Vom Fall der Mächtigen

Das Oldenburgische Staatstheater kommt mit barocker Inszenierung des Händeloratoriums »Saul« nach Heilbronn

Dass Opernkurator Christian Marten-Molnár im Gespann mit Intendant Axel Vornam ein gutes Händchen bei der Auswahl der Musiktheatergastspiele für das Heilbronner Theater hat, beweisen die sehr gut besuchten und mit viel Beifall bedachten Opernaufführungen im Grossen Haus. Tausende Kilometer legen die beiden im Jahr zurück, um sich viele, viele Opern an den unterschiedlichsten Häusern anzuschauen und die beste Auswahl für Heilbronn zu treffen. Wenn die musikalische Qualität und die Inszenierung stimmen, das Bühnenbild kompatibel mit unserer Bühne ist und die Künstlerischen Betriebsbüros beider Häuser auch noch die Vorstellungstermine koordinieren können, dann ist eine von drei Musiktheaterinszenierungen pro Spielzeit »gekauft«.

Fündig wurden Marten-Molnár und Vornam einmal mehr am Oldenburgischen Staatstheater. Erinnert sei nur an »Orphée et Eurydice« von Christoph Willibald Gluck oder an »Faust« von Charles Gounod. Jetzt ist das Oldenburgische Staatstheater mit »Saul«, dem szenischen Oratorium von Georg Friedrich Händel, zu Gast. Die Inszenierung von Lydia Steier wurde von der Presse als »Geniestreich« gefeiert und für den Faust 2012 in der Kategorie »Beste Musiktheaterinszenierung des Jahres« nominiert. Üppig und bilderreich inszenierte die Regisseurin das barocke Oratorium, das am Beginn einer Reihe von Meisterwerken steht, mit denen Händels Ruhm als Oratorienkomponist begann.

Heute gilt Händel als der erste Superstar unter den Komponisten. Er war der erste lebende Künstler, dem ein Denkmal gesetzt wurde und sein Einkommen übertraf das seiner Kollegen um ein Vielfaches. Als er aber 1738 mit der Komposition von »Saul« begann, stand er – heute unvorstellbar – am Tiefpunkt seiner Karriere. Seine Opern floppten bei Publikum und Kritik. Doch statt sich davon unterkriegen zu lassen, zog er seine Konsequenzen, orientierte sich neu und schwenkte um auf die Vertonung geistlicher Inhalte.

Szenenfoto Saul Foto: ANDREAS J. ETTER, Oldenburgische Staatstheater
Szenenfoto Saul
Foto: ANDREAS J. ETTER, Oldenburgische Staatstheater

Mit der Uraufführung des dreiaktigen Oratoriums »Saul« kehrte 1739 der Erfolg zu ihm zurück. In kongenialer Zusammenarbeit mit dem Shakespeare-Herausgeber und Librettisten Charles Jennens wurde aus der weitschweifenden alttestamentarischen Erzählung von König Sauls Eifersucht auf den jungen Emporkömmling David ein packendes Drama:
König Saul ist alt und behäbig geworden. Vorbei sind die Zeiten, da er mit Heldentaten sein Volk zu beeindrucken wusste. Er sieht mit immer größer werdendem Unwillen, dass es in dem jungen Feldherrn David, der nur mit einer Schleuder den mächtigen Philisterführer Goliath besiegte, sein neues Idol gefunden hat. Einst hatte König Saul den jungen David selbst an seinen Hof geholt und zum erfolgreichen Kriegsherrn erzogen. Doch je mehr Saul seinen Stern verblassen sieht, umso mehr schlägt seine Gunst um in Neid und seine Liebe in Hass, der ihn schließlich selbst vernichtet.
Händel erwies sich hier als ein Meister der psychologisch-musikalischen Zeichnung dieser extremen Gefühlswelten. Romain Rolland schrieb 1925 in einer Studie über Händels Oratorien: »Diese Musik malt: sie malt Affekte, Seelen, Situationen, ja selbst ganze Epochen und Orte (…) Mit einem Wort: das Wesen dieser Kunst ist malerisch, ist dramatisch!«

Silke Zschäckel, Pressereferentin

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