Mit der Achterbahn direkt zur Schule

Die BUGA-Entdecker bauen in der Theaterwerkstatt an der Zukunft

Wir befinden uns in der Zukunft, genauer gesagt im Jahr 2217. Schüler fahren mit der Achterbahn direkt in die Schule. Hausaufgaben müssen nicht mehr selbst erledigt werden, sondern dafür gibt es eine Maschine, die sich um die Deutsch- und Matheaufgaben kümmert. Schöne neue Welt! Eine Welt, wie sie sich Kinder wünschen und  im Handumdrehen selbst erschaffen. Als kleine Visionäre, die an der Zukunft ihrer Stadt bauen. Sie nennen sich die „BUGA-Entdecker“ und entwickeln gemeinsam mit der Abteilung  Theaterpädagogik des  Theaters Heilbronn spektakuläre Erfindungen, die sie sich gut für die Bundesgartenschau 2019 vorstellen könnten.

Aus Materialien wie Pfeifenputzern, Glitzerkleber, Federn und Aufklebern bauen sie die ersten Prototypen ihrer Ideen in der Theaterwerkstatt und präsentieren diese vor dem staunenden Publikum.  Neben der Achterbahn zur Schule und der Hausaufgabenmaschine wird auch an das leibliche Wohl gedacht: Eine Donut-Maschine, die sofort Energie für Kopf und Körper liefert und die Müdigkeit vertreibt, wäre doch was Feines. Mit einer beweglichen Antenne und einem Auge, welches in jedes Gehirn sehen kann und die Wünsche erkennt, ist die Wunschmaschine ausgestattet. Für schöne Töne sorgt eine Blumengitarre. Diese könnten die Besucher der BUGA sogar mit nach Hause nehmen. Nach dem Wunsch der jungen Erfinder gibt es noch eine zweite Achterbahn auf dem BUGA-Gelände, die auf einer sonnenhellen Metallscheibe stehen soll. Die letzte Erfindung knüpft an einen Ort auf der BUGA an: das Labyrinth. Die Idee ist ein Erlebnislabyrinth, das viele Hindernisse und Aufgaben beherbergt.

Die BUGA-Entdecker? Wer ist denn das eigentlich?

Die BUGA-Entdecker ist eine der AGs, die im Rahmen der Vorbereitungen zur Bundesgartenschau (BUGA) stattfinden und die on den Theaterpädagoginnen Katrin Singer und Lisa Spintig und dem Theater- und Zirkuspädagogen Stefan Buck geleitet wird. In monatlich stattfindenden Treffen schlüpfen die Kinder in die Entdeckerrolle und erlernen mit jedem Mal Kompetenzen, die sie als Entdecker gut gebrauchen können. So lernen die Kinder nicht nur das entstehende BUGA-Gelände kennen, sondern setzten sich mit diesem auch mit Mitteln des Theaters  auseinander.

Nach diesem 1. Tag ihres gemeinsamen kreativen Schaffens sind die Kinder begeistert und wollen am liebsten weiterbauen. Der Start einer wunderbaren, gemeinsamen Entdeckungsreise.
Der Samen wurde mit diesem ersten Termin gesät. Damit die jungen Ideen-Pflänzchen der Kinder noch weiter wachsen können, bekommen die BUGA-Entdecker ein persönliches Forscherbuch überreicht, welches sie nutzen können, um alle weiteren Inspirationen, Gedanken, Ideen und Geistesblitze zur BUGA festhalten zu können.
Wir sind gespannt wo die Reise noch hingeht. Wer weiß, welche Erfindungen uns im Jahr 2217 noch erhalten bleiben werden …

Bleib nicht stehen, renn!

 Schüler des Robert-Mayer-Gymnasiums Heilbronn haben das Stück “Running” besucht und sich in einem Workshop intensiver damit auseinander gesetzt. Haben sie sich wiedererkannt? Das beschreiben zwei von ihnen hier:

Ein Bericht von Aleyna Karablut & Omen Dalal

Wovor laufe ich weg? Wogegen laufe ich? Was ist mein Ziel?

„Running“ steht im Fokus dieser Fragen und des Unterrichts des Kunstkurses der Jahrgangsstufe 1 am Robert-Mayer-Gymnasium. Wir Schüler unternahmen nämlich einen kleinen Ausflug zum Theater-Workshop in Heilbronn. Schon gleich fing der zunächst farblose Tag mit Musik und Bewegungen an. Die Theaterpädagogin Lisa Spintig ahmte mit uns das Theaterstück nach, indem wir in Gruppen unser Gegenüber imitierten. Dadurch wurde die Zusammenarbeit der Schauspieler und der Tänzer dargestellt. Weitere Gruppenspiele erschufen in uns ein indirektes Bühnengefühl, wodurch wir uns in die Tänzer und die Schauspieler besser hineinversetzen konnten.

Anschließend war das künstlerische Potenzial gefragt! Denn was wäre ein ganzer Kunstkurs ohne Malerei?

Dabei setzten wir uns mit dem Thema „Running“ auseinander und versuchten es so gut wie möglich bildhaft darzustellen. Dafür skizzierten wir in Gruppen einen rennenden Menschen. „Wohin renne ich?“ „Wieso renne ich?“ diese und ähnliche Fragen wurden rund um dieses Thema gestellt. Die Gedanken und die Ideen sind erst dann verwirklicht worden, nachdem wir die Ehre hatten, den Schauspielern und den Tänzern persönlich bei der Probe zuschauen zu dürfen. Dreißig Minuten voller Energie und Begeisterung. Ihre tiefgründige Message gemixt mit HipHop und Rap brachte uns sowohl zum Mitfiebern als auch zum Nachdenken. „Wir haben mit dem Gedanken rennen angefangen und wollten unseren Ideen mit dem Tanzen und den Bewegungen mehr Ausdruck verleihen.“, so die Autorin Anna Konjetzky.

