Warten auf den großen Auftritt

Eine Palme und ihre Geschichte

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Es war einmal eine majestätische Palme, die zwischen Plüschkissen, Nähmaschinen und großen Holzkisten in der Dekowerkstatt des Theaters auf den Auftritt ihres Lebens wartete. Sie war zwar noch sehr jung, führte aber  ein sehr unbekümmertes Leben. Allerdings fehlte ihr manchmal das Gefühl von gleißendem Licht auf ihren großen Palmenblättern. Und natürlich wünschte sie sich die Gesellschaft einer weiteren Palme, denn Palmen sind sehr ungern allein. Doch zum Glück sollte sie bald eine Palmengefährtin bekommen. Wenige Meter entfernt lagen die einzelnen Palmenteile aus flexiblem Tanzboden auf einem langen Tisch und Schöpferin Angelika Wagner hatte schon mit dem Verkleiden des Stamms begonnen. Allerdings hatten die Chefin der Abteilung und ihre Kollegen immer wieder etwas anderes zu tun, beispielsweise die Fertigstellung der Kulissen im Komödienhaus, und so wurde die Freundin der Palme einfach nicht fertig.

Ihrer Einzigartigkeit war sich die einsame Palme bewusst, war sie doch in mühevoller Kleinstarbeit und nach mehreren Skizzen, Schablonen und Modellen hergestellt worden um ab März eine ganz besondere Rolle in dem Kinderstück König und König zu spielen.  Passend für diesen königlichen Anlass war sie nicht in erdigem Grün gekleidet, sondern ihr Stamm erstrahlte in leuchtendem Rot. Dadurch würde sie sich später auf der Bühne von den anderen Farnen und Gesträuchen abheben. Ihre noch graue Blätterkrone hatte die Besonderheit, durch geschicktes Anstrahlen alle Farben des Regenbogens anzunehmen. Hinter den überlappenden Schichten des Stammes verbarg sich zudem eine bemerkenswerte Raffinesse – ein Stahlrohr, welches problemlos eine Hängematte mit zwei jungen Königen tragen konnte und tropischen Stürmen und tosendem Beifall trotzen würde, ohne sich zu verbiegen. Leider konnte sich die Palme deswegen auch nicht wie die anderen Schauspieler vor dem Publikum verbeugen, sondern blieb starr in ihrer Position. Doch so weit dachte sie noch gar nicht und da sie keinen Text auswendig zu lernen hatte würden die ersten Proben mit Palme wohl erst kurz vor der Premiere am 12. März stattfinden.

Und wenn die Palme bis dahin nicht vom Bühnenbildner gegen einen Apfelbaum eingetauscht wird, dann lebt sie Vorstellung für Vorstellung im Dschungel der Bühne. Und wer weiß, vielleicht wird sie sich in der Fantasie der Zuschauer doch im Wind wiegen können…

Autorin: Patricia Heiss

Von der Schönheit eines halbgefüllten Glases

Steffen Nödl fängt mit seiner Kamera besondere Momente hinter den Kulissen ein

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Einmal war es nur der Schatten des Kronleuchters an der Wand, der seinen Blick fesselte. Dann wieder ein paar halbgefüllte Gläser mit (unechtem) Sekt, die am Bühnenrand auf ihren Einsatz warteten. Ein anderes Mal die glücklichen Gesichter der Schauspieler im Applaus nach der Vorstellung.
Steffen Nödl sucht nach den besonderen Momenten, nach den Kleinigkeiten im Theateralltag, die manch anderer überhaupt nicht wahrnimmt. Und er hält sie mit seiner Kamera fest. Die Nikon D 300s ist sein ständiger Begleiter bei der Arbeit, damit sie im rechten Moment einsatzbereit ist. Als Bühnentechniker kommt der 44-Jährige ganz nah ans Geschehen auf den weltbedeutenden Brettern heran, ist quasi selbst ein Teil davon. »Ich habe nur sehr selten mal ein Stück von vorn gesehen«, sagt er. Immer von der Seite oder von hinten. Vielleicht interessiert ihn die Zuschauerperspektive deshalb nicht so sehr. Er entdeckt das Besondere in der Normalität des Theateralltags, das kaum ein Zuschauer je zu Gesicht bekommt. Das Gespräch zwischen Schauspielern und Regisseur in der Probe, die Verwandlung der Kollegen in der Maske, die Pausenzigarette zwischen den Auftritten, die akkurat zurechtgelegten Requisiten vor der Vorstellung, die Kontrolle der Bühne durch die Inspizientin vor Beginn des Theaterabends, die für die schnellen Umzüge ausgebreiteten Kostüme, die konzentrierten Mienen der Schauspieler kurz bevor sie auf die Bühne müssen. Während des Fotografierens versucht er sich im Hintergrund zu halten und sich unsichtbar zu machen. Die Nähe stellt Steffen Nödl über die Brennweiten seiner Objektive her. Da Blitzlicht im Theater ein absolutes Tabu ist, hat er den Blitz nicht nur ausgeschaltet, sondern auch abgeklebt. Eine doppelte Absicherung, denn jedes unabgesprochene Lichtzeichen kann auf der Bühne zu Irritationen führen. Besonders gern fotografiert er das Spiel der Darsteller von der Seitenbühne oder von hinten. Fängt Situationen ein, wenn sie einsam auf der großen Bühne ganz vorn an der Rampe stehen – das Bild flößt Ehrfurcht und Respekt vor diesem Beruf ein.
Obwohl Steffen Nödl als Kind nur einmal in einer Theatervorstellung war – »das war in Ali Baba und die 40 Räuber, daran kann ich mich noch ganz genau erinnern« – ist das Theater schon immer ein Teil seines Lebens. Er ist ganz in der Nähe, in der Lammgasse, aufgewachsen und hat den Bau des Hauses am Berliner Platz beobachtet. Als in der Heilbronner Stimme ein Ausbildungsplatz für einen Schlosser im Theater ausgeschrieben war, bewarb er sich. »Die Bewerbung habe ich persönlich vorbei gebracht, damit nichts schief geht.« Nach den dreieinhalb Jahren Ausbildung wurde er in der Theaterschlosserei fest eingestellt und wechselte nach einiger Zeit in die Bühnentechnik – also in den Bereich, der die Kulissen auf- und abbaut und die Umbauten und Verwandlungen während der Vorstellungen realisiert. Mit einem Mal war er ganz dicht dran an der Kunst, ließ sich fesseln und inspirieren. Er entdeckte so manches Motiv, denn schon immer hat er seine Umgebung mit den Augen eines Fotografen beobachtet. Seit Kindertagen war die Fotografie sein Hobby. Und endlich traute er sich zu fragen, ob er hinter den Kulissen Aufnahmen machen dürfe, zunächst analog jetzt meistens digital. Aber bei manchen Inszenierungen lässt er sich auf das Abenteuer der analogen Schwarz-Weiß-Fotografie ein. Er mag daran das Ungewisse, den viel bewussteren Umgang mit dem Material. Wenn er zu Hause im heimischen Fotolabor die Filme entwickelt und die Fotos vergrößert, ist das immer ein großer Moment. In erster Linie fotografiert er für sich selbst. Aber auch die Schauspieler und viele andere Kollegen im Haus mögen seinen besonderen Blick und behalten Steffen Nödls Bilder als unvergessliche Erinnerungen an die Inszenierungen, die ja immer nur eine endliche Zeit im Spielplan sind.

