Hoch lebe der Dialekt

Schauspieler Hannes Rittig trainiert das Sprechen in vielen Mundarten

Hannes Rittig (Foto: M24 Heilbronn)

Einer sammelt Briefmarken, der nächste Autogramme oder Schallplatten. Wer es sich leisten kann, legt sich Kollektionen von Uhren, Antiquitäten oder Oldtimern zu. Der Wert des Schatzes von Hannes Rittig ist in Geld nicht zu messen.  Aber wie andere Sammler auch investiert er viele Stunden in die Pflege seines Hobbies. Der Schauspieler am Heilbronner Theater sammelt Dialekte und versucht diese so gut zu lernen, dass er sie zur „Bühnenreife“ bringt, ohne dass Muttersprachler im jeweiligen Gebiet die Nase rümpfen – obwohl es ein Reinheitsgebot in Sachen Dialekt eigentlich kaum mehr gibt.
„Für mich als Schauspieler ist das wie ein Materialbaukasten, aus dem ich nach Belieben schöpfen kann“, sagt Hannes Rittig. Die Besucher der letzten Weihnachtsmatinee am Theater dürften sich gern an die szenische Lesung der Geschichte „Die Bescherung verzögert sich um voraussichtlich zehn Minuten“ von Sebastian Schnoy erinnern. Hier hat Rittig in sekundenschnellen Wechseln den mitspielenden Bahnreisenden aus allen Ecken Deutschlands in einem verspäteten ICE am Weihnachtstag sowie dem handelnden Zugpersonal den dialektalen Zungenschlag verpasst. Bayerisch, Rheinländisch, Österreichisch, Norddeutsch, Schwäbisch – oft nur in schnellen Halbsätzen und wild durcheinander. Atemberaubend! Und äußerst amüsant.

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Mit genau solchen Lesungen hat es angefangen, genauer gesagt mit Texten von Hans Fallada wie „Jeder stirbt für sich allein“ und „Der eiserne Gustav“, die Hannes Rittig in Greifswald, der Geburtsstadt des Schriftstellers, vorgetragen hat. Lesungen von rund anderthalb Stunden Länge werden nur lebendig, wenn man die Figuren mit ihren Eigenheiten ausstattet, beschreibt der Schauspieler. Dazu gehört neben Stimmfärbung und Sprechweise eben auch der Dialekt. Die ersten Steine für seine Sprachsammlung hat er quasi nebenbei eingesammelt: Mit dem Berlinerischen und dem Anhaltinischen ist er aufgewachsen, im Studium kam das Leipziger Sächsisch dazu, aber vor allem auch das Bühnenhochdeutsch, das für ihn als Schauspieler natürlich die Norm ist. Während seines ersten Engagements in Chemnitz lernte er, zwischen dem Leipziger  und dem Chemnitzer Sächsisch zu nuancieren. Außerdem erwarb  er von Freunden aus anderen Regionen Deutschlands eher unterbewusst weitere Dialekte – so zum Beispiel das Fränkische von seinem damaligen Kommilitonen und Schauspielkollegen Tobias D. Weber, der aus Erlangen stammt. Sein nächstes Engagement führt ihn nach Greifswald, wo er den Pommerschen Dialekt in sein Repertoire aufnahm. „Für mich ist es wichtig, dass ich Leute habe, die ich sehr mag und mit denen ich Zeit verbringe. Ich beobachte deren Sprechweise, die Haltung und präge mir bestimmte Ausdrücke ein“, beschreibt Hannes Rittig seine Learning-by-doing-Methode. Diese Vorbildmenschen ruft er sich vor sein inneres Auge, wenn er einen Dialekt imitieren will. Aus Greifswald ist es beispielsweise der Fußballtrainer seiner Söhne. Er erhebt dabei keinen Anspruch auf Perfektion. „Es ist fast wie beim Spielen von Tieren“, beschreibt er. Einige signifikante Eigenschaften reichen aus, um einen Tiger als Tiger, einen Elefanten als Elefanten und einen Affen als Affen darzustellen – so wie er es gerade in unzähligen Vorstellungen von Kiplings „Dschungelbuch“ praktiziert hat. Genauso ist es mit den Dialekten – einige prägnante Ausdrücke, Wörter und vor allem die Sprachmelodie genügen, um eine bestimmte Mundart zu markieren.

Beim Schwäbischen versagt die Learning-by-Doing-Methode

Einzig bei einem Dialekt versagt die bisher mit so großer Leichtigkeit praktizierte Methode, beim Schwäbischen – dem nächsten Regiolekt, den Hannes Rittig sich als Neubürger Heilbronns unbedingt aneignen will. Hier hat er sich seine Nachbarn als Coaches gesucht, mit denen sich seine Familie angefreundet hat. „Die Frau kommt von der Schwäbischen Alb, der Mann  aus Heilbronn und die beiden machen mit mir Unterricht“, erzählt der Schauspieler.  Das Schwäbische ist sehr gemütlich und verspielt mit den vielen Verniedlichungsformen und es hat einen feinen Sing-Sang. Ihn wundere es gar nicht, dass aus dieser Region, wo die Sprache so kleinteilig und erfindungsreich ist, so viele Tüftler kommen, die mit der feinen Selbstironie „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“  an ihrem Image arbeiten, sagt Hannes Rittig. Natürlich muss er in seinem Beruf in erster Linie das Hochdeutsche pflegen. Aber sonst ist er der Meinung: Hoch lebe der Dialekt! „Der steht für Heimat, Geborgenheit und Wohlfühlen.“

Mit dem Theater fit fürs Abitur

Die AbiTour-Tage 2019

Das Abitur steht für viele Schülerinnen und Schüler in der Region vor der Tür. In bewährter Tradition hat das Theater Heilbronn auch in dieser Spielzeit wieder die AbiTour-Tage angeboten, an denen den Schülerinnen und Schülern nochmal ein ganz anderer Blick auf die Sternchenthemen geboten wurde.

Vernissage zur Eröffnung der AbiTour-Tage 2019

Vom 28.01. bis zum 01.02.2019 drehte sich im Großen Haus und in der BOXX alles um den »Steppenwolf« und um den »Goldnen Topf«.
Die Woche wurde mit der Vernissage »ZWISCHEN.WELTEN« eröffnet, für die Schülerinnen und Schüler des Robert-Mayer-Gymnasiums Kostüme passend zum »Goldnen Topf« entworfen und angefertigt hatten. Inspiriert wurden die ausgestellten Kostüme von Anselmus’ Zerrissenheit und dem Changieren zwischen zwei Welten, die in E. T. A. Hoffmanns »Der goldne Topf« thematisiert werden. In einer Performance, angeleitet von den Theaterpädagoginnen Lisa Spintig und Anja Bräutigam, wurden die Arbeiten live dem Publikum präsentiert. Außerdem konnte man sich die Kostüme auf ästhetisch gestalteten Fotografien bei einem Rundgang durch das BOXX-Foyer aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten. Einen exklusiven Einblick in die Arbeit und Vorgehensweise der Theatermacher erhielten die Besucher am Dienstag, den 29.01.2019 in einem Werkstattgespräch. Theaterpädagogin Natascha Mundt sprach mit den stückbegleitenden Dramaturginnen Sophie Püschel und Mirjam Meuser, die dem interessierten (Schüler-) Publikum rege Auskunft darüber erteilten, wie lange man an so einem Stück arbeitet, wie man eine Bühnentextfassung erarbeitet und was ein Dramaturg denn sonst noch so macht. Zudem erläuterten die beiden die künstlerischen Zugriffe der Regisseure auf die Abitur-Stoffe. Für Fragen aus dem Publikum war auch Zeit.
Die ganze Woche konnten interessierte Klassen in Workshops die Inhalte beider Inszenierungen praktisch erleben und auf sinnliche Weise begreifen. So setzten die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler das gegenseitige Sich-Spiegeln in Szene. Sich gegenüberstehend nehmen Sie die Bewegungen des anderen auf, werden zu dessen Spiegelbild, lassen sich ein auf das gegenüber oder geben dem Spiegelbild Bewegungen, Haltungen vor und nähern sich so der »Steppenwolf«- Inszenierung. In dem Workshop zu »Der goldnen Topf« dagegen laufen und stürmen die Schülerinnen und Schüler durch den Raum, bis sie durch einen äußeren Impuls plötzlich das Tempo wechseln und Bewegungen suchen, die sie in mystische Wesen aus Atlantis verwandeln. Das Stolpern des Anselmus durch die zwei Welten, wie ihn E.T.A. Hoffmann beschreibt, wird für sie körperlich erfahrbar. Was macht es mit mir, wenn ich vom hektischen Spießbürger zu einem Fabelwesen einer verborgenen Welt werde? Für die Schülerinnen und Schüler boten sich in der Abitourwoche  verschiedene neue Ansätze sich mit den Sternchenthemen auseinanderzusetzen.

Jetzt wünschen wir den Abiturientinnen und Abiturienten Toi Toi Toi für die Prüfungen. Für uns gilt nach dem Abi ist vor dem Abi: wir freuen uns schon auf die AbiTour-Tage 2020 mit vielen wissensdurstigen Schülerinnen und Schülern bei uns im Theater Heilbronn!


Wie der Boxenstopp in der Formel Eins

Julia Schmalbrock springt in »Spiel’s nochmal, Sam« in viele Rollen – und Kostüme


»Nancy, Gina, Vanessa, Barbara, zwei ohne Namen und Sharon gibt es zwei Mal«, zählt Julia Schmalbrock, »acht Rollen in einem Stück. Das hatte ich noch nie.« Die gebürtige Münchnerin, die acht Jahre lang am Staatstheater Hannover von Pünktchen in »Pünktchen und Anton« bis »Minna von Barnhelm« große und kleine Rollen gespielt hat, ist für »Spiel’s nochmal, Sam« als Gast nach Heilbronn gekommen. Und in einer schweißtreibenden Inszenierung gelandet: »Es sind, ich glaube, zehn Umzüge, die schnellsten dauern knapp unter einer Minute. Das kann man sich ein wenig vorstellen wie beim Boxenstopp in der Formel Eins«, lacht Julia Schmalbrock. »Sobald ich von der Bühne komme, werde ich von zwei Ankleiderinnen und einer Maskenbildnerin in kürzester Zeit einmal komplett ent- und wieder bekleidet. In den ersten Proben war das ganz schön stressig, aber inzwischen sind wir richtig gut eingespielt.« Auf jeden Fall ist Jens Kerbels turbulente Inszenierung eine Chance, die eigene Vielseitigkeit auf die Probe und zur Schau zu stellen. Denn so viele unterschiedliche Frauentypen hat man als Schauspielerin selten in einer Spielzeit zu zeigen, geschweige denn in einem einzigen Stück.

»Spiel’s nochmal, Sam« ist nur noch bis zum 22. Februar im Komödienhaus zu belachen.
https://www.theater-heilbronn.de/spielplan/detail/inszenierung/spiels-nochmal-sam.html

v.r. Judith Lilly Raab, Oliver Firit & Julia Schmalbrock in »Spiel´s nochmal, Sam«
Julia Schmalbrock & Oliver Firit in »Spiel´s nochmal, Sam«