Lampenfieber? Ade!

Mächtiges Lampenfieber vor Schulreferaten oder bei Vorträgen auf der Arbeit vor dem Chef. Das ist völlig natürlich und kann wohl niemand abstellen. Mit raffinierten Übungen und Tricks können wir alle aber zum selbstsichersten Vortragshalter der Welt werden! Doch wie kann man das genau anstellen, selbstsicherer aufzutreten? Der Theaterpädagogik-Workshop unter der Leitung von Katrin Singer steht deshalb unter dem Motto „Stimme, Wirkung, Präsenz“. In einer kleinen gemütlichen Runde in der Theaterwerkstatt im Wollhaus stellen sich die TeilnehmerInnen vor, Erzieherinnen und Erzieher, die viel mit kleinen Kindern zu tun haben. Diese öden Vorstellungsrunden sind doch aber mittlerweile überall zu finden. Aus diesem Grund peppt Katrin das Ganze auf und wir bilden einen Stimmkreis. In der ersten Stufe rufen wir unserem Partner rechts von uns mit viel Elan den Namen zu. So geht es in einem immer schnelleren Rhythmus immer weiter und weiter. Schon bald werden unsere Namen durch „Whiskeymixer“ und „Wachsmaske“ eingetauscht. Wer sich im Trommelfeuer der Wörter verhaspelt darf eine Ehrenrunde um den Kreis rennen, wie beim Kinderspiel „Blinde Kuh“. So verfliegen schon schnell die anfänglich vorhandene Nervosität und die Blockade in den Köpfen. Hinter allen Übungen steckt selbstverständlich auch ein Sinn. Ohne Mimik und Gestik kann man seiner eigenen Stimme keinen Ausdruck verleihen, sie bleibt inspirationslos, keiner möchte uns zuhören. Es wird geradewegs langweilig. Mimik und Gestik sind zwei wichtige Voraussetzungen für ein konstruktives Gespräch zwischen zwei Personen. Doch was gehört noch dazu? In Gruppen notieren sich die TeilnehmerInnen, was in einem Gespräch wichtig ist und dazu gehört. Neben einer angemessenen Körperhaltung ist der direkte Blickkontakt essentiell. Er signalisiert dem Gesprächspartner Interesse. Die Sprechgeschwindigkeit und die Lautstärke sind ebenfalls unmissverständliche Grundpfeiler. Sie sollten an die jeweilige Person beziehungsweise Situation angepasst werden. Einzig und allein mit unseren Blicken können wir schon sehr viel über uns verraten oder eine andere Person zum Beispiel einschüchtern, sie kleiner machen, uns unrechtmäßig über sie stellen. Um das zu verdeutlichen stellen wir uns gegenüber auf, jeder hat einen Blickkontaktpartner. Dann schauen wir uns mal gegenseitig abschätzend, aggressiv, vorwurfsvoll und arrogant an. Nicht ganz einfach, quasi auf Knopfdruck einen bestimmten Blick zu imitieren, doch alle meistern diese Übung mit Bravour. Der eine oder andere ist selbst über sich verwundert, wie schnell er oder sie so offen und mutig auftreten kann, und da ist noch nicht einmal die Hälfte des Workshops vorbei. Katrin Singer erklärt, dass es sogenannte „Hoch- und Tiefstatus“ gibt. Die Brust rausdrücken, ein offener Blick, das ist ein Hochstatus. Schüchterne Blicke ins Leere, eine zusammengekauerte Körperhaltung verdeutlichen hingegen einen Tiefstatus. Riesiger Spaß und viel Gelächter bahnt sich an. Die Teilnehmer sollen den Gang eines anderen Teilnehmers imitieren. Vielen fällt es sofort auf, wer sich selbst imitiert. Manche sind überrascht, da sie nicht wussten, dass bestimmte Merkmale ihres Ganges so prägnant sind. Die nächste Übung besteht darin, Gefühle zu spiegeln. Es werden zwei Gruppen gebildet. Die Gruppe, die gerade keine Gefühle spiegeln muss, soll die Gefühlslage der anderen möglichst exakt erraten. Das klappt erstaunlich gut. Wir erfahren, dass unsere innere Haltung immer zu sehen ist, zum Beispiel, wenn man einen Raum betritt. Eine neutrale Haltung gibt es nicht. Wer das versucht, kommt sehr negativ rüber und zeigt den anderen, dass man mit ihnen nichts zu tun haben möchte. Eine kleine Übung, die jeder vor einem Vortrag machen kann, gibt uns ein Gefühl der Selbstsicherheit. Die sogenannten „Powergesten“ verändern unseren Testosteronspiegel. Einfach vor dem Spiegel ausprobieren, Arme ausstrecken, die Siegerpose machen, das hilft Wunder. Nach einem langen, aufschlussreichen und lustigen Tag soll jede und jeder einen kleinen Vortrag halten. Das Thema kann frei erfunden oder wirklich so passiert sein. Und siehe da, wir bekommen neun unglaublich schöne und frei vorgetragene Geschichten zuhören. Alle sind selbst überrascht, wie selbstsicher sie nach fünf Stunden Workshop geworden sind. Lukas, einer der Teilnehmer, nimmt persönlich sehr viel mit nach Hause. „Einige neue Sachen durfte ich erfahren. In meiner Arbeit mit kleinen Kindern werden mir meine neuen Fähigkeiten sicher weiterhelfen, bei vielen Kindern einen kühlen Kopf zu bewahren.“ Max Ehrenfeld war nicht nur Zuschauer, sondern selbst Teil des Workshops und hat einige neue Erfahrungen mitgenommen, die in der Zukunft sehr nützlich werden können. Er ist für drei Monate Praktikant am Theater Heilbronn in der Presse und Öffentlichkeitsarbeit.