Matthias Hornung interpretiert für die Theatergastronomie alte Rezepte neu

Der Mann, der von der Oma lernte

Matthias Hornung im Theaterrestaurant Gaumenspiel
Matthias Hornung im Theaterrestaurant Gaumenspiel

 

Schon als dreijähriger Knirps saß er bei seiner Oma auf dem Küchentisch, hat in Schüsseln und Töpfen herumgerührt und alles Mögliche gekostet. Das Interesse fürs Kochen hat bei Matthias Hornung auch nie nachgelassen, so dass der Wunsch, dieses frühe Hobby zum Beruf zu machen, fast zwangsläufig war. »Ich habe mit meinen Eltern über viele Alternativen gesprochen, aber sie kamen nicht wirklich in Frage«, sagt er. Aber nur so, mit Leidenschaft, kann man diesen Beruf ausüben, denn er ist mehr als ein Job. Über einige Zwischenstationen, unter anderem in Sternerestaurants in München oder Frankreich, kam er wieder zurück in seine Heimatregion und betreibt jetzt das Eventcatering-Unternehmen »Rote Brigade« (Unterzeile: Die Revolution am Herd) und seit kurzem die Theatergastronomie »Gaumenspiel«.

Warum »die Revolution am Herd«?

Er wollte anders sein und sich dem Trend entziehen, alles zu jeder Zeit anzubieten. »Erdbeeren und Spargel im Winter gibt es bei mir nicht«, erklärt er rigoros. »Auch keine Salatvariationen in einer Jahreszeit, in der kein Salat wächst.« Das macht er nicht mit. Sein Motto lautet konsequent »brutal-regional«. »Sicher«, ergänzt er, »der Pfeffer kommt aus Madagaskar. Aber Fleisch, Gemüse, Brot, Milchprodukte beziehe ich aus der Region und zwar immer das, was die Jahreszeit hergibt.« Auch bei den Weinen sieht er nicht ein, warum er in die Ferne schweifen soll, wenn es in Deutschland und speziell in dieser Region so gute Tropfen gibt.
Beim Kochen setzt er auf Gerichte, wie es sie schon zu Omas Zeiten gab. Aber er nimmt ihnen durch seine Art der Zubereitung die Schwere und interpretiert sie neu. Bei ihm gibt’s Fisch mit Sauerkraut, Himmel und Erde, geschmorte Ochsenbäckchen oder Lammstelze, die 24 Stunden bei niedriger Temperatur gegart wurde. Das kommt gut an bei den Theaterbesuchern, die schon vor den Vorstellungen und erst recht danach das Theaterrestaurant »Gaumenspiel« besuchen. Auch für Freunde der ganz leichten Küche finden sich genügend Angebote, vom Kürbissüppchen mit Mango und Kokosschaum bis hin zu feiner Geflügelleber.

Zusammen mit seiner Frau Verena hat Matthias Hornung sich entschieden, die Theatergastronomie mit Restaurant, Mitarbeiter-Kantine und Pausenbewirtung zu übernehmen. »Ich finde die Leute spannend, die hier arbeiten, und freue mich, wenn ich deren Konzept der perfekten Vorstellung über das eigentliche Theatererlebnis hinaus fortsetzen kann. Entweder wir setzen in der Gastro die ersten Akzente oder den krönenden Abschluss«, sagt er mit Augenzwinkern. Dabei hält er einen engen Kontakt zu seinen Gästen, möchte das Restaurant mit ihnen gemeinsam und entsprechend ihren Bedürfnissen weiterentwickeln – in kleinen Schritten.

