. Was sie umtreibt? „Alles ist möglich, alles ist denkbar, alles ist legitim und man tut am Ende nichts“, sagt Katharina Leonore Goebel. „Es gibt nichts mehr, wozu man eine Haltung beziehen muss, wogegen man rebellieren kann“, ergänzt Anastasija Bräuniger. Und das macht die beiden wütend. „Wir wollen etwas leisten und nicht so eine verschwendete Generation sein, die sich nur um sich selber dreht.“ Das reicht den beiden nicht. Denn „YOLO!“, dieser Begriff wurde 2012 zum Jugendwort des Jahres gewählt und steht für – you only live once.Anastasija_Bräuniger
Anastasija Bräuniger und Katharina Leonore Goebel haben in ihrem Stück zwei Prinzipien gegenüber gestellt. Auf der einen Seite steht Ikarus, dieser fliegende Junge aus der griechischen Mythologie, der sich mit seinen durch Wachs zusammengehaltenen Flügeln zu nahe an die Sonne wagte und abstürzte. Er hat sein Streben nach immer Höherem mit dem Leben bezahlt. Auf der anderen Seite steht ein Partygirl von heute, dessen meistgebrauchte Wörter geil und krass sind, dem die ganze Welt offen steht und das sich vor lauter Möglichkeiten für keine einzige entscheidet. Sie ist immer online, liest die News und findet vieles ganz „schlimm“. Und ihr Ich ist so satt und müde, dass in ihr eine unerklärliche Zerstörungswut reift, um aus diesem Stillstand ausbrechen zu können.
Wie dieser Kampf dieser beiden Prinzipien ausgeht und was es mit dem über die Bühne robbenden Oktopus auf sich hat, kann man sich am Tag der offenen Tür ansehen. „Wir können zwar nicht auf die Barrikaden gehen, aber wir können Kunst machen“, sagen Anastasija Bräuniger und Katharina Leonore Goebel und hoffen, dass sie viele Menschen damit erreichen.

FREE HUGS!

Da staunten einige Heilbronner nicht schlecht, als ihnen am vergangenen Samstag in der Innenstadt eine Horde wild gewordener Hippies entgegen kam und freimütig kostenfreie Umarmungen verteilte. Viele Einkaufsbummler nutzen diesen kurzen Moment des Innehaltens und umarmten trotz der Last der Einkaufstüten leichtfüßig und lang. Worte waren unnötig für diese kurzen Glücksmomente, die die Heilbronner Theaterclubber gern teilten, und die bestimmt noch beim Einkaufsbummel nachhallten. „Flower Power“ war das Motto der letzten Clubszene, zu der sich die vier Theaterclubs des Theaters Heilbronn trafen. Sie stimmten sich gemeinsam auf den nahenden Frühling und die damit verbundenen Gefühlsstürme ein. Zu den Smash Hits der 60er Jahre wurde getanzt, Liebeserklärungen gemacht, Luftgitarren zerstört und Theater gespielt. Jetzt beginnt der Premierenreigen der Theaterclubs. Fast ein Jahr lang haben alle Kinder und Jugendlichen an ihren Theaterstücken gearbeitet. Für jeden, der kommt, haben wir ein Päckchen „Schöne Zeit“ gepackt. Und vielleicht wiederholen wir unsere „Free Hugs Aktion“ nochmal. »Ich bin mein Himmel und meine Hölle« (Theaterclub 4) Vorstellungen: 15.05.15 20 Uhr / 17.05.15 15 Uhr und 18 Uhr »Immernacht« (Theaterclub 3) Vorstellungen: 27.06.15 20 Uhr / 28.06.15 15 Uhr und 20 Uhr »Waldgeflüster« (Theaterclub 1) + »2069« (Theaterclub 2) Vorstellungen: 18.07.15 18 Uhr / 19.07.15 15 Uhr und 18 Uhr

Märchen und andere Schandtaten

Foto: Ruth Hengel

Was bedeutet es eigentlich, cool zu sein? Sollte ich in eine Bank einbrechen, um eine Frau zu beeindrucken? Oder doch lieber mit ihr Burger essen gehen? Ist es wirklich erstrebenswert, unsterblich zu sein? Und was passierte eigentlich auf dieser Party am 20.01.2015?

Mit diesen und anderen Fragen beschäftigen sich die Theaterklassen der Wilhelm-Maier-Schule in Obereisesheim schon seit Beginn des Schuljahres. Gedanken und Antworten kommen jetzt auf die Bühne. Fünf Klassen zeigen fünf Premieren selbst erarbeiteter Stücke.

