Zwischen Dingenskirchen und der Walachei

Wolfgang Herrndorfs »Tschick« kommt auf die Bühne der BOXX

Tschick

Kennen Sie den Wunsch beim Lesen eines Buches, es möge niemals aufhören? Kennen Sie das Gefühl, so sehr in das Leben der Romanfiguren eingetaucht zu sein, dass Sie gar nicht mehr in den eigenen Alltag zurück möchten? Sich zu verlieren in Buchstaben und Seiten, die im Kopf wundervolle Welten entstehen lassen? Man nimmt einfach Platz am Ufer des Mississippi oder eben auf dem Rücksitz eines alten Lada und beginnt eine unvergessliche Reise. So eine Reise ist  Wolfgang Herrndorfs Roman »Tschick«. Es ist die Geschichte zweier ungleicher 14-jähriger Jungen: Maik Klingenberg lebt mit seinen Eltern, die sich kaum für ihren Sohn interessieren, in einer Villa mit Pool. Er  hatte keine Freunde, sein Leben war öde, bis Tschick in seine Klasse kam. Tschick heißt eigentlich Andrej Tschichatschow, ist Russlanddeutscher, lebt in der Hochhaussiedlung, hat es von der Förderschule aufs Gymnasium geschafft und ist trotzdem alles andere als ein Musterbeispiel an Integration. Als die Sommerferien beginnen, fährt Maiks Mutter in die als »Beautyfarm« getarnte Entzugsklinik und sein Vater mit der jungen Assistentin auf »Geschäftsreise«. Da steht Tschick mit einem »geborgten« Lada vor Maiks Tür und will mit ihm in den Urlaub fahren. Ihr grobes Ziel lautet: Walachei.

Ob es die Walachei überhaupt gibt und, wenn ja, wo sie sich befindet, ist eigentlich vollkommen egal. Denn nie stimmte die Floskel vom Weg, der angeblich das Ziel sei, so sehr wie in »Tschick«. Auch wenn die beiden auf ihrer chaotischen Fahrt niemals an einem Ziel ankommen werden, so erfahren sie doch viel mehr über das Leben als alle, die ihre Reise von A nach B mit dem Lineal planen. Die zwei Jungs irren mit ihrem Lada durch die deutsche Provinz wie zwei Flipperkugeln, die von einer Begegnung zur nächsten geschossen werden. Sie treffen auf einzigartige Menschen und lernen sie kennen und schätzen. Da ist zum Beispiel Isa, das kluge Mädchen von der Müllkippe, oder die liebenswerte, aber etwas überregulierte Familie, bei der man sich den größten Nachtisch durch ein wettkampfartiges Harry-Potter-Quiz sichern muss, oder die übergewichtige Sprach-​​therapeutin mit dem tarnfarbenen BMW, die Tschick versehentlich den Fuss bricht und von Maik liebevoll »Flusspferd« genannt wird. Die beiden erleben die besten Wochen ihres Lebens. Dabei wird die Geschichte in einem so ungeheuren Tempo, in einer so unverwechselbaren Sprache und mit so viel Witz und jugendlicher Alltags-Philosophie erzählt, dass man sich tatsächlich ständig wünscht, die Reise möge niemals enden.
Doch »Tschick« ist nicht nur als Roman eine Sensation. Auch als Theaterstück verliert Herrndorfs Text nichts von seiner Sogkraft. Im Gegenteil. Der Theaterfassung gelingt es sogar an vielen Stellen, den wunderbaren Wortwitz des Autors noch lebendiger zu machen und dem Publikum einen noch direkteren Zugang zu ermöglichen. Das Stück feiert die abenteuerliche Reise der sonderbaren Helden als ein Fest des Erzählens. Und so wundert es kaum, dass »Tschick« mittlerweile das meistgespielte Stück auf deutschen Bühnen ist.
Gemeinsam mit Ausstatterin Gesine Kuhn zeigt Regisseur Jens Kerbel die liebenswerten Außenseiter, die Herrndorfs Text bevölkern, als Kaleidoskop deplatziert wirkender Menschen irgendwo zwischen der Walachei, der Pampa, Dingenskirchen oder ganz einfach »Jottwehdeh«.