Seine Oma, der Matthias Hornung so viel zu verdanken hat, ist übrigens auch auf der Speisekarte präsent – mit dem Lieblingsnachtisch der Gäste, dem »Kirschmichl nach Art meiner Oma«. Besonders freut sich der begeisterte Koch, dass er die Freude am Zubereiten von Lebensmitteln schon an seine kleine Tochter weitergibt. Celine, drei Jahre alt, sitzt zu Hause auf dem Küchentisch und hilft ihrem Vater – derzeit beim Backen von Plätzchen.

Familienforschung oder wie hundemüde Kinder zu aktiven Schauspielern werden

Ab dem 6. November, 15 Uhr,  steht eines der beliebtesten Kinderstücke der vergangenen Spielzeit wieder auf dem Spielplan der BOXX: „Wir alle für immer zusammen“ von Guus Kuijer. Darin geht es um die 11jährige Polleke, in deren Leben es gerade drunter und drüber geht. Ihre Mutter ist in den Lehrer verliebt, ihr Freund will nicht mehr mit ihr zusammen sein und auf den Vater ist sowieso kein Verlass. Ganz schön viel für eine 11-Jährige! Aber Polleke ist ein großartiges Mädchen, das mit Witz und Geradlinigkeit alle Probleme meistert. Parallel zu den Wiederaufnahmeproben der Schauspieler beschäftigten sich Kinder in den Herbstferien mit dem Stück und entwickelten ein eigenes Theaterspiel zum Thema Familie Praktikantin Alina Joy war beim  Familienforschungsprojekt in den Herbstferien dabei und schildert ihre ersten Eindrücke: Mittwochmorgen, ich werde an der Pforte des Theaters abgeholt und Lea Kaiser, eine der Theaterpädagoginnen des Theaters, führt mich durch ein Gänge-Labyrinth in Richtung BOXX.  Vorbei an vielen Türen, die wieder in spezielle Räume oder weitere Gänge führen. Ich helfe der Theaterpädagogin bei diesem Herbstferienprojekt, das sich mit dem Thema Familie befasst.  Das Ziel unserer Woche ist ein kleines Stück mit den Kindern, aber auch zu lernen wie man miteinander etwas erarbeitet. Die Kinder kommen und wollen gleich mit dem Theaterspielen anfangen. Doch genau wie „richtige“ Schauspieler bereiten sie sich erst einmal auf ihr Thema  und auf das schauspielerische Handwerk vor.  Zunächst werden verschiedene Aufwärm-Spiele gespielt um die Kinder „aufzuwecken“, denn da sie Ferien haben, sind sie alle noch etwas müde. Anschließend erklärt ihnen Lea, dass sie „Familienforscher“ sind und sich Fragen überlegen sollen die sie schon immer an Familien interessiert haben. Einige Fragen haben mich berührt, andere zum Schmunzeln gebracht: „Wieso streiten Eltern so oft?“ oder „ Warum sind Mama und Papa immer strenger als Oma und Opa?“ Am nächsten Tag dürfen wir bei den Proben von „Wir Alle für immer zusammen“ zugucken. Es ist total interessant die Schauspieler bei der Arbeit und auch von ihrer persönlichen Seite zu sehen. Anschließend sind die Kinder wieder dran. Singend und tanzend wärmen sie sich auf und dann heißt es endlich: „ Jetzt dürft ihr euch Szenen überlegen“. Nun können sie Theater spielen und gehen richtig auf in ihren Rollen auf. Natürlich gibt es auch Uneinigkeiten und kleine Auseinandersetzungen. Aber das gehört zur Theaterarbeit dazu. Je tiefer wir alle in das Stück einsteigen, umso mehr Spaß macht es, das kleine Schauspiel auf die Beine zu stellen. Am Ende der Probe sind die Kinder fast schon etwas traurig, dass die Zeit schon vorbei ist und sie nicht weiter das Stück entwickeln können. Die Ergebnisse des Familienforschungsprojektes werden am Freitag, 4. November, um 15 Uhr in der BOXX vorgestellt. Neues Familienformat: story|Boxx startet am 12. November Junge Theaterbesucher werden selbst zu Dichtern Übrigens sollten sich alle jungen Theaterfreunde den 12. November vormerken. Da steht noch einmal Polleke, die Hauptfigur des Stückes, im Mittelpunkt. Sie ist Dichterin. Aus diesem Grund startet am 12. November im Anschluss an die Vorstellung um 15 Uhr ein neues Familienformat für junge Theaterbesucher und ihre Eltern in der BOXX, in dem die Kinder selbst zu Dichtern werden können – die story|Boxx. Wie die Hauptheldin aus dem Stück können die Kinder in spielerischen Aktionen selbst Geschichten erfinden oder kleine dichterische Kunstwerke erschaffen. Außerdem wird mit Ausschnitten aus seinen anderen Büchern die Neugier auf weitere Polleke-Romane von Guus Kuijer geweckt. Anmeldung für die Vorstellungsbesuche und die story|Boxx unter 07131/563001 oder 563050

