Die starken Männer im Hintergrund

Der Blick auf den langen Arbeitstag der Bühnentechniker ist unser Beitrag zur Kultur-Blogparade 2013 der Residenz München.

In einer Kultur-Blogparade ruft ein Blogbetreiber andere Kulturinstitutionen auf, zu einem bestimmten Thema Artikel zu verfassen. Diese werden gesammelt und vom Aufrufenden zusammengefasst. So entsteht ein Online-Sammelband von Texten, diesmal zum Thema „Der Blick hinter die Kulisse – unser Arbeitsalltag“. Wir freuen uns als Theater die zahlreichen Museumsbeiträge beispielsweise aus dem Städel Frankfurt oder dem Deutschen Historischen Museum zu ergänzen.

Sie sind morgens die ersten, die das Theater betreten und nachts die letzten, die es verlassen. Täglich um 7.30 Uhr rückt die erste Schicht der Bühnentechniker an, um bis 10 Uhr alle Aufbauten für die Proben und Vormittagsvorstellungen erledigt zu haben. Der Tag beginnt mit einer kurzen Aufgabenverteilung – dann schwärmen die starken Männer in der schwarzen Kleidung aus, um das Große Haus, die Kammerspiele, das Komödienhaus und die drei Probebühnen einzurichten. Da die Zeiteinteilung sehr streng ist, sind Schnelligkeit und Pünktlichkeit wichtig. Vor allem aber auch Genauigkeit, denn davon hängt die Sicherheit der Schauspieler ab. 24 Mitarbeiter inklusive Auszubildende hat die Bühnentechnik. Pro Schicht sind 6-8 Kollegen eingeteilt. Einige sind schon seit Bestehen des Theaters am Berliner Platz dabei. Bernd Reber und Dieter Schmid beispielsweise – sie haben sich damals auf eine Anzeige beworben, als für den Theaterneubau Bühnentechniker gesucht wurden. Von Beruf waren sie Schlosser bzw. Schreiner und vom Theater hatten sie nicht viel Ahnung. Aber sie mussten mit dem Theater Heilbronn eines der modernsten Häuser Europas bedienen. »Wir haben alles bei der Arbeit gelernt. Nur ein Techniker kannte sich damals aus«, erinnern sich die beiden. Heute kennen sie alle Bühnen mit ihrer technischen Ausstattung wie ihre Westentasche – trotzdem wird es nie langweilig, versichern sie. Denn sie dienen mit ihrer Arbeit der Kunst. Das heißt, spontan und flexibel zu sein, wenn dem Inszenierungsteam während der Proben geniale Einfälle kommen. Manchmal müssen auch bereits realisierte technische Lösungen wieder verworfen werden. Aber solche Korrekturen bleiben hier im Rahmen – aus Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und den Finanzen. Für jedes Bühnenbild wird lange im Vorfeld einer Inszenierung besprochen, warum welches Element nötig ist. Die Meister der Bühnentechnik lassen es regnen und stürmen. Sie sorgen dafür, dass Kulissenteile hochfliegen und im Boden versinken. Sie sind verantwortlich, wenn die Welt – in diesem Fall die Bretter, die sie bedeuten – sich dreht. Und sie lassen Schauspieler durch die Luft schweben. Besonders in letzterer Situation brauchen die Darsteller absolutes Vertrauen zu den Technikern an den Seilzügen. Das verbindet. All diese Abläufe werden in den Proben geübt, in die auch die Herren von der Technik ab 10 Uhr eingebunden sind. Um 15 Uhr rückt das zweite Team an, um die Probebühnen für die Abendproben umzubauen und vor allem, um die Bühnen für die abendlichen Vorstellungen vorzubereiten. Bis 17.30 Uhr müssen sie fertig sein, denn hinterher richtet die Beleuchtungsabteilung alle Scheinwerfer für das jeweilige Stück ein. Während der Vorstellung agieren sie unsichtbar, und doch würde ohne sie nichts funktionieren. Sie sind eine verschworene Gemeinschaft. Viele wie Zissis Tsiapkinakis, Henry Bickel oder Frank Kammerer sind seit den 80er Jahren dabei. Zissis Tsiapkinakis hatte damals in der Theaterkneipe »Rampenlicht« gehört, dass Bühnentechniker gesucht werden. Henry Bickel und Frank Kammerer haben Mitte der 80er Jahre die DDR verlassen und sind hier am Theater gelandet.
Ganz neu ist Bühnenmeister Lutz Schmieder, der über Zeitz und Rudolstadt hierher kam und mit der Einrichtung und Betreuung des sehr aufwendigen Operetten-Gastspiels »Orpheus in der Unterwelt« seine Feuertaufe erlebte und mit Bravour bestand.
Die »starken Männer« sind stolz, dass in den 30 Jahren des Bestehens des Theaters nicht eine Vorstellung aus technischen Gründen ausfallen musste. Ein anderer Job kommt für sie nicht in Frage, auch wenn es kaum freie Sonn- und Feiertage gibt und die Arbeitstage sehr lang sind. Wenn der Vorhang gefallen ist, ist die Arbeit noch lange nicht zu Ende. Dann werden die Kulissen wieder abgebaut, bis die Bühne vollkommen leer ist. Oft verlassen die Männer erst nach Mitternacht das Haus. Am nächsten Morgen rückt wieder die Frühschicht an und der Tag, an dem auf der Bühne vier Mal auf- bzw. abgebaut wird, beginnt.

