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Als der Abend »Le Chant des ruines« 2019 entstand, ahnte die Brüsseler Choreografin Michèle Noiret sicher selbst nicht, wie brandaktuell die Thematik werden würde. Die fünf Tänzerinnen und Tänzer befinden sich in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. In einer Welt, in der sich die Gesellschaft so rasch wandelt, das man kaum hinterherkommt mit dem Anpassen. Es wird immer schwieriger, sich zurechtzufinden – alles scheint den Tanzenden durch die Finger zu rinnen. Wie orientiert man sich in einer Katastrophenlandschaft? Diesen Versuch wagt der Tanzabend, an dem sich die Tänzerinnern und Tänzer gegenseitig Halt geben wollen.
Mit der Corona-Pandemie haben auch wir die Zerbrechlichkeit und Instabilität der Welt, wie wir sie kennen, am eigenen Leib gespürt. Wir wussten nicht, wie lange wir in dieser Ausnahmesituation leben würden und hatten Angst – sowohl vor der Krankheit, als auch vor den uns bis dato unbekannten Maßnahmen wie Lockdown und sozialer Isolation. Nun stellt »Le Chant des ruines« kein Szenario der Corona-Pandemie dar. Doch unsere Erfahrungen können uns sicher weitere Perspektiven auf diesen Abend eröffnen. »Le Chant des ruines« ist eine Anleitung zum Überleben durch Tanz und bei »Tanz! Heilbronn« als Deutsche Erstaufführung zu sehen. Vielleicht hätten wir diese gerne schon vor Beginn der Pandemie gekannt. Sicher ist, dass das Stück uns neue Hoffnung und Kraft schenken kann für all die Herausforderungen, die wir im Leben noch meistern werden.
Der Tanzabend »Le Chant des ruines«, mit dem das Festival eröffnet wird, ist ein beeindruckendes Erlebnis. Michèle Noiret verbindet Tanz, Theater und Film zu einem einzigartigen großen Kunstwerk, das die Tänzerinnern und Tänzer durch ihre starke Bühnenpräsenz kreieren – mit einem Höchstmaß an Kreativität und tänzerischem Ausdruck. Denn Freude und Schönheit, so die Choreografin, sind auch eine Form des Widerstandes gegen die Krisen unserer Zeit.
»Le Chant des ruines« (zu deutsch »Das Lied der Ruinen«) erlebt ihr am Dienstag, den 17. Mai um 19:30 Uhr im Großen Haus als Eröffnungsstück des 12. Festivals »Tanz! Heilbronn«. Auf unserer Webseite gibt es weitere Infos und die Tickets.
Canan Erek blickt voller Vorfreude auf das erste von ihr kuratierte Festival »Tanz! Heilbronn«
Seit 2021 ist Canan Erek (*1968 in Istanbul, seit 1987 lebt sie in Deutschland) die neue Kuratorin des Festivals »Tanz! Heilbronn«. Die Tänzerin, Choreografin und engagierte Kulturvermittlerin freut sich darauf, vom 17.-22. Mai 2022, ihr erstes Festivalprogramm zu präsentieren.
Als Tochter aus bildungsbürgerlichem Hause besuchte Canan Erek in ihrer Kindheit und Jugend den klassischen Ballettunterricht in ihrer Heimatstadt Istanbul: »Obwohl ich rein physisch für diese Art von Tanz gar nicht geschaffen war, arbeitete ich hart«, erinnert sie sich an ihre Anfänge. Eines Tages brachte eine Tanzlehrerin eine Videokassette mit zwei legendären Stücken von Pina Bausch mit: »Café Müller« und »Le Sacre du printemps«. Canan, damals 18 Jahre alt, war hingerissen. So kann Tanz also auch aussehen! Sie recherchierte und fand die Folkwang-Hochschule in Essen, in der Pina Bausch den Bereich Tanz leitete. Warum es nicht einfach versuchen! Sie kam nach Deutschland, nahm an einer Audition in Essen teil, wurde genommen und begann 1987 ihre Ausbildung im zeitgenössischen Bühnentanz. »Pina Bausch hat selbst zwar keinen Unterricht gegeben, aber sie kam mehrmals im Jahr, um sich unsere Entwicklung anzuschauen und mit uns über unsere tänzerischen Ausdrucksformen zu reden.« Sie war es auch, die Canan bestärkt hat, nach der Tanz-Ausbildung noch ein Studium der Choreographie dranzuhängen, nachdem sie erste, noch während des Studiums selbstkreierte Stücke der jungen Tänzerin gesehen hatte.