Lieblingsstück ist immer das aktuelle

Uta Koschel ist die neue Chefregisseurin

Foto: Thomas Braun
Foto: Thomas Braun

Eigentlich verbietet sich das Attribut neu im Zusammenhang mit Uta Koschels Tätigkeit am Theater Heilbronn. Denn seit Beginn von Axel Vornams Intendanz 2008 ist die Regisseurin fast jedes Jahr mit einer oder mehreren Inszenierungen am Berliner Platz vertreten und prägt somit auch schon seit langem das künstlerische Profil des Hauses mit. Mit Inszenierungen wie zuletzt »Ziemlich beste Freunde«, »Das Fest«, »Der nackte Wahnsinn« oder »Die Katze auf dem heißen Blechdach« hat sie bereits wichtige Akzente gesetzt. Neu ist jetzt ihre Position am Theater. Ab dieser Spielzeit übernimmt sie als Chefregisseurin die Nachfolge von Alejandro Quintana. Sie wird nicht nur verschiedene Inszenierungen verantworten, sondern auch den Spielplan mitgestalten und ein wichtiger Ansprechpartner für das Schauspielensemble sein.
Die Theaterleidenschaft hat sie mit in die Wiege gelegt bekommen. Ihre Mutter war Schauspielerin, der Vater Dramaturg. Nach dem Abitur studierte Uta Koschel an der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« in Berlin Schauspiel und ging nach dem Studium 1989 mit einer Gruppe von sieben jungen Absolventen ans Theater Rudolstadt, wo der seinerzeit jüngste Oberspielleiter des Landes, Axel Vornam, ein aufregendes und neues Konzept ausprobieren durfte. Zweite Hausregisseurin war damals Konstanze Lauterbach, und die jungen Schauspieler wurden durch diese zwei sehr unterschiedlichen Regisseure sehr gefordert. Nächtelang diskutierten alle gemeinsam über künstlerische Konzepte und Figurenzeichnungen. Eine gute Schule, prägend bis heute. Das Theater Rudolstadt machte sich damals weit über die Grenzen Thüringens hinaus einen Namen. Als Uta Koschel während eines Probenzyklus mal nicht besetzt war, übernahm sie die Regieassistenz für eine Inszenierung. »Daher rührt mein großer Respekt für alle Regieassistenten«, sagt sie. Offenbar kniete sie sich so hinein, dass Axel Vornam sie fragte, ob sie es nicht mal selbst versuchen möchte, Regie zu führen. Der ersten Inszenierung, einer Ufa-Schlagerrevue »Wir machen Musik«, folgten bald weitere Regiearbeiten. Der Perspektivwechsel vom Schauspieler, der sich gedanklich und emotional mit seiner Rolle auseinandersetzt, hin zum analytischen Gestalter, der die Figuren miteinander in Beziehung bringt und mit den unterschiedlichsten Mitteln einen Text mit Leben erfüllt, gefiel ihr zunehmend gut. Ihr nächstes Engagement in Greifswald/Stralsund von 1996  bis 2003 unterschrieb sie dann schon als Schauspielerin mit Regieverpflichtung. Bis sie eines Tages beschloss, ausschließlich als Regisseurin zu arbeiten. Zunächst war sie freischaffend tätig unter anderem in Leipzig, am Maxim-Gorki-Theater Berlin, in Schleswig, Magdeburg und weiterhin in Greifswald/Stralsund. Dann kehrte sie als Oberspielleiterin nach Rudolstadt zurück, wo Axel Vornam inzwischen Intendant war. Dort inszenierte sie unter anderem »Yvonne, die Burgunderprinzessin«, den »Sommernachtstraum« und »Romeo und Julia« von Shakespeare, »Die Ratten« von Gerhart Hauptmann oder die deutsche Erstaufführung von »Hafen der Sehnsucht« von Armin Petras. Sehr viel Spaß macht ihr auch die Arbeit mit Schauspielstudenten. So erarbeitete sie mit Studierenden der Schauspielschulen in Leipzig, Rostock und der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin ihre jeweiligen Abschlussinszenierungen.

Nach nunmehr acht erfolgreichen Jahren der Freiberuflichkeit, in denen Berlin ihr Lebensmittelpunkt war und sie an vielen Theatern in ganz Deutschland gearbeitet hat, hat sie nun wieder Sehnsucht nach einem festen Haus. Heilbronn schätzt sie nicht nur wegen des sehr feinen Ensembles, wie sie sagt. Kürzlich hat sie in einer Woche so unterschiedliche Inszenierungen wie »Der nackte Wahnsinn«, »Der Auftrag« und »The Rocky Horror Show« gesehen und dabei zum Teil die gleichen Schauspieler völlig unterschiedlich erlebt. »Für diese Vielfalt liebe ich Theater.« Aber auch die Werkstätten seien großartig, das ganze Haus außergewöhnlich gut organisiert und von einem hohen Arbeitsethos geprägt. Die Stadt ist, wenn auch nicht hübsch, so doch quirlig und dynamisch, das Publikum überaus wach und dem Theater sehr zugetan. Einen Wermutstropfen hat ihr Engagement im Südwesten: Mit ihrem Lebensgefährten Jon-Kaare Koppe, Schauspieler in Potsdam, wird sie weiter eine Fernbeziehung führen. Schon seit der Schauspielschule sind die beiden ein Paar.
Die Schauspielerin merkt man ihr auch noch deutlich an. Wenn sie Dinge beschreibt, tut sie dies mit intensiver Mimik und sehr gestenreich. »Die vier Jahre Studium und die vielen Jahre auf der Bühne haben mich natürlich geprägt, und sie sind für meine Arbeitsweise sehr wichtig«, sagt sie. Eine bestimmte, sofort erkennbare Ästhetik als Markenzeichen habe sie nicht. Sie entwickelt die Inszenierung immer aus dem jeweiligen Stoff heraus gemeinsam mit ihrem Team. Dass sie beide Seiten sehr gut kennt: Die Einsamkeit des Regisseurs, von dem alle die richtige Entscheidung erwarten, und die Ängste des Schauspielers, eine Rolle eventuell nicht zu bewältigen, macht sie nicht nur zur Autoritäts- sondern auch zur Vertrauensperson.
Welches ist ihr Lieblingsstück? »Im besten Fall immer das, an dem ich gerade arbeite«, sagt sie. Freuen wir uns also auf Uta Koschels aktuelles Traumstück »Der Besuch der alten Dame«, mit dem die Theatersaison 2016/17 eröffnet wird.