Von Stefan Schletter

Weihnachten – sowas wie „Nach Hause kommen“

Foto: Jule Fuchs
Foto: Jule Fuchs

Der Countdown läuft denn es sind nur noch 5 Tage bis Weihnachten. Das bedeutet für die einen Ruhe, Erholung und entspannte Stunden vor dem Kamin. Für die anderen eher Chaos, Stress und volle Straßen. „Last Christmas“ hört man immer öfter im Radio und wenn man für den schnellen Einkauf mehr als doppelt so lange braucht, sind meistens die unzähligen Besucher der viel zu überfüllten Weihnachtsmärkte daran schuld, dass die Familie zuhause etwas länger auf ihr Essen warten muss. Weihnachtsmuffel hin oder her – vom ganzen Stress mal abgesehen, freuen sich doch die meisten auf Weihnachten. Zwischen Vanillekipferl, „Oh Tannenbaum“ und all dem guten Essen, zwischen Zimt-Duft und Adventskalender lässt es sich doch prima aushalten.
Wir, die Mitarbeiter des Theater Heilbronn, finden auf jeden Fall, dass Weihnachten eine schöne Zeit ist. Ein paar von ihnen hab ich mir geschnappt und sie einige Sachen zum Thema Weinachten gefragt.

„Ich fahre endlich mal wieder in den Norden zu meiner Familie“ verrät mir Antjé Femfert, Theaterpädagogin hier am Haus. „Da ich nur 2 Mal im Jahr in meine Heimat komme, und das meistens an Weihnachten,

freue ich mich jedes Jahr um diese Zeit wieder gen Norden fahren zu dürfen.“ Ihre Augen strahlen mich an. Was für ein schönes Gefühl plötzlich in der Luft liegt. Sofort bekomme ich Lust auf Tee, Lebkuchen, Kaminwärme und Omas Kuschelsocken. Heimat, Liebe, Familie. Weihnachten wird oft mit diesen Begriffen in Verbindung gesetzt. Auch die gute Seele unserer Verwaltung, Michèle Jarry-Anton, welche ursprünglich im Süden Frankreichs beheimatet ist, habe ich gefragt, wie sie denn Weihnachten verbringt: „Die Bescherung findet erst am 25. Dezember statt. Am 24. Dezember wird morgens noch gearbeitet und erst gegen die Arbeitsstunden, findet das traditionelle Réveillon (der Weihnachtsschmaus) statt.“ Da für unsere französischen Nachbarn das Essen sehr wichtig ist, kann das Réveillon auch mal ein paar Stunden dauern. „Bei uns in Frankreich ist es Tradition das sogenannte „letzte Abendmahl“ zu sich zu nehmen. Dieses symbolisiert das letzte Abendmahl der Apostel und des Messias. Dieses besteht aus 13 Desserts wie zum Beispiel: Weißer Haselnussnougat mit Pistazien, Quittenkonfitüre und Weintrauben, Mandeln, Nüsse, Kürbiskuchen und und und…“ Kein Wunder, dass Obelix so dick ist, wenn in Frankreich so fantastisch Weihnachten gefeiert wird, denke ich und hake noch ein bisschen weiter nach: „Wie riecht oder schmeckt denn Weihnachten für Sie?“ Michèle Jarry-Anton muss gar nicht lange überlegen: „In Verbindung mit deutschen Weihnachten ganz klar nach Zimt. Jedoch wenn ich an zuhause denk nach einem schöööönen Braten der aus der Küche duftet! Das riecht nach Heimat.“ Und da ist es wieder. Dieses Wort was uns alle mit Weihnachten verbindet. Es ist doch so etwas wie „Nach Hause kommen“ denke ich mir und will von meiner Mitauszubildenden Selina Rothenhöfer wissen, was Weihnachten für sie ist. „Endlich mal Zeit für mich und meine Liebsten, weil das leider im restlichen Jahr viel zu kurz kommt, weißt du?“ Und genau das denke ich auch.


 Frohe Weihnachten!

Kurzurlaub für die Kostüme von Peterchens Mondfahrt

Über das Wochenende hatten Peter und Annes Kostüme auch mal Pause und gönnten sich 2 Tage Urlaub an der Stange. Doch gleich heute springen die beiden neugierigen Abenteurer wieder in ihre schönen Wölkchen-Schlafanzüge und das nicht nur einmal! Da in dieser Woche ganze ACHT mal für Peterchens Mondfahrt der Vorhang aufgeht, heißt es ab jetzt: „Bühne frei für: Peter, Anne, den Sumsemann, die Nachtfee, dem Sandmann, den Mann im Mond, den Milchstraßenmann und den kleinen Bär und ab in die Kostüme!“

…auch eines der Käferbeinchen des Sumsemanns blitzt zwischen den Kostümen hervor. Könnt ihr es erkennen?

Peterchens Mondfahrt Kostüme

Beleuchtungsstatist – Was ist das eigentlich?

Ob man einfach nur Lust hat, mal auf einer großen Bühne zu stehen ohne Lampenfieber haben zu müssen, oder sich für nebenher etwas dazu verdienen will – ein Beleuchtungsstatist bietet beides. Und wenn ihr glaubt, dass das heißt bei diesem Job müsst ihr einfach nur rumstehen und dafür bekommt man auch noch Geld, ha, da habt ihr weit gefehlt.

Das Theater braucht Beleuchtungsstatisten, damit der Beleuchtungsmeister, der Regisseur und die Regieassistentinnen eines Stückes das Licht einstimmen können. Und das mit eurer Hilfe! Denn ihr seid dazu da, die Position des Schauspielers einzunehmen, die in der jeweiligen Szene gespielt wird.
Warum das wichtig ist? Na stellt euch mal die vor, wie eine Unterwasserszene mit rotem Licht aussehen würde, oder wenn es im Stück Nacht wird. Ebenso passt in einer Liebesszene kein grelles Licht und bei einem Wüsten-Bühnenbild passt keine weiß-blaue Beleuchtung (außer es passt zu der dafür gespielten Szene/Stimmung). Dafür muss das Licht passen, denn Lichter können nicht nur Räume erhellen sondern auch Gefühle und Stimmungen erzeugen. Das Licht ist also für die Atmosphäre in einem Stück verantwortlich.

Die Aufgabe des Beleuchtungsstatisten dabei ist es, den Anweisungen des Beleuchtungsmeisters und des Regisseurs zu folgen, denn die Positionen die vorgegeben werden, sind später für die Schauspieler sehr wichtig, damit sie wissen wo sie stehen müssen und nicht im Dunkeln untergehen. Das erfordert nicht nur Mut sondern auch jede Menge Geduld! Es könnte sein, dass man für eine Stimmung länger braucht und dann sollte man nicht den Zappel-Philipp machen, sondern Ruhe bewahren, das Gesicht Richtung Publikum strecken und aufmerksam zuhören. Je nach Bühnenbild müsst ihr mal auf Tische klettern, in Löcher schlüpfen oder euch auf ein anderes Requisit setzen.

Hauptsächlich finden die Beleuchtungsproben mittags bis abends statt, das heißt, ihr solltet flexibel sein und ein bisschen Zeit mitbringen.
Ansonsten rauf auf die Bühne und im wahrsten Sinne des Wortes: Ab ins Rampenlicht!

Hier am Theater Heilbronn habt ihr die Möglichkeit euch als Beleuchtungsstatisten zu bewerben. Für jede Stunde die ihr auf der Bühne steht, bekommt ihr 5€. Kleines aber jedoch fein verdientes Geld und ihr bekommt einen exklusiven Blick hinter die Kulissen des Theaters, denn wer sonst darf dem Bühnenbild so nah auf die Pelle rücken als ihr oder die Schauspieler?

Sebastian Weiss (Schauspieler)
Schreibt einfach eine E-Mail an ostermann@theater-hn.de.

Weihnachten ist eine schöne Zeit

Foto: Jule Fuchs
Foto: Jule Fuchs

Bei unserer alljährlichen Weihnachtsmatinee kann man es sich nicht nur bei leckeren Plätzchen und Lebkuchen gut gehen lassen, nein, man kann nebenher noch lustigen Weihnachtsgeschichten lauschen, das ein oder andere Weihnachtsliedchen mitsingen und es sich bei netter und amüsanter Gesellschaft gemütlich machen.

In Weihnachtsstimmung versetzen Sie unsere Schauspieler Oliver Firit, Sylvia Bretschneider und Sabine Unger.

Na wenn das mal kein guter Start in eine besinnliche Weihnachtszeit ist, dann kommt der Weihnachtsmann immer noch durch den Schornstein…oder so…

Für die Weihnachtsmatinée am 14. Dezember um 11 Uhr gibt es noch wenige Karten.