Running, ein einfacher Begriff mit vielen Facetten.

Rennen, wie die innere Unruhe. Rennen, um sich selbst zu finden. Rennen, um dem stressigen Alltag zu entfliehen. Rennend durch den Raum mit ungewöhnlichen Tanzbewegungen und belebender Musik. Ein Stück, das die Jugendlichen berührt und ihre Lebenssituation repräsentiert. Jedoch war das Stück kürzer als erwartet und viele aufgeworfene Fragen wurden gegen Ende hin trotzdem nicht geklärt. Zu viele Interpretationsmöglichkeiten, aber wenige Antworten. Hat das offene Ende dann seine gewünschte Wirkung erzielt? Haben wir etwas von dem Stück lernen können? An dem Punkt gingen die Meinungen auseinander. Dass die Aufführung jedoch einen Großteil unseres Lebens beschrieb, darin waren wir uns einig.

Kein perfektes Stück, was aber in Anbetracht des Themas wieder perfekt wird.

 

 

Novemberblues? Nicht mit uns!

Föhnen am ganzen Körper, heißer Kakao, warme Farben oder ein Hund helfen gegen schlechte Laune in der dunklen Jahreszeit.

Von Burcu Sahin

Wem geht es nicht so? Es regnet pausenlos, draußen ist es  grau und kalt. Das enorme Verlangen nach Schlaf und Süßigkeiten beherrscht einen. Trägheit macht sich breit. Alles Anzeichen für den allbekannten Novemberblues. Auch im Theater beginnen viele Unterhaltungen mit den Worten: „Dieses Wetter schlägt einem voll auf’s Gemüt …“ Doch muss das so sein?  Ich habe mir überlegt, ein paar Ratschläge hier im Theater zu sammeln. Ein paar Inspirationen zu bekommen, um aus dieser düsteren Laune herauszukommen und das Gemüt effektiv zu erhellen.

Fangen wir an:

Als allererstes habe ich meine Nachbarin im Büro gefragt, wie sie am besten mit dem Novemberblues umgeht. Silke Zschäckel ist hier Pressereferentin und meinte: Ganz einfach, sich nicht vom Wetter runterziehen lassen! Denn ändern kann man es ohnehin nicht. Es tut außerdem gut,  sich mit warmen Farben (Herbstblumensträuße) und schönen Düften (Parfüm aufs Handgelenk und regelmäßig daran schnuppern) zu umgeben, das gibt einem gleich ein ganz anderes Gefühl. Ein guter, heißer Tee mit viel Ingwer und Mango oder Minze wäre auch eine Idee.

Nina Ay im Büro nebenan hat gerade ihre Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau abgeschlossen. Sie hat einen ungewöhnlichen Tipp gegen die Novemberkälte. Sie föhnt sich am ganzen Körper. Sie sagt, sie würde das am liebsten den ganzen Tag machen, sie liebt es einfach so sehr. Die warme Luft, die sie umhüllt, erhellt ihre Stimmung ungemein. Zwar steigen die Stromkosten enorm, aber wie gesagt: ihre Laune macht es auch.

Rebekka Mönch, die Leitung des Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit ist schwer begeistert von ihrer Tageslichtlampe, mit der sie jeden Morgen nicht nur sich sondern auch ihren kleinen Sohn aus den Federn lockt. Und was auch auf gar keinen Fall fehlen darf, ist ganz viel Kakao. Die Schokolade und die warme Milch, diese Kombination macht auch es einfach aus.

Sophie Püschel, Dramaturgin, antwortet  zunächst: Möglichst viel arbeiten, dann merkt man nichts davon. Doch dann meint sie auch, dass das nicht alles sein kann. Sie genießt die Gesellschaft ihrer WG-Mitbewohner und freut sich über die Abende, an denen man gemeinsam kocht und sich einfach mal unterhalten kann. Gegen die Kälte, da waren wir uns beide einig, helfen Wärmflaschen und dicke, flauschige Socken!

Ein Stockwerk weiter oben war ich zunächst bei Michéle-Jarry Anton, sie ist nun seit 38 Jahren bei uns im Haus und hat hier vielleicht so einige Male den Novemberblues mitbekommen. Wenn sie merkt, dass es um sie herum düster wird, umgibt sie sich mit vielen bunten Farben. Ab und zu, meinte sie, schließt sie gerne die Augen und macht einen geistigen Spaziergang an den Strand. Ein kurzer Ausflug in Gedanken, einfach mal an die Wärme auf der Haut, den feinen Sand und an das Meer denken.

Eine Tür weiter sitzt Kerstin Klier, sie ist die Leiterin der Verwaltung. Für sie gibt es keinen Novemberblues. Sie sagt, sie ist so geerdet, sie hat sowas nicht. Kerstin Klier liebt den Schnee, die Sonne, den Regen – eigentlich jedes Wetter. Für sie wird jede Jahreszeit so angenommen wie sie kommt. Auch schön.

Gleich daneben ging es gerade so weiter, Petra Ostermann ist die persönliche Referentin des Intendanten und wusste auch nichts von einem Novemberblues. Sie sagte klipp und klar, sie hat einen Hund, da geht sowas nicht. Mit ihm geht sie täglich mindestens zwei Stunden in der Natur spazieren, egal bei welchem Wetter. Ihr Hund muss raus, komme was wolle. Die Spaziergänge in der frischen Luft helfen ihr sehr, den Vitamin D Haushalt im Gleichgewicht zu halten. So kann nichts schief gehen.