Von Null auf Hundert – die erste Probe für „Free fall“

Am Sonntagnachmittag treffen sich die 20 Freiwilligen, die im Stück „Free fall“ mittanzen werden, zum ersten Mal. Vor ihnen liegt ein viertägiger Workshop als Vorbereitung für den Auftritt zur Eröffnung von Tanz! Heilbronn. Die Altersspanne erstreckt sich von 15 bis 60plus, Frauen und Männer, manche mit viel Tanzerfahrung, andere mit wenig. In kürzester Zeit werden sie miteinander in engen Kontakt treten. Tänzerin Maite Larrañeta von der Companie Sharon Fridman leitet den Workshop. Nach einer Begrüßung und einer Vorstellungsrunde erläutert sie Rolle und Funktion der Freiwilligen im Stück: eine Landschaft, ein Schwarm von Seesternen, die Gesellschaft, Mittler zum Publikum … Danach geht es gleich mit einer Paarübung los. Eine/r liegt entspannt auf dem Boden und wird vom anderen massiert, bewegt, hin und her gerollt, zur Skulptur geformt. Menschen, die sich gerade erst kennen gelernt haben, begegnen einander über den Körperkontakt anstatt durch Worte. Es folgen Einzelübungen auf dem Boden. Die Tänzerinnen und Tänzer probieren, im Liegen flüssig den Raum zu durchqueren, Hände, Füße und das Körperzentrum dabei geschickt einzusetzen. Maite lobt, gibt Anregungen, demonstriert andere Bewegungen, und ist mit ihrer Aufmerksamkeit überall. Es wird zwischendurch gelacht, auch mal gestöhnt, aber alle sind ganz und gar dabei. Allmählich werden die Aufgaben anspruchsvoller. Für die „Baumübung“ steht eine/r standfest wie ein Baum, die/der andere gleitet, sich festhaltend, an dem stehenden Körper zu Boden. Aus einem Baum wird ein kleines Wäldchen, zu sechst in der Gruppe muss man schon gut aufeinander reagieren. Nach einer Pause wird schließlich die erste Stückszene geprobt, zuerst nur eine bestimmte Bewegung in kleinen Gruppen, dann ruft Maite alle zusammen zum Kreis, arrangiert die Formation, erläutert den Ablauf. Bewegung für Bewegung wird erklärt, ausprobiert, besprochen. Dabei geht es nicht darum, dass alle genau synchron dasselbe ausführen. Die Tänzer/innen sollen statt dessen lernen, einem Bewegungsimpuls von außen zu folgen, ihn aufzunehmen, aufeinander zu reagieren wie bei einer Kettenreaktion, dabei führt jede/r die Bewegung individuell aus.  Zwischendurch kommt Theaterfotograf Thomas Braun. Auf der Suche nach der besten Perspektive wirft auch er sich schließlich zu Boden, robbt mit den Tänzern, die Kamera klickt im Zehntelsekundentakt. Als dann die Musik des Stücks dazukommt, sieht es schon wie eine richtige Szene aus. Maite lobt und strahlt. Am Ende haben alle mit nur einer kurzen Pause fünf Stunden durchgeprobt, konzentriert, freundlich, und mit viel Mut, Dinge zum ersten Mal zu tun.
Autorin: Karin Kirchhoff

Birth. Future. Borders.

Ayleens Clubspionage: Club 4, eine multikulturelle Theatergruppe auf Zukunftssuche