So entwickelte eine der sechsten Klassen das Märchen »Achmed will nicht sterben«. Hier geht es, wie der Titel schon erahnen lässt, um einen alten Mann, Achmed, der Angst vor dem Alt werden und Sterben hat. In seiner Not kommen ihm seine Möbel zur Hilfe, die ebenfalls besorgt sind, im Falle seines Todes herrenlos zu werden. Sie legen Achmed in einer stürmischen Gewitternacht ein Rezept in die Hände – das Rezept für das »Elixier der Verjüngung und Unsterblichkeit«. Doch ganz so einfach wird die Sache nicht, denn für das Elixier benötigt Achmed geheimnisvolle Zutaten. Irgendwie muss er es schaffen sieben Märchenfiguren aufzutreiben. Zusammen mit zwei Computernerds schafft er es in ein Märchenbuch einzubrechen und eine Gruppe Verbrecher zu programmieren, die die Märchenfiguren für ihn kidnappen sollen. Doch was dann passiert, konnte Achmed nicht voraussehen.
Auch die Geschichten der weiteren vier Stücke sind vielversprechend. Ihre Titel: »Eine Eskalation«, »Das Date oder These Burgers are crazy«, »Katzen und Wölfe« und »Cool«.

Die Wilhelm-Maier-Schule ist »Schule mit Theaterprofil« und arbeitet seit vier Jahren eng mit dem Theater Heilbronn zusammen. Für die Klassenstufen 5-7 steht einmal wöchentlich Theaterunterricht auf dem Stundenplan, der von einer Theaterpädagogin des Theaters Heilbronn und einer Lehrerin der Schule gemeinsam unterrichtet wird. Hier werden unter anderem eigene Theaterstücke entwickelt. Inhalte sind aber nicht nur die vielfältigen Formen des Theaterspiels. Hier geht es um viel mehr, nämlich um die Schüler selbst und deren persönliche Entwicklung. Gemeinsam mit den Lehrkräften legen sie ihre Lernziele fest, z. B. »laut und frei sprechen«, »sich fokussieren« oder »im Team zusammen arbeiten«, entwickeln eigene Szenen und Stücke, deren Themen sie selbst wählen.

Vorstellung „Theater beginnt im Kopf“ am 10. Juli 2015, 18.00 Uhrin der Festhalle Neckarsulm-Obereisesheim.

Die Themenwoche zu »Anne und Zef«

»Liebe Kitty! Meine Hand zittert noch, obwohl der Schreck, den wir hatten, schon zwei Stunden her ist. (…) Weil sie unten so gescheit sind, haben sie uns nicht gewarnt, dass der Zimmermann, oder wie der Bursche sonst heißt, die Geräte auffüllte. Deshalb waren wir überhaupt nicht leise, bis ich plötzlich draußen auf dem Treppenabsatz (gegenüber unserer Schranktür) Hammerschläge hörte. (…) Vater und ich bezogen Posten hinter der Tür, um zu hören, wann der Mann weggehen würde. Nachdem er eine Viertelstunde gearbeitet hatte, legte er seinen Hammer und andere Werkzeuge auf unseren Schrank (so meinten wir!) und klopfte an unsere Tür. Wir wurden ganz weiß! (…) Der Mann, von dem ich meinte, dass er zu uns herein wollte, hatte in meiner Einbildung immer größere Formen angenommen. Zuletzt sah er aus wie ein Riese und war so ein Faschist, wie es keinen schlimmeren gibt. (…) zum Glück ist es diesmal gut abgelaufen.« (Aus dem Tagebuch Anne Frank, 3. Auflage, Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a.M. 2004, S.68)

Dieser Ausschnitt stammt nicht aus einer erdachten Geschichte, sondern aus einem Zeitzeugenbericht, aus dem Tagebuch der Anne Frank. Mit ihrer Familie emigierte sie in die Niederlande, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Auch dort mussten sie sich verstecken. Über mehr als zwei Jahre lebten die Franks zusammen mit einer weiteren Familie eingepfercht in einem kleinen Versteck im Hinterhaus der Firma Opekta. Sie konnten nicht nach draußen, durften keine Aufmerksamkeit erregen. Das Leben gemeinsam, auf so engem Raum, war alles andere als einfach, führte zu ständigen Konflikten. Die Versteckten waren in ständiger Angst und Sorge entdeckt zu werden. Anne führte Tagebuch. Sie wollte, dass die Nachwelt von ihr erfuhr, welches Leid sie aufgrund des politischen Systems  ertragen musste – vielleicht als Wunsch, dass so etwas nie wieder geschehen möge.
Auch Zef Bunga, ein Junge aus Albanien, hat Annes Tagebuch gelesen. Zef – zu einer ganz anderen Zeit, an einem ganz anderen Ort – lebt selbst gefangen in den eigenen vier Wänden des elterlichen Hauses mit dem Wunsch nach Freiheit und einem unbeschwerten Leben ohne das Gesetz der Blutrache des Kanun.
Hätten die Taten der Nationalsozialisten vermieden werden können, wenn Menschen aufgestanden wären und die Rechte ihrer Nächsten verteidigt hätten? Wäre das Leben von Anne, Zef und vielen anderen Menschen ganz anders verlaufen, wenn nur einige eine andere Entscheidung getroffen hätten?
Derzeit befinden sich weltweit fast 51,2 Millionen Menschen auf der Flucht vor Verfolgung, Unterdrückung, Gewalt, Armut, Hunger, Durst, Kälte. Ihre Menschenrechte sind in vieler Hinsicht verloren. Doch welche Rechte hat ein Mensch überhaupt? Welche Rechte haben Kinder? Welche Rechte habe ich?

Mit diesen und anderen Fragen wollen wir uns im Rahmen der Themenwoche zu »Anne und Zef« beschäftigen. Zusätzlich zu den Aufführungen des Stücks »Anne und Zef« wird es verschiedene Aktionen, Führungen, Ausstellungen, Gesprächsrunden und Räume für Gedanken und Dialoge geben. Zu den Themen des Stückes — Kinderrechte, Anne Frank und Albanien — haben wir ein besonderes Programm zusammengestellt, das zum Nachfragen einlädt, zum Denken verführt und zum Handeln anregt.

Zef Bunga hat Anne Frank geküsst

 

Anne_ZefAls vor 70 Jahren, am 15. April 1945, britische Truppen das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreiten, war Anne Frank bereits tot. Sie starb nur einige Wochen zuvor, krank und geschwächt von den unvorstellbar menschenverachtenden Zuständen deutscher Konzentrationslager. Anne wurde 15 Jahre alt. Ihr Tagebuch, das sie von ihrem 13. Geburtstag am 12. Juni 1942 bis zu ihrer Deportation im August 1945 führte, ist weltberühmt und ihr Bild ist eine Ikone wider das Vergessen. »O ja, ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod« (Tagebucheintrag, 5. April 1944).
In unserer Erinnerung lebt Anne fort, doch in Wirklichkeit wurde ihr eine Jugend, ein ganzes Leben verwehrt – sie wurde getötet von einem System der Unmenschlichkeit, im Land ihrer Geburt.
Kinder als Opfer unmenschlicher Systeme, so könnte man kurz die Idee von Ad de Bonts Stück »Anne und Zef« zusammenfassen. Denn der holländische Autor belässt es nicht dabei, eine Geschichte über Anne Frank zu erzählen, er stellt ihr kurzerhand einen Freund an die Seite. Beide entstammen anderen Zeiten und anderen Kulturen, gemeinsam haben sie nur, dass sie zu Opfern eines unbarmherzigen Systems wurden. Anne und Zef. Doch wer ist dieser Zef Bunga, der die berühmte Anne trifft – irgendwo im Nirgendwo? Warum durfte auch er nicht älter als 15 Jahre werden?
»Der Kanun ist stärker als wir!« sagt Zefs Mutter im Stück. Was ist dieser geheimnisvolle Kanun, der den fünfzehnjährigen Jungen sein Leben kostet? Es handelt sich dabei um ein mündlich überliefertes archaisches Gewohnheitsrecht, das seit Jahrhunderten das Zusammenleben in entlegenen Bergregionen Nordalbaniens regelt. Grundlage fast jeglichen Handelns sind Ehre und Familie. Als Strafe für Ehrverletzung steht häufig der Tod. Auf Schuld folgt Sühne. Kommt es zu einer groben Ehrverletzung oder gar zu einem Mord, muss dieser auch mit Mord vergolten werden. Ein männliches Mitglied der »Täterfamilie« muss sterben. Ist die Tat vollbracht, wird aus Täter Opfer und ein unheilvoller Kreislauf der Gewalt beginnt, bei dem häufig alle männlichen Nachfahren einer Familie getötet werden. So kommt es, dass es bis heute im nordalbanischen Bergland Familien gibt, deren männliche Nachfahren seit Jahren ihr Haus nicht verlassen, um nicht von einer verfeindeten Familie getötet zu werden. Zef hält es in der Enge des Hauses irgendwann nicht mehr aus, er möchte sein Leben leben und sein Glück in der Ferne suchen. Doch er kommt nicht weit. Sein bester Freund aus der Familie der Markajs erschießt ihn. So beginnt Ad de Bonts Stück.
Trotz aller Grausamkeit gelingt dem niederländischen Autoren ein Stück voller Hoffnung und jugendlicher Zuversicht. Er gibt den beiden 15-jährigen eine fiktive Zukunft. Sie lernen sich kennen, sie erzählen sich ihre Geschichten und sie dürfen sich schließlich verlieben. Eine Liebe, jenseits jeder Möglichkeit, eine Liebesgeschichte als Gegenkraft zur Vernichtung. A

Expeditionen zum Glück

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Vier Tage lange wurde im Theater intensiv in allen Ecken nach dem Glück gesucht. 39 Kinder hatten in der ersten Osterferienwoche die Möglichkeit Bühnenluft zu schnuppern. Nach einem Theaterbesuch des Stückes „Nur ein Tag“, in dem Wildschwein, Fuchs und Eintagsfliege alles Glück der Welt in 24 Stunden erleben, starteten die Nachwuchsschauspieler sofort in die Proben für ihre eigenen Theaterstücke. Besonders interessierte sie das Leben mit all seinen Schattierungen. Und natürlich stellten sich die Kinder die Frage nach dem Glück und wo man es findet. Lebt es außen und wenn ja wo? Vielleicht auf einem Planeten namens Pups, zwischen zwei Buchdeckeln oder sitzt das Glück neben uns an der Eistheke? Oder lebt es in uns und umschwirrt uns die ganze Zeit flirrend? Vielleicht muss man einfach mal die Hände ausstecken und sich mutig etwas davon nehmen. Die Gedanken wurden theaterspielend weitergesponnen und in kleinen Szenen umgesetzt. Eltern, Großeltern und Geschwister waren restlos begeistert von den drei kleinen Theaterstücken, die am Gründonnerstag in der BOXX gezeigt wurden. Minutenlange Applausvariationen lockten so viele Glücksgefühle aus ihren Verstecken, dass alle Darsteller schier überwältigt waren. Der ein oder andere hat sich vielleicht das Glück in den Rucksack gesteckt und mit nach Hause genommen. Und dann wird es in einem stillen besonderen Moment ausgepackt und die Erinnerung bringt ein Lächeln in Gesicht und Herz.

Warum bin ich da?

Im Pädagogenworkshop zum Stück »Nur ein Tag« wurde nach dem Sinn des Lebens geforscht

GlückWas würde man tun, wenn man nur noch einen Tag zu leben hätte? Das ist die zentrale Frage im Kinderstück »Nur ein Tag« und damit konfrontiere ich sieben Lehrerinnen aus verschiedenen Grundschulen auf der Probebühne im Theater Heilbronn.

Stille.

Man sieht, dass ihnen viele Ideen durch den Kopf schießen, die erst mal nicht in Worte zu fassen sind. Dann ordnen sie in Gedanken, was in 24 Stunden überhaupt machbar ist. Und was davon macht wirklich glücklich? Und noch ist kein Wort gesprochen.

Aber dann geht’s los: Natur, Sonne, gutes Essen, Süßigkeiten, Freunde, Sport, Musik, Kuscheln, Gläschen Sekt, Bücher, Quatsch machen, Partys feiern, Kaminfeuer und Hängematte… Und die Eintagsfliege in »Nur ein Tag« von Martin Baltscheit hat dazu auch Ideen: Abenteuer erleben, heiraten, Kinder kriegen, zur Schule gehen, sich verlieben…

In Pädagogenworkshops haben Lehrer die Möglichkeit theaterpädagogische Methoden kennenzulernen, um ihre Schüler auf den Theaterbesuch und die dazu gehörigen Themen vorzubereiten.

Und wie könnte man ein Wildschwein unterstützen, das in eine Eintagsfliege verliebt ist und nicht weiß, wie es ihr diese Gefühle gestehen soll? Wie wäre es mit einem überzeugenden Liebesbrief? Unser Vorschlag für einen herzzerreißenden Liebesbrief sieht so aus:

Allerliebstes Fliegchen, du hast die schillernsten Flügel, die ich je gesehen habe. Willst du mit mir auf der Waldlichtung picknicken? Dein zartes, dich anbetendes, liebestolles, unvergleichbares Wildschweini

Also wenn da die Fliege nicht Lust auf Champignons bekommt…

LiebesbriefDie engagierten Lehrerinnen probieren mit großer Begeisterung jede Schauspielübung aus, gehen auf die Suche nach dem Sinn des Lebens und erleben in einer Fantasiereise ihr eigenes kleines Abenteuer. Glücklich und motiviert sehen sie im Anschluss die Hauptprobe 2 von »Nur ein Tag« und freuen sich auf die Gespräche mit ihren Schülern über das Leben, über das ganze Leben.

Denn klar ist:

Keine Widerrede, wer nur einen Tag hat, braucht das ganze Glück in 24 Stunden.

(Eintagsfliege)

Das Begleitmaterial zu »Nur ein Tag« kann man sich auf der Homepage des Theaters Heilbronn runterladen. http://www.theater-heilbronn.de/index.php?id=124

Antjé Femfert, Theaterpädagogin

Erster bundesweiter Tag der Theaterpädagogik in der BOXX

 Mehr Drama, Baby!

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Freitag, den 27.2.2015. Die Luft steht still in der BOXX, aber das ist dann auch schon alles, was sich nicht bewegt.

Am späten Freitag treffen sich die fünf Theaterclubs des Heilbronner Theaters mit zwei Theatergruppen aus Eppingen und Neckarsulm zur dritten Clubszene in dieser Spielzeit. Es ist der erste bundesweite Tag der Theaterpädagogik unter dem Motto „ Mehr Drama, Baby!“ und dabei beteiligt sich auch die Abteilung Theaterpädagogik des Theaters Heilbronn.

An die 50 Jugendliche im Alter von 8 – 25 Jahren begegnen sich, um gemeinsam im Schnellverfahren dramatische Tode zu sterben oder im Zombi-Spezial-Modus wieder zum Leben zu erwachen. Wer man ist, verraten einem die anderen, wenn sie vormachen, wie man sich bewegt oder den Mitmenschen begegnet. Denn der Name der neuen Identität klebt an der eigenen Stirn. Shakespeare, Einstein, Madonna und Bob der Baumeister – alles dabei. Wir können nur herausfinden, wer wir sind, wenn unser Gegenüber uns die passenden Gesten, die treffende Mimik vormacht. Bei der Auflösung tritt jeder in die Mitte des Stehkreises und löst das Rätsel. Nicht jeder von uns trifft ins Schwarze, aber alle treffen die Lachnerven der anderen.

Niemand hat Berührungsängste. Aus zwei fremden Menschen wird einer: In Paaren finden wir uns zusammen. Einer stellt sich hinter den anderen, umschlingt den Oberkörper mit seinen Armen und untermalt alles, was der Vordermensch sagt mit Gesten.

Alle mischen sich, bleiben dann bei STOPP vor einem anderen Paar stehen und tauschen sich über das Lieblingsrezept, den ersten Fallschirmsprung und den fiesesten Lehrer der Schule aus.

Nach den Aufwärm- und Kennenlernspielen zeigt jede Gruppe ihre Arbeit.

Anhand von drei Standbildern sollen wir anderen beschreiben, an was gerade geprobt wird.

Unterschiedlicher können die Projekte nicht sein: Von Tschick, über eine Anlehnung an Schillers Räuber bis zu einem Wettbewerb zwischen verschiedenen Kulturen reicht die bunte Palette der Ideen. Dann gibt es noch selbstentwickelte Stücke, auf die wir gespannt sein können, über die mysteriöse Welt von Albus Arcus, einem Klassentreffen nach 10 Jahren, bei dem die unterschiedlichsten Menschen aufeinandertreffen, auf der Suche nach Dingen, die die Gruppe noch verbinden oder jeden einzelnen zusammenhalten.

Die Jüngsten erarbeiten etwas zum Thema Wald und stellen sich viele Fragen, wie zum Beispiel die, warum wir den Wald brauchen und warum wir ihn verschmutzen.

Ab 21 Uhr verwandelt sich die BOXX- Bühne in eine Disco. In Neonfarben leuchten die angemalten Gesichter auf der Tanzfläche, es wird zu den Beats von DJ Dubsquare im Kreis getanzt, gesprungen und geheadbangt. Bis ins Foyer hämmert der Bass, trotzdem nutzen viele den Ort, um sich auszutauschen oder die Müdigkeit mit süßem Weingummi zu bekämpfen und den Durst zu löschen.

Ein langer Tag endet. An Spielfreude, Phantasie und Bewegungslust hat es keinem gefehlt.

Am Ende ist es egal, wer woher kommt und in welcher Gruppe man spielt. Was verbindet ist die Leidenschaft fürs Theaterspiel und die Neugierde auf alles, was auf der Bühne möglich ist.

Bei der Clubszene entstand ein großes Durch- und Miteinander, aus dem jeder mit roten Wangen und fröhlichem Herzen wieder nach Hause gegangen ist und müde ins Bett plumpste.

Paula Freter, Praktikantin Theaterpädagogik