Von Essen ging es ins wilde Ost-Berlin Anfang der 90er-Jahre. Hier studierte sie als erste türkische Studentin an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Choreographie. Die Erfahrungen des Ost-West-Clashs im zusammenwachsenden Berlin fand sie damals zwar spannend, aber auch anstrengend, weil sie sich nirgends zugehörig fühlte, erinnert sich Canan Erek. Ihre künstlerische Heimat wurde ab 1996 das Ballhaus Naunynstraße in Berlin. Ihre Arbeiten wurden in verschiedenen Theatern in Berlin und auf Festivals gezeigt. Als Gastchoreografin arbeitete sie u. a. für die Australian Opera in Sydney, für das Hans Otto Theater in Potsdam und für das Berliner Ensemble. Ein dreijähriges Intermezzo führte sie nach Leipzig als Leiterin des dortigen Tanztheaters. Dann ging sie wieder zurück nach Berlin, um zu tanzen, zu choreografieren und immer mehr nach außergewöhnlichen Ausdrucksformen zu suchen.
Tanz an anderen Orten zu inszenieren, als man ihn erwartet, in Parks etwa oder in Bürgerämtern – eben mitten im öffentlichen Raum, das hat Canan Erek damals schon interessiert. Der besondere Reiz, auf Leute zuzugehen, die sich nicht von vornherein für Tanz begeistern, das fand Canan Erek spannend. Bis heute ist dies ein wichtiges Element ihrer Arbeit, die sich mehr und mehr in den Bereich Kulturvermittlung, Projektmanagement, kulturelle Bildung und Festivalleitung verlagert.
Gerade hat Canan Erek eine deutschlandweite Online-Konferenz geleitet: »Auf dem Sprung zur Sparte? – Tanz für junges Publikum«, war sie überschrieben und ging der Frage nach, ob man ähnlich wie das Junge Theater in Deutschland auch den Jungen Tanz als feste Institution an den Theatern etablieren kann. Canan Erek hat beste Erfahrungen auf diesem Gebiet. Seit 2017 leitet sie »PURPLE – Internationales Tanzfestival für junges Publikum« in Berlin. Sie erlebt immer wieder, dass Kinder und Jugendliche durch ihre natürliche, aktive und offene Haltung ein wunderbares Publikum sind, das man eigentlich für alles begeistern kann. Sie haben es sogar sehr leicht, sich in die abstrakten Formen des Tanzes hinein zu fühlen. Diesen Schwerpunkt will sie auch als neue Kuratorin des Festivals Tanz! Heilbronn stärken. Zwei der sieben eingeladenen Stücke wurden explizit für junges Publikum erarbeitet.
Bei der Auswahl aller Festivalbeiträge ist es Canan Erek wichtig, dass der Funke überspringt und die Zuschauer eine intensive Beziehung zu den Produktionen des zeitgenössischen Tanzes aufbauen können. »Mein Interesse als Künstlerin und Kuratorin gilt zuallererst der kommunikativen Komponente. Wie nimmt ein Stück zum Publikum Kontakt auf, hält die Verbindung und gestaltet einen Dialog?«, fragt sie. Das »Wie« einer ästhetischen Konzeption könne sich mit dem »Was« der inhaltlichen Auseinandersetzung auf vielfältigste Weise verbinden. Für Canan Erek ist es wichtig, dass alle Stücke eine Einladung an das Publikum aussprechen, mit seiner Vorstellungskraft aktiv ins Geschehen einzusteigen und sich auch emotional begeistern zu lassen. So, wie ihr es damals ging, als sie auf einer Videokassette die Stücke von Pina Bausch sah, die so viel Energie in ihr freisetzten, dass sie sich auf den Weg nach Deutschland machte, um es einfach zu versuchen.
Hier gibt es nähere Informationen zu den diesjährigen Programmpunkten von »Tanz! Heilbronn«: