Nicht gesucht, aber gefunden

Figurentheater ist für Katja Spiess die innovativste der Darstellenden Künste und eine große Leidenschaft

Foto: Max Kovalenko

Hand aufs Herz! Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff Figurentheater hören? Wahrscheinlich kommt vielen, zumindest denjenigen, die noch nie die »IMAGINALE« besucht haben, zuerst und ausschließlich die Augsburger Puppenkiste oder das Kasperle-Theater aus Kindertagen in den Sinn. So ging es vor 29 Jahren auch Katja Spiess, die nach ihrem Studium der Germanistik, Geschichte und der vergleichenden Literaturwissenschaften auf der Suche nach einer Dramaturgie-Stelle im Theater war. Im Bereich Tanz oder Schauspiel sollte es sein. Figurentheater hatte sie gar nicht auf dem Schirm, als ihr durch Zufall ein Job in der Pressestelle/Dramaturgie des FITZ, des Theaters animierter Formen, in Stuttgart angeboten wurde. Sie willigte ein, wollte maximal ein Jahr bleiben. Jetzt sind es 29 Jahre, 20 davon als Leiterin des FITZ und als Mitbegründerin des Festivals »IMAGINALE« im Jahre 2008, das zu den wichtigsten Figurentheaterfestivals in Europa gehört. Sie hat ihre berufliche Liebe dort gefunden, wo sie nicht im Traum darauf gekommen wäre, zu suchen. Die Leidenschaft ist bis heute frisch, wird geradezu ständig neu entfacht. Denn kaum eine Kunstform ist so innovativ und entwickelt sich so dynamisch wie das Figurentheater, sagt Katja Spiess. »Dies liegt an dem ungeheuren Potential an künstlerischer Veränderung und Weiterentwicklung, die im Figurentheater steckt, und an der inspirierenden Kraft, die von diesem Genre ausgeht. Der Fundus dieser virtuosen Kunst reicht vom zerknüllten Papier bis zur filigranen Marionette, von Masken bis zu Licht, Raum und Schatten, von der Stabpuppe bis zum Alltagsobjekt. Grenzüberschreitungen zu Schauspiel, Musik, Tanz und Pantomime sind inzwischen selbstverständlich und machen Figurentheater zu einer sehr zeitgemäßen Kunstform.

Mit Beginn des neuen Jahrtausends bewegen sich vor allem die jungen Theatermacher verstärkt auf die anderen Künste und die Neuen Medien zu. Sie definieren ihr künstlerisches Selbstverständnis nicht mehr im Kontext herkömmlicher Inszenierungs- und Aufführungstraditionen. Bildende Kunst, Performance Art, Musik, Film, Video werden in ästhetische und inhaltliche Strategien eingebunden, die interdisziplinärem Denken entspringen, und unbefangen zu verschiedensten künstlerischen Ausdrucksweisen vereinigt.« So wird auf der Homepage des FITZ mit Begeisterung geworben. Aber nicht nur die fantastische Bandbreite an Formen ist beeindruckend. »Figurentheater kann auf besondere Weise vom Menschen erzählen«, schwärmt Katja Spiess. Es greift die großen Menschheits-Themen auf: Das Leben in all seiner Schönheit und Mühsal, den Tod aber auch die große Politik. Es darf Schabernack treiben, in die tiefsten Abgründe schauen, frech und politisch unkorrekt sein. Und es darf Grenzen überschreiten, die Schauspielern aus Fleisch und Blut gesetzt sind. Man kann den Puppen unendlich viel zumuten. »Aber am Ende vergisst man, dass es Puppen sind und man könnte schwören, dass die Masken nicht starr gewesen sind, weil das Spiel einen emotional so tief berührt hat.«

Für die »IMAGINALE« wählt Katja Spiess alle zwei Jahre die spannendsten internationalen Figurentheaterinszenierungen aus. Sie fährt im In- und Ausland herum, um neue Stücke anzuschauen und besucht viele Festivals. Eigentlich sollte die 8. »IMAGINALE« bereits 2022 stattfinden, aber die Coronabedingten Unsicherheiten machten ein internationales Festival zu diesem Zeitpunkt unmöglich und es wurde um ein Jahr verschoben. Für die »IMAGINALE« 2023, die nun vom 02. bis 12. Februar 2023 stattfindet, konnte sie nur wenig reisen. Stattdessen hat sie viele großartige Künstlerinnen und Künstler angesprochen und nach neuen Arbeiten gefragt. So wird das 8. Festival animierter Formen auch eine kleine Wundertüte mit vielen Stücken, die dann zum ersten Mal zu sehen sein werden.

„Kafkas Schloss“ kommt zur Imaginale nach Heilbronn

Kafkas Schloss –  Ein Machtspielchen am 17.03.2012, 17 Uhr
Thalias Kompagnons, Nürnberg (D)

„Es ist nicht notwendig, dass du aus dem Haus gehst. Bleib bei deinem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still und allein. Anbieten wird sich dir die Welt zur Entlarvung …“ (Franz Kafka, Zürauer Aphorismen)

Was ist das „Schloss“? Ein Behördenlabyrinth? Ein selbstgeschaffener Alptraum? Eine metaphysische Instanz? Auf der Suche nach Unterkunft, Arbeit und menschlicher Anerkennung verstrickt sich der vermeintliche Landvermesser K. in einen verbissenen Kampf mit der alles beherrschenden Schlossverwaltung. Doch der bürokratische Apparat sucht sich des rebellischen Eindringlings mit lächelndem Gleichmut zu erwehren.

Thalias Kompagnons interpretieren Kafkas Romanfragment mit kleinen Holzfiguren als boshaftes „Mensch-ärgere-dich“-Spiel voller Intrigen, Machtkämpfe und Beziehungsfallen.

 

Thalias Kompagnons
Thalias Kompagnons bewegen sich mit international gefeierten Produktionen im Grenzbereich zwischen Schauspiel-, Figuren- und Musiktheater. Mit ihren hintergründig-frechen Opern- und Klassikerversionen (Wagners Ring, Macbeth, Zauberflöte u. a.) eroberten sie gleichermaßen Off-Bühnen, Festivals und Staatstheater. Einladungen u. a. auf die Wiener Festwochen, zu den Salzburger Festspielen, den Ruhrfestspielen, an Opernhäuser in Stuttgart, Mannheim, Trier, Krakau, Dordrecht; Gastspielreisen u. a. nach Österreich, der Schweiz, Frankreich, Holland, Italien, Slowenien, Dänemark, Finnland, Polen, Ungarn, Russland, Israel, Korea, Japan und Australien.

Spiel und Bearbeitung: Tristan Vogt,  Licht: Sasa Batnozic, Puppen, Bühne und Regie: Joachim Torbahn
Eine Koproduktion mit der Tafelhalle Nürnberg
 Dauer ca. 80 Minuten, Sprache: Deutsch, Altersgruppe: Erwachsene // Jugendliche ab 16 Jahren
Termin: 17.03.2012, 17 Uhr

Karten unter 07131/563001 oder 563050 oder direkt im Online-Karten-Shop unter www.theater-heilbronn.de