AB Ins Theater!

Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.

KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA
KONICA MINOLTA DIGITAL CAMERA

Dieses Zitat aus Peter Stamms Roman Agnes beschreibt ziemlich treffend, was ich fühle, wenn ich an mein Abitur zurückdenke. Ohne Frage, eine nervenaufreibende und stressige Zeit. Und doch empfinde ich sie im Nachhinein als eine intensive Phase voller schöner Momente, geprägt von Zusammenhalt und Tatendrang. Mein Abi ist mittlerweile drei Jahre her, die Sternchenthemen für das Deutsch-Abitur sind aber immer noch dieselben wie damals. Homo Faber und Agnes –  diese zwei Werke gehören unter anderem zu der Pflichtlektüre für die Allgemeinbildenden Gymnasien. Im Rahmen meines Praktikums werde ich nun noch einmal mit dem Stoff konfrontiert, sitze zwischen Deutschkursen in der Vorstellung und dieses beflügelnde Abi-Feeling kommt tatsächlich noch einmal auf.

Los geht’s mit Homo Faber in der Pocketversion. 2013 habe ich dieses Stück im Großen Haus gesehen, mittlerweile gibt es die komprimierte Fassung in der BOXX. Kammerspielartig und auf das Wesentliche reduziert – eine perfekte Vorbereitung für die Schüler und eine perfekte Möglichkeit für mich, die Handlung, die Figuren und die Motive ins Gedächtnis zurückzurufen. Am gleichen Tag besuche ich zudem die Autorenlesung von Peter Stamm. Er sitzt – im behaglichen Bühnenbild des Komödienhauses von Der Vorname integriert – auf einem alten Plüschsessel und wird mit Fragen gelöchert. Dies ist die einmalige Gelegenheit, um das ein oder andere Geheimnis zu Agnes von ihrem Schöpfer höchstpersönlich lüften zu lassen.

Zusätzlich zu den „Frontaldarbietungen“ im Theater gibt es speziell für die Abiturienten kostenlose Theaterworkshops. So zum Beispiel  der Workshop zu Homo Faber in der Theaterwerkstatt im Wollhaus. Theaterpädagogin Katrin Singer verteilt laminierte Kärtchen, lässt die Schüler in die Rollen der Hauptfiguren schlüpfen und gibt Kontexte vor, in denen die Figuren nun miteinander interagieren sollen. Die zentralen Motive werden sowohl situativ als auch in Diskussionen interpretiert und das Hineinversetzen in den Stoff wird zum Gruppenerlebnis. Bei den Standbildern freuen sich sowohl die Darstellenden als auch die Zuschauer über die oft sehr originelle Umsetzung.
Nach diesen ganzen konstruktiven Vorbereitungsmaßnahmen bleibt nur noch, viel Erfolg für die im April anstehenden Prüfungen zu wünschen! Und falls so langsam Panik und Schrecken aufsteigen sollte, denkt daran, was Max Frisch einmal gesagt hat:
Die Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.

Patricia Heiss ist als Praktikantin für sechs Wochen am Theater Heilbronn und sammelt dort Erfahrungen im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie studiert an der Universität Mannheim im fünften Semester Kultur & Wirtschaft.

Warten auf den großen Auftritt

Eine Palme und ihre Geschichte

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Es war einmal eine majestätische Palme, die zwischen Plüschkissen, Nähmaschinen und großen Holzkisten in der Dekowerkstatt des Theaters auf den Auftritt ihres Lebens wartete. Sie war zwar noch sehr jung, führte aber  ein sehr unbekümmertes Leben. Allerdings fehlte ihr manchmal das Gefühl von gleißendem Licht auf ihren großen Palmenblättern. Und natürlich wünschte sie sich die Gesellschaft einer weiteren Palme, denn Palmen sind sehr ungern allein. Doch zum Glück sollte sie bald eine Palmengefährtin bekommen. Wenige Meter entfernt lagen die einzelnen Palmenteile aus flexiblem Tanzboden auf einem langen Tisch und Schöpferin Angelika Wagner hatte schon mit dem Verkleiden des Stamms begonnen. Allerdings hatten die Chefin der Abteilung und ihre Kollegen immer wieder etwas anderes zu tun, beispielsweise die Fertigstellung der Kulissen im Komödienhaus, und so wurde die Freundin der Palme einfach nicht fertig.

Ihrer Einzigartigkeit war sich die einsame Palme bewusst, war sie doch in mühevoller Kleinstarbeit und nach mehreren Skizzen, Schablonen und Modellen hergestellt worden um ab März eine ganz besondere Rolle in dem Kinderstück König und König zu spielen.  Passend für diesen königlichen Anlass war sie nicht in erdigem Grün gekleidet, sondern ihr Stamm erstrahlte in leuchtendem Rot. Dadurch würde sie sich später auf der Bühne von den anderen Farnen und Gesträuchen abheben. Ihre noch graue Blätterkrone hatte die Besonderheit, durch geschicktes Anstrahlen alle Farben des Regenbogens anzunehmen. Hinter den überlappenden Schichten des Stammes verbarg sich zudem eine bemerkenswerte Raffinesse – ein Stahlrohr, welches problemlos eine Hängematte mit zwei jungen Königen tragen konnte und tropischen Stürmen und tosendem Beifall trotzen würde, ohne sich zu verbiegen. Leider konnte sich die Palme deswegen auch nicht wie die anderen Schauspieler vor dem Publikum verbeugen, sondern blieb starr in ihrer Position. Doch so weit dachte sie noch gar nicht und da sie keinen Text auswendig zu lernen hatte würden die ersten Proben mit Palme wohl erst kurz vor der Premiere am 12. März stattfinden.

