Demnächst in diesem Theater: »Born to Be Wild?« mit Julia Klotz

Für Julia Klotz war die Arbeit an »Born to Be Wild?« so etwas wie ein »Heimkommen«. Direkt nach ihrem Studium an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig war sie zwei Jahre lang Ensemblemitglied am Theater Heilbronn, sang und spielte sich vom »Weißen Rößl« bis zur »Abbey Road« (mit Regisseur Stefan Huber) und erhielt 2007 den Kilian für die Rolle der Norma Cassady in »Victor/Victoria«. Auch unter der Intendanz von Axel Vornam war sie mehrfach am Berliner Platz zu sehen: In »Der Vetter aus Dingsda«, »White!« (wieder unter der Regie von Stefan Huber) und als Eliza Doolittle bei einem Gastspiel von »My Fair Lady« aus Kaiserslautern.

Julia Klotz (Foto: Oliver Betke)

»Was ich am Festengagement am meisten vermisse,« gesteht die aus Mainz stammende Schauspielerin und Sängerin, »das ist ein Ensemble. Ich habe zwar als Gast am Gärtnerplatztheater in München über die letzten fünf Jahre oft mit denselben wunderbaren Kollegen zusammengearbeitet, trotzdem fährt jeder nach den Vorstellungen wieder nach Hause. Mir fehlt meine Theaterfamilie, denn ich bin sowohl privat, als auch in der Arbeit ein Herdentier.«

Dabei hat ihr die Freiheit der »Wanderjahre« einige wunderbare Rollen eingebracht. Für ihre Darstellung der Madame de Tourvel in der Uraufführung des Musicals »Gefährliche Liebschaften« erhielt Julia Klotz den Deutschen Musical Theater Preis 2015. Auch die brandneue Revueoperette »Drei Männer im Schnee«, bei der sie mitwirkt, wurde mit drei Musicaltheaterpreisen ausgezeichnet. »Ich bin selbst überrascht, dass „Born to Be Wild?“ schon meine neunte Uraufführung ist – drei davon waren in Heilbronn«, sprudelt es aus ihr heraus. »Wenn man mich vor ein paar Jahren gefragt hat, welche Rolle ich gerne spielen würde, dann hab ich immer geantwortet: Ich möchte gerne in einer Uraufführung mitwirken. Mich reizt daran besonders, noch früher in den Entstehungsprozess eines neuen Stückes eingebunden zu sein und eine Rolle mit zu kreieren.«

Und in »Born to Be Wild?« sind es gleich zwei. Julia Klotz lacht: »Ich mag meine beiden Rollen sehr, und sie könnten unterschiedlicher nicht sein.« Wie würde sie ihre Figuren charakterisieren? »Uschi von Kulenburg ist eine konservative und ehrgeizige Hausfrau der Nachkriegsgeneration, die sich über ihren Mann und seine Stellung definiert. Sie ist stets darum bemüht, den Schein zu wahren.« Und was ist mit Priscilla Joe, die bei der Show in der Show u.a. mit »Cinderella Rockefella« oder »River Deep Mountain High« auftritt? »Sie ist das Sinnbild der sich auflehnenden Generation, als Außenseiterin für mich eine tragische Figur. Freiheitsliebend, experimentell, auch was Drogen und die Liebe angeht.« Bei den Proben war der Bezug der Songs zum aktuellen Aufbegehren und Revoltieren junger Menschen häufig ein Thema. Auch Julia Klotz zieht Parallelen zum Hier und Heute: »Das ist absolut gegeben. Gerade das Lied, das Tietje und Huber für den Schluss ausgewählt haben und das für sich stehen soll, spricht heute noch Bände …« Aber mehr wollen wir jetzt nicht verraten.

Ein Blick in die Clubszene

von Hanna Kimmerle

Hanna Kimmerle, 18 Jahre, hat eine Woche als Praktikantin in der Theaterpädagogik verbracht, um sich besser orientieren zu können, worauf die Wahl ihres Studienganges fallen soll. Hier berichtet sie von ihren Eindrücken, die sie in den Proben unserer verschiedenen Jugendclubs gewonnen hat.

»Was haben wir gesehen? Was hätten wir uns gewünscht?« Diese beiden Fragen stellen sich die jüngsten Theaterclubmitglieder immer, um nach den Improvisationsspielen das Gesehene zu reflektieren.

Erstes Kennenlernen der Clubs im Oktober 2019.