 

Theaterbesuch mit der ganzen Familie in der Weihnachtszeit

Peterchens Mondfahrt, Foto: Thomas Braun
Peterchens Mondfahrt, Foto: Thomas Braun

Die Geschwister Peter und Anne erleben ein unglaubliches Abenteuer bei ihrer Reise zum Mond.

Was gibt es Schöneres als einen gemütlichen Theaterbesuch mit der ganzen Familie in der Weihnachtszeit? Eine Himmelslandschaft mit großem Mond und vielen leuchtenden kleinen Sterne bringt Groß und Klein zum Staunen und Träumen. Eine tolle Geschenkidee des Theaters Heilbronn für Märchenfreunde…

Vorstellungen

Märchenoper »Hänsel und Gretel« aus dem Staatstheater Karlsruhe zu Gast

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Obwohl eigentlich nur die Lebkuchen, aus denen das Hexenhaus besteht, die Beziehung zu Weihnachten herstellen, ist die Märchenoper »Hänsel und Gretel« in den Theatern eines der beliebtesten Werke zur Weihnachtszeit. Was für ein Glück, dass das Theater Heilbronn die Karlsruher Interpretation des ehemaligen Intendanten Achim Thorwald für eine Gastspielreihe von acht Vorstellungen verpflichten konnte. Am 30. November ist die Heilbronner Premiere dieser erfolgreichsten Märchenoper aller Zeiten.
Eigentlich wurde Engelbert Humperdinck im Jahre 1890 von seiner Schwester lediglich gebeten, einige Kinderlieder für ihr kleines Märchenspiel »Hänsel und Gretel«, das sie im Familienkreis aufführen wollte, zu schreiben. Doch die Lieder stießen auf so große Begeisterung, dass er sich entschloss, aus dem kleinen Singspiel eine abendfüllende Oper zu machen, die 1893 in Weimar unter dem Dirigat von Richard Strauss ihre umjubelte Uraufführung erlebte. Entstanden war ein dramatisches und sinfonisches Meisterwerk über den ungewöhnlichen Reifungsprozess eines Geschwisterpaares, ein »Stück Kinderleben«, wie es der Komponist selbst der Ouvertüre voranstellte.
Das Libretto von Humperdincks Schwester Adelheid Wette orientiert sich am Märchen der Brüder Grimm. Hänsel und Gretel leben unter ärmlichen Verhältnissen mit ihrem Vater, dem Besenbinder, und der Mutter zusammen. Als sie eines Tages übermütig spielen, anstatt ihre Arbeit zu erledigen, werden sie von der Mutter zur Strafe in den Wald geschickt, um Beeren zu sammeln. Der Vater macht seiner Frau Vorwürfe, denn im Wald treibt eine gefährliche Hexe ihr Unwesen. Beim Beerensuchen merken die Kinder nicht, wie schnell es dunkel wird. Mit Einbruch der Nacht wird ihnen mulmig zumute. Der Sandmann schickt sie mit seinem tröstenden Abendsegen in den Schlaf.  Am nächsten Morgen stehen sie vor einem Haus aus Lebkuchen und Zuckerzeug. Als sie davon naschen wollen, erscheint plötzlich die Hexe und nimmt sie gefangen. Hänsel soll im Ofen gebraten werden und Gretel für sie arbeiten, doch durch eine List gelingt es den Kindern, stattdessen die Hexe in den Ofen zu stoßen und die vielen Kinder, die schon von ihr verzaubert wurden, zu befreien.
Der berühmte Kinderpsychologe Bruno Bettelheim schrieb: »Solange Kinder an Hexen glauben – wie sie es immer getan haben und immer tun werden, bis sie so alt geworden sind, dass sie sich nicht mehr gezwungen sehen, ihren gestaltlosen Ängsten eine menschenähnliche Gestalt zu geben, sollte man ihnen Geschichten erzählen, in denen gescheite Kinder es fertigbringen, sich von solchen Verfolger-Figuren ihrer Phantasie zu befreien. Wenn ihnen das gelingt, haben sie davon – genau wie Hänsel und Gretel – einen ungeheuren Gewinn.«

Silke Zschäkel

Schenken Sie zu Weihnachten Theater

_TIG7317Wir bieten Ihnen die verschiedensten Geschenkideen für jeden Geldbeutel.