Freitagmorgen, halb 11. Hinter dem Falafel Beirut in der Heilbronner Paulinenstraße, befindet sich eine der Probebühnen des Theaters. Aus der unscheinbaren Halle schallt ein tosender Applaus nach draußen. Es folgen Jubel und Gelächter. Vorsichtig luge ich durch den Türspalt. In der alten Lagerhalle erwartet mich eine kunterbunte, junge Theatergruppe. Dreizehn junge Menschen zwischen 13 und 30 Jahren aus Syrien, Deutschland, Kurdistan, der Türkei, Sri Lanka und Russland begrüßen mich herzlich. Sie laden mich direkt zum Mitmachen ein. Los geht’s mit einem Aufwärmspiel. Nachdem einer der Teilnehmer die Übung auf Arabisch übersetzt hat, laufen wir alle kreuz und quer durch den Raum. Doch sobald einer stoppt, stoppen alle. Sobald sich einer hinlegt, werfen sich alle schnell möglichst auf den Boden. Auf dem Boden liegend schaue ich mich in der Halle um. Stühle und Tische sind an den Rand geschoben worden, dahinter hängen schwarze Theaterstoffe. Zwischen den Stühlen liegen Jacken und Taschen der Teilnehmer. Seit November letzten Jahres trifft sich der Theaterclub 4 wöchentlich. Unterstützt und angeleitet von den beiden Theaterpädagoginnen Ruth Hengel und Natascha Mundt, probt die Gruppe für ihr selbst entwickeltes Stück „Birth. Future. Borders“. Premiere ist am 23.04.16 um 18.00 Uhr in der BOXX. Das Besondere an der Gruppe ist ihre Zusammensetzung. Durch eine Initiative von Ensemblemitgliedern wurden Flüchtlinge auf das Theaterprojekt angesprochen. Auch über andere Organisationen, wie ARGE, Stabstelle Partizipation und Integration, aim, ökumenische Einrichtungen und das Patenschaftsprojekt des Jugendgemeinderates wurden Flüchtlinge mit Lust aufs Theaterspielen gesucht. Aktuell besteht die Gruppe aus Flüchtlingen aus den verschiedensten Regionen und einheimischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Eine bunte Gruppe, aus plus minus 22 Teilnehmern, da ein paar der Flüchtlinge während der Intensivprobenwoche arbeiten oder den Deutschkurs besuchen. Anfangs haben die Teilnehmer bei den Clubtreffen reichlich Zeit damit verbracht sich kennenzulernen. Sie haben sich viel voneinander erzählt. Schließlich soll dieser Teil auch den Kern des Stückes bilden: Eine Dokumentation ihres Lebens und ihrer Suche nach Perspektive. Im Stück berichten sie darstellerisch und musikalisch von Freuden und Schwierigkeiten, die sie erlebt haben. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach ihrer Zukunft und was einmal mit ihnen und der Welt werden wird. Längst haben sich aus den regelmäßigen Proben auch Freundschaften entwickelt. Gemeinsam besucht die Gruppe das Theater oder kocht für einander. Ganz nebenbei lernen die Flüchtlinge so auch Deutsch. Mohammad, der so gut wie kein Deutsch kann, übernimmt das „Auf die Plätze fertig los!“ vor jeder Probe. Viele Requisiten brauchen die Teilnehmer für ihre Geschichte nicht. Das wichtigste Utensil fällt mir in einer Ecke des Raumes ins Auge. Hier stapeln sich schwarze Koffer. Beim genaueren Hinsehen fällt mir auf, dass sie mit Kreide bemalt sind. Auf einem befindet sich eine Dusche, auf dem nächsten sind Blumen. Mit den Koffern werden Orte im Stück fest gemacht. Die aufgemalten Blumen, werden beispielsweise einen Garten darstellen. Die Koffer symbolisieren jedoch noch viel mehr, sie stehen auch für äußere wie innere Reisen der Menschen. Sie verkörpern nationale und soziale Grenzen und Hürden, die die Teilnehmer teils schon überwunden haben oder für ihre Zukunftssuche noch überwinden müssen. Aus der Ecke werden die Koffer jetzt in die Mitte des Raumes geholt. Jeder der Teilnehmer schnappt sich zwei. Die Gruppe versucht schnellst möglich ein Tor aus den schwarzen Behältnissen für eine Szene des Stückes aufzubauen. Schon beginnt ein wildes Kofferstapeln auf der Bühne. Die Gruppe baut zwei hohe schwarze Koffertürme auf. Sie bilden ein Tor. Ganz oben finden ein rosa und ein blauer Regenschirm Platz, Aboud aus Syrien hat sie dort hingebastelt. „Nur schwarz ist zu langweilig“, meint er. Schließlich handelt die Szene von etwas sehr Spannendem: Der Geburt. Jeder Teilnehmer wird darin sein „Auf die Welt kommen“ darstellen, in dem er durch das Tor schreitet. Im Hintergrund ertönt John Kanders Lied „Willkommen, Bienvenue, Welcome“ aus dem Musical „Cabaret“. Im Text, der von Fred Ebb stammt, heißt die erste Zeile „Willkommen, bienvenue, welcome, Fremde, étranger, stranger!“. Wie das ist, als Fremder in eine neue Welt zu kommen und dort willkommen geheißen zu werden, stellen die Teilnehmer ganz individuell dar. Zunächst ragen ein Paar Füße aus dem schwarzen Koffertor heraus. Langsam tasten sie sich ins Bild. Den Füßen folgen Beine und schließlich ein Mädchen. Neugierig klettert sie durch das Tor, hinaus in die Welt. Der nächste Teilnehmer boxt sich durch eine vermeintlich verschlossene Türe durch das Koffertor. Nach und nach folgen alle anderen aus der Gruppe auf die unterschiedlichste Art und Weise. Sie stellen ihre Geburt sehr kreativ dar und manchmal auch so lustig, dass ich mir ein Lachen nicht verkneifen kann. Ob vorsichtig, mutig oder entschlossen, alle kommen durch das Tor auf die andere Seite. Doch was erwartet die Gruppe dort? „Wenn ihr draußen seid, ist es das erste Mal, dass ihr die Welt seht. Es ist auch das erste Mal, dass ihr euch selber seht!“, erklärt Ruth den Teilnehmern. Mit unserer Geburt fängt auch unsere Zukunft an. Obwohl wir viel selbst über unser Leben entscheiden können, hängt die Zukunft sehr davon ab, in welchem Land und in welcher Familie wir geboren werden. Manche der Teilnehmer, ob aus Syrien oder aus den umkämpften kurdischen Gebieten der verschiedenen Staaten, können in ihren Regionen nicht mehr leben und mussten fliehen. Ihre Heimat gibt ihnen im Moment keine Perspektive. Und wie wird es jetzt hier werden? Im Projekt treffen sie auf andere junge Leute, die auch auf der Suche nach ihrem Lebensweg sind. Gemeinsam erträumen sie sich im Projekt ihre Zukunft. Ob diese Träume wahr werden? Eleanor Roosevelts Lebensweisheit macht Mut: „Die Zukunft gehört denen, die an die Wahrhaftigkeit der Träume glauben.“
Auch Ayleen Kern hofft, dass sich ihre Zukunftsträume einmal erfüllen. Davor will die 21-jährige ihr Studium der Rhetorik und Medienwissenschaften in Tübingen abschließen. Für vier Wochen ist sie Praktikantin der Presse und Öffentlichkeitsarbeit am Theater Heilbronn.   