Ich durfte im Zuge eines Praktikums  eine Woche lang in den abwechslungsreichen Arbeitsalltag der Theaterpädagoginnen und damit auch in die Theaterclubs reinschnuppern. Jetzt, wo die Woche vorbei ist frage auch ich mich: »Was habe ich gesehen? Was hätte ich mir gewünscht?«

Am Montag durfte ich die Theaterpädagogin Christine Appelbaum, die zusammen mit Schauspieler Marek Egert den Kinderclub leitet, begleiten. Begonnen hat die Stunde mit verschiedenen Spielen zum Aufwärmen, deren Ziel es war, die Kinder dazu zu bringen, spontan auf Impulse zu reagieren und nicht alles zu filtern bevor sie es sagen. Das war eine wichtige Vorbereitung auf die Improvisation, die am Ende der Stunde stattfand. Bei dieser ist es eine besondere Herausforderung für die kleinen Schauspieler, unvermittelt aufeinander zu reagieren und wahrzunehmen, wo gerade der Fokus liegt. Ich war sehr begeistert, was für tolle und lustige Ideen die Kinder spontan auf die Bühne gebracht haben.

Auch Christine Appelbaums Stil, die Gruppe zu leiten, hat mich beeindruckt. Es herrscht eine sehr angenehme lockere Atmosphäre, in der die Kinder sich sehr wohlfühlen, Spaß haben können und gleichzeitig viel dazulernen. Nach jeder Szene, die auf der Bühne gezeigt wird, besprechen die Kinder die Fragen: »Was habe ich gesehen? Was hätte ich mir gewünscht?«. Die Schauspieler bekommen direkt Feedback und allen wird klar, worauf sie auf der Bühne achten sollen.

So lernen die Kinder spielerisch und durch viel Reflexion, auf was es beim Theater spielen ankommt.

Diese »schauspielerischen Basics« bringen die 12-15 Jährigen im Teensclub teilweise schon mit. Daher kann hier eine konkretere Vorbereitung auf das Stück im Vordergrund stehen. Während Schauspielerin Juliane König und Schulreferentin Anna-Lena Weckesser, die den Club leiten, schon Ideen der Kinder, die bei der Improvisation aufkommen, festhalten, um sie später für die Stückentwicklung zu verwerten, lernen die Teilnehmer durch verschiedene Übungen Fähigkeiten, die sie später in der Inszenierung brauchen werden. Beispielsweise sollten sie bei einer Aufgabe ihrer Fantasie freien Lauf lassen und Gegenstände verkörpern, da später im Stück das personifizierte Internet eine tragende Rolle spielen soll. Die besondere Herausforderung bei dieser Altersgruppe ist es, dass die Kinder lernen, sich selbst auch mal nicht so ernst zu nehmen, einfach drauf los zu spielen und den Kopf mal abzuschalten.

Um das aus den Kindern herauszukitzeln wirft Juliane sie auch mal ins kalte Wasser oder in Situationen, die ihnen im ersten Moment unangenehm sind. Wenn sie dann warm werden und sich trauen, kommen sehr tolle kreative Szenen zustande.

In der Clubszene treffen die verschiedenen Clubs aufeinander und entwickeln gemeinsam kleine Szenen.

Diese Fähigkeit, sich selbst nicht so ernst zu nehmen und Hemmungen beim Theater spielen abzuschalten haben die Mädels im Jugendclub schon gelernt. Das merkt man bereits beim Aufwärmen. Wie kleine Kinder das automatisch tun, lassen die Jugendlichen sich auf Spiele und Musik ein und stellen den Spaß an die erste Stelle. Da sie sowohl diese Lockerheit als auch ein wenig Schauspielerfahrung schon mitbringen, kann hier die Stückentwicklung im Vordergrund stehen. Nachdem Natascha Mundt (Theaterpädagogin) und Malin Kemper (Schauspielerin) den Mädchen Impulse gegeben haben, besprechen sie selbstständig, welche Themen ihnen am Herzen liegen und welche sie gerne in ihr Stück einbauen wollen, sowie die Frage wo sie sich und die Welt in der Zukunft sehen. Sie entwickeln Szenen und haben viel Spaß daran, hierbei ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

Jeder der drei Theaterclubs hat mir auf seine eigene Art und Weise unheimlich gut gefallen. Ich habe alles gesehen was ich mir gewünscht habe. Meine Erwartungen an das Praktikum wurden voll erfüllt. Ich durfte die Theaterpädagogik bei ihrer täglichen Arbeit begleiten und konnte mir so einen umfassenden Einblick über ihre Arbeit verschaffen. Es hat mir bei der Entscheidung für mein Studium geholfen, denn ich will auf jeden Fall etwas mit pädagogischer Ausrichtung studieren.