Und wenn die Palme bis dahin nicht vom Bühnenbildner gegen einen Apfelbaum eingetauscht wird, dann lebt sie Vorstellung für Vorstellung im Dschungel der Bühne. Und wer weiß, vielleicht wird sie sich in der Fantasie der Zuschauer doch im Wind wiegen können…

Autorin: Patricia Heiss

Jeton Nezijrajs »Die Windmühlen« für Kinder ab 10 Jahren rotieren ab 8. Januar 2017 in der BOXX

Kaleidoskop der (Un)Möglichkeiten

WAS TUN, wenn man ein Angebot erhält, das man nicht ablehnen kann?
WAS TUN, wenn ein Mensch, den man liebt, einen Traum hegt, dessen Erfüllung für einen selbst ein großes Opfer bedeutet?
WAS TUN, wenn man an der wohlmeinenden Fürsorge seiner Eltern zu ersticken droht?
WAS TUN, wenn plötzlich Schmetterlinge durch den Magen flattern?
WAS TUN, wenn man feststellt, dass auch Erwachsene nicht immer richtig liegen?
WAS TUN, wenn man sich plötzlich in einer Welt wiederfindet, die alles bisher Gekannte auf den Kopf zu stellen scheint?

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Aus Perspektive der zehnjährigen Gisela schickt das, extra für die Heilbronner BOXX entstandene, Gedankenspiel des kosovarischen Autors Jeton Neziraj Ensemble und Publikum durch eine Welt, die sich ohne den Filter des erwachsenen Vorurteils als weitaus weniger merkwürdig erweist als erwartet.
Ein Jahr und ein paar Monate sollen es sein, die man abseits der deutschen Heimat verbringen wird. Ziel der merkwürdigen Reise, im Zuge derer Vater Müller den Bau einer Windkraftanlage beaufsichtigen soll, ist UNMIKISTAN*.
10 Buchstaben, die innerhalb der Familie Müller völlig unterschiedliche Assoziationen wachrufen.
Während Vater Müller sich durch die hoffentlich erfolgreiche Umsetzung seines Auftrages bereits auf halbem Wege zum Nobelpreis sieht, stehen seiner Frau, der Juristin, beim Gedanken an eine völlig fremde Kultur mit sicherlich barbarischem Rechtsverständnis augenblicklich die Haare zu Berge – Karriere des Gatten hin, notwendige Entwicklungshilfe her.
Tochter Giselas Kopfkino hingegen, ist bei Aussicht auf ein solches Abenteuer kaum mehr zu bremsen. Was wäre, wenn sie das elterliche Verbot heimlich umgehen, die Welt jenseits des Gartenzauns entdecken und auf einen Jungen mit verschiedenfarbigen Augen treffen würde …?

*Hinter dem Ziel der merkwürdigen Reise der Familie Müller verbirgt sich nichts anderes als der Kosovo. Die sarkastische Bezeichnung UNMIKISTAN spielt auf den Umstand an, dass die Region seit 1999 unter Aufsicht einer Interims-Zivilregierung, der UNMIK (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) steht, deren Mitarbeitenden von kosovarischer Seite häufig Unregelmäßigkeiten, politische Willkür und sonstige Fehlverhalten vorgeworfen werden.

Familienforschung oder wie hundemüde Kinder zu aktiven Schauspielern werden

Ab dem 6. November, 15 Uhr,  steht eines der beliebtesten Kinderstücke der vergangenen Spielzeit wieder auf dem Spielplan der BOXX: „Wir alle für immer zusammen“ von Guus Kuijer. Darin geht es um die 11jährige Polleke, in deren Leben es gerade drunter und drüber geht. Ihre Mutter ist in den Lehrer verliebt, ihr Freund will nicht mehr mit ihr zusammen sein und auf den Vater ist sowieso kein Verlass. Ganz schön viel für eine 11-Jährige! Aber Polleke ist ein großartiges Mädchen, das mit Witz und Geradlinigkeit alle Probleme meistert. Parallel zu den Wiederaufnahmeproben der Schauspieler beschäftigten sich Kinder in den Herbstferien mit dem Stück und entwickelten ein eigenes Theaterspiel zum Thema Familie Praktikantin Alina Joy war beim  Familienforschungsprojekt in den Herbstferien dabei und schildert ihre ersten Eindrücke: Mittwochmorgen, ich werde an der Pforte des Theaters abgeholt und Lea Kaiser, eine der Theaterpädagoginnen des Theaters, führt mich durch ein Gänge-Labyrinth in Richtung BOXX.  Vorbei an vielen Türen, die wieder in spezielle Räume oder weitere Gänge führen. Ich helfe der Theaterpädagogin bei diesem Herbstferienprojekt, das sich mit dem Thema Familie befasst.  Das Ziel unserer Woche ist ein kleines Stück mit den Kindern, aber auch zu lernen wie man miteinander etwas erarbeitet. Die Kinder kommen und wollen gleich mit dem Theaterspielen anfangen. Doch genau wie „richtige“ Schauspieler bereiten sie sich erst einmal auf ihr Thema  und auf das schauspielerische Handwerk vor.  Zunächst werden verschiedene Aufwärm-Spiele gespielt um die Kinder „aufzuwecken“, denn da sie Ferien haben, sind sie alle noch etwas müde. Anschließend erklärt ihnen Lea, dass sie „Familienforscher“ sind und sich Fragen überlegen sollen die sie schon immer an Familien interessiert haben. Einige Fragen haben mich berührt, andere zum Schmunzeln gebracht: „Wieso streiten Eltern so oft?“ oder „ Warum sind Mama und Papa immer strenger als Oma und Opa?“ Am nächsten Tag dürfen wir bei den Proben von „Wir Alle für immer zusammen“ zugucken. Es ist total interessant die Schauspieler bei der Arbeit und auch von ihrer persönlichen Seite zu sehen. Anschließend sind die Kinder wieder dran. Singend und tanzend wärmen sie sich auf und dann heißt es endlich: „ Jetzt dürft ihr euch Szenen überlegen“. Nun können sie Theater spielen und gehen richtig auf in ihren Rollen auf. Natürlich gibt es auch Uneinigkeiten und kleine Auseinandersetzungen. Aber das gehört zur Theaterarbeit dazu. Je tiefer wir alle in das Stück einsteigen, umso mehr Spaß macht es, das kleine Schauspiel auf die Beine zu stellen. Am Ende der Probe sind die Kinder fast schon etwas traurig, dass die Zeit schon vorbei ist und sie nicht weiter das Stück entwickeln können. Die Ergebnisse des Familienforschungsprojektes werden am Freitag, 4. November, um 15 Uhr in der BOXX vorgestellt. Neues Familienformat: story|Boxx startet am 12. November Junge Theaterbesucher werden selbst zu Dichtern Übrigens sollten sich alle jungen Theaterfreunde den 12. November vormerken. Da steht noch einmal Polleke, die Hauptfigur des Stückes, im Mittelpunkt. Sie ist Dichterin. Aus diesem Grund startet am 12. November im Anschluss an die Vorstellung um 15 Uhr ein neues Familienformat für junge Theaterbesucher und ihre Eltern in der BOXX, in dem die Kinder selbst zu Dichtern werden können – die story|Boxx. Wie die Hauptheldin aus dem Stück können die Kinder in spielerischen Aktionen selbst Geschichten erfinden oder kleine dichterische Kunstwerke erschaffen. Außerdem wird mit Ausschnitten aus seinen anderen Büchern die Neugier auf weitere Polleke-Romane von Guus Kuijer geweckt. Anmeldung für die Vorstellungsbesuche und die story|Boxx unter 07131/563001 oder 563050