Gutscheine in allen Preislagen (für einzelne Vorstellungen oder für Vorstellungen mit anschließendem Essen im Theaterrestaurant „Gaumenspiel“

Wahlabo: Das Wahlabo erfreut sich in Zeiten immer größer werdender zeitlicher Flexibilität großer Beliebtheit. Es berechtigt zum Besuch von 8 Vorstellungen: vier im Großen Haus, zwei im Komödienhaus und zwei in der BOXX. Dazu gehören noch vier Ermäßigungsgutscheine, mit denen man weitere vier Vorstellungen zu ermäßigten Konditionen besuchen kann. (Preise zwischen 56 und 148 Euro)

-Theatercard: Die Theatercard ist ein sehr beliebtes Geschenk. Sie kostet 60 Euro (für Schüler 35 Euro) und funktioniert ähnlich wie eine Bahncard. Inhaber der Theatercard können jede Vorstellung zum halben Preis besuchen – egal, wie oft sie ins Theater gehen. Menschen, die gern ins Theater gehen, freuen sich sicher über dieses Geschenk, das sie ein ganzes Jahr nutzen können. Wenn man bedenkt, dass Musical, Musiktheater und Ballett 32 Euro kostet; Schauspielvorstellungen im Großen Haus und im Komödienhaus 24 Euro (immer jeweils beste Platzgruppe); dann kann man sich ausrechnen, wie schnell sich so eine Theatercard auszahlt.

Und nur zu Weihnachten: Die Weihnachtspäckchen

Extra zur Weihnachtszeit haben wir für Sie kleine Geschenkpäckchen geschnürt mit jeweils vier Vorstellungen, die man ganz nach Geschmack zusammenstellen kann. Päckchen 1 enthält „Komödienhaus pur“, Päckchen 2 einen „Mix im Großen Haus“ und Päckchen 3 „Von allem etwas“. Mit Preisen zwischen 35 und 67 Euro passen diese Weihnachtsgeschenke auch in Ihr Budget.

Silke Zschäkel

Erste Bühnenprobe für Antigone

Foto 2-1Eine erste Bühnenprobe ist bei jeder Inszenierung ein magischer Moment: Wochenlang haben Regieteam und Schauspieler auf der Probebühne in Attrappen Text, Situationen und Figuren erarbeitet, die Vorstellung vom Endergebnis nur im Kopf.

Jetzt stehen sie plötzlich auf der Bühne – und zu aller Überraschung ist diesmal ein Großteil des Bühnenbilds schon da. Sieben Säulen bilden gewaltig einen rechten Winkel. Ein abgebrochenes Säulenteil liegt links auf dem Boden. Anastasija Bräuniger, seit Ende letzter Spielzeit neu im Ensemble, wird hier ihre erste Klassiker-Hauptrolle spielen, Antigone. Beeindruckt blickt sie an der äußersten rechten Säule hoch zum Portal. Sie streicht über die glatte Oberfläche.

Von einem korinthischen Tempel inspiriert, hat Bühnen- und Kostümbildnerin Heike Neugebauer mit Regisseurin Johanna Schall dieses Raumkonzept entwickelt. Wie eine Mahnung an die Vergänglichkeit der Macht steht das massiv wirkende Monument im Arbeitslicht. Und schon jetzt glänzen sie, die sieben Säulen, die das siebentorige Theben repräsentieren, denn sie sind nicht aus Stein, sondern aus Metall gefertigt.

Johanna Schall ruft ihre Spieler, acht an der Zahl, auf die Bühne. Im Halbkreis sitzen sie vor ihr. „Wenn wir jetzt durch den ersten Teil gehen, dann denkt an eines: Bitte nicht die hinteren Säulen bespielen, die sind noch nicht festgeschraubt.“ Nils Brück, der den Kreon spielt, zeigt auf das liegende Säulenteil: „Können wir uns draufsetzen?“ Johanna Schall fasst an das rechte Ende, aus dem noch metallene Streben ragen. „Ja“, meint sie, „aber passt hier bitte auf.“ Kaum gesagt, schon steht Bühnenmeister Pit Müller bereit – mit weißem Klebeband, das er um die Streben wickelt, damit niemand sich aus Versehen verletzen kann.

Die Regisseurin wechselt von der Bühne in den Zuschauerraum, die Schauspieler in ihre Haltungen als Eröffnungschor. Die Probe beginnt: „Hart greift in unser Land das fremde Heer, / Bedrängt mit Macht die Tore, Mauern, / Der Feind wie eine Flut rauscht auf uns zu, / Es stöhnt die Stadt, ihr Grund stöhnt von dem Ansturm!“ Ein magischer Moment.