Bei unserem Intendanten, Axel Vornam, kam als allererste Antwort: Novemberblues? Einfach ablehnen! Wenn ich das nicht will, dann hab ich das auch nicht, war sein Ratschlag. Er empfiehlt mir von Artur Schopenhauer „Die Welt als Wille und Vorstellung“, obwohl er sich danach doch nicht mehr so sicher war, ob manche nach dieser Lektüre nicht erst recht dem Novemberblues verfallen würden. Einen Versuch ist es bestimmt wert.

Wieder im mittleren Stockwerk zurück habe ich Bianca Sue Henne, die Leiterin des Jungen Theaters, fragen können, wie sie mit dieser Zeit am besten umgeht. Ihr Rezept ist Meditation, am besten ohne irgendwelche Geräusche. Sie sucht die Stille. Dadurch kann sie sich entspannen und sich wieder dem Alltag widmen.

Von Lisa Spintig, Theaterpädagogin, kam als Antwort. Heiße Milch mit Honig. Fertig.

Meine kleine Fragerunde im Haus hat sich als erfolgreicher herausgestellt als ich erwartet hatte. So viele unterschiedliche Tipps. Ich  bin mir sogar sicher, dass man mit einigen Ratschlägen tatsächlich etwas bewirken kann. Mir persönlich hilft auch immer einfach ein großes Stück Schokolade, gekoppelt mit einer guten Serie. Denn manchmal darf man diese Trägheit auch einfach akzeptieren. Das Wichtigste ist nur, sich dem nicht vollkommen hinzugeben und die schlechte Laune im traurigen Monat November über die Lebensgeister gewinnen zu lassen.

In diesem Sinne, kommt durch  die dunkle Jahreszeit!

Eure Burcu

Neu im Ensemble: Hannes Rittig

Aus dem hohen Norden in den Südwesten: Seine erstes Stück am Theater Heilbronn war “Fundament”.  Ab dem 2. Dezember ist Hannes Rittig in “Taxi Taxi” zu sehen. Hier erfahrt ihr mehr über unseren neuen Schauspielkollegen.

An seiner letzten Wirkungsstätte waren die Menschen ziemlich traurig, als Hannes Rittig mit seiner Familie die Umzugskartons packte, um aus der norddeutschen Universitätsstadt Greifswald nach Heilbronn zu ziehen. Eine ganze Woche lang spielte er in seinem kleinen Theater im „Koeppen“, dem Literaturhaus und Café im Geburtshaus des Schriftstellers Wolfgang Koeppen, Stücke aus den letzten fünf Jahren. Heilbronns Chefregisseurin Uta Koschel war in der letzten Vorstellung zugegen und musste sich fast verteidigen, dass sie den beliebten Schauspieler aus Greifswald wegholte. Die beiden kennen sich aus vielen Inszenierungen am Theater Vorpommern, dem Hannes Rittig 12 Jahre lang als Protagonist angehörte, bis ein neuer Intendant kam und viele Kollegen nicht verlängerte. „Aber ich konnte und wollte aus Greifswald nicht weg“, erinnert sich Hannes Rittig. Seine Frau Barbara war zu der Zeit noch Solo-Tänzerin im sehr erfolgreichen Ballett Vorpommern. Die beiden haben zwei Söhne – damals waren sie 2 und 8 Jahre alt. „Also habe ich mir einen neuen Weg gesucht“, sagt Hannes Rittig. Er übernahm das Café im Literaturhaus Wolfgang Koeppen, das wenige Jahre zuvor von Günter Grass und Gerhard Schröder eingeweiht wurde. Er begann mit Kollegen aus seinem früheren Ensemble Lesungen zu veranstalten und  Inszenierungen zu erarbeiten. Schnell entdeckten die Greifswalder Schauspielfreunde die kleine, aber feine Off-Theater-Bühne für sich. Bald schrieb Hannes Rittig auch eigene Stücke, und er gewann Regisseure, die mit den Schauspielern arbeiteten.  Uta Koschel verbrachte so manchen Sommer im „Koeppen“, inszenierte dort „4.48 Psychose“, „Das geheime Leben von Henry und Alice“ und „Sommerherz“. Rittig stand auf der Bühne, kümmerte sich außerdem um den Cafébetrieb und um reibungslose Abläufe hinter den Kulissen. Er genoss den Erfolg, denn der Laden brummte. Und doch blieb die Sehnsucht nach einem ganz normalen Schauspieleralltag …

Aufgewachsen ist Hannes Rittig  als Sohn eines Literaturdozenten und einer Medizinisch-Technischen Assistentin in Halle/Saale. Literatur, Theater und Bildende Kunst gehörten zum Familienalltag dazu. Eigentlich wollte er Computerdesign an der Kunsthochschule studieren, aber die Aussicht auf stundenlanges Stillsitzen war ihm ein Graus. Eine Lehrerin riet ihm, sich auf der Schauspielschule zu bewerben. Gleich der erste Versuch in Leipzig hat geklappt. Dort studierte er zusammen mit seinem jetzigen Ensemble-Kollegen Tobias D. Weber, mit dem ihn seit damals eine enge Freundschaft verbindet. Noch während des Studiums wurde er ans Theater Eisleben engagiert, wo er von Pinocchio bis Hamlet viele jugendliche Hauptrollen spielen durfte. Es folgte ein Engagement in Chemnitz, wo er sich in die Tänzerin Barbara verliebte. Als sie ein Engagement in Greifswald erhielt, stand er vor der Frage – gehen oder bleiben. Schließlich bewarb er sich auch im Norden und erhielt ein Engagement. Als Paar an einem Haus arbeiten zu können, ist im Theaterleben ein Sechser im Lotto.