Über Stimme, Sprache und Selbstbewusstsein

Die Auszubildenden der Kreissparkasse Heilbronn auf Exkursion in der Theaterwerkstatt

Workshop Sparkasse

„Hey! Heeey! You. You! Hey!“, schallt es laut durch die Theaterwerkstatt im Wollhaus, während von draußen der Regen an die Scheiben klopft. Mal klingt ein Ausruf ganz hoch, mal lässig und entspannt oder sehr fordernd, fast angriffslustig. Dreizehn Auszubildende der Sparkasse Heilbronn, die beiden Theaterpädagogen Katrin Singer und Ramona Klumbach und ich stehen im Kreis. Wir rufen uns „hey“ oder „you“ in einer bestimmten Reihenfolge zu. Dabei richten wir unseren Ausruf gezielt auf den oder die Nächsten. Blick und Arm fokussieren den Ansprechpartner und dann wird laut und deutlich „hey“ gerufen, solange bis der andere sich angesprochen fühlt und das „hey“ an einen anderen weiterschickt.

Es ist eine Aufwärmübung für den zweistündigen Workshop über Stimme, Sprechen und auch über sicheres Auftreten für die Auszubildenden der Kreissparkasse Heilbronn. Ein derartiger Workshop ist besonders, normalerweise dienen die Workshops der Theaterpädagogik der Kunstvermittlung. Sie sind an ein Kunstwerk gebunden. Anders der Workshop für die Azubis, dieser fördert die Persönlichkeitsbildung. Katrin und Ramona bieten ihn speziell für die Sparkasse Heilbronn an, da diese seit seiner Gründung der BOXX Sponsor des Jungen Theaters Heilbronn ist. Auch in Zukunft sind weitere Kooperationsprojekte angedacht.

„Hey“ und „you“ werden von „Wachsmaske, Whiskeymixer und Messwechsel“ abgelöst. Schon beim Hören stolpern meine Gedanken über die Worte. Bei der Aussprache wird es nicht einfacher, alle konzentrieren sich sehr. Je mehr man aber darauf achtet, desto mehr verhaspelt man sich. Es fallen sehr lustige Versprecher. „Seid mutig! Sagt was ihr meint und behauptet es auch!“ wirft Ramona in die Runde. Mit den schwierigen Worten üben wir deutliche Aussprache. Noch komplizierter wird es, als Zungenbrecher ins Spiel kommen. Jeder Teilnehmer bekommt seinen eigenen auf einem kleinen Zettel. Seine Aufgabe ist es, durch den Raum marschierend den Zungenbrecher traurig, fröhlich, mit imaginärem Kaugummi oder heißer Kirsche im Mund aufzusagen. Es ist gar nicht so einfach, und hier und da bricht schallendes Gelächter aus. Spannend wird es, als die Sprüche von verschiedenen Positionen im Raum aus vorgetragen werden sollen, die für unterschiedliche Typen in einem Unternehmen stehen: Von einem Chef, einer fröhlichen Person oder einer, die alles falsch machen darf. Mutig schlüpfen die Teilnehmer in unterschiedliche Rollen und ernten viel Lob von den Theaterpädagoginnen. „Veränderst du deine Haltung, dann veränderst du deinen Ausdruck“, erläutert Katrin. Ein großes offenes Auftreten bewirkt sofort auch eine selbstbewusstere Ausstrahlung einer Person.

Wie ganz nebenbei lernen die Azubis von Katrin und Ramona einiges übers Sprechen: Dass Sprechen nicht nur von Stimmbändern, Zunge oder Zwerchfell erzeugt wird, sondern dass der ganze Körper dabei eine Rolle spielt. „Wenn man jemanden laut ruft, muss das Rufen vom ganzen Körper ausgesendet werden“, erklärt Katrin. Es ist auch wichtig, seine „Sprechmuskeln“ zu trainieren. Am besten geht das mit Zungen-Sit-ups, Wangenboxen oder Atemübungen. Die Pädagoginnen geben den Teilnehmern ein breites Repertoire an verschiedenen Übungen mit. Auch Tipps für das direkte Kundengespräch oder wie man sich, wenn man nervös ist, wieder entspannen kann. Es hilft beispielsweise zu gähnen und sich zu strecken, das lockert.

In einer Abschlussfeedbackrunde sind alle vom Workshop begeistert. Die Azubis haben viel über sich und ihre Stimme gelernt. Durch die letzte Aufgabe, sagen einige von sich, haben sie mehr Selbstvertrauen im Auftreten gewinnen können. Mit einem Partner haben sie verschiedene Texte kreativ dargestellt. Dabei haben sie mit pfiffigen Ideen die Erwartungen der Teilnehmer und auch der Theaterpädagoginnen übertroffen. Über sich selbst hinauszuwachsen, ist nicht einfach mal ebenso erledigt. Und vor allem im Kundengespräch, in welchem es die Azubis mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun haben, hilft ein sicheres und selbstbewusstes Auftreten. Am Ende betont Katrin noch das Wichtigste: „Es ist trotzdem immer gut du selbst zu sein und nicht vorzugeben, jemand anderes zu sein.“

Der Workshop erinnert Ayleen Kern an ihr eigenes Studium der Rhetorik und Medienwissenschaften in Tübingen. Die 21-jährige ist für vier Wochen Praktikantin in der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Theater Heilbronn.

Birth. Future. Borders.

Ayleens Clubspionage: Club 4, eine multikulturelle Theatergruppe auf Zukunftssuche

Freitagmorgen, halb 11. Hinter dem Falafel Beirut in der Heilbronner Paulinenstraße, befindet sich eine der Probebühnen des Theaters. Aus der unscheinbaren Halle schallt ein tosender Applaus nach draußen. Es folgen Jubel und Gelächter. Vorsichtig luge ich durch den Türspalt. In der alten Lagerhalle erwartet mich eine kunterbunte, junge Theatergruppe. Dreizehn junge Menschen zwischen 13 und 30 Jahren aus Syrien, Deutschland, Kurdistan, der Türkei, Sri Lanka und Russland begrüßen mich herzlich. Sie laden mich direkt zum Mitmachen ein. Los geht’s mit einem Aufwärmspiel. Nachdem einer der Teilnehmer die Übung auf Arabisch übersetzt hat, laufen wir alle kreuz und quer durch den Raum. Doch sobald einer stoppt, stoppen alle. Sobald sich einer hinlegt, werfen sich alle schnell möglichst auf den Boden. Auf dem Boden liegend schaue ich mich in der Halle um. Stühle und Tische sind an den Rand geschoben worden, dahinter hängen schwarze Theaterstoffe. Zwischen den Stühlen liegen Jacken und Taschen der Teilnehmer. Seit November letzten Jahres trifft sich der Theaterclub 4 wöchentlich. Unterstützt und angeleitet von den beiden Theaterpädagoginnen Ruth Hengel und Natascha Mundt, probt die Gruppe für ihr selbst entwickeltes Stück „Birth. Future. Borders“. Premiere ist am 23.04.16 um 18.00 Uhr in der BOXX. Das Besondere an der Gruppe ist ihre Zusammensetzung. Durch eine Initiative von Ensemblemitgliedern wurden Flüchtlinge auf das Theaterprojekt angesprochen. Auch über andere Organisationen, wie ARGE, Stabstelle Partizipation und Integration, aim, ökumenische Einrichtungen und das Patenschaftsprojekt des Jugendgemeinderates wurden Flüchtlinge mit Lust aufs Theaterspielen gesucht. Aktuell besteht die Gruppe aus Flüchtlingen aus den verschiedensten Regionen und einheimischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Eine bunte Gruppe, aus plus minus 22 Teilnehmern, da ein paar der Flüchtlinge während der Intensivprobenwoche arbeiten oder den Deutschkurs besuchen. Anfangs haben die Teilnehmer bei den Clubtreffen reichlich Zeit damit verbracht sich kennenzulernen. Sie haben sich viel voneinander erzählt. Schließlich soll dieser Teil auch den Kern des Stückes bilden: Eine Dokumentation ihres Lebens und ihrer Suche nach Perspektive. Im Stück berichten sie darstellerisch und musikalisch von Freuden und Schwierigkeiten, die sie erlebt haben. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach ihrer Zukunft und was einmal mit ihnen und der Welt werden wird. Längst haben sich aus den regelmäßigen Proben auch Freundschaften entwickelt. Gemeinsam besucht die Gruppe das Theater oder kocht für einander. Ganz nebenbei lernen die Flüchtlinge so auch Deutsch. Mohammad, der so gut wie kein Deutsch kann, übernimmt das „Auf die Plätze fertig los!“ vor jeder Probe. Viele Requisiten brauchen die Teilnehmer für ihre Geschichte nicht. Das wichtigste Utensil fällt mir in einer Ecke des Raumes ins Auge. Hier stapeln sich schwarze Koffer. Beim genaueren Hinsehen fällt mir auf, dass sie mit Kreide bemalt sind. Auf einem befindet sich eine Dusche, auf dem nächsten sind Blumen. Mit den Koffern werden Orte im Stück fest gemacht. Die aufgemalten Blumen, werden beispielsweise einen Garten darstellen. Die Koffer symbolisieren jedoch noch viel mehr, sie stehen auch für äußere wie innere Reisen der Menschen. Sie verkörpern nationale und soziale Grenzen und Hürden, die die Teilnehmer teils schon überwunden haben oder für ihre Zukunftssuche noch überwinden müssen. Aus der Ecke werden die Koffer jetzt in die Mitte des Raumes geholt. Jeder der Teilnehmer schnappt sich zwei. Die Gruppe versucht schnellst möglich ein Tor aus den schwarzen Behältnissen für eine Szene des Stückes aufzubauen. Schon beginnt ein wildes Kofferstapeln auf der Bühne. Die Gruppe baut zwei hohe schwarze Koffertürme auf. Sie bilden ein Tor. Ganz oben finden ein rosa und ein blauer Regenschirm Platz, Aboud aus Syrien hat sie dort hingebastelt. „Nur schwarz ist zu langweilig“, meint er. Schließlich handelt die Szene von etwas sehr Spannendem: Der Geburt. Jeder Teilnehmer wird darin sein „Auf die Welt kommen“ darstellen, in dem er durch das Tor schreitet. Im Hintergrund ertönt John Kanders Lied „Willkommen, Bienvenue, Welcome“ aus dem Musical „Cabaret“. Im Text, der von Fred Ebb stammt, heißt die erste Zeile „Willkommen, bienvenue, welcome, Fremde, étranger, stranger!“. Wie das ist, als Fremder in eine neue Welt zu kommen und dort willkommen geheißen zu werden, stellen die Teilnehmer ganz individuell dar. Zunächst ragen ein Paar Füße aus dem schwarzen Koffertor heraus. Langsam tasten sie sich ins Bild. Den Füßen folgen Beine und schließlich ein Mädchen. Neugierig klettert sie durch das Tor, hinaus in die Welt. Der nächste Teilnehmer boxt sich durch eine vermeintlich verschlossene Türe durch das Koffertor. Nach und nach folgen alle anderen aus der Gruppe auf die unterschiedlichste Art und Weise. Sie stellen ihre Geburt sehr kreativ dar und manchmal auch so lustig, dass ich mir ein Lachen nicht verkneifen kann. Ob vorsichtig, mutig oder entschlossen, alle kommen durch das Tor auf die andere Seite. Doch was erwartet die Gruppe dort? „Wenn ihr draußen seid, ist es das erste Mal, dass ihr die Welt seht. Es ist auch das erste Mal, dass ihr euch selber seht!“, erklärt Ruth den Teilnehmern. Mit unserer Geburt fängt auch unsere Zukunft an. Obwohl wir viel selbst über unser Leben entscheiden können, hängt die Zukunft sehr davon ab, in welchem Land und in welcher Familie wir geboren werden. Manche der Teilnehmer, ob aus Syrien oder aus den umkämpften kurdischen Gebieten der verschiedenen Staaten, können in ihren Regionen nicht mehr leben und mussten fliehen. Ihre Heimat gibt ihnen im Moment keine Perspektive. Und wie wird es jetzt hier werden? Im Projekt treffen sie auf andere junge Leute, die auch auf der Suche nach ihrem Lebensweg sind. Gemeinsam erträumen sie sich im Projekt ihre Zukunft. Ob diese Träume wahr werden? Eleanor Roosevelts Lebensweisheit macht Mut: „Die Zukunft gehört denen, die an die Wahrhaftigkeit der Träume glauben.“
Auch Ayleen Kern hofft, dass sich ihre Zukunftsträume einmal erfüllen. Davor will die 21-jährige ihr Studium der Rhetorik und Medienwissenschaften in Tübingen abschließen. Für vier Wochen ist sie Praktikantin der Presse und Öffentlichkeitsarbeit am Theater Heilbronn.   

Stückentwicklung in eigener Regie

Ayleens Clubspionage: Theaterclub 3 – Zwischen zwei Welten

Auf der kleinen Probebühne, versteckt im tiefen Gängelabyrinth des Theaters, scheint alles vorbereitet zu sein. Stühle und Tische sind auf der Bühne zu verschiedenen Räumen angeordnet. In der großen Spiegelwand werden die 18 Teilnehmer des Theaterclub 3 reflektiert. Auf dem Boden markiert Kreppklebeband Auf- und Abgänge der Schauspieler, so wie das Herz des Theaterstücks: den Umriss eines, gläsernen Raumes. Was es mit diesem auf sich hat? Das werde ich gleich in der Probe herausfinden. Vom Rand des Saales verfolge ich die Probe mit. Neben mir sitzen Nikolai Stiefvater, ein renommierter Mediengestalter, Stefan Schletter, Leiter des Jungen Theaters, sowie zwei Regieteams, die selbst im Club Mitglied sind. Zwei Gruppen haben sich im Laufe der Woche mit jeweils einer Welt theatralisch auseinander gesetzt. Eine der beiden mit der realen, alltäglichen, betreut von den jugendlichen ‚Regisseuren‘ Jule und Giovanni. Die andere, unter Leitung des zweiten Regisseur-Teams Steve und Volkan, mit einer virtuellen, an ein Computerspiel angelehnten Welt. Drei Teilnehmer des Clubs sind für die Kostüme verantwortlich. Premiere ist am 18.06.15 um 18.00 Uhr in der BOXX. Noch hat das Stück keinen Namen, es läuft unter dem Arbeitstitel „Kein Netz“. Die Idee zum Stück kam Leiterin des Clubs, Katrin Singer, und den Teilnehmern in Anlehnung an das Stück „Im Netz“ von Tim Staffel, dass im Mai am Theater Premiere hat. Die Probe beginnt. Jule zählt ein: „Drei, zwei, eins.“ Kurz ist es mucksmäuschenstill im Raum. Dann schaltet sie die Musik ein. Auf der Bühne beginnt das Spiel über das alltägliche Internatsleben der Protagonistin Nora, gespielt von Luise. Aus dem Off wird in einer monotonen Freundlichkeit ihr Tagesablauf vorgelesen: „Es ist 8.00 Uhr. Bitte stehen sie auf, in zwanzig Minuten beginnt der Unterricht.“ Alles im Internat läuft nach einem bestimmten Zeitplan ab. Jeder hat sich nach den Regeln der sehr elitären Schule zu richten. Von den Schülern wird viel gefordert. Vom akademischen Leben im Internat so langsam überfordert, kreiert Nora sich eines Tages ihre Heldin im virtuellen Leben, einen weiblichen Avatar. Nachts schleicht sie sich an die Computer, um im Spiel „Rückkehr der Nymphen“ heldenhaft zu kämpfen. Bei dieser Szene kann ich endlich das Rätsel des gläsernen Raumes lösen. Der Raum, der jetzt nur markiert ist, weil der Plexiglaswürfel noch in der Schreinerei angefertigt wird. Auf der Bühne wird Nora von ihm aus in die geheimnisvolle Welt der Nymphen tauchen, denn dort steht ihr Computer. Während sie spielt, erscheint ihr Avatar, gespielt von Melissa, auf der Bühne. „Das ist die größte Herausforderung des Stückes, die virtuelle und reale Welt sinnvoll zu verknüpfen“, meint Stefan Schletter. Rein darstellerisch wäre das schwierig. Es braucht eine formale, technische Verknüpfung über Licht, Bild und Ton. Geschrieben haben die Teilnehmer das Stück fast ganz alleine. Zum ersten Mal in der Clubgeschichte liegen Stückfassung, Dramaturgie und Entwerfen und Entwickeln der Kostüme in Hand der Teilnehmer. Die 18 Jugendlichen des TC3 haben zwei Künstlerkollektive gebildet. Spannend am Projekt ist, dass die verantwortungsvollen Posten von ihnen selbst übernommen werden. Schauspieler und Regie auf Augenhöhe, kann das funktionieren? Zunächst war das keine einfache Aufgabe, schließlich muss sich ein Regisseur mit Entscheidungen auch über seine Schauspieler stellen. Im Laufe der Woche wurden die Rollen der Teilnehmer klarer. Eine Diskussion über Abläufe auf der Bühne beendet einer der Regisseure selbstbewusst: „Das könnt ihr uns überlassen, wir sind da dran.“ Es ist faszinierend, wie die Gruppe in Eigenverantwortung so produktiv arbeitet. Sogar einige Kostüme sind schon fast fertig. Während die einen in der Intensivwoche geprobt haben, ratterten die Nähmaschinen im Büro der Theaterpädagogik. Anna, Jannik und Marie waren dort fleißig an der Arbeit. Bei der Anprobe ernten sie Applaus. Hier und da noch ein paar Änderungen, dann sind die Kostüme bühnenreif. Die Ergebnisse der intensiven 7 Tage Kostümentwicklung und der Probenarbeit lassen sich sehen. Professionelle Unterstützung, bekommt der Club von Nikolai Stiefvater. Er produziert am Theater die Trailer der Stücke oder Videodokumentationen. Er freut sich auf das Projekt mit dem Theaterclub. „Am Theater stehen Künstlerisches und Technik nah bei einander“, erklärt er. Für die Gruppe wird er ein Intro, eine geographische Karte der Spielwelt, verschiedene Orte des Spiels, aber auch eine Uhr für die reale Welt gestalten, die dann auf den Plexiglaswürfel projiziert werden. Damit schafft der sympathische Mediengestalter die Rahmenbedingungen für das Computerspiel auf der Bühne. Und das wichtigste: Durch seine Arbeit gelingt es, virtuelle und reale Welt auf der Bühne zu verknüpfen! Dass das alles noch fehlt bei der Probe, fällt gar nicht auf, so fesselnd ist die spielerische Darstellung. Auf der Bühne läuft alles wie am Schnürchen, von der realen Welt in die virtuelle und zurück. Bei ihrem Stück geht es den Teilnehmern des Clubs aber auf keinen Fall darum, das Internet als Fluchtort von der Welt zu verteufeln. Nein, sie wollen ein Stück auf die Bühne bringen, in dem am Ende jeder für sich selbst etwas mitnehmen kann.
Ayleen Kern staunt darüber, was der Theaterclub in einer Woche auf die Beine gestellt hat. Die 21-jährige studiert Rhetorik und Medienwissenschaft in Tübingen. Am Theater Heilbronn ist sie für 4 Wochen Praktikantin der Presse und Öffentlichkeitsarbeit.

„Eines vereint sie alle. Sie haben Blauwalherzen.“

In der Theaterwerkstatt rascheln die Vespertüten. Noch sitzen alle gemütlich, teils frühstückend, auf den komfortablen Couches. Gemütlich ist gut, denn die 15 Jugendlichen haben ganz schön Muskelkater von den ersten zwei Tagen Intensivprobe. Ramona Klumbach, Leiterin des Theaterclubs 2, wischt den schwarzen Tanzboden blank. Herzlich gibt sie mir die Hand und begrüßt mich zur Probe. Noch fehlen ein paar Teilnehmer, aber gleich wird es los gehen. Schon trippeln die Jugendlichen barfuß oder in bunten Socken auf die schwarze, rechteckige Tanzfläche. Mit Ramona und den beiden renommierten Choreografen, Felix Bürkle und Paolo Fossa, stellen wir uns im Kreis auf. Wir beginnen mit einem Aufwärmspiel: PENG. Im Spiel versucht man sich auf Kommando schnellstmöglich mit Fingerpistolen abzuschießen. Wer langsamer ist, scheidet aus. Schnell merke ich, mit Entspannung ist es jetzt definitiv vorbei. Nach zwei Runden Anspannung in PENG geht es gleich richtig zur Sache. Paolo legt einen schnellen Beat auf, vom Wilden Westen im Aufwärmspiel geht’s jetzt ins elektronische Zeitalter. Alle stehen am Ende des Raumes, ihre Blicke sind gebannt auf Paolo gerichtet. Er dreht und wendet sich um die eigene Achse, streicht dabei mit der Hand durch die Luft wie ein Maler mit dem Pinsel auf eine Leinwand. Dann schnellt sein Bein mit einem schnellen Kick nach vorne. Der Beat gibt den Takt an. Bass Kick Bass Kick. Alle reihen sich hinter Paolo ein und tanzen in kraftvollen Bewegungen über die schwarze Fläche. Es ist toll anzuschauen. Die Gruppe ist mit Eifer dabei. Wir sind in der Intensivprobenwoche für das Projekt „Blauwalherzen“, mit dem die 15 Teilnehmer ihre Faschingsferien verbringen. Als Ramona und Nicole Widera das Projekt planten, war ihre Idee, dass die Teilnehmer zwischen 12 und 17 Jahren im Tanz durch ihren Körper sprechen. In reinen Theaterprojekten geht es darum durch Text zu sprechen. Bei diesem Projekt ist das anders: Nicht die Sprache sondern der Körper steht im Fokus. In der Jugend verändert sich der Körper und wird fremd. Man drückt sich über Sprache und Stimme aus, wird laut oder leise. Der Körper rückt in den Hintergrund, stört manchmal sogar. Durch das Tanzen bekommen die Teilnehmer hier eine Chance, ihn kennenzulernen, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Gemeinsam wollen sie aus der Starre ausbrechen. Um sich diesem Ziel zu nähern haben Ramona und Nicole mit der Gruppe schon verschiedene Tanzmethoden ausprobiert. „Es ist toll, wie alle mitmachen“, lobt Ramona die starke Gruppe. Ob zu Ballettübungen oder Improvisationen, seit Oktober trifft sich der Theaterclub einmal wöchentlich. Welche Themen die Jugendlichen am Ende auf die Bühne bringen wollen, haben sie selbst entschieden. Es geht um ihre Lebenswirklichkeiten: Um Schulalltag, Kindheitserinnerungen und Rebellion. Aber auch um Einsamkeit und darum, sich selbst in dieser Welt zu finden und zu behaupten. „Blauwalherzen“ soll das Stück heißen. Denn egal wie schwierig es manchmal ist Gefühle zu zeigen, haben trotzdem alle in der Gruppe ein großes Herz. Premiere ist am 23. April 2016 um 18.00 Uhr in der BOXX. Die beiden Leiterinnen entwickeln mit der Gruppe die Dramaturgie und Choreografie. Seit Beginn der Planung, war aber klar, dass es sich lohnt professionelle Unterstützung anzufordern. In der Clubszene des Theaters ist das neu. Felix Bürkle und Paolo Fossa sind ein echter Gewinn für den Club. Paolos Übungen erinnern mich ein wenig an Kampfsporttraining, was nicht weiter verwunderlich ist. Schließlich hat er neben Tanz auch Ausbildungen in Capoeira, Kalaripalayattu, Judo und der Feldenkraismethode. Der in Turin ausgebildete Tänzer, war schon in vielen Staatstheatern in Deutschland als Choreograf und Darsteller tätig. Er arbeitete in ganz Europa, im Theater am Gärtnerplatz München, Staatstheater Bremen, im Tanzhaus NRW und vielen anderen. Die Musik in der Theaterwerkstatt wird schneller, Paolo zieht das Tempo an. Die Tanzübungen werden zügiger und nach und nach wird die Anstrengung auf den jungen Gesichtern sichtbar. Alle sind konzentriert dabei, trotz Muskelkater und blauer Flecken von gestern. Die Bewegungen werden rhythmisch, jeder Schritt ist getaktet. Ein Schritt ein Atemzug. Vom Rand der Matte geben Paolo und Felix Tipps. „Beide Choreografen ergänzen sich perfekt“, meint Ramona Klumbach, „während Paolo das etwas härtere Training morgens übernimmt, leitet Felix Gruppen- und Partnerübungen“. Neben eigenen Soloprojekten hat Felix Bürkle viel Erfahrung mit Gruppenchoreografien und Tanzprojekten. Mit seiner Produktion „beckett, beer and cigarettes“ wurde er von Pina Bausch zum internationalen Tanzfestival NRW 2008 eingeladen. Über die Jahre sammelte er vielerlei Erfahrung mit verschiedenen Gruppenprojekten in Europa und darüber hinaus. Im Raum liegt Anstrengung in der Luft. So langsam kann ich verstehen, woher der Muskelkater kommt, der auch mich am nächsten Tag nicht verschont. Plötzlich springt Paolo auf und schreit „Böse! Das ist böse!“ Überraschte Blicke. Er macht vor, was er meint. Mit jedem Kick und jeder Armbewegung scheint er eine Energie wegzudrücken, die Luft mit Wut zu durchschlagen. „Ich selbst bin tausend Sachen. Hungrig, lustig, müde. Entwickeln wir jetzt tausend Sachen. Jeder von uns wird wütend, fröhlich, traurig!“, spornt Paolo die Gruppe an. Mutig setzen es die 15 Teilnehmer um. Die gute Atmosphäre ist deutlich zu spüren. Alle sind voll dabei. Wenn ich von meiner Matte gebannt zuschaue, ist es als würde ich plötzlich mitfühlen. „Ihr kommuniziert durch euren Körper“, sagt Felix, „was ist die Information die ihr übertragen wollt?“ Mit ganz verschiedenen Übungen nähert sich der Club dem Ziel „auszubrechen“ – sich seinen wahren Gefühlen zu stellen. Eine davon ist „Bodysurfen“. Das klingt nicht nur nach Spaß, es macht auch viel Spaß. Bei der Übung ist der Raum voll von Gelächter. Felix und Paolo machen es vor. Felix legt sich flach auf den Bauch, Paolo liegt quer über ihm. Sie bilden ein Kreuz. Durch eigenes Rollen bringt Felix Paolo zum über ihn hinweg surfen. Paolo gleitet über ihn drüber. Viel Körperkontakt ist ungewohnt in der heutigen Gesellschaft, sogar Provokation, meint Paolo. Kinder umarmen sich, klettern auf den Schoß der Eltern. Das ist ganz normal. Aber wenn man älter wird, sagt einem die Gesellschaft, das darf man nicht. Gefallen lassen, will sich die Gruppe das nicht, das spürt man deutlich. Ausbrechen heißt, das wiederzufinden, was einem die Gesellschaft wegnimmt. Gefühle zu zeigen, Grenzen zu überschreiten, zu provozieren. Paolo fasst den Morgen zusammen: „Auszubrechen heißt nicht cool sondern wild zu sein!“ Oder was denkst du?
Auch ohne eigenes Rhythmusgefühl war Ayleen Kern vom Tanzprojekt begeistert. Die 21-Jährige studiert Rhetorik und Medienwissenschaften in Tübingen. Am Theater Heilbronn ist sie für 4 Wochen Praktikantin der Presse und Öffentlichkeitsarbeit.