Andreas Frane

Der Schriftsteller und sein allergrößter Fans

„Misery“ nach Stephen King im Komödienhaus

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Unter den größten Schurken der Filmgeschichte nimmt Anni Wilkes Platz 17 ein. Viele kennen die verrückte Krankenschwester, die über Monate ihren Lieblingsautor in ihrer Gewalt hat und die der Fantasie von Grusel-König Stephen King entstammt. Jetzt kommt dieses tragikomische Kammerspiel über die Psychopathin und den Schriftsteller auf die Bühne des Komödienhauses. „Misery“ hat in der Bühnenfassung von Simon Moore und in der Inszenierung von Jens Schmidl am 15. November um 20 Uhr Premiere. Das Stück bietet erstklassiges Futter für die beiden Schauspieler Angelika Hart und Raik Singer und garantiert Spannung von der ersten bis zur letzten Minute.

Paul Sheldon, der kommerziell überaus erfolgreiche Autor der Misery-Liebes-Romane, ist eben auf der Rückfahrt von einer Preisverleihung, als sein Auto im Schneesturm verunglückt. Als er wieder erwacht, findet er sich in der einsamen Berghütte von Anni Wilkes  wieder. Sie, so erklärt Anni ihm, hat ihn aus dem Autowrack gezogen, ihm Schmerzmittel gegeben und intravenös ernährt. Sie ist ehemalige Krankenschwester, aber vor allem ist sie Pauls allergrößter Fan, und er könne sich glücklich schätzen bei ihr zu sein und nicht in einem Krankenhaus. Sie hat alle seine Misery-Romane verschlungen und wollte gerade im Dorf schauen, ob das neueste Buch schon als Taschenbuch zu kaufen sei, als sie auf der Heimfahrt Paul fand. Wenn das nicht ein Wunder ist!
Doch Annis Freude verfliegt ganz schnell, als sie das Manuskript des eben fertiggestellten Romans liest, mit dem Paul Sheldon sich endlich vom Schnulzen-Image der Misery-Romane befreien wollte. „Brooklyn brennt“ ist überhaupt nicht nach Annis Geschmack, und sie zwingt Paul durch Entzug der Schmerzmittel, die er wegen der schweren Beinverletzungen dringend braucht, das Manuskript zu verbrennen. Richtig wütend wird sie, als sie dann den jüngsten Roman seiner Erfolgsreihe, „Miserys Kind“, liest, in dem Paul seine Heldin sterben lässt. Das darf nicht sein! Von nun an macht sie ihm das Leben zur Hölle, und Paul muss trotz seiner unerträglichen Schmerzen einen neuen Roman schreiben und Misery wieder ins Leben zurückholen. Soll er ruhig schreien, so viel er will, sagt seine selbsternannte Pflegerin: „Kein Mensch wird hier anhalten, weil alle wissen, dass Anni Wilkes verrückt ist …“
Stephen Kings Roman “Sie” (im amerikanischen Original “Misery”) erschien erstmals 1987 und wurde ein Bestseller. King erhielt den „Bram Stoker Award“ in der Kategorie „Best Novel“.  Die Verfilmung von Rob Reiner 1990 mit Kathy Bates und James Caan ist mindestens genauso spannend wie der Roman. 1993 brachte der Schriftsteller und Regisseur Simon Moore in London seine Bühnenbearbeitung des Romans heraus, die weltweit die Bühnen erobert hat.
King, der seine Werke bescheiden als „literarisches Äquivalent zu einem Big-Mac mit einer großen Portion Pommes“ bezeichnet, versteht es meisterhaft das Grauen aus der Normalität des Alltags erwachsen zu lassen. In „Misery“ verarbeitete er mehrere Dinge, die ihn selbst sehr umtrieben: Da war seine Angst vor merkwürdigen Fans, die auch ihn und seine Familie manchmal auf beängstigende Weise bedrängten. Außerdem befürchtete er, ähnlich wie sein Held Paul Sheldon, Gefangener seines eigenen Erfolges zu werden. Und drittens war er zum Zeitpunkt des Schreibens an seinem Roman schon einige Jahre alkohol- und drogenabhängig. Die verrückte Krankenschwester „war mein Delirium, meine Metapher für meine Sucht“, erklärte King 2012 in einem Interview mit dem Spiegel.

Silke Zschäkel