Katharina Voß, Luise Schubert und Sabine Unger spielen drei Jugendamtsmitarbeiterinnen zwischen zu vielen Akten, zu vielen Familien und zu wenig Zeit. Fotos: Stefanie Symmank
Drei Sozialarbeiterinnen im Jugendamt erobern mit Witz und Charme die Kammerspiele
ZU SPÄT! Diese zwei Worte sind der Fluch der drei Mitarbeiterinnen des Jugendamtes einer x-beliebigen Stadt irgendwo in Deutschland. Anika, frisch von der Fachhochschule, ist alleinerziehende Mutter einer vierjährigen Tochter, die sie des nervenaufreibenden Jobs wegen fast täglich ZU SPÄT! vom Kindergarten abholt. Barbara dagegen ist schon 20 Jahre in diesem Beruf, ihr kann so schnell keiner ein X für ein U vormachen, sie träumt von einem Urlaub unter Palmen bei gleichzeitiger Angst vor medialen Schlagzeilen à la »Das Jugendamt hat ZU SPÄT! eingegriffen«. Das Trio komplett macht Silvia, die versucht, den immer größer werdenden Aktenberg abzuarbeiten, dafür allerdings Alkohol als Treibstoff braucht, doch eine Minute nach Acht von der Kassiererin im Supermarkt zu hören bekommt: ZU SPÄT! Der vierte im Bunde ist Björn, der nie auftaucht, da er mit »Björn-Out« krankgeschrieben ist, weil er ZU SPÄT! die Notbremse gezogen hat. Zusätzlich zu den ohnehin schon zu vielen Akten mit zu vielen Familien bei zu wenig Zeit müssen jetzt auch noch seine 104 Fälle unter den drei Kolleginnen aufgeteilt werden. Es gilt Björns Zettelwirtschaft zu sortieren, die Jahresstatistik zu verfassen, Termine für Teambesprechungen abzustimmen, Telefonate zu führen, Berichte zu schreiben, Kinderärzte zu konsultieren, die Weihnachtsfeier zu planen und natürlich Kinder vor ihren Eltern zu retten – möglichst angemessen und rechtlich unantastbar. Anika, Barbara und Silvia kommen einfach nicht voran, obwohl sie das Gefühl haben, ständig zu beschleunigen. Alle drei drohen im »Kaspar Häuser Meer« der vernachlässigten und misshandelten Kinder zu ertrinken.
Die Theaterautorin Felicia Zeller hat sich auf Recherche in den Alltag deutscher Jugendämter begeben. Sie hat jenen zugehört, die dort tagtäglich im Wettlauf gegen die Zeit arbeiten. Aus ihrem fast dokumentarischen Material hat sie einen rasanten Text kreiert, bei dem Hektik und Überforderung vor allem sprachlich förmlich zu spüren sind. »Kaspar Häuser Meer« ist kein Sozialproblemstück, klagt nicht an und verteidigt nicht, beschreibt vielmehr skurril und charmant, in berührenden und fassungslosen Momenten die Überlebensstrategien von Menschen, die innerhalb eines sozialen Systems zwischen elterlichen Rechten und staatlichen Pflichten abwägen müssen, ohne dabei durch verschlossene Türen gucken zu können.
In Szene setzen wird dieses sprach(ohn)mächtige Stück die französische Regisseurin Leyla-Claire Rabih, die zum ersten Mal am Theater Heilbronn arbeitet. Zusammen mit den drei Schauspielerinnen Luise Schubert, Sabine Unger und Katharina Voß wird sie dieses Stück ums Wort mit viel Witz und Drive in den Kammerspielen auf die Bühne bringen.
Stefanie Symmank, Dramaturgin
01.02.2014 – Premiere von »Kaspar Häuser Meer« in den Kammerspielen
Schauspiel von Felicia Zeller
Termine: HIER KLICKEN