Keine Angst vor der Zukunft

Junges Theater stiftet Diskurs zwischen Heranwachsenden und gesellschaftlichen Entscheidungsträgern

Josip Juratovic (Mitglied des Bundestages) und Dr. Wolfgang Hansch (experimenta) im Gespräch
Josip Juratovic (Mitglied des Bundestages) und Dr. Wolfgang Hansch (experimenta) im Gespräch

„Wie lautet diesmal Ihr Urteil?“, fragt Theaterintendant Axel Vornam den Vorsitzenden Richter am Heilbronner Landgericht Roland Kleinschroth. „Sie werden verurteilt, diese Veranstaltung zu wiederholen und von nun an fest in Ihr Repertoire aufzunehmen“, sagt er Richter mit gespielt ernstem Blick. „Im Ernst“, ergänzt er: „Der Polit- Brunch ist ein tolles Format und ich bin auch beim nächsten Mal gern mit dabei.“

Bianca Sue Henne, der Leiterin des Jungen Theaters, und ihren Kolleginnen von der Theaterpädagogik fällt ein Stein vom Herzen. Zum ersten Mal haben sie das neue Format der future|Boxx ausprobiert,  ein unkonventionelles Begegnungsformat, mit dem zum einen das Junge Theater den Dialog mit seinem Publikum eröffnet und das zum anderen Jugendliche und erwachsene Entscheidungsträger aus der Region an einen Tisch bringt. Heranwachsende und gestandene Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft begegnen sich hier gleichberechtigt auf Augenhöhe und diskutieren über Themen, die die Jugendlichen umtreiben. Das Ganze bei einem leckeren Brunch mit einer reichen Auswahl an herzhaften und süßen Speisen – Gastronom Matthias Hornung hatte sich selbst übertroffen.

Viele wichtige Heilbronner Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen fanden die Idee spannend, als sie die Einladung erhielten, und hatten sich spontan bereit erklärt mitzumachen. So kamen, neben Richter Kleinschroth, auch Josip Juratovic, Mitglied des Bundestages für die SPD; Roland Häussermann, Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfgesellschaft Ernst & Young in Heilbronn; Uwe Ralf Heer, Chefredakteur der Heilbronner Stimme; Roswitha Keicher, Leiterin der Stabsstelle für Partizipation und Integration der Stadt Heilbronn; Agnes Christner, erste Bürgermeisterin von Heilbronn; Dr. Wolfgang Hansch, Geschäftsführer des Science Centers Experimenta; Dr. Michael Krötz, Facharzt für Radiologie, Susanne Eicher vom Schulamt Heilbronn, Charlotte Mischler, Kulturamtsleiterin; Nadine Ratz von der Stadtbibliothek Heilbronn; Marlene Neumann vom Welcome Center Heilbronn-Franken; Jakob Dongus, stellvertretender Landesvorsitzender der Jusos; sowie Uta Koschel, Chefregisseurin, und Andreas Frane, Chefdramaturg des Theaters Heilbronn.
Bereits am Nachmittag vorher hatten sich die Jugendlichen getroffen, um gemeinsam ihre brennendsten Zukunftsfragen zu diskutieren und herauszuarbeiten, worüber sie am nächsten Tag reden wollten. Sie einigten sich auf Themenfelder wie Leistungsgesellschaft, Krieg, Konsum, Freiheit, Musik und Heilbronn.

