Jagdsaison im Central Park

Edward Albees Erstling »DIE ZOOGESCHICHTE« eröffnet heute um 20 Uhr die Saison in den Kammerspielen.

Endlich Wochenende! Endlich Sonntag! Ausschlafen, Ausspannen, Arbeitslos für einen Tag! Viele Menschen wissen schon montags, wie sie den Tag, an dem selbst Gott sich eine Pause gönnte, verbringen. Auch Peter, Vertreter der amerikanischen Mittelklasse und ein mit sich und der Welt zufriedener Verleger mit einer Frau, zwei Töchtern, zwei Katzen und zwei Wellensittichen, schnappt sich an einem sonnigen Sonntagnachmittag ein Buch, setzt sich im nahe gelegenen Central Park auf eine Bank und beginnt zu lesen. Die Vögel zwitschern, der Rasen grünt, ein leichter Wind weht. Doch plötzlich …: »Ich war im Zoo.« Eine scheinbar harmlose Feststellung, mit der Jerry, ein isoliert lebender und von Problemen heimgesuchter Mensch, der in einer Pension unter äußerst fragwürdigen Bedingungen lebt, Peter bei seinem Lesevergnügen stört. Was will die merkwürdige Person von ihm? Peter versucht, den kauzigen Typen zu ignorieren, doch Jerry schafft es, den Familienvater gekonnt in ein Gespräch zu verwickeln an dessen Ende klar ist, dass es für einen von beiden keinen Montag mehr geben wird. Doch was passiert? Herzinfarkt? Selbstmord? Oder gar Mord? Und wer wird in Edward Albees Erstlingswerk von 1958 das Zeitliche segnen? Gründe und Motive für ein Verbrechen gibt es genug. Einerseits ist es nachvollziehbar, dass Peters Herz schneller schlägt, wenn ein penetranter Störenfried plötzlich auftaucht und ihm ein Gespräch über den guten alten Norden aufdrängen will. Zu allem Überfluss macht Jerry ihm auch noch das geliebte Pfeiferauchen madig, indem er Peter auf die Langzeitfolgen des Tabakkonsums aufmerksam macht. Es ist weiterhin auch nur zu verständlich, wenn Peter in Rage gerät, weil Jerry ihm sein gut situiertes Leben vorwirft, gar anfängt, die sich dahinter verbergende Trostlosigkeit und Mittelmäßigkeit aufzudecken. Da würde doch wirklich jeder aus der Haut fahren, wenn ein völlig Fremder behaupten würde, man hätte sein ganzes Leben lang nur Kompromisse gemacht und hätte nie genug Mumm in den Knochen gehabt, seinen Willen durchzusetzen. Da kann man(n) schon mal seine guten Manieren vergessen und … Anderseits ist Jerry ein gewisses Aggressionspotential auch nicht abzusprechen, schließlich hat er schon versucht, den Hund der Nachbarin zu vergiften. Außerdem macht er den Eindruck eines Kleinkriminellen auf Peter. Bestimmt ist der Typ auch noch bewaffnet! Mit sprachlicher Brutalität zwingt Jerry Peter seine Lebensgeschichte auf, erzählt von seiner schweren Kindheit, seiner miserablen Wohnsituation, seiner Einsamkeit, seiner Sehnsucht nach einem tiefgründigen Gespräch. Jerry hat nie auf der Sonnenseite des Lebens gestanden und scheint zu allem bereit.
Zwei Welten prallen an diesem sonnigen Sonntagnachmittag im Central Park aufeinander. Wer ist Jäger? Wer Gejagter? Am Ende offenbart sich ein grausamer Plan, dessen Erfüllung in einem Unglück endet.
Die Legende besagt, dass Edward Albee in der Nacht seines 30sten Geburtstages die Entscheidung traf, seine Stelle als Laufbursche bei der Western Union zu kündigen, um Theaterautor zu werden. Also »lieh« sich Albee eine Schreibmaschine seines Noch-Arbeitgebers aus und begann zu tippen. Nach 3 Wochen war sein Debütstück »The Zoo Story« fertig. Der Grundstein für seine Karriere als einer der erfolgreichsten amerikanischen Theaterautoren war gelegt. Das meistgespielteste (und bekannteste) Stück des heute 83-jährigen ist allerdings nach wie vor »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?«.Welches seiner knapp 30 Stücke gefällt Albee selbst am besten? »Immer das, welches ich noch nicht geschrieben habe. Bei diesem Stück konnte ich noch keinen Fehler machen.«

Stefanie Symmank, Dramaturgin

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