Ein gutes Klassenklima ist die beste Prävention

Expertenteam zu Gast bei Proben von »Good morning, boys and girls«

Auf Hochtouren laufen derzeit die Proben zu Juli Zehs Schauspiel »Good Morning, Boys and Girls«. Premiere ist am 18. Januar 2013 um 20 Uhr in den Kammerspielen. In dem Stück geht es um die »Anatomie eines Amoklaufs«. Jens, ein 16-jähriger Außenseiter, der über sich und die Welt grübelt, plant diese Tat. In seiner Fantasie sieht er schon den Medienrummel, den seine Tat auslösen wird: Die Reporterteams, die seine Eltern befragen und in seiner Schule nach den Ursachen forschen. Er war so ein liebes Kind, voller Fantasie, sagt die Mutter. Er war ein Loser, sagt der Vater. Er war anders als seine Mitschüler. Das hat ihn zum Außenseiter gemacht, sagt die Lehrerin.
Bereits zu Beginn der Proben haben Inszenierungsteam,  Schauspielensemble und Theaterpädagogin Katrin Singer eine Expertenrunde eingeladen, um Fragen, die sich in der Arbeit an dem Stoff stellen, klären zu können. Mit all ihrem Wissen und ihrer Erfahrung stellten sich Frau Dr. Marianne Klein, Chefärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom Klinikum Weißenhof in Weinsberg, und Reiner Pimpel von der Kriminalpolizei Heilbronn, verantwortlich für den Bereich Kriminalprävention, zur Verfügung. Sehr interessant waren auch die Fragen und Anregungen von Schülerinnen und Schülern vom Psychologiekurs des Theodor-Heuss-Gymnasiums Heilbronn. Die Diskussion drehte sich um die Fragen: Was treibt einen Menschen zu so einer unfassbaren Tat? Kann man einen potentiellen »school shooter« erkennen? Gibt es Warnhinweise? Wann geht man zur Polizei?
Aufmerksam gegenüber seinen Mitmenschen zu sein, empfiehlt Kriminalpolizist Rainer Pimpel als wichtigstes Mittel der Prävention. Außerdem: Mobbing und Ausgrenzung nicht zuzulassen. Grundbedürfnis des Menschen ist, anerkannt und gesehen zu werden, eben »Jemand zu sein«. Wird ein Schüler in seiner Klasse ausgegrenzt oder gar gemobbt, macht sich der Gedanke, dass alle Welt ihn hasse, immer breiter in seinem Kopf.

Diskussionsrunde
Diskussionsrunde

Wird er auch von seiner Familie nicht aufgefangen, findet er keinen Lehrer, der die Not erkennt (so wie es Jens in dem Stück geht) kann es gefährlich werden.
Wie sind solche Menschen psychisch gestrickt, wollte Schauspieler Gabriel Kemmether wissen, der den Jens spielt. »Allen gemeinsam ist eine massiv hohe Kränkbarkeit und eine große soziale Isolation«, sagt  Dr. Marianne Klein. Es ist der stille Schüler. Vielleicht war er nicht immer still, aber er wurde immer stiller. Er »verpuppt« sich, Rachegedanken kanalisieren sich in Tötungsphantasien. Er schreibt innnerlich »das Drehbuch« seiner Rache. Machtfantasien, der Gedanke, durch diese Tat gesehen zu werden, tun ihr Übriges. Ballerspiele sind nicht der Auslöser, sondern eher ein Ventil, um angestaute Aggressionen herauszulassen. Gleichwohl sollte man nicht vergessen, dass diese Shooting-Spiele unter anderem in den USA dazu eingesetzt werden, um Tötungshemmungen der Soldaten herabzusetzen, erklärt Rainer Pimpel.
Eine wichtige Rolle spielen die Medien, beschreibt Frau Dr. Klein. Zum einen gebe es nach umfangreicher Berichterstattung häufiger Trittbrettfahrer, die Amokläufe ankündigen.Zum anderen spielt die mediale Aufmerksamkeit, die ein Amokläufer bekommt, eine große Rolle in den Racheplänen eines potentiellen Täters  (so wie es auch in dem Stück beschrieben wird).
Was erhoffen Sie sich von diesem Stück, fragt Dramaturg Johannes Frohnsdorf in die Runde. Dass das Thema nicht verdrängt wird, denn sich damit auseinanderzusetzen gehört mit zur Prävention, sagt Reiner Pimpel. Er wird auch im Anschluss an ausgewählte Vorstellungen als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Die Sensibilität für die Mitmenschen zu schärfen, das Geflecht an Ursachen wenigstens anzureißen, hofft Frau Dr. Klein.
Mobbing nicht zuzulassen, bei den Mitschülern genauer hinzuschauen, für ein gutes Klassenklima zu sorgen – diesen Effekt wünschen sich die Schüler in der Auseinandersetzung mit dem Stück »Good morning, boys and girls«.
Insofern ist dies nicht nur ein Stück über Amoklauf, sondern darüber, angenommen und gesehen zu werden.

Von Silke Zschäckel, Jana Strigel und Mona Pekarek

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