Bild im Kopf – Über Tricks in der Theaterfotografie

Kooperation mit Schule für Gestaltung des Kolping-Bildungszentrums Heilbronn

_MG_6335 Leise schleicht er durch die ersten beiden Reihen des Zuschauerraums. Von rechts nach links und wieder von links nach rechts. Ab und zu verweilt er kurz, wartet auf den richtigen Moment und klick. Er ist unauffällig angezogen. Am liebsten wäre er jedoch unsichtbar, um das Geschehen auf der Bühne nicht zu stören. Und wieder Klick, das Foto ist im Kasten. Wer er ist? So beschreibt Thomas Braun, der als freier Fotograf mittlerweile die zweite Spielzeit am Theater digital festhält, seinen Beruf als Theaterfotograf. Mit seinem Arbeitsfeld beschäftigen sich Schüler der Schule für Gestaltung des Kolping-Bildungszentrums Heilbronn bei einer Besprechung eigener Theateraufnahmen mit Thomas und Silke Zschäckel, der Pressereferentin des Theaters. Seit vielen Jahren kooperiert das Theater Heilbronn mit der Schule. Während der Fotoprobe eines ausgewählten Stückes können sich die Schüler der Klasse für Foto- und Medientechnik in Theaterfotografie ausprobieren. Dieses Jahr besuchten und fotografierten sie ein besonders anspruchsvolles und bildgewaltiges Stück im großen Haus: „Der Auftrag“ von Heiner Müller. Als die Fotos mit einem Beamer an die weiße Wand des Klassenraumes projiziert werden, ernten die Schüler Lob von Silke und Thomas. Sie kommentieren die Werke aus unterschiedlichen Blinkwinkeln. Für die Pressereferentin ist es bei der Auswahl der Pressefotos wichtig, dass alle Hauptdarsteller auf dem Bild sind und dass auf dem Bild die Situation, die sich gerade auf der Bühne abspielt, deutlich wird. Es soll keine statische Aufnahme sein, sondern dynamisch und auch mit „Action“. Schließlich soll sie nicht nur ansprechen, sondern auch neugierig auf die Vorstellung machen. „Die Fotos auf unseren Theaterbannern und in den Medien entscheiden mit darüber, ob die Leute nachher ins Theater gehen oder nicht“, meint Silke. Bei der Beurteilung der Schülerfotos zählen jedoch andere Aspekte: Der besondere Blick, den die Schüler haben. Manche der Bilder der Schüler haben eine besonders schöne Aufteilung oder fangen die Darsteller in einer für das Stück wichtigen Szene ein. Schwierig an der Theaterfotografie ist, dass eine Szene nicht noch einmal wieder kommt. Um wichtige Momente nicht zu verpassen, gibt Thomas den Schülern Tipps: „Versucht das Bild, das ihr machen wollt, vorher im Kopf zu haben. Folgt der Handlung um Höhepunkte mitzubekommen.“ Auch für die schwierigen Lichtverhältnisse im Theater hat er einen Kniff auf Lager: „Mit dem Licht was auf der Bühne ist, müsst ihr auskommen. Seid variabel mit eurem Standort, dadurch könnt ihr andere Lichtverhältnisse reinbekommen.“ Generell empfiehlt er, vor der Fotoprobe mit Dramaturg, Regie und Technik zu sprechen. So weiß man über besondere Lichteinstellung, Bühnenaufgänge und -abgänge und Höhepunkte des Stückes Bescheid. Die Theaterfotografie ist keine rein dokumentarische Arbeit. Sie erfordert viel Sensibilität, Aufmerksamkeit und Geduld, um das Besondere aus einer Inszenierung herauszukitzeln und deren Ton zu treffen. „Wichtig ist, dass jeder bei sich selbst bleibt und sich nicht neu erfindet“, fasst Thomas zusammen. Das ist auch das Spannende an der Kooperation mit den Schülern. Mit ihren Bildern werfen sie einen ganz besonderen Blick auf die Inszenierung. Im Theater sind alle schon gespannt auf deren Fotografien.
Gerne würde Ayleen Kern ihre Texte vor dem Schreiben auch im Kopf haben. Die 21-jährige studiert Medienwissenschaften und Rhetorik in Tübingen. Für vier Wochen ist sie Praktikantin der Presse und Öffentlichkeitsarbeit am Theater Heilbronn.
Fotos: Diana Gilgenberg, Elena Gighashvili, Kim Falkner, Julia Winkler, Lorena Köhler, Anastasia Wirth