Heilbronns Intendant Axel Vornam hatte Rittig in einigen Inszenierungen in Greifswald gesehen und wollte ihn nach Heilbronn holen. „Mit der ganzen Familie neu anzufangen, ist nicht leicht“, gesteht Hannes Rittig. Seine Söhne gingen in die Schule, seine Frau hatte sich eine neue Existenz als Tanzpädagogin und Choreografin aufgebaut, er sein erfolgreiches Theater und Café Koeppen. Und doch war da diese Sehnsucht.  Die Familie machte Urlaub in Lauffen – „wunderschön“ ̶ , besuchte viele Vorstellungen im Theater, erspürte die Stadt ̶ „eine spannende Gegend der Arbeit und des Genusses“  ̶  und sagte schließlich zu. Nun genießt er es, sich ganz auf seine ursprüngliche Profession konzentrieren zu können und mit sehr guten Kollegen zusammenzuarbeiten. Sein größter Wunsch für die nächste Zukunft ist, dass seine Familie sich hier gut einlebt und dass er als Schauspieler möglichst viele Erfahrungen machen darf. Und statt in den weiten Caspar-David-Friedrich-Himmel im Norden schaut Hannes Rittig hier eben in die gemütlichen Weinberge. Das hat doch auch was!

Neu im Ensemble: Anja Schreiber

In “Fundament” gab sie ihren Einstand im Heilbronner Ensemble. Ab dem 24. November ist sie in der Komödie “Venedig im Schnee” zu sehen. Hier erfahrt ihr mehr über unsere neue Schauspielkollegin.

„Nirgends lässt sich der Text besser lernen, als beim Spaziergang durch die Weinberge“, sagt Anja Schreiber. Für die junge Frau mit dem blonden Wuschelkopf ist das Engagement in Heilbronn fast ein Heimspiel, denn sie ist jetzt wieder ziemlich nahe an ihrer Heimat, dem Südschwarzwald. „Es riecht wieder wie zu Hause.“ Maultasche und Spätzle, der hiesige Dialekt, die Mentalität der Menschen und die Kehrwoche, all das ist ihr vertraut. Wobei sie mit einem Augenzwinkern gesteht, in den letzten Jahren im Gegensatz zu allem anderen die Kehrwoche nicht unbedingt vermisst zu haben.

Eigentlich ist Anja Schreiber diplomierte Architektin. Nach dem Studium in Konstanz hatte sie ihren Job in einem Architekturbüro in Basel schon sicher. Aber die Aussicht, vorrangig am Rechner zu sitzen, sich zu 80 Prozent mit Statik beschäftigen zu müssen und nur zu 20 Prozent die eigene Kreativität leben zu dürfen, bereitete ihr Unbehagen. Schon seit frühester Kindheit war sie ein Wirbelwind mit dem Drang zur Bühne. Sie war beim Ballett, spielte Theater, lernte Trompete und machte auch sonst viel viel Musik. „Ich wollte gern ans Theater“, gesteht sie. „Aber ich habe es mich nicht getraut.“ Deshalb zunächst die Architektur. Das Studium hat Spaß gemacht, aber unterschwellig war auch während dieser Zeit die Kunst immer präsent. Ob als Entwurf eines Theaters für die Piazza  Anfiteatro  im toskanischen Lucca  oder ob als Planung für ein Museum in ihrer Diplomarbeit.

In ihrer Zeit in Konstanz hatte sie eine Schauspielerin kennengelernt, mit der sie ausführlich über ihren verdrängten Wunsch sprach. „Und obwohl sie mich schonungslos  über alle Schattenseiten des Berufes aufgeklärt hat, drängte es mich, wenigstens einmal diese Schauspieleignungsprüfung zu machen. Nur um zu sehen, ob ich es kann“, erzählt Anja Schreiber.  Da war sie schon 25 Jahre alt. Die Aufnahmeprüfung in Bern hat auf Anhieb geklappt. Aber sollte aus dieser Mut- und Bestätigungsprobe nun auch die Konsequenz folgen, alle berufliche Sicherheit in den Wind zu schlagen? Einen Weg zu gehen, bei dem das Hobby Beruf werden würde, aber wenig Platz für andere private Träume bliebe. „Das kann man nur machen, wenn man wirklich dafür brennt.“ Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Während der Schauspielausbildung an der Hochschule der Künste in Bern spielte sie bereits am Theater Biel-Solothurn und im Schauspielhaus Basel.  Ihr Erstengagement hatte sie am Deutschen Theater Göttingen von 2009-2014.    Danach war sie von 2014-2017 am Theater Plauen-Zwickau engagiert, suchte aber vor allem aus familiären Gründen wieder die Nähe zu ihrer alten Heimat.  Nun also gehört sie fest zum Ensemble des Theaters Heilbronn.  Einziger Wermutstropfen ist die aussichtlose  Wohnungssituation. In Heilbronn hat Anja Schreiber keine Wohnung gefunden, deshalb pendelt sie nun täglich zweimal zwischen Neckarsulm und dem Theater hin und her. Vormittags für die Proben, abends für die Vorstellungen. Sie fährt mit dem Auto, weil das Warten auf öffentliche Verkehrsmittel sie noch mehr Zeit kosten würde. „Mal sehen, wie lange ich es mir leisten kann“, sagt sie.  Sie genießt die Arbeit  mit den neuen Schauspielkollegen, von denen sie viel lernen kann, und findet es unglaublich, wie die Stadt Heilbronn das Theater wertschätzt und ins Haus investiert. Als sie das zum ersten Mal das neue Probenzentrum gesehen hat, konnte sie nur noch staunen.

Frau Fischer, die Kita-Boxx und das Märchen vom Prinzen, der am besten essen konnte

Von Katrin Singer

Langsam wird das kleine Glasfläschchen geöffnet. Magische Luft verteilt sich im Raum. Hände formen aus Nichts lange Fäden, große und ganz kleine Würfel oder weiche Tücher. Aus einem unsichtbaren Stock entsteht eine Zahnbürste. Jemand formt daraus einen Ball und wirft ihn in den Raum. Was hier stattfindet, ist nicht das Treffen der Magier, sondern ein Spiel aus der KITA-BOXX. Die KITA-BOXX ist ein Märchenspiel aus einer großen Kiste. Durch dieses Spiel sollen kleinere Kinder im Kindergarten dazu angeregt werden, selbst ein Märchen zu erfinden und es anschließend zu spielen. Ausgehend von der Frage wie sich jüngere Kinder dem Theaterspiel nähern können und das Gesehene und Erlebte beschreiben lernen, entwickelten die Theaterpädagoginnen Katrin Singer, Lea Kaiser und Natascha Mundt eine Idee für spielerische Spiel- und Sprechanlässe. Ein märchenhaftes Theaterspiel für Kinder von 4-6 Jahren.

Frau Fischer, die Ansprechpartnerin der gesamten Tageseinrichtungen für Kindergärten, staunte nicht schlecht, als ihr die Theaterpädagoginnen Katrin Singer, Lisa Spintig und Natascha Mundt die KITA-BOXX nicht nur vorstellten, sondern das Spiel auch spielten. So entstand mit Hilfe von verschiedenen Spielkarten (Orte, Figuren, Gegenstände) Stück für Stück eine märchenhafte Geschichte.

Gemeinsam erkundeten sie detektivisch den Thronsaal, folgten ihrer Nase und fanden schließlich in der Schlossküche einen kleinen Prinzen. Nacht für Nacht schlief dieser auf dem Thron, sehr nah an der Schlossküche, stets bereit als erstes das Essen der Köche zu testen. Denn als weltbester Esser hatte er schon viele Preise gewonnen. Doch eines Tages entdeckte er auf dem Weg zur Küche ein Stück Gold. Darauf befand sich ein Bild mit einer wunderschönen Prinzessin. Ein gefährlicher Drache hielt sie gefangen. Das Bild des Mädchens in Gefahr ließ ihm keine Ruhe und nach einem schnellen Frühstück zog er los, um die schöne Prinzessin zu retten.

Auch Frau Fischer zieht los und wird den Kolleginnen und Kollegen aus den Kindergärten von der KITA-BOXX berichten. Wir freuen uns auf die vielen Geschichten, die erzählt und gespielt werden. Wer jetzt auch Lust hat  mit der KITA-BOXX zu spielen, kann diese in Verbindung mit einem Theaterbesuch in der BOXX kostenfrei buchen.

BOXX@Night Nr.1 mit Tobi Weber and friends und mit DJ Jean-Sol Partre

Im neuen Samstag-Nacht-Format um 21.30 Uhr  in der BOXX präsentieren sich unsere Schauspieler von einer ganz anderen Seite als gewohnt. Anschließend gibt’s Musik zum Tanzen und Gelegenheit zum miteinander Reden und Feiern. Den Anfang macht Tobias D. Weber am 28. Oktober. Achtung: Hier gibt es Lachmuskelkater. After-Show-Party mit DJ Jean-Sol Partre.

Küchenhockey mit alten Tomaten

Tobias Weber & Friends setzen eine anarchische Geschichte aus Schweden in Szene

Es war einmal ein Urgroßvater, der war so alt, dass er nur noch Kuckuck sagen konnte. Manchmal brachte ihm sein Sohn, der Großvater, Kuchen und Bier. Der hieß Dartanjang (wird wirklich so geschrieben) und lebte aus Angst vor Bazillen allein in einem kleinen wackeligen Haus neben einem großen wackeligen Haus, worin der Vater Loranga, seines Zeichens der weltbeste Popmusikhörer, und Lollipop, der Sohn, ein kleiner, dicker, aber sehr schlauer Junge, wohnten. Außerdem lebten auf diesem Anwesen in diesem äußersten Zipfel von Schweden noch eine Giraffe, die mit Vorliebe Garagendächer und Bettdecken verspeiste und seit neuestem jede Menge Tiger mit großem Hunger.
Wenn Sie sich jetzt fragen, was das für ein Quatsch ist und mutmaßen, Sie hätten sich auf die Kinderseite verirrt, dann täuschen Sie sich nur ein bisschen. Denn „Loranga, Lollipop und lauter Tiger“ von  Barbo Lindgren-Enskog ist tatsächlich ein schwedisches Kinderbuch aus dem Jahre 1972. Und wenn man Schauspieler Tobias D. Weber fragt, das Beste, Verrückteste und Phantasievollste, das ihm je begegnet ist. Als kleiner Junge bekam er von Freunden seiner Eltern die Schallplatte nach dem Kinderbuch geschenkt: „Ich habe sie geliebt“, sagt er. „Und unzählige Male gehört. Sie ist schon ganz zerkratzt und macht komische Geräusche, aber ich kann immer wieder herzlich darüber lachen.“ Sogar zum Schauspielstudium hat ihn das gute Stück begleitet, wo er sie eines Abends mit Kommilitonen gehört hat, die gleichermaßen begeistert waren. Schnell war die Idee geboren, diesen liebenswert anarchischen Text als szenische Lesung mit Musik auf die Bühne zu bringen. „Ich kannte den Text vom vielen Hören auswendig und habe ihn eigenhändig aufgeschrieben“, sagt Tobias D. Weber. Die szenische Lesung wurde an seiner früheren Wirkungsstätte, dem Theater Chemnitz, ein großer Erfolg. Grund genug, für den beliebten Schauspieler „Loranga, Lollipop und lauter Tiger“ nun als Auftaktveranstaltung für das nicht minder anarchische Late-Night-Format Boxx@Night mit viel Musik wie ein Live-Hörspiel auf die Bühne zu bringen. Zusammen mit den Kollegen, die alle sofort Feuer und Flamme waren: Stella Goritzki, Gabriel Kemmether, Frank Lienert-Mondanelli, Oliver Firit, Sasch Kirschberger –  und natürlich mit ihm selbst als Loranga.

Die Geschichte atmet den Freigeist der späten 60er und frühen 70er Jahre und erzählt von einem Vater und seinem Sohn, die keinen Reichtum brauchen, um glücklich zu sein. Statt sich vor dem Fernseher zu langweilen, spielen sie lieber Küchenhockey mit einer alten Tomate oder satteln die Giraffe, um in der Stadt Würstchen für die Tiger zu besorgen.  „Loranga sieht immer das Positive im Leben, Probleme werden gelöst und nicht zerredet.“ Tobias D. Weber kann sich mit dieser Figur sehr identifizieren. „Der ist laut, der lacht total viel – so wie ich“, sagt er augenzwinkernd. Ein Leben in dieser absoluten Freiheit und Selbstbestimmung, wie es Loranga lebt, ist für einen Schauspieler am Theater natürlich nicht möglich. Aber zwischen Proben, Vorstellungen und Textlernen nimmt  sich Tobias D. Weber seine Auszeiten – bei Ausflügen in die Umgebung mit seinem VW Kübel, Baujahr 1970.  Oder beim Schwimmen in der Neckarhalde, wo er dreimal in der Woche 2 Kilometer krault. „Wenn ich meine Bahnen ziehe, wird der Kopf frei und dann kommen mir die besten Gedanken, zum Beispiel für die Umsetzung  von „Loranga, Lollippo und lauter Tiger“ für die Bühne.

Geadelt wurde diese Geschichte übrigens von der großen Astrid Lindgren, die über das Buch ihrer Namensvetterin sagte: „Ich muss einfach hemmungslos lachen, wenn ich es lese! Es ist voll von purem Unsinn, der mich jedes Mal wieder überrumpelt. Loranga, Lollipop und Großvater Dartanjang werden meine Freunde für’s ganze Leben sein.“

Rasante Gewichtszunahme

Mit Fatsuits aus Latex haben schlanke Schauspieler Figuren wie Sumo-Ringer 

Wenn Hollywood-Schauspieler für ihre Rollen stark an Gewicht zulegen, ist ihnen eine Oscar-Nominierung fast sicher. Für ihre Rollen im Schauspiel „Der gute Mensch von Sezuan“ hätten einige Kolleginnen und Kollegen unseres Ensembles aber erheblich zunehmen müssen. Das kann man ihnen unmöglich zumuten. Also mussten unsere Meister-Illusionisten aus dem Malersaal wieder ran, um die Damen und Herren des Schauspielensembles von schlanken sportlichen Menschen in schwer adipöse Personen im Sumo-Ringer-Format zu verwandeln. Selbst hergestellte Fatsuits aus Latex waren die Lösung. Aber bis diese zur Zufriedenheit von Regisseur Adewale Teodros Adebisi und Ausstatter Daniel Angermayr vorlagen, war wieder die ganze Kreativität des Malersaalteams gefragt. Herbert Kübler, Kirstin Köppel und Karlheinz Kirchler entschieden sich, als ersten Arbeitsschritt den Prototypen des Fettleibigen in Originalgröße aus Ton zu formen. Um nicht so viel Ton zu verbrauchen und die Figur nicht tonnenschwer zu machen, wurde zunächst ein Stahlgerüst quasi als Skelett gebaut und mit Styropor in Menschengestalt umschlossen. Danach wurde die dicke „Fettschicht“ aus Ton aufgetragen, bis Oberschenkel und Bauch dick genug waren. Dann wurde die Tonfigur in Höhe der Gürtellinie geteilt – einfach mitten durch geschnitten. Anschließend wurde jeweils die Vorderseite eingegipst, um ein paar Tage später eine Gips-Form (wie ein Sandkuchenförmchen im Buddelkasten, nur viel größer) zu haben. Mit den jeweiligen Rückseiten von Oberkörper und Beinen wurde genauso verfahren. Zu dem Zeitpunkt lag der „Mensch“ also in vier Negativ-Gipsformen vor. Können Sie noch folgen?
Diese Gipsformen wurden mit Latex und Netzstoff ausgekleidet und zusammengefügt. Als diese Masse ausgehärtet war und aus den Formen genommen wurde, lag die äußere Hülle des dicken Menschen vor, quasi wie eine dicke Haut (klingt ein bisschen eklig – ist es aber nicht). Diese kann  man nun anziehen wie eine Hose und einen Pullover. Als Finish kam noch eine feuerfeste Farbschicht im Hautton drauf und eine Öffnung auf der Rückseite des Oberteils wie ein OP-Hemd, damit die Schauspieler es besser an- und ausziehen können. 15 solcher Fettanzüge haben die Kollegen im Malersaal hergestellt. Bei den Anproben waren die Schauspieler teils belustigt. Sie haben aber auch viel Respekt davor, in diesen Dickmachern auf der Bühne zu spielen. Aber lieber eine Fettschicht aus Latex auf den Knochen, als eine, die man sich mit der Einnahme unendlicher Kalorienmengen zulegt und die man eben nicht einfach wieder ausziehen kann.

Heilbronn-Aquarelle von Karlheinz Kirchler jetzt als Kalender für 2018

Heilbronn ist wunderschön. Zumindest, wenn man die Stadt mit den Augen von Karlheinz Kirchler sieht. Von Berufs wegen ist er Theatermaler und -plastiker am Theater Heilbronn. In seiner Freizeit zieht er mit einer papierbespannten Holztafel, mit Pinseln und Aquarellfarben durch die Stadt  und malt unter freiem Himmel. Dabei entdeckt er die Schönheit in Orten, die andere kaum bemerken und die alles andere als Postkartenmotive sind. Sein Thema ist die Stadtlandschaft mit all ihren Facetten. Schöne, idyllische Winkel  wie die Weinberge oder das Wasserschlösschen am Trappensee hat er festgehalten. Aber auch den Wandel zu dokumentieren, den Heilbronn gerade erlebt, reizt ihn. So hat er Aquarelle von der BUGA-Baustelle und von der Experimenta-Baustelle gemalt. Auch Straßenzüge, durch die wir im Alltag achtlos laufen, bekommen in Karlheinz Kirchlers Arbeiten Glanz und eine außergewöhnliche Attraktivität. Sein Geheimnis sind die eingefangenen Lichtstimmungen, die besonderen Perspektiven, die er wählt, die Leichtigkeit der Linienführung und die Transparenz der Farben.

Ab dem 7. Oktober stellt Karlheinz Kirchler seine Heilbronn-Aquarelle in der Galerie Seiler in der Hafenmarktpassage aus. 13 Motive sind jetzt als Kalender für 2018 erschienen, die in den Buchhandlungen Stritter und Osiander, bei Heilbronn Marketing und bei der Heilbronner Stimme zu erwerben sind.

Spannende und schweißtreibende Proben für “Running”

Bereits jetzt, vor der Sommerpause des Theaters, laufen die Proben für die ersten Stücke der neuen Spielzeit auf Hochtouren. Besonders hochtourig sind die Proben für unser ersten BOXX-Stück “Running” von Anna Konjetztky und Christina Kettering. Dieses Stück an der Schnittstelle von Tanztheater und Schauspiel vergleicht den Weg von Jugendlichen in ihre eigene Zukunft mit den Anstrengungen eines Marathonlaufes. Bianca Sue Henne, unsere Leiterin des Jungen Theaters und Dramaturgin dieses Stücks, beschreibt den Beginn der Proben. Premiere ist übrigens am 23. September.

 

Erster Probentag »RUNNING«. Die Choreographin Anna Konjetzky ist die erste vom neuen Team, die ins Theater kommt. Während auf der Probebühne schon das Laufband für die Videoaufnahmen aufgestellt wird, begleite ich sie in die Kostümabteilung zu unserer Kostümchefin Roswitha Egger. Die beiden kennen sich noch nicht, und so stelle ich beide einander vor. Natürlich sind wir nicht nur zum Plaudern hier. Anna ist nicht nur Choreographin und Regisseurin der Inszenierung, sie ist auch für die Ausstattung verantwortlich. Ausgestattet mit den Kleidergrößen des BOXX-Ensembles macht sie sich nun auf den Weg in die Heilbronner Innenstadt, um die Kostüme zu kaufen. Da heute schon Videoaufnahmen gemacht werden, brauchen wir die Originalkostüme nämlich sofort. Besonders wichtig sind die Laufschuhe. Jedes Kostüm kommt zweimal in den Einkaufbeutel. Das liegt an ihrem szenischen Konzept: die Tänzer doublen die Schauspieler. Jana Frankes Alterego wird von Quindell Orton getanzt. Die Australierin ist außergewöhnlich groß und schlank und trägt – wie BOXX-Neuzugang Jana Franke – ihre langen blonden Locken zum Pferdeschwanz gebunden. Für Giulia Weis hat die Choreographin die belgische Tänzerin Sahra Huby als Double mitgebracht. Die beiden verbindet ihre Power-Ausstrahlung. Für Sascha Kirschberger ist Jascha Viehstädt als Doppelgänger zu Gast. Anna kündigt an, dass sie die Namen sicher verwürfeln wird. Ähnlicher können Sie ja auch kaum sein. Während Anna also Kostüme kauft, gehe ich auf die Probebühne, wo inzwischen René Liebert seine Ausrüstung aufbaut. Parallel richtet Beleuchtungsmeister Michael Herold ein paar Scheinwerfer auf das Setting: Das vom Staatstheater Darmstadt geliehene Laufband (ohne Bedienerkonsole, wir wollen ja nur den Läufer filmen) steht inzwischen in der richtigen Richtung vor dem Greenscreen, jenem grünen Stoffaushang, der später digital weggerechnet wird. Anna darf also keine knallgrünen Kostüme kaufen, die könnten sonst bei der Bearbeitung mit verschwinden. Und während die erste Tänzerin, Quindell Orton, sich bereits warm macht und Annas Kostüm anprobiert, flitze ich in den Supermarkt, um eine Stärkung für Team und Ensemble zu besorgen. Auf dem Weg treffe ich Sergej Maingardt, unseren Komponisten. Ich schicke ihn auf die Probebühne und bin sehr gespannt auf seinen Sound!
Als ich zurückkehre, finde ich Quindell auf dem Laufband, schwitzend und mit vor Anstrengung rotem Kopf. Sie ist eine versierte Läuferin, aber die Halogenscheinwerfer arbeiten an diesem heißen Tag gegen die Belüftungsanlage auf der Probebühne im untersten Geschoss des Theaters Heilbronn. Glück gehabt – alle anderen Probebühnen sind unklimatisiert und bei diesem Wetter wahnsinnig heiß, denn unser Probenzentrum ist noch nicht fertig. Ich werfe einen Blick auf den kleinen Monitor an Renés Kameras. Eine der beiden filmt die ganze Person, die andere einen Ausschnitt, der vor allem das Gesicht zeigt.