Querlenker Teil III – Die Fahrradflashmobs waren ein Hingucker

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Nach vier Tagen Probe ging es für die zehn „Querlenker“ raus aus der Theaterwerkstatt mitten unter die Leute. Bei bestem Wetter bauten sich die 12-15-Jährigen auf dem Kiliansplatz auf  und spielten ihre Fahrradchoreografie „Sicherheit hat Vorfahrt“ durch. Viele Passanten blieben stehen, schauten zu und schmunzelten, weil es ziemlich witzig war, wie die Mädchen und Jungen mit großen Straßentheatergesten vermittelten, wie wichtig Helm, funktionierende Bremsen und Blickkontakt zu anderen Verkehrsteilnehmer sind. Zwei ältere Herren berichteten reumütig, dass ihre Fahrradhelme zu Hause seien und nahezu unbenutzt im Schrank hängen würden. Aber sie gelobten augenzwinkernd Besserung. Für den zweiten Flashmob begaben sich die Jugendlichen an den Götzenturm, um nach Radfahrern mit Helm Ausschau zu halten. Die wurden nämlich mit großen Schildern mit der Aufschrift „Beifall für Helme“ und mit Applaus empfangen. Zunächst war es aber gar nicht so leicht behelmte Radler zu finden. Diejenigen ohne Kopfschutz waren eindeutig in der Überzahl. Dafür wurden die Vorbildlichen mit umso mehr Jubel begrüßt. Alle schmunzelten, manche blieben stehen und kamen mit den Jugendlichen ins Gespräch. Eine Frau gestand, wegen ihrer Frisur niemals einen Helm aufzusetzen. Ein junges Paar, das zu Fuß unterwegs war, schaute eine Weile zu und debattierte über die Wichtigkeit dieser Aktion. Das letzte Wort hatte die Frau. Sie meinte, man könne gar nicht genug darauf hinweisen, wie wichtig Helme seien, denn so mancher schwere Radunfall hätte milder ausfallen können, wenn der Kopf geschützt gewesen wäre.

Nachdem die „Querlenker“ erschöpft vom vielen Klatschen und Jubeln waren, zogen sie vor die Stadtgalerie, wo sie noch einmal dicht umringt von Zuschauern den Flashmob „Sicherheit hat Vorfahrt“ zeigten. Dann ging es im Zeitlupenparcours, der auch viele Blicke und Fragen auf sich zog, wieder zum Kiliansplatz. Hier gab es Schokolade und Dankeschöngespräche für rücksichtsvolle Radfahrer. Stefan Papsch vom Heilbronner Amt für Straßenverkehr, das die Idee für die Kooperation mit dem Theater hatte, begleitete die Flashmobs mit großer Freude. „Wenn jeder, der heute etwas von diesen Aktionen mitbekommen hat, zu Hause oder im Freundeskreis davon erzählt, dann haben wir die Idee von der Rad-KULTUR wieder ein Stück vorangetrieben“, sagt er. Denn Heilbronn ist in diesem Jahr Modellkommune der Initiative Rad- Kultur des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-Württemberg und strebt langfristig danach, eine wirklich fahrradfreundliche Stadt zu werden.