Abformung eines menschlichen Körpers – oder wie ein künstlicher Toter hergestellt wird

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Ja, auf der Bühne wird auch gestorben. Nicht in Wirklichkeit – zum Glück, sondern nur zum Schein für die Kunst. Und manchmal müssen die „toten“ Körper nach ihrem Bühnensterben noch so allerhand ertragen, was ein quicklebendiger Schauspieler selbst mit größter Körperspannung nicht aushalten würde – stundenlang kopfunter hängen zum Beispiel. An dieser Stelle kommen unsere Meister der perfekten Täuschung ins Spiel – die Kolleginnen und Kollegen aus dem Malersaal. Diese verwandeln nicht nur schnödes Holz in Gold oder Styropor in Marmor, um nur mal zwei Beispiele zu nennen. Sie können auch täuschend echte Leichen herstellen. „Abformung eines menschlichen Körpers“ nennt sich ihr Verfahren. Für Heiner Müllers Schauspiel „Der Auftrag“ war dieser Tage ihr ganzes Können gefordert. Das hat zwar erst im Januar Premiere, aber die Werkstätten sind immer die ersten, die alle Zuarbeiten für eine Inszenierung geleistet haben.  Aus dem Malersaal kommen also diesmal unter anderem die „Leichen“.

Zunächst galt es, zwei Freiwillige zu finden, die sich als Schablone für diesen zugegeben etwas makaberen Job zur Verfügung stellen. Unsere zwei Schreinergesellen Luke Pantke und Lucas Steinhoff ließen sich nicht lange bitten. Wann wird schon mal der eigene Körper für die Kunst verewigt? Ob sie während des Procederes der Abformung glücklich waren, dass sie sofort zugesagt haben? Das hatte es nämlich ganz schön in sich und kostete sie Nerven, Geduld und so manches kleine Körperhärchen.

Die Konturen des Körpers werden zunächst mit Gips abgeformt. Am ersten Tag die Vorderseite. Dafür legten sich die beiden in der Stellung, die der „tote“ Körper später einnehmen soll, auf den Rücken. Sie mussten sich bis auf die Unterhose ausziehen, die Hose wurde mit Klarsichtfolie umwickelt, damit man keine Abdrücke sieht. Dann wurden Luke und Lucas von Kopf bis Fuß dick mit Vaseline eingecremt. Röhrchen zum Atmen kamen in Mund und Nase. Und alle, die im Malersaal eine freie Hand hatten, deckten die Körper mit Gipsbinden zu. Man kennt diese Binden vom Arzt, wenn man sich einen Arm oder ein Bein gebrochen hat. Sie werden in Wasser getaucht, in noch weichem Zustand auf den Köper gedrückt und härten dann aus. Wer schon mal einen Gips hatte, weiß, wie unangenehm das sein kann. Doch hier wurde eine Hälfte des kompletten Körpers von Kopf bis Fuß eingegipst. Rund 20 Minuten durften sich die beiden nicht bewegen. Ganz klar, dass gerade in so einem Moment die Nase juckt und dass es Krämpfe in den Beinen gibt. Aber der Gipspanzer verhinderte auch das kleinste Zucken. Dann die Erlösung: Das Team um Malersaal-Vorstand Herbert Kübler und Karlheinz Kirchler hob vorsichtig die Gipshülle ab. Die Form wurde dann mit PU-Schaum und Gips stabilisiert. Denn schon am nächsten Tag mussten sich die beiden da rein legen, um die Hinterseite abformen zu lassen – wieder das unerträgliche Jucken, die Krämpfe, das regungslose Liegen – 20 unendlich lange Minuten. Dann war die Schablone fertig.

Wie Sandkastenförmchen werden diese Formen in einem nächsten Schritt komplett ausgefüllt – mit einer speziellen Gummimilch, die, wenn sie aushärtet, wie Fleisch aussieht. Stabilisiert wird das Ganze mit einem „Skelett“ aus Holzwirbeln, Knochen und Scharnieren (pardon Gelenken) – ganz nach dem Vorbild eines echten Menschen. Dies wird von den Abteilungen Schlosserei und Schreinerei beigesteuert. Anschließend sind wieder die Maler und zusätzlich die Abteilung Maske dran, die dem Gebilde aus „Muskeln“ und „Knochen“ noch Haut und Haare verpassen. Und dann dürfen die „Toten“ auf die Bühne.

Ich denke wieder einmal: was ist das Theater nur für ein verrückter, wunderbarer Ort, nicht nur auf der Bühne, sondern jeden Tag aufs Neue auch hinter den Kulissen.
Silke Zschäckel

Sommererinnerungen: Vorschaubuch auf Reisen

Wenn die Tage kälter, dunkler und regnerisch werden, dann lohnt es umso mehr zurückzudenken an die Erlebnisse im Sommerurlaub. Auch in diesem Jahr haben wir unsere Zuschauer aufgefordert uns Bilder zu schicken, die zeigen, wohin sie unser Vorschaubuch begleitet hat. Im September haben wir bereits die Gewinner der Aktion ausgelost und informiert. Nun zeigen wir einige der Bilder.