Ich kann mir schon gut vorstellen, wie die fertigen Videobilder auf den Projektionswänden in der BOXX wirken werden. Nacheinander dürfen Sahra und Jascha ebenfalls für jeweils 30 Minuten aufs Laufband. Musik gibt es hier noch nicht, nur das gleichmäßige Surren des Laufbandes und die kraftvollen Schritte der Tänzer darauf. Schon beim Zuhören erinnere ich mich, dass Laufen etwas sehr Meditatives hat. René zeigt mir parallel auf seinem Computer die bereits entstandenen Aufnahmen. Es ist schon ein großer Unterschied im Gesichtsausdruck zwischen dem Anfang und dem Ende der Aufzeichnung. Genau dieser Unterschied interessiert das Team.
Jetzt müssen wir uns beeilen. Schnell die Kamera einpacken, wir müssen zum Sportplatz am Justinus-Kerner-Gymnasium, einer Kooperationsschule des Theaters Heilbronn. Die Stadt Heilbronn hat uns die Ausnahmegenehmigung erteilt, hier auf der einzigen roten Kreisrennbahn in Heilbronn zu filmen. Dort angekommen kontaktieren wir kurz den Hausmeister, und dann geht’s auch schon los. Die drei Tänzer laufen in ihren Kostümen auf der roten 400m-Ring hinter dem Caddy des Theaters her, bei offenen Türen sitzen hinten René und Anna und filmen. Ein tolles Bild! Ich mache wieder ein paar Fotos und poste sie direkt auf Twitter. Sieht toll aus. Besseres Wetter hätten wir nicht haben können. Die Sonne lässt die Farben wunderbar leuchten. Aber auf dem Laufband im Keller des Theaters war es deutlich angenehmer, denn nicht nur brennt uns die Sonne auf der Nase. Die vorsichtige Australierin fragt besorgt in die Runde, ob jemand Sonnencreme dabei hat, aber glücklicherweise finden wir ein schattiges Plätzchen für die, die gerade nicht laufen. Noch unangenehmer für die Tänzer ist der Staub, den der vor ihnen herfahrende Caddy aufwirbelt. Aber für die Kunst… Noch ein paar Aufnahmen, die nur die Füße zeigen, und dann müssen wir uns schon wieder beeilen, denn um 18 Uhr warten die Kollegen auf der Probebühne für die Konzeptionsprobe, in der das Team dem Ensemble, also Schauspielerin und Tänzern, aber auch der Maske, der Requisite, der Dramaturgie, der Theaterpädagogik, der Tontechnik, der Pressereferentin, dem Künstlerischen Betriebsbüro (das für die Probenorganisation zuständig ist) und natürlich auch dem Intendanten, der alle herzlich begrüßt, die Pläne für die Inszenierung vorstellt.
Hier ist nun auch Christina Kettering dabei, die die Texte geschrieben hat. Gemeinsam mit Anna Konjetzky hat sie über einige Monate hinweg das Konzept entwickelt, eine Stückdramaturgie angelegt, die sich an den psychologischen Vorgängen bei einem Amateurmarathonlauf orientiert. Sie stellt die Figuren vor, die in ihrem Stück auftauchen: Jugendliche im Perfektionierungswahn. Jugendliche, die von ihren Eltern, Lehrern, Freunden unter Druck gesetzt werden. Jugendliche, die verbissen auf ein Ziel zulaufen. Jugendliche, die vor etwas weglaufen. Jugendliche, die ihre Kräfte bündeln und den Erwachsenen ihre Sicht auf die Welt entgegenschreien. Das sind starke Texte, die mich schon beim ersten Lesen nicht ungerührt gelassen haben. Außen und innen – das ist die Idee, die hinter der Figurendoppelung steckt. Sergej Maingardt, der elektronische Musik studiert hat, stellt sich Hiphop Beats für »RUNNING« vor. Darauf ist er gemeinsam mit Anna gekommen, weil für Anna gerade in Verbindung mit Tanz die Schwelle vom Sprechen zum Sprechgesang spannend ist. Die dazugehörigen Sounds werden von ihm vorbereitet und in den Vorstellungen vom Ensemble von einem DJ-Pult aus abgefahren. Die dafür benötigte kleine Midi-Konsole lässt Saschas Augen strahlen.
René und Anna stellen die beweglichen Projektionswände vor. Und dann geht es auch gleich weiter mit den Filmaufnahmen: René dreht Portraitaufnahmen der Schauspielerinnen und Schauspieler.
Und ich freue mich auf die Arbeit mit diesem hoch energetischen Team.

In der Themenwoche »RUNNING« gibt es Tanzworkshops, Hintergründe über Leistungsdruck und Stressbewältigung und zur Eröffnung haben wir Marc- Oliver Bischoff ins BOXX-Foyer eingeladen. Der Krimiautor lebt in Ludwigsburg und hat seinen Laufblog in seinem Buch »Lauf, du Sau« veröffentlicht. Bei uns liest er am 25. September um 18 Uhr unterhaltsame Anekdoten aus dem Leben eines Amateurläufers. Im Anschluss zeigen wir um 20 Uhr »RUNNING« in der BOXX.