Als es am Abend dunkel wurde, rüsteten sich die „Querlenker“ für das Finale. Mit Lichterketten behängt fuhren sie durch die Innenstadt, um auf die Wichtigkeit der Fahrradbeleuchtung aufmerksam zu machen. Dabei wurden sie bestaunt, fotografiert und immer wieder angesprochen. Ein bisschen fühlten sie sich wie Stars, denn bei ihrer Ankunft auf dem Kiliansplatz baten viele Passanten darum, mit ihnen ein Selfie machen zu dürfen.

Wie ein geölter Blitz rannten die ganze Zeit Kameramann Nicolai Stiefvater und sein Assistent Conrad den Jugendlichen hinterher, um keine Situation zu verpassen. Auch viele Zuschauer des Projektes wurden interviewt und werden sich am Ende in einer rund 20minütigen Dokumentation wiederfinden.
Fazit der Jugendlichen: Theater ist klasse, aber Theater auf dem Fahrrad richtig krass. Sie wären gern alle wieder mit dabei, falls es eine Neuauflage des Projektes geben sollte. Und das Résumé von Projektleiterin Antjé Femfert: Sie ist müde, aber sehr glücklich über die fünf intensiven Tage mit zehn kreativen Jugendlichen im Dienste einer tollen Idee.

Video der Aktion auf unserer Facebookseite

„Querlenker“-Proben laufen auf Hochtouren

Am 6. November sind die Flashmobs in der Innenstadt zu erleben

Foto: Nikolai Stiefvater
Die Querlenker, v.l.n.r. Tanjo, Victoria, Arne, Kathi, Daniel, Annika, Lucia, Lea-Marie, Sará und Learta Foto: Nicolai Stiefvater

Die TheaterWerkstatt im Wollhaus hat schon viele verrückte Projekte gesehen. Aber dass da 10 Jugendliche mit Fahrrädern drin herumfahren und eine Fahrradchoreografie entwickeln, dürfte bisher einmalig sein. Unter dem Motto „Querlenker“ beschäftigen sich die Jungen und Mädchen im Alter zwischen 12 und 15 Jahren mit dem Thema Radfahren in Heilbronn, besonders unter dem Aspekt der gegenseitigen Rücksichtnahme. Zwei Tage lang waren sie zunächst auf Recherchetour an Verkehrspunkten, die von Radfahrern und Fußgängern gleichzeitig (Kiliansplatz und Sülmer Straße) und zum Teil zusätzlich noch von Autos (am Götzenturm) genutzt werden. Dabei haben die Jugendlichen nicht nur zugeschaut, erzählt Theaterpädagogin Antjé Femfert, die das Projekt leitet. Sie sind auch auf die Leute zugegangen und haben gefragt, warum sie in bestimmten Situationen lieber das Fahrrad schieben oder warum sie keinen Helm aufhaben. „Raser haben wir genauso gesehen wie absolut rücksichtsvolle Radfahrer.“

Jetzt verarbeiten die Jugendlichen ihre Eindrücke mit den Mitteln des Straßentheaters. Ihr Anliegen ist es dabei, auch negativen Erscheinungen mit positiven Reaktionen zu begegnen. In einer theatralisch nachgestellten Situation zum Beispiel spielt Tanjo Frese einen „Fahrradrowdy“, der sich ziemlich rücksichtslos und temporeich zwischen den Fußgängern hindurch schlängelt. Mit dunkler Sonnenbrille und lauter Musik auf den Ohren bekommt er kaum etwas von der Straßensituation mit. Einen Helm trägt er nicht. Die anderen Jugendlichen halten ihn an und zeigen ihm in einer witzigen Choreografie, was er auf jeden Fall besser machen muss, um seine Sicherheit und die der anderen nicht zu gefährden. Helm, Licht, Bremsen, Klingel, Schulterblick, Handzeichen, Blickkontakt gehören dazu. Das alles stellen sie mit großen Zeichen und Gesten in einer Straßentheateraktion dar. Mit diesem Flashmob „Sicherheit hat Vorfahrt“ wollen sie am Freitag, 6. November, um 15 Uhr auf dem Kiliansplatz starten, um in aller Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Weitere Flashmob-Varianten sind gerade in Erprobung und werden den ganzen Freitagnachmittag in der Heilbronner Innenstadt gezeigt. Es soll unter anderem eine Lichterkettenfahrt, sowie Belohnungs- und Beifallsaktionen für disziplinierte Radfahrer geben. Tanjo, Victoria, Arne, Kathi, Daniel, Annika, Lucia, Lea-Marie, Sará und Learta sind mit Feuereifer bei der Sache und sehr gespannt auf die Reaktionen der Passanten. Ein Kamerateam ist übrigens von Anfang an dabei und erstellt eine Dokumentation von dem Projekt, die später auch in Schulen gezeigt werden soll.

Alle Beteiligten hoffen, dass Heilbronn eine immer fahrradfreundlichere Stadt wird und stehen voll hinter den Ideen der Initiative RadKULTUR des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden Württemberg, welches das Projekt finanziert. Die Idee dafür hatte das Amt für Straßenwesen Heilbronn, das ein ganzes Jahr unterschiedliche Aktionen im Zeichen der Mobilität mit dem Fahrrad durchführt, denn Heilbronn ist 2015 Modellkommune der Initiative RadKULTUR.

