Alan Ayckbourns Komödie »Frohe Feste« hat Premiere am 11.11.2011 im Komödienhaus
Stille Nacht, alle Jahre wieder: Wir kennen das alle. Unter dem süßen Friede-, Freude-, Plätzchen-Druck der Weihnachtsfeiertage geht die Stimmung ab und an auch mal flöten. Und die alltäglichen Frustrationen und familiären Spannungen nehmen dramatische Ausmaße an. Nicht umsonst gilt die Weihnachtszeit als die krisen- und katastrophenreichste im ganzen Jahr. Weihnachtsdesaster waren schon immer ein gefundenes Fressen für Literatur und Theater, Film und Fernsehen, von Gerhart Hauptmanns »Das Friedensfest« über Loriots legendäres »Weihnachten bei Hoppenstedts« bis zu Kinohits wie »Kevin – allein zu Haus«. Und nicht immer nimmt das alles – wie in Frank Capras ewigem Film-Klassiker »Ist das Leben nicht schön?« – ein herzerwärmendes Ende.
Der Brite Alan Ayckbourn, der im letzten September sein 75. Stück zur Uraufführung brachte, gilt im Theater nicht nur als der am meisten aufgeführte englische Dramatiker nach Shakespeare, sondern auch als Meister des Weihnachtsdesaster-Stücks. Das ging so weit, dass seine Agentin Peggy Ramsay auf ein neues Werk mit dem Stoßseufzer reagierte: »Oh Alan! Nicht noch so ein verdammtes Weihnachtsstück«. »Aber«, erklärte Ayckbourn der Tageszeitung »The Guardian«, Weihnachten ist für einen Dramatiker wie ein Geschenk. Man sucht doch immer nach einem Grund, eine Menge Leute zusammenzustecken, die sich nicht ausstehen können.
Mit »Frohe Feste« begründete der Autor 1972 die Reihe seiner Weihnachtsstücke und zu einem Teil auch seinen internationalen Erfolg.
Drei Paare aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten feiern an drei aufeinander folgenden Weihnachten zusammen. Aber – und das ist einer der Clous des Stücks – die Zuschauer sehen nie das Fest. Denn die drei Akte spielen jeweils in der Küche der jeweiligen Gastgeber. Wo – so Ayckbourn − »die wirklich interessanten Dinge passieren, die Dinge, die sich die Leute unter vier Augen sagen wollen«. Und natürlich jede Menge heimlicher und unheimlicher Desaster. In Szene gesetzt wird das bissige Stück von Jens Schmidl, dessen Inszenierungen von »Das andalusische Mirakel« und »Arsen und Spitzenhäubchen« in den letzten Spielzeiten das Publikum im Komödienhaus zu Begeisterungsstürmen hingerissen haben.
Aber stimmt denn nun eigentlich das Klischee von den Feiertagskatastrophen? Ein Besuch bei Rainer Köller, dem Sprecher der Polizei Heilbronn, fördert Überraschendes zu Tage: »Im Jahresvergleich ist die Anzahl der Vorfälle zur Weihnachtszeit hier in Heilbronn nicht wirklich höher«, erzählt er nach Durchsicht der Polizeiberichte der letzten vier Jahre. »Wir haben hauptsächlich Alkohol am Steuer nach Weihnachtsfeiern. Und das, was wir Gewalt im sozialen Nahraum nennen, Familien-, Ehe- und Hausstreitigkeiten. Aber selbst die Brände haben in den letzten Jahren nachgelassen.« Auch als er vor zwanzig Jahren noch selbst an Weihnachten Streife fuhr, wirkte die Stadt wie ausgestorben, friedlich. Köller weiß, dass das nicht überall so ist, und grinst: »Heilbronn ist halt noch ein bisschen heile Welt.«
Heil bleibt bei »Frohe Feste« dagegen kaum etwas, ob Karrieren, Küchenlampen oder Ehen. Die Tücke der Objekte und Beziehungen stört den drei so unterschiedlichen Paaren heftigst den Weihnachtsfrieden. Und das ist ebenso komisch wie turbulent, so absurd wie bitterböse.
Andreas Frane, Dramaturg
Foto: Fotostudio M42