Silke Zschäckel, Pressereferentin

Unsere Bühnentechniker

 

Die Herren der Unterwelt

Wohl jeder Mitarbeiter des Theaters wurde in seinem Berufsleben schon einmal gefragt: »Und was machen Sie vormittags?« Viele Menschen haben im Kopf, dass an den Abenden die Vorstellungen im Theater laufen, und können sich nicht vorstellen, dass dort fast rund um die Uhr und natürlich auch vormittags gearbeitet wird. Zum Beispiel in der Haustechnik.

Fotos: Fotostudio M42

»Haustechnik bitte zur Bühne. Haustechnik bitte dringend zur Bühne!« Schallt dieser Ruf aus der Durchrufanlage des Theaters, steigt bei jedem, der ihn hört, die Herzfrequenz. Besonders wenn gerade eine Vorstellung läuft und dieser Ruf zwar flüsternd, aber mit großem Nachdruck verbreitet wird. »Dann wissen wir, es brennt«, sagt Markus Rack, der leitende Haus- und Betriebstechniker des Theaters Heilbronn. Natürlich brennt es nicht wirklich, aber es ist, zumindest für diejenigen, die auf der Bühne stehen, fast genauso schlimm. Denn ein technisches Detail in der gigantischen Bühnenmaschinerie funktioniert nicht, was den ganzen Apparat außer Betrieb setzen kann. Dann heißt es für den diensthabenden Kollegen der Haustechnik: Ruhe bewahren, Taschenlampe, Laptop und Werkzeugkoffer packen und schnell, aber ohne Hast zur Bühne zu gehen. Unterwegs kreisen die Gedanken: Wo ist der Fehler?

Das Theater Heilbronn gehört mit seiner Bühnentechnik zu den gut ausgestatteten Häusern in Deutschland: Podien, die sich heben und senken, mit denen Schauspieler und Kulissen hochgefahren werden und wieder verschwinden, eine Drehbühne, Seilzüge, an denen von oben Scheinwerfer oder Schauspieler einschweben. Alles ist computergesteuert, und die vielen Möglichkeiten werden von den Inszenierungsteams mit Lust ausgereizt. Aber manchmal kann eben ein kleiner Betriebsfehler die Vorstellung in Gefahr bringen. »Es ist unser Ehrgeiz, dass keine Vorstellung ausfällt oder wegen eines technischen Problems abgebrochen werden muss« sagt Markus Rack. Da ist er sich mit seinen drei Kollegen Jürgen Klein, Martin Bauer und Michael Ohibsky einig. Einer der vier Haus- und Betriebstechniker ist zwischen 7.30 Uhr und 23.30 Uhr immer da

Im Notfall bahnt sich der Diensthabende seinen Weg durch die aufgeregte Kollegenschar und versucht durch geschickte Fragen die Fehlerquelle einzukreisen. Blitzschnell muss entschieden werden: Ist das Problem sofort zu beheben oder muss eine vorübergehende Lösung gefunden werden? »Wir haben es gelernt, uns in dieser Stresssituation, wenn alle auf einen einreden und Hilfe wie von Zauberhand erwarten, zu konzentrieren. Die Technik haben wir im Griff«, sagt Jürgen Klein schmunzelnd: »Die Nervosität der Kollegen nicht immer.«

Es kann passieren, dass sie während der Vorstellung in den Schnürboden im Bühnenturm hinauf müssen oder in die Untermaschinerie unter der Bühne. Ganz leise und unsichtbar fürs Publikum, deshalb spendet bei der Fehlersuche nur eine Taschenlampe Licht. Wenn sie für die Vorstellung eine Notlösung gefunden haben, schlagen sie sich hinterher die Nacht mit der Reparatur um die Ohren. Denn schon am nächsten Morgen wird auf der Bühne wieder gespielt oder geprobt. »Das Schöne ist, dass keine Routine einzieht, eine gewisse Sicherheit schon, aber nie Gleichförmigkeit« sagt Markus Rack.

Das Theater kennen die Vier wie ihre Westentasche. Sie sind besonders in den »unsichtbaren Räumen« unterwegs, den labyrinthartigen Katakomben unter der Bühne. Da befinden sich technische Anlagen, die anmuten wie das Rechenzentrum der NASA. Von dort werden die Wärmeversorgung und die Belüftung der Bühnen, der Foyers und der Zuschauerräume computertechnisch geregelt. Dort sind ein Notstromdieselmotor und riesige Wassertanks mit 120 000 Litern Wasser, die im Brandfall durch die Sprinkleranlage fließen würden. All diese Anlagen müssen täglich kontrolliert werden. Funktioniert eine von ihnen nicht, darf keine Vorstellung stattfinden. Da unten ist auch das »Gehirn« der Bühnenmaschinerie. In riesigen Stahlschränken blinken unzählige Lämpchen und ein für den Laien undurchschaubares Gewirr an Kabeln sorgt dafür, dass schwere Bühnenteile per Knopfdruck bewegt werden können. Manchmal sind es aber auch ganz simple Dinge, bei denen die vier Retter in der Not ihren Kollegen am Theater behilflich sind: Ein Bügeleisen in der Schneiderei ist kaputt oder ein Wasserhahn tropft. Dann tauchen die »Herren der Unterwelt« kurz aus ihrem hochtechnisierten Reich auf.

Silke Zschäckel, Pressereferentin