Das Junge Theater Heilbronn startet eine Kooperation mit Qendra Multimedia Prishtina/Kosovo

Kosovo»Willkommen in Monaco« steht in der Begrüßungs – SMS auf dem Display des Mobiltelefons bei Ankunft in Prishtina. Monaco? Schon bei der Fahrt vom modernen Flughafen auf staubigen Straßen in die quirlige Hauptstadt des Kosovos merkt man schnell, dass diese Land wenig zu tun hat mit dem mondänen Fürstentum am Mittelmeer. »Wir nutzen das Mobilfunknetz Monacos und Sloweniens, weil wir offiziell noch nicht von allen EU-Staaten anerkannt sind,« erklärt uns unser Fahrer auf Nachfrage. Schon ist man mittendrin in einem Land, das zwar geographisch in Europa liegt, sich aber auf Grund seiner Entstehungsgeschichte von vielen europäischen Staaten stark unterscheidet. Kaum 15 Jahre ist es her, dass hier Krieg herrschte. 15 Jahre in denen die Menschen des Kosovos um ihre Anerkennung kämpften und versuchten ein funktionierendes Staatswesen aufzubauen. Mittlerweile erkennen 109 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen das kleine Land auf dem Balkan an, aber in Ländern wie Spanien, Griechenland oder Indien gilt man mit einem kosovarischen Pass heute noch als staatenlos, und die Menschen haben keine Reisefreiheit in die Länder des Schengener Abkommens. Kosovo ist nicht nur wegen des Zeitpunkts der Gründung, sondern auch gemessen am Durchschnittsalter seiner Bevölkerung das jüngste Land Europas.

In Prishtina lebt und arbeitet der Autor Jeton Neziraj, der eigens für das Junge Theater Heilbronn ein Stück über kulturelle und religiöse Vielfalt schreiben wird, eine Vielfalt die auf dem Balkan seit Jahrhunderten Alltag ist. Gemeinsam mit Theaterpädagogin Katrin Singer reiste Stefan Schletter, Leiter des Jungen Theaters, im Juni zu einem ersten Besuch in den Kosovo. Finanziert wurde dieses Treffen vom Goethe Institut Belgrad, für den Herbst ist der Besuch einer kosovarischen Delegation am Theater Heilbronn geplant. Durch die Unterstützung des Innovationsfonds Baden-Württemberg ist es nun möglich geworden, den Stückauftrag an Jeton Neziraj zu vergeben. Die Planung dieses Projektes und der Austausch über die Situation von Theater in beiden Ländern waren die Kernpunkte bei den vielen Gesprächen vor Ort. Besonderes Interesse zeigten die kosovarischen Kollegen an der theaterpädagogischen Arbeit des Theaters Heilbronn. »So etwas gibt es hier nicht,« sagt Jeton Neziraj. Theaterpädagogik könne aber ein wichtiger Baustein sein, um jungen Menschen hier eine Perspektive aufzuzeigen und ihnen Mut zu machen, hofft er. Das Junge Theater Heilbronn wird die spannende Zusammenarbeit mit den Kollegen im Kosovo weiter vertiefen und vielleicht steht ja beim nächsten Besuch schon »Willkommen im Kosovo« auf den Displays der Mobiltelefone.

Warum verzweifelt sein?

Theaterprojekt zu „Anne Frank“ in der BOXX

„Ich bin jung und habe noch viele verborgene Eigenschaften. Ich bin jung und stark und erlebe das große Abenteuer, sitze mittendrin und kann nicht den ganzen Tag klagen, weil ich mich amüsieren muss! Ich habe viel mitbekommen, eine glückliche Natur, viel Fröhlichkeit und Kraft. Warum sollte ich dann verzweifelt sein?“ (Auszug Anne Frank Tagebuch) Sieben Jugendliche aus dem Mönchseegymnasium, der Andreas-Schneider-Schule und dem Kolping- Bildungswerk begaben sich drei Tage lang auf die Suche nach Anne Frank. Im Rahmen der Themenwoche zu „Anne und Zef“  wurde unter dem Arbeitstitel „Sehnsucht Luft und Lachen“ im Tagebuch der Anne Frank geblättert, der Liebe zu Annes Peter nachgespürt und das Zusammenleben auf engstem Raum erforscht. Heraus kam eine Darbietung, die im Foyer der BOXX stattfand. Dicht neben, unter und zwischen den Zuschauern agierten die Jugendlichen mit Leidenschaft und Präzision. Und genauso wie sie am Vormittag nach dem Vorstellungsbesuch von „Anne und Zef“ berührt waren, saß nun Schauspielerin Anastasija Bräuniger, die Anne Frank spielt,  mit großen Augen im Publikum und war begeistert: „Ich bin ganz inspiriert von euch. Das gibt mir nochmal einen ganz anderen Blick auf die Rolle.“  

Expeditionen zum Glück

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Vier Tage lange wurde im Theater intensiv in allen Ecken nach dem Glück gesucht. 39 Kinder hatten in der ersten Osterferienwoche die Möglichkeit Bühnenluft zu schnuppern. Nach einem Theaterbesuch des Stückes „Nur ein Tag“, in dem Wildschwein, Fuchs und Eintagsfliege alles Glück der Welt in 24 Stunden erleben, starteten die Nachwuchsschauspieler sofort in die Proben für ihre eigenen Theaterstücke. Besonders interessierte sie das Leben mit all seinen Schattierungen. Und natürlich stellten sich die Kinder die Frage nach dem Glück und wo man es findet. Lebt es außen und wenn ja wo? Vielleicht auf einem Planeten namens Pups, zwischen zwei Buchdeckeln oder sitzt das Glück neben uns an der Eistheke? Oder lebt es in uns und umschwirrt uns die ganze Zeit flirrend? Vielleicht muss man einfach mal die Hände ausstecken und sich mutig etwas davon nehmen. Die Gedanken wurden theaterspielend weitergesponnen und in kleinen Szenen umgesetzt. Eltern, Großeltern und Geschwister waren restlos begeistert von den drei kleinen Theaterstücken, die am Gründonnerstag in der BOXX gezeigt wurden. Minutenlange Applausvariationen lockten so viele Glücksgefühle aus ihren Verstecken, dass alle Darsteller schier überwältigt waren. Der ein oder andere hat sich vielleicht das Glück in den Rucksack gesteckt und mit nach Hause genommen. Und dann wird es in einem stillen besonderen Moment ausgepackt und die Erinnerung bringt ein Lächeln in Gesicht und Herz.