Warum verdienen Leute, die unser Geld verwalten, mehr als Menschen, denen wir unsere Kinder und unsere Großeltern anvertrauen? Diese Frage wurde am „Konsum“- Tisch diskutiert. Was kann man tun, um diese Ungerechtigkeit abzuschaffen? Schnell landete die Runde an diesem Tisch bei TTIP und bei der Rolle der USA in der Weltpolitik.
Sehr viel konkreter ging es am Heilbronn-Tisch zu: Wie schaffen wir es, Alkoholikern und Drogensüchtigen zu helfen und sie nicht als Aussätzige der Gesellschaft zu betrachten? Oder warum ist die Radwegesituation in Heilbronn so schwierig?

Am Musiktisch ging es unter anderem um illegale Downloads und darum, dass man Musik noch besser ins gesellschaftliche Leben integrieren könnte, um für gute Laune zu sorgen.
Gibt es Freiheit ohne Regeln? Sollte man Menschengruppen mit Regeln oder lieber über Wertevermittlung führen?
Wie kann die Schule besser aufs Leben  und auf die Berufsfindung vorbereiten?

Wie können Medien erreichen, dass sich die Menschen wieder mehr für Fakten als für emotionalisierte und personalisierte Skandale interessieren? Wie kann man den Leuten nahebringen, dass es auch in der Flüchtlingsfrage keine einfachen und schnellen Lösungen gibt? Was ist Wohlstand? Was macht die digitale Revolution mit den Arbeitsplätzen? Wird es irgendwann den stationären Handel noch geben oder geht alles nur noch online? Wie kann man das Tempo im Alltag drosseln?

Nicht die Erwachsenen, die Jugendlichen gaben die Themen vor. An insgesamt sechs Tischen hatten sie gemeinsam in gemischten Gruppen Platz genommen. „Für mich war es überraschend, dass wir wirklich auf Augenhöhe diskutiert haben“, schrieb eine der  Jugendlichen als ihr Fazit an die Pinnwand. Ein anderer resümierte, dass er verblüfft war, wie interessant politische Gespräche sein können.

Agnes Christner (Sozialbürgermeisterin der Stadt Heilbronn) und Chefregisseurin Uta Koschel beim politBrunch
Agnes Christner (Erste Bürgermeisterin der Stadt Heilbronn) und Chefregisseurin Uta Koschel beim politBrunch

Dass die Unterhaltungen sehr angeregt verliefen wurde deutlich, als keiner der future|Boxx-Teilnehmer die Veranstaltung nach dem offiziellen Ende verlassen wollte, sondern dass alle weiter redeten. „Der Ruf der Jugend, sie sei desinteressiert und denke nur an sich, ist nicht gerecht“, findet Josip Juratovic bestätigt. Einige Jugendliche wollen von ihm künftig im wöchentlichen Newsletter über seine Bundestagsarbeit informiert werden – ein Schritt zu einem Punkt, der den Heranwachsenden sehr wichtig ist: Transparenz in der Politik.
Dr. Wolfgang Hansch nimmt für sich als Fazit mit: „Man sollte Jugendlichen mehr zuhören und weniger selbst reden. Denn es ist ihre Zukunft, die wir heute gestalten.“
Auch Themenwünsche für die nächste future|Boxx wurden festgehalten: Globalisierung, gesellschaftliche Partizipation, Heimat, Gleichberechtigung, Sicherheit, soziale Ausgrenzung … Alle Teilnehmer wollen auch beim nächsten Mal wieder dabei sein.

Das Junge Theater sammelt die Gedanken, die an diesem Tag ausgetauscht wurden, und hat schon erste Ideen, wie sich zumindest einige der Themen im Spielplan für die Saison 2017/2018 wiederfinden können.

Eine Woche am Jungen Theater Heilbronn gegen Rechtsextremismus

Robin Brodt von der Landeszentrale für politische Bildung
Robin Brodt von der Landeszentrale für politische Bildung

 

Die Zahlen sprechen für sich. Politisch motivierte Straftaten nehmen zu. Waren es 2013 in Baden-Württemberg 925 stieg die Zahl 2015 auf 1604. Allein 1408 Straftaten in 2015 hatten in Baden-Württemberg einen rechtsextremen Hintergrund. Mit Stand 20. Oktober dieses Jahres wurden die ohnehin schon hohen Zahlen des Vorjahres im Bereich Angriffe auf Asylsuchende übertroffen. Gab es 2015 vier verletzte Asylsuchende in Baden-Württemberg, sind es bis zum 20. Oktober 2016 schon 28. Doch diese Zahlen, die Robin Brodt von der Bundeszentrale für politische Bildung in seinem Eröffnungsreferat über „Die extreme Rechte in Baden-Württemberg“ nannte, sind nur die Spitze des Eisberges. Rechtsextreme sind nicht mehr so einfach zu erkennen und sie agieren nicht mehr am Rand der Gesellschaft. Rechtspopulistische Strömungen verkünden ihre Propaganda auf Demonstrationen und Wahlveranstaltungen – PEGIDA und ihre Ableger in den verschiedenen Regionen Deutschlands und die neue Partei AfD polemisieren laut gegen Flüchtlinge und eine angebliche Überfremdung Deutschlands und sammeln Kräfte aus allen sozialen und intellektuellen Schichten. Die jüngst erschienene Mitte-Studie 2016 der Universität Leipzig unter der Überschrift „Die enthemmte Mitte“ zeigt, wie weit antidemokratisches und rechtsextremes Gedankengut in den Köpfen verbreitet ist: Jeder Zehnte wünscht sich einen Führer, der das Land zum Wohle aller mit starker Hand regiert. Elf Prozent der Bürger glauben, dass Juden zu viel Einfluss haben. Zwölf Prozent sind der Ansicht, Deutsche seien anderen Völkern von Natur aus überlegen.

„Wir haben das Gefühl, dass in der Gesellschaft etwas brennt“, sagt Bianca Sue Henne, die Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn. „Wir wollen und müssen dazu Stellung beziehen.“ Deshalb steht die Inszenierung „Kriegerin“ nach dem gleichnamigen Film von David Wnendt auf dem Spielplan, die eindringlich zeigt, welches Verführungspotential rechte Ideologien für Jugendliche haben können, wie sie sich radikalisieren, aber auch, was passiert, wenn sie den Ausstieg versuchen. Vom 24.-28. Oktober hat das Junge Theater eine ganze Themenwoche rund um die Inszenierung „Kriegerin“ gestrickt, die weit über das ohnehin schon große theaterpädagogische Programm zum Stück hinausgeht. Die jugendlichen Theaterbesucher absolvieren jeweils vor den Vorstellungen einen Workshop. Im Anschluss an die Vorstellungen gibt es Nachgespräche mit den Darstellern und den Theaterpädagogen. Außerdem finden drei ganztägige Workshops der Landeszentrale für politische Bildung unter der Überschrift „Planspiel Soundcheck“ statt. Hier geht es um die „Einstiegsdroge“ rechtsradikale Musik, die mit eingängigen Rhythmen über Ohr und Emotionen mit ihren Texten den Weg direkt ins Hirn der Jugendlichen findet.
Robin Brodt beschreibt, dass die Schulhof-CDs mit rechtsextremer Musik, immer noch gratis unter Heranwachsenden verteilt werden und sich vordergründig gegen „Pauker und Spießer“ richten um unterschwellig das rechte Gedankengut in die Köpfe zu pflanzen. Rechte nutzen darüber hinaus ihr ehrenamtliches Engagement in Sportverbänden oder engagieren sich in Elternvertretungen.

Rund 1800 Personen gehören in Baden-Württemberg zur organisierten rechtsextremen Szene. Den aktivsten Kreisverband der NPD habe die Region Heilbronn-Franken, erklärt der Referent. Darüber hinaus entwickeln sich weitere Strömungen wie die Identitäre Bewegung, die aus Frankreich kommt. Deren Mitglieder gerieren sich nicht als Nazis, aber als Verteidiger der deutschen bzw. der abendländischen Kultur. Auch unter dem Deckmantel der Verteidigung konservativer Werte sammeln sich viele Gruppierungen mit rassistischen, völkischen und demokratiefeindlichen Ansichten.

Der Referent verwies aber auch auf die vielen Kräfte, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren und Menschen, die aus der Szene austeigen wollen:

Von der tiefen Klugheit der Kinder

Bianca Sue Henne ist die neue Leiterin des Jungen Theaters

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Zum Abschied aus Nordhausen hat Bianca Sue Henne von ihren Kollegen unter anderem eine orangefarbene Maus geschenkt bekommen. Ja, DIE Maus, aus der »Sendung mit der Maus«. Nicht nur weil die neue Leiterin des Jungen Theaters Heilbronn eine leidenschaftliche Sendung-mit-der-Maus-Guckerin ist, sondern weil sie auch den Maus-Türöffner-Tag am Theater Nordhausen installiert hat. Dieses Ereignis auch nach Heilbronn zu holen, ist eine ihrer ersten Amtshandlungen an ihrer neuen Wirkungsstätte. Am 3. Oktober 2016 lädt das Junge Theater Heilbronn erstmals zum Maus-Türöffner-Tag und damit die kleinen Besucher zu einem aufregenden Blick hinter die Kulissen ihres Theaters ein – Anmeldungen ab September über die Internetseiten der »Sendung mit der Maus«. Die 38-jährige mit dem roten Lockenkopf freut sich schon auf die neugierigen Fragen und die klugen Kommentare der Knirpse, wenn sie ganz aus der Nähe erleben, wie ein Theaterstück entsteht.

Theater für Kinder und Jugendliche zu machen, ist für sie eine Herzensangelegenheit, die sich im Laufe der letzten Jahre manifestiert hat. Dass sie überhaupt ihren Weg ans Theater finden würde, war in ihrer Jugend keineswegs abzusehen. Ihr Vater ist Schlosser, die Mutter Wirtschafterin, kulturelle Bildung spielte im Elternhaus keine große Rolle. »Aber ich hatte so einen Hunger danach«, sagt Bianca Sue Henne, der in der 20 000 Einwohner zählenden Stadt Brilon im Sauerland kaum befriedigt werden konnte. Sie lernte Flöte und Gitarre und finanzierte sich mit Nachhilfestunden selbst den Gesangsunterricht bei einer ehemaligen Opernsängerin der Staatsoper unter den Linden. Doch für ihren großen Traum, selbst Opernsängerin zu werden, hatte sie viel zu großes Lampenfieber, das sich sofort auf die Stimme setzte. Also suchte sie einen anderen Weg zur Bühne und studierte Theaterwissenschaft, Komparatistik und Philosophie in Bochum und lernte Theater zu gucken und darüber zu sprechen. Nebenbei arbeitete sie in unterschiedlichen Funktionen an Theatern. Sie leitete ein Theaterprojekt mit türkischen Jugendlichen, absolvierte Dramaturgiehospitanzen am Schauspielhaus Bochum, arbeitete als Regieassistentin beim ppp Musiktheaterverein, der sich auf Wiederentdeckungen romantischer Opern spezialisiert hatte, war Regieassistentin an der Kammeroper Köln und beendete nebenbei ihr Studium als Magister.

Ihr erstes Festengagement führte sie dann 2006 als Theaterpädagogin ans thüringische Theater Nordhausen. »Ich kam in eine Stadt, die gerade um den Erhalt des Theaters kämpfte. Viele Leute gingen auf die Straße, weil sie es wichtig fanden, ein Theater zu haben, auch wenn sie selbst nicht hingingen. Jetzt, zehn Jahre später, gehen sie alle.« In dieser Dekade leistete Bianca Sue Henne dort eine große Aufbauarbeit im Kinder- und Jugendbereich, nicht nur als Theaterpädagogin, sondern auch als Dramaturgin und Regisseurin. Ihre erste Inszenierung war »Moby Dick«, ein Stück, in dem es eigentlich keine Frauenfiguren gibt, gespielt von zwei Damen, erzählt sie lachend. Bald schrieb sie ihr erstes Stück »Die kleine Meerjungfrau« in einer Fassung für zwei Schauspielerinnen, eine Sängerin und eine Harfe. Weil es so wenig zeitgenössische Musiktheaterstücke für junges Publikum gibt, schrieb sie eigene Opern für Kinder wie »Kannst du pfeifen, Johanna«, die nach Nordhausen jetzt auch in Augsburg gespielt wurde, und für junge Erwachsene »Bonnie und Clyde«, die in der kommenden Spielzeit in Nordhausen Premiere haben wird. Sie absolvierte eine Zusatzqualifikation als Figurentheaterspielerin und integrierte das Puppenspiel mit in die Angebote für Heranwachsende. Drei Jahre lang spielte sie ihr Stück »Der Luftballonverkäufer« von Roberto Frabetti. Ihr Steckenpferd sind genreübergreifende Projekte wie zuletzt »Die Tänzerin von Auschwitz«, eine Inszenierung für zwei Tänzer und zwei Puppenspieler, die von der Kulturstiftung des Bundes unterstützt wurde, und mit der sie sich jetzt aus Nordhausen verabschiedet hat.
Die Stellenausschreibung von Heilbronn kam für sie zu einer guten Zeit. »Mein nächstes künstlerisches Ziel war es, eine junge Sparte zu leiten« erzählt sie. Dass es diese Sparte gibt, weil sie sehr gewollt ist und gerade erst gegründet wurde, und nicht, weil sie seit alters her dazu gehört, ist ein zusätzliches Argument gewesen, sich für Heilbronn zu bewerben. Tatsächlich mag sie das Schwäbische, die Landschaft mit den Weinbergen, die sogar vom Stadtzentrum aus zu sehen sind, die Größe der Stadt, die alles bietet und trotzdem gemütlich ist. Die Arbeit von Intendant Axel Vornam kannte sie noch aus seiner Zeit in Thüringen und hat sie aus der Ferne auch in Heilbronn verfolgt.

Schon in ihrer Bewerbungsphase hat sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Patrick Jech, einem Figurentheaterspieler, die Stadt Heilbronn erkundet und versucht, ihren Geist zu erspüren. Sie hat sich über die wichtigsten Ansprechpartner in allen Bereichen informiert, um später Kontakte für das Junge Theater knüpfen zu können.
Dialog mit den Zuschauern ist ihr wichtigstes Stichwort. Sie meint damit einen Dialog, der weit über die bekannten Publikumsgespräche hinausgeht. In der future|BOXX möchte sie gemeinsam mit ihrem Publikum die Themen erkunden, die auf den Nägeln brennen und diese in den Spielplan aufnehmen. Gesellschaftliche Mitbestimmung fängt nicht erst im Wählalter an, sagt sie.
Für ihre Art von Theater braucht sie Mitstreiter, die sich bewusst für die herausfordernde Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entscheiden. »Wer Kindern und Jugendlichen einen gleichberechtigten Dialog anbietet, wird Erstaunliches erleben«, sagt sie. »Kinder lassen großzügig an ihrer Sicht auf die Welt teilhaben, zu der der Zugang für Erwachsene sonst schwer ist. Ihre Weltsicht weicht von unserer ab, und diese Reibung erzeugt Komik, aber wer sich wirklich auf die Erklärungen des Kindes einlässt, wird feststellen, dass seine Welt sehr logisch aufgebaut ist, was für eine tiefe Klugheit spricht. Und Jugendliche sind bereit, sich zu öffnen, wenn sie merken, dass es wirklich um sie geht, dass sie gefragt sind und ihre Antwort zählt. Das gilt auch für die Kommunikation zwischen Bühne und Zuschauerraum.«

»Wir sind schon längst im freien Fall«

»Kriegerin« ab dem 24. September in der BOXX

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Für Marisa ist klar: »Wir sind keine Nazis. Wir sind rechts, das stimmt. Wir mögen Deutschland, das stimmt auch. Wir mögen Deutschland gerne deutsch.« Eben noch pöbelte sie mit ihren Leuten – allen voran Marisas Freund Sandro – gegen die in ihrer Stadt untergebrachten Geflüchteten und fährt in einem Anflug exzessiver Gewalt die afghanischen Brüder Rasul und Jamil mutwillig mit dem Auto an. Die darauf folgenden Ereignisse holen sie unvermittelt ein. Denn Rasul steht plötzlich im Supermarkt vor ihr und lässt sich nicht abschütteln. Zur selben Zeit steigt Svenja, fasziniert von den archaischen Ritualen und Parolen, immer tiefer in die rechte Szene ein. So stehen sich nicht nur Marisa und Rasul gegenüber, plötzlich sieht sich Marisa auch mit Svenjas Radikalisierung konfrontiert, die der ihren ähnlich und damit ein Spiegel ihrer bisherigen Einstellung ist. »Wir rasen nicht einmal mehr auf den Abgrund zu. Wir sind schon längst im freien Fall«, weiß Marisa.
»Auch wer lange in der rechten Szene drinsteckt, hat nicht jede Menschlichkeit verloren. Da darf man auch niemanden aufgeben.« David Wnendt, Regisseur des ausgezeichneten Kinofilms »Kriegerin«, ließ es nicht bei dieser Überlegung bewenden. Noch im Erscheinungsjahr des Films 2012 bezog Wnendt Stellung zur Frage, ob die Demokratiefeindlichkeit in der breiten Bevölkerung zunehmend auf fruchtbaren Boden falle: »Es gibt Umfragen, die besagen, dass mittlerweile über die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland der Demokratie skeptisch gegenüber steht. Das sind alarmierende Zahlen. Das parlamentarische System verliert zunehmend an Rückhalt. Die Rechtsextremen sind nicht vollkommen isoliert. Ihre Kritik am System findet auch Anklang bei normalen Bevölkerungsschichten.« Belege dafür liefern nicht zuletzt die seit 2014 anhaltenden Aufmärsche von Pegida und die Montagsmahnwachen, die sich als sogenannte »Volksbewegungen« präsentieren. Die Demonstrierenden bringen dort ihre gefühlte Bedrohung durch Flüchtlinge,  den Islam oder auch eine jüdisch-amerikanische Weltverschwörung zum Ausdruck. Auch wenn die Zahlen der Demonstranten derzeit rückläufig sind, die propagierten Inhalte bleiben öffentlichkeitswirksam. So ergab die aktuelle Mitte-Studie der Universität Leipzig von 2016, dass jeder und jede zweite Deutsche in diesem Jahr angab, sich »wie ein Fremder im eigenen Land« zu fühlen und das nachweislich über 40% der Befragten Muslimen und Muslimas die Zuwanderung nach Deutschland untersagen wollen. Immer noch werden diese Ergebnisse vielerorts als vermeintlich unerwarteter »Rechtsrucks in Deutschland« beschrieben; etwa, dass 21,9% der Aussage beipflichten, dass Deutschland jetzt eine einzige starke Partei brauche, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpere, 32,1% die Ansicht teilen, die Ausländer kämen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen und noch immer 12% der Befragten der Aussage voll zustimmen, dass die Deutschen anderen Völkern von Natur aus eigentlich überlegen seien. Tatsächlich aber werden dadurch die faktischen Entwicklungen der mindestens letzten 25 Jahre innerhalb Deutschlands und Europas verschleiert.
Ohne kategorische Antworten zu liefern, zeigt »Kriegerin« die tiefsitzenden Ängste vor dem vermeintlich Anderen. Einerseits lässt sich das Verführungspotenzial rassistischer Gesinnungen durch die theatrale Bearbeitung einmal mehr zur Diskussion stellen, andererseits aber auch die oft unterstellte Unmöglichkeit, eine Veränderung der Wahrnehmung und eine Empathie für den Anderen hier als eine Möglichkeit erfahren.
Nach »Krieg – Stell dir vor, er wäre hier« eröffnet Adewale Teodros Adebisi die Spielzeit 2016/2017 in der BOXX mit seiner Inszenierung von »Kriegerin«. Die Ausstattung übernimmt Gesine Kuhn, die bereits für »Krieg – Stell dir vor, er wäre hier« und »Die Werkstatt der Schmetterlinge« Bühne und Kostüme entworfen hat.

Aus der Fantasie der Kinder wird „Die Entstehung von Gut und Böse“

Langeweile in den Ferien? Auf keinen Fall, denn in der Woche vom 17. -20. Mai gab es wieder das Pfingstferienprojekt mit Kindern aus Heilbronn und Umgebung. Unter der Leitung von Natascha Mundt, Christina Rieth und Rebecca Nick sollten die Kinder in dieser Woche versuchen, ein Stück auf die Beine zu stellen, was am Ende der Woche die Eltern vorgeführt bekommen. Als Inspiration schauten wir uns zuallererst am Dienstag das Stück „Werkstatt der Schmetterlinge“, in dem es um junge Erfinder geht, in der BOXX an. Anschließend lernten wir uns erst mal kennenlernen und das erste Brainstorming wurde betrieben. Welche Figuren gab es in dem Stück? Welche Tiere gab es? Was für Eigenschaften hatten die Figuren? In den nächsten Tagen machten wir gemeinsam immer wieder Übungen mit den Kindern, welche als Vorbereitung für das Schauspielen helfen sollen. Dazu übten die Kinder Techniken wie lautes Reden auf der Bühne oder Improvisation mit den Requisiten. Durch die Improvisation erfanden die Kinder zum Beispiel aus den „Zutaten“: Buch, Muschel und Helm eine Zeitmaschine. Anschließend wurden die ersten Vorschläge für das eigene Stück überlegt, welche nicht gerade wenig waren. Wir versuchten alle Ideen und Vorschläge der Kinder einzubauen. Ein Krimi mit einer Entführung, ganz viel Spannung aber auch eine Geschichte über Freundschaft war daraus entstand mit dem Titel: „Die Entstehung von Gut und Böse“. In diesem Stück geht es um drei gute Erfinder und ihre drei Freunde, welche von den drei bösen Erfindern entführt werden, denn sie wollen, dass das Böse die Welt beherrscht. Dagegen kann nur ein zauberhaftes Wesen helfen, das alle in seinen Bann zieht. Deshalb bekommen die drei guten Erfinder von den drei weisen Alten den Auftrag ein Insekt zu erfinden, welches so gut fliegen kann wie ein Vogel und so schön ist wie eine Blume, um die bösen Erfinder zu schlagen und ihre Freunde zu befreien. Die Ferienkinder fanden die Idee super. Also ging es sofort los die Rollen einzuteilen. Obwohl fast alle auf der guten Seite sein wollten, konnte durch paar Runden Schnick Schnack Schnuck entschieden werden, wer die drei guten Erfinder spielen darf. Letztlich konnten wir die Kinder aber auch davon überzeugen, dass die bösen Helden auch sehr spannend sind. Damit die Figuren auch einen eigenen Charakter entwickeln, sollten sich die Kinder zu verschiedenen Gefühlen und Situationen überlegen, wie ihre Figur dabei aussieht und reagieren würde. Anschließend wurden in den Gruppen die Szenen, die das Stück füllen, vorbereitet und natürlich fleißig an Text und Ablauf geübt. Für das Stückende haben die Kinder auch noch ganz viele Schmetterlinge gebastelt, die die Familien bekommen sollten. Am Premierentag wurde nochmal intensiv geprobt, und bei einigen Kinder stieg die Aufregung. Doch bevor es losging gab es für alle noch ein gemeinsames Mittagsessen, bei dem jeder sich nochmal ausruhen konnte, aber dann ging es auch schon los. Die Premiere war ein super Erfolg und den Familien hat es auch sehr gefallen. Die Kinder waren froh, dass alles so gut geklappt hat, und wir waren es auch. Wir und die Kinder hatten in dieser Woche viel Spaß zusammen und hoffen dass es nächstes Jahr wieder so toll wird.
Rebecca Nick, 
7 Jahre, Auszubildende als Foto- und Medientechnische Assistentin, Praktikantin für 4 Wochen im Theater Heilbronn

„Später ist bald vor gleich und kurz vor dann“

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„Sind wir endlich da? Oh nee, so lange noch!“ Eine typische Szene, die jeder mit Familie kennt. Man fährt mit dem Auto in Urlaub, nehmen wir mal an, es geht an den Bodensee. Eine Fahrt von knapp zwei Stunden, für Erwachsene eine gut auszuhaltende Zeitspanne, für Kinder dennoch eine quälend lange Zeit.

Weshalb verfliegt die Zeit manchmal wie im Flug? Gerade in den schönsten Momenten scheint sie viel zu schnell vorbei zu sein. Andererseits kann sie sich auch unerbittlich in die Länge ziehen, oftmals in Situationen, in denen man eigentlich schnell weg möchte. Das Phänomen der Zeit beschäftigt uns schon immer. Kann es sein, dass sie uns in gewissen Fällen auszutricksen vermag?

„Bis später“ heißt das Stück des Autoren Bernhard Studlar für Kinder ab vier Jahren. In der BOXX wird das Stück von Anne Tysiak inszeniert werden, ihr Debüt als Regisseurin.

Drei Darsteller repräsentieren drei Charaktere, die jeder so schon mal im echten Leben erlebt hat. Die Weggeherin, dezente Bluse, Rock und Ledertasche. Sie ist eine, die immer früh aufsteht, Frühsport treibt und pünktlich zur Arbeit erscheint. Ihre Lebenslust will sie auf ihren Partner übertragen, den Hierbleiber. Der will aber so überhaupt nicht dabei mitmachen und kommt nicht aus den Federn. Er besitzt auch keinen Job. Wie stellt man sich denn so eine Person vor? Na klar, verschlafene Augen und er trägt den ganzen Tag eine Jogginghose.

Die Weggeherin ist in Eile und muss zur Arbeit, da entschließt sich der Hierbleiber erst aufzustehen. „Bis später“ sagt sie zum Abschied. Doch in welchen Zeitrahmen kann man dieses „Bis später“ setzen? Ist es in ein paar Stunden, erst in einem Jahr oder nur noch einmal schlafen? Selbst dem Hierbleiber wird dieses quälende Warten irgendwann zu langweilig. Welch ein Glück, dass die Spaziergängerin ihm alsbald Gesellschaft leistet. An der Spaziergängerin erkennt man sofort ihre innige Beziehung zur Natur.

Sie wird durch die eigens konstruierte Zeitmaschine angeblich 140 Jahre in die Zukunft versetzt. Der Hierbleiber legt sie aber nur herein. Die Zeitmaschine ist liebevoll aufgebaut. Ein altes Fahrrad, das eigentlich zu nichts mehr taugt, lässt die Maschine über einen Seilzug anspringen. Die rotierenden Blätter, an deren Enden zum Beispiel eine alte Kinderschaufel befestigt ist, drehen sich in einem Tempo, dass einem fast schon schwindelig werden kann.

Was gemerkt? Gegenstände, die schon aus unserem Zeitzyklus herausgegangen zu sein scheinen, aber in der Zeitmaschine eine neue Funktion erlangen und so in den Zyklus zurückkehren. Der Hierbleiber bleibt in einem Zeitloch stecken. Diese Szene wird über einen Kriechtunnel überaus witzig inszeniert. Die Weggeherin und Spaziergängerin schaffen es aber, den Hierbleiber aus seinem Zeitloch zu befreien.

Das Stück bietet allerlei schöne Momente. Selbst eingespielte Musikeinlagen mit E-Gitarren, Blechtonnen und Styroporröhrchen sorgen für eine wunderschöne Atmosphäre, gerade für die Kleinsten. Doch für die Erwachsenen bietet die Inszenierung ebenfalls einigen Stoff zum Nachdenken über das Zeitphänomen. Denn selbst für sie ist und bleibt es ein ungelüftetes Geheimnis.

Was sind eigentlich die 55 Minuten Vorstellungsdauer? So viel sei verraten: Sie gehen viel zu schnell vorbei.

Könnte Max Ehrenfeld noch einmal Kleinkind sein, er würde seine Eltern dazu zwingen, mit ihm in dieses Stück zu gehen. Max ist für drei Monate Praktikant am Theater Heilbronn in der Presse und Öffentlichkeitsarbeit.