Demnächst in diesem Theater: »Born to Be Wild?« – choreografiert von Eric Rentmeister

Als ich ihn auf die Hauptprobe anspreche kurz vor dem Theater-Lockdown, der die heiß ersehnte Uraufführung von »Born to Be Wild?« vorerst sabotiert hat, muss Eric Rentmeister lauthals lachen. Wegen einer kurzfristigen Erkrankung im Ensemble war er kurz entschlossen als »Priscilla Joe« eingesprungen, damit die Nummern im Ablauf für Licht, Ton und Technik funktionierten. »Ja, die Probe hat Spaß gemacht!« grinst Rentmeister. »Und so etwas ist manchmal auch hilfreich, weil ich dann ein bisschen besser nachvollziehen kann, wie es den Schauspielerinnen und Schauspielern auf der Bühne geht und wie ich sie besser unterstützen kann.«

Eric Rentmeister (rechts) bei der Probe von »Born to Be Wild« mit Pablo Guaneme Pinilla.
Foto: Jochen Quast

Für das Theater Heilbronn ist der große, schlanke Künstler aus Köln inzwischen schon zum achten Mal tätig: Er war als »Cagelle« im »Käfig voller Narren« zu erleben und entwickelte die Choreografien für »White!«, »Das Apartment«, »Spring Awakening«, die »Rocky Horror Show«, »Charleys Tante« und »Zwei hoffnungslos verdorbene Schurken«. Wenn er sich entscheiden müsste, ob er lieber selbst auf der Bühne stehen oder choreografieren wollte, welche Wahl würde er treffen? »Ich bin nicht ohne Grund sowohl Darsteller als auch Choreograf, weil ich mich da noch nie entscheiden wollte. Beides hat seine ganz eigenen Reize. Auf der Bühne kann ich mich austoben, als Choreograf kann ich zusehen, wie meine Vision in die Tat umgesetzt wird.«

Tatsächlich geht sein »Aktionsradius« aber noch weit über die künstlerischen Fähigkeiten hinaus, die er in Heilbronn unter Beweis gestellt hat. Eric Rentmeister war mehrfach als Regisseur an Theatern im Ruhrgebiet engagiert und hatte diverse Lehraufträge u.a. an der Folkwang Universität der Künste, an der selbst er von 2000 bis 2004 studiert hatte, der Universität Hildesheim und der WAM Medienakademie Dortmund. Seit 2012 unterrichtet er den Musicalnachwuchs an der Hochschule Osnabrück. Was gibt er seinen Studentinnen und Studenten dort mit auf den Weg? »Ich möchte ihnen neben dem Handwerk insbesondere Respekt vor dem Genre und die nötige Ernsthaftigkeit mitgeben«, erklärt Rentmeister nun selbst ganz ernst. »Musical wird so oft als leichte Muse und als oberflächlich abgetan, dabei kann es so viel mehr sein.«

Was und wie das Genre sein kann, hat ihm unter anderen auch der Regisseur Stefan Huber vermittelt, den er 2003 beim Abschlussprojekt seines Studiums »kennen und schätzen gelernt« hat: »Bis heute eine der wichtigsten Erfahrungen, die ich auf der Bühne machen durfte.« Auch Eric Rentmeisters erste eigene Choreografie war für eine Huber-Inszenierung, 2009 bei Andrew Lloyd Webbers »Evita« in Dortmund. Die letzten Jahre hatte sich keine gemeinsame Arbeit ergeben – bis das Theater Heilbronn die beiden bei der Uraufführung der 68er-Show »Born to Be Wild?« wieder zusammen brachte. »Was mir am meisten Spaß macht«, freut sich Rentmeister, »ist es, immer wieder auf bekannte Gesichter zu treffen. In Heilbronn ist das Klima für mich inzwischen fast familiär. Das macht die Arbeit sehr angenehm.« Hat ihm die Show in der Show, die sich Stefan Huber und der musikalische Leiter und Arrangeur Kai Tietje für »Born to Be Wild?« ausgedacht haben, denn auch Herausforderungen bereitet? Eric Rentmeister lacht noch einmal schallend: »Mit den vielen Stufen unserer Showtreppe war es da schon mal knifflig